Die Herrschaft der Araber und die Reconquista, also die lange christliche Wiedereroberung, prägten für Jahrhunderte Spanien. Die arabische Eroberung führte zu einer wechselhaften Geschichte mit mannigfaltigen politischen Ereignissen und Umgestaltungen.
Die Arabisierung Spaniens war ein komplexer Vorgang, der in viele Lebensbereiche Einzug hielt. Das islamische Bodenstatut bewirkte zahlreiche agrarwirtschaftliche Veränderungen verbunden mit einer intensiven Nutzung des Bodens bevorzugt als Gartenbaukultur. Zum Aufschwung der Landwirtschaft trug besonders die Einführung neuer Kulturpflanzen in Spanien bei sowie die Verbesserung der Bewässerungsanlagen. In der Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte zu Lederwaren, im Textil- und Teppichgewerbe oder in der Papierherstellung wurden neue Maßstäbe gesetzt.
Neben den großen materiellen Leistungen brachte die Maurenzeit vor allem eine Blüte der Wissenschaften mit sich, was sich in der Förderung der Natur- und Geisteswissenschaften, in der Dichtung und in der Musik niederschlug. Durch die Araber kamen viele Erkenntnisse aus der Medizin, der Astronomie oder der Mathematik nach Spanien. In den Geisteswissenschaften gelang die Übermittlung von antikem Geistesgut und in den Schönen Künsten entstand eine eigene arabo-andalusische Dichtkunst in Form einer ausgeprägten Minnepoesie. Das gut ausgebaute Bildungswesen befand sich auf einem hohen Niveau.
Durch die Überlegenheit der mittelalterlichen hispano-islamischen Kultur wurde die abendländische Kultur- und Geistesgeschichte in der Zeit vor der Renaissance maßgeblich beeinflusst. Es kam in Spanien bzw. auf der gesamten Iberischen Halbinsel zu einem Zusammentreffen der arabischen Kultur mit dem Abendland, was weiter auf ganz Europa ausstrahlte. Das maurische Spanien hat somit wesentlich zur Verklammerung von Orient und Okzident beigetragen und für Europa wichtige geistige, wissenschaftliche und technische Impulse gesetzt.
Inhaltsverzeichnis
1. Historischer Abriss
1.1 Die Araberherrschaft in Spanien
1.2 Die Reconquista
2. Einflüsse der Arabisierung auf Spanien und Europa
2.1 Ausbau der Landwirtschaft
2.1.1 Bodenstatut und Bodenpolitik
2.1.2 Einführung neuer Kulturpflanzen
2.1.3 Agrarisches Spezialgewerbe
2.1.4 Verbesserung der Bewässerungsanlagen und der Grundwassergewinnung
2.2 Natur- und Geisteswissenschaften und ihre Bedeutung für
das europäische Abendland
2.2.1 Voraussetzungen für die maurischen Kulturleistungen
2.2.2 Naturwissenschaften
2.2.3 Geisteswissenschaften
3. Literaturangaben
1. Historischer Abriss
1.1 Die Araberherrschaft in Spanien
Nachdem sich das arabische Reich im Osten ausgedehnt und etabliert hatte, wandte es sich der Eroberung Nordwestafrikas und des Magrebs (670-699) zu und unterwarf dort die Berber. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts griffen die Araber mit Hilfe der Berber auf das Gebiet der Iberischen Halbinsel (ehemaliges Hispanien, heutiges Spanien und Portugal) über. Im Frühjahr 711 sandte Musa, seit 700 Umayyaden-Gouverneur von Nordafrika, seinen Feldherrn, den Berber Tariq mit etwa 12.000 Mann über die Meerenge. Die Landungsstelle wird nach ihm Berg des Tariq – Gibraltar – genannt. Am 9. Juli 711 kam es am Río Guadelete zur Schlacht gegen die Westgoten Spaniens. Die zahlenmäßig weit überlegenen Westgoten unter ihrem König Roderich wurden vernichtend geschlagen, wozu auch die Mithilfe einer inneren Oppositionspartei der Westgoten verhalf.[1]
Tariq nutzte die politischen Wirren des Landes und zog gegen die Hauptstadt des Westgotenreichs, Toledo, die er mühelos einnahm. Wenig später stieß Musa über eine westlichere Route ebenfalls nach Toledo vor, wo sich beide Heere vereinigten und weiter gegen Norden zogen. Im Jahr 716 war praktisch ganz Spanien erobert, nur ein paar kleinere Gebirgsgegenden im Norden hatten die Araber nicht besetzen können.
Das Land, die großen Städte, auch die Hauptstadt Toledo, mit Ausnahme von Mérida, kapitulierten ohne größeren militärischen Widerstand. Das für mittelalterliche Kriegsführung einmalig schnelle und erfolgreiche Unternehmen der arabischen Eroberung hatte seine wahren Gründe in der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zerrüttung des Westgotenreichs. Bei der Übernahme der Städte garantierten die Moslems zu Anfang weitgehend die geltende Rechtsordnung und Religionsfreiheit. Sie ersetzten lediglich die westgotische Zentralregierung und schöpften die wirtschaftlichen Überschüsse der Bevölkerung ab.
Die weitere Expansion nach Norden über die Pyrenäen wurde durch Karl Martell bei Tours und Poitiers 732 gestoppt. Es handelte sich aber ohnehin eher um arabische Beutezüge ins Frankenreich als um systematische Eroberungsfeldzüge. Denn die arabische Bewegung hatte durch Bevölkerungsmangel, durch innere Zwiespälte und durch den erbitterten Widerstand der Bergstämme ihren Stillstand erreicht.
Die ersten Jahrzehnte der Araberherrschaft (716-755) auf der Iberischen Halbinsel waren gekennzeichnet durch arabische Stammesfehden und innenpolitisches Chaos; die der Zentrale in Damaskus unterstellten Gou-verneure wechselten häufig.
Der entscheidende Wandel vollzog sich Mitte des 8. Jahrhunderts, als die Umayyaden-Dynastie von Damaskus durch die Abbasiden gestürzt wurde, die ihre Hauptstadt in Bagdad aufschlugen. Nur ein einziger Umayyade überlebte das Blutbad, Abd ar-Rahman I. (731-788), der unter abenteuerlichen Umständen nach Hispanien flüchten konnte. Abd ar-Rahman I. konnte 756 dort die politischen Gegensätze geschickt nutzen und die Herrschaft übernehmen, indem er das unabhängige Emirat von Córdoba gründete. Damit wurde für fast drei Jahrhunderte die Umayyadenherrschaft in Hispanien etabliert (756-1031). Das Arabertum konnte innen- und außenpolitisch einen starken Einheitsstaat aufbauen und die islamische Kultur zur Blüte bringen. Besonders unter Abd ar-Rahman III. (891-961) wurde der kulturelle Höhepunkt erreicht.
Doch zu Beginn des 11. Jahrhunderts wurde die einst so zentrale Macht des Kalifen von Córdoba und des Staats der Umayyaden durch innere Dynastiekämpfe sowie durch den äußeren Druck der Reconquista immer schwächer. 1031 zerfiel der Umayyadenstaat in viele Teilkönigreiche, die so genannten Taifas. Diese Zeit dauerte von 1031 bis 1091 an. Die 28 kleinen Provinz- und Stadtstaaten, die durch die verschiedenen Dynastiekämpfen uneinig waren, konnten dem sich formierenden Druck der Reconquista nicht standhalten. Nach der Einnahme von Toledo 1085 durch Alfons VI. sahen sich die Taifas gezwungen, die Hilfe der Almoraviden aus Nordafrika anzurufen.
Die Almoraviden (1091-1145) konnten die vordringenden Christen aufhalten und teilweise sogar zurückdrängen. Den Streitigkeiten der Taifas
überdrüssig rissen sie die Macht in Al-Andalus an sich. Durch den asketischen Fanatismus endete nun auch auf muslimischer Seite die Jahrhunderte lange Toleranz. Zugleich begann jedoch die eigentliche maurische Kultur, also die arabisch-berberische Mischkultur des islamischen Westens.
Die Almoraviden, die in der Kürze ihrer Regierungszeit sich nicht wesentlich entfalten konnten, waren nur Vorläufer und Wegbereiter für die Almohaden (1147-1236). Die Almohaden waren eine Berberbewegung aus dem Hohen Atlas, welche die spanisch-maurische Kultur weiter ausbauen konnten. Sowohl die Almoraviden als auch die Almohaden stammten aus dem Gebiet des heutigen Marokko. Der große Gegner der Almohaden war Alfons VIII. von Kastilien, der nach verschiedenen Niederlagen, besonders bei Alarcos 1195, schließlich am 16. Juli 1212 bei Navas de Tolosa (Provinz Jaén) den entscheidenden Sieg für die Christen herbeiführen konnte. Córdoba fiel daraufhin 1236, Valencia 1238 und Sevilla 1248. So war die Reconquista Mitte des 13. Jahrhunderts weitestgehend abgeschlossen.
Nur ein einziges Taifa, das Königreich des Nasridendynastie von Granada, konnte sich als letzte Bastion des Arabertums bis 1492 halten und noch einmal die hohe Blüte maurischer Kultur und mit dem Bau der Alhambra eine glänzende Bautätigkeit entfalten.
1.2 Die Reconquista
Da die wichtigsten Entwicklungstendenzen bereits genannt sind, geht es hier darum, die christliche Wiedereroberung im groben Überblick zusammenzufassen.
Erste Phase (722 bis 1085): Nördliche Meseta
Von Beginn der Araberherrschaft an gab es eine Widerstandsbewegung, die Reconquista, die schließlich in einem Jahrhunderte langen, zähen Ringen das Land für die Christen zurück gewann. Ausgangspunkt des Widerstands waren die kantabrisch-asturischen Berge. Diesen gebirgigen und schwer zugänglichen Teil Nordspaniens hatten die Araber – ähnlich wie früher die Römer – nie vollständig unterwerfen können. Unter Pelagius, einem westgotischen Adeligen, bildete sich in den asturischen Bergen eine Widerstandsbewegung, die im Jahr 722 bei Covadonga einen beachtlichen militärischen Erfolg gegen die Araber erzielte. Bis 750 wurden die Araber aus dem nördlichen Saum Spaniens verdrängt. Galicien, Asturien und Kantabrien wurden entsetzt. Auch die Basken im Westen der Pyrenäen konnten ihre Unabhängigkeit verteidigen und ebenfalls die Grafen von Aragón in den mittleren Pyrenäen. Im östlichen Pyrenäenraum schoben sich dagegen die fränkischen Könige als Grenzregion des Karolingerreichs vor. Die dabei entstandene „Spanische Mark“ spielte für später aber keine entscheidende Rolle.
Durch die starke Stellung von Abd ar-Rahman I. kam nach 750 die christliche Rückeroberung der Asturer zunächst zum Erliegen. Der König von Asturien, Ordoño I. (850-866), war es schließlich, der die Rückeroberung des Landes wirklich organisierte. Unter ihm wurden Städte wieder aufgebaut und besiedelt. Außerdem wurde auf der Höhe des Duero, der für lange Zeit die Grenze zwischen christlichem und muslimischem Spanien bildete, das Land mit Burgen ausgebaut. Wegen dieser castillos hieß das Kerngebiet Spaniens bald Kastilien.
Erst in der Zeit der Taifas (1031-1091) und im Zusammenhang mit der Festigung des christlichen Spaniens konnte die Reconquista weiter gehen. Einige arabische Könige wurden tributpflichtige Vasallen von Fernando I., der von 1035 bis 1065 Herrscher eines starken Kastiliens war. Die Reconquista schob sich südlich des Duero vor. Einen ersten größeren Durchbruch konnte Alfons VI. von Kastilien während seiner Regierungszeit von 1072 bis 1109 erreichen, der die Schwäche der Taifas ausnutzte und Toledo im Jahr 1085 zurückerobern konnte. Wichtig zu bemerken ist, dass die Reconquista sich bis zum 11. Jahrhundert durch politische und religiöse Toleranz auszeichnete.
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[1] Die Herrschaft der Araber, die maurische Epoche sowie andererseits die Reconquista, also die zähe, christliche Wiedereroberung, waren jahrhundertelang für Spanien prägend. Die beiden Spanien, das muslimische und das christliche Spanien, lebten nicht isoliert nebeneinander. Aus methodischen Gründen ist eine derartige Trennung bei der Darstellung des historischen Abrisses jedoch sinnvoll.
- Arbeit zitieren
- Dr., M.A. Roland Engelhart (Autor:in), 2013, Die Arabisierung Spaniens (711 bis 1492) und die materiell-geistigen Einflüsse der maurischen Kultur auf Spanien und Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210056