Vicarius Christi? Die Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht in Europa von Konstantin bis zum Wormser Konkordat


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rom und Konstantinopel in der Spätantike
2.1. Vom gottgleichen Kaiser zum Stellvertreter des einen Gottes
2.2. Die neue Hauptstadt: Trennung von weltlicher und geistlicher Autorität
2.3. Der Kaiser als problhma qeou - Vicarius Christi
2.4. Der Patriarch von Konstantinopel: „Hofkaplan“ des Kaisers

3. Die Herrschaftsauffassung im Westen des Reiches
3.1. Der Vorrang des Hauptstadtbischofs und die Denker des Westens
3.2. Das Herrschaftsvakuum in Rom – Leo I. und die neuen Aufgaben
3.3. Gelasius und die Zweigewaltenlehre
3.4. Die Entfremdung und der Bruch zwischen Ost- und Westrom

4. Das abendländische Imperium
4.1. Karls Weg zu Kaiserwürde – translatio imperii?
4.2. Politisch schwach und taktisch klug: Leo III.
4.3. Die folgenreiche Krönung
4.4. Karls Nachfolge

5. Reichskirche und Investiturstreit
5.1. Otto I. und die Idee der Reichskirche
5.2. Reformpapsttum contra Reichskirche

6. „Vicarius Christi?“ – Eine Zusammenfassung

Bibliographie

1. Einleitung

Die Darstellung Christi als Pantokrator übersetzt das theozentrische Denken des Mittelalters in ein Bild: Christus ist der Allherrscher, von dem alle Macht der Welt und des Universums ausgeht. Die höchste vorstellbare Legitimation vermochte ein Herrscher für sich geltend zu machen, wenn er sich als der Stellvertreter Christi bezeichnen konnte. Damit war er der unanfechtbare Mittler aller Macht auf Erden. Sowohl die Kaiser in Ost und West als auch die Päpste sahen sich als berechtigte Inhaber des Titels Vicarius Christi. Zwangsläufig musste das zu Spannungen, Verwerfungen und Brüchen zwischen diesen Parteien führen.

Am 23. September 1122 wurde das Pactum Calixtinum sive Henricianum, das sogenannte Wormser Konkordat, zwischen päpstlicher und kaiserlicher Partei ausgetauscht. Nicht zu Unrecht wird dieser Kompromiss am Ende des Investiturstreites als Niederlage des Kaisers interpretiert und es brauchte in Folge mehrere Jahrzehnte, bis sich die Kommunikation zwischen beiden Seiten diesbezüglich auch nur annähernd normalisierte.

Doch nicht erst seit Gregor VII. gab es Konflikte um Macht und Autorität „von Gottes Gnaden“ in Europa. Die Auseinandersetzung, die Anfang des 12. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht hatte, kann in ihren Grundzügen bis zu Kaiser Konstantin zurückverfolgt werden.

Die Regelung der Investitur kirchlicher Würdenträger im Wormser Konkordat war nur die vordergründige Aussage des Paktes, viel schwerer wog der Verlust der sakralen Aura, die bis dahin die weltlichen Herrscher umgab. Diese nährte sich von einem Amalgam aus der byzantinischen Kaiseridee und den Relikten des germanischen Herrscherethos, der die Mächtigen mit den alten Göttern und Helden verband.

Die Verhältnisse nach 1122 sollten bis weit in die Neuzeit bestimmend bleiben. Ein Zitat aus Verdis Oper Don Carlo pointiert und kommentiert gleichzeitig: seine Begegnung mit dem Großinquisitor resümiert Phillip II. mit den Worten: „Der Stolz des Königs vergeht vor dem Stolz des Priesters.“[1]

Diese Arbeit soll die wesentlichen Stationen der Auseinandersetzung zwischen staatlicher und kirchlicher Macht, angefangen von der Rolle Konstantins bis zur Indienstnahme der Reichskirche unter Otto I. und den daraus entstandenen Konflikt nachzeichnen und Unterschiede und Parallelen in der Entwicklung in Ost und West verdeutlichen. Dabei sind u.a. Konstantin, Augustinus, Leo I., Gelasius und Justinian I., Karl der Große und Leo III., sowie schließlich Otto I. wichtige Stationen.

In einem Ausblick wird die Entwicklung nach dem Wormser Konkordat skizziert, in der sich Könige und Kaiser auch ohne päpstlichen Segen eine sakrale Aura zu verschaffen wussten und so ihre Macht als gottgegeben demonstrieren konnten.

2. Rom und Konstantinopel in der Spätantike

2.1. Vom gottgleichen Kaiser zum Stellvertreter des einen Gottes

Auffällig einheitlich fällt das Ergebnis aus, wenn nach der sakralen Aura der Machthaber in den verschiedenen Regionen und Epochen der antiken Welt gefragt wird. Dem König oder Stammesführer wurde nahezu immer eine unmittelbare Verbindung zur Götterwelt attestiert, wenn er nicht sogar selbst als Inkarnation eines Gottes gesehen wurde und somit ein „Göttersohn“ war.[2] Schon Caesar beanspruchte den Titel des römischen Oberpriesters, Pontifex Maximus, und seine Nachfolger forderten zudem Huldigungen, die einem Gott gebührten. Der römische Kaiser war somit zwar nur einer von vielen Göttern, denen im Reich Verehrung entgegengebracht wurde, doch war er gleichzeitig auch die konkreteste Manifestation des Göttlichen in der Welt.

Die Christen lehnten diese Anmaßung vehement ab, wofür nicht wenige von ihnen, bis hinein in die ersten Jahre des 4. Jahrhunderts, als Hochverräter grausam zu Tode kamen.

Dementsprechend groß war die Begeisterung für Konstantin I. (270-337), der 313 den Bürgern seines Reiches die freie Ausübung ihrer Religion zuerkannte,[3] was de facto das Christentum als Religion legitimierte. Er wurde von den Christen als sothr (Retter) gefeiert und bekam Ehrentitel, die ihn als „apostelgleich“, ja als „13. Apostel“ bezeichneten.[4] Gleichzeitig behielt er aber den heidnischen Titel eines Pontifex Maximus bei. Schon unter ihm vollzog sich der Wandel vom Gottkaiser im Pantheon der vielen Gottheiten hin zum Herrscher von Gottesgnaden, zum Schutzherrn der Christenheit und auch zum Stellvertreter Gottes auf Erden.[5] Der Wandel vom heidnischen zum christlichen Glauben verlief demnach nicht nur ikonographisch sehr homogen, wie sich z.B. an zeitgenössischen Münzen zeigen lässt. Zeitlich parallel finden sich Prägungen, auf denen Konstantin den Lorbeerkranz von der geflügelten Gottheit Victoria verliehen bekommt und das Medaillon, auf dem er ihn von göttlicher Hand aus den Wolken überreicht bekommt.[6] Er ist „a deo coronatus“,[7] egal aus welcher Sicht.

2.2. Die neue Hauptstadt: Trennung von weltlicher und geistlicher Autorität

Ein anderer Wandel, der durch das Christentum begünstigt wurde, vollzog sich durch die Gründung Konstantinopels und den Machttransfer von Rom in die neue Hauptstadt des Reiches. Profitierte Konstantin letztlich durch die Legalisierung des christlichen Glaubens, weil er nicht mehr einer unter vielen Göttern, sondern der Stellvertreter des einen, christlichen Gottes wurde, so half ihm der neue Glaube an einen Gott, der nicht an einen Ort gebunden ist, auch zur Verlegung der Metropole. „Der neue Gott, der Kaiser und Reich beschützen sollte, wohnte nicht auf dem Kapitol und nicht auf dem Olymp.“ Rom war nicht mehr länger unangefochtener Kulminationspunkt von Macht und Religion. Bereits Konstantins Vorgänger „Konstantius I. und Galerius haben Rom nie betreten, Julian, Valentinian und Valens haben die Stadt während ihrer Regierungszeit, wahrscheinlich sogar während ihres ganzen Lebens, nie gesehen“. Rom wurde von den anderen Kaisern aufgesucht, um sich in die Tradition zu stellen. Es war zwar schon lange keine Tradition des politischen Einflusses mehr, aber „Rom (war) der geheiligte Hort der Tradition, zu dem sich alle Kaiser beriefen: Das Erbe, das von dieser Stadt über die Jahrhunderte römischer Reichsgeschichte weitervermittelt wurde, verpflichtete sie, die an der domina Roma statt regierten.“[8] Konstantin vollzog mit der Gründung seiner Stadt am Bosporus bereits eine faktische Trennung von praktisch-politischer und traditionell-religiöser Macht und begründete damit die große Diskrepanz, die zwischen östlicher und westlicher Herrschaftsauffassung seither herrschte.

Er war sich seiner Macht und Würde über Staat und Religion als Herrscher über alle romoi bewusst.[9] Als solcher berief er sich auf die Tradition Roms. Die Tradition – besonders die apostolische Tradition – die ein interessantes Kontinuum zur vorchristlichen Bedeutung der Stadt darstellt, verblieb in Rom. Mit der Verlegung der Hauptstadt übergab er damit wohl ungewollt dem Bischof Roms zumindest die religiöse Herrschaft – die Herrschaft aufgrund der Tradition.

2.3. Der Kaiser als problhma qeou - Vicarius Christi

Die großen Konflikte zwischen imperium und sacerdotium der folgenden Jahrhunderte sind in der Herrschergestalt Konstantins grundgelegt. Die Verlegung des Machtzentrums nach Konstantinopel und die Rolle des Kaisers, der das Christentum legitimierte und darum selbst in seiner Herrscherrolle als von Gott gesandt wahrgenommen wurde, bestimmten die unterschiedliche Entwicklung in Ost und West. Dem byzantinischen Kaiser wurde eine mystische Verbindung mit Gott attestiert, der ihn durch die Beauftragung mit der Herrschaft aus dem Menschengeschlecht herausgehoben hat.[10] Den auf Konstantin folgenden Kaisern wurden zum Erbe der konstantinischen Titel noch weitere zuteil. Infolge bekam der Kaiser „in Zurufen des Volkes nahezu göttliche Ehren“. „Er war euergethς, der ewige Sieger u. Triumphator, Hüter der Gerechtigkeit u. des Friedens in der Welt“,[11] der die Kirche aufgerichtet hat und „Lehrer des Glaubens“[12] ist. Sogar die Anrede arciereuς ist bezeugt[13] und alle Dinge seines persönlichen Gebrauchs, sogar der Palast waren qeia - dem Göttlichen zugehörig. Die Konzilsakten von Chalzedon (451) nennen den Herrscher „Priester und Kaiser“ und iereuς. Der byzantinische Kaiser vereinigte in sich Staat und Kirche, er bestellte die Bischöfe in seinem Reich und auch den Patriarchen von Konstantinopel, der seinem Hof zugehörte. Er war der Stellvertreter Gottes auf Erden - problhma qeou[14] - der sich seinen Thron mit Christus teilte.[15]

Eine aufschlussreiche und vielsagende Besonderheit war, dass eine Herrschersalbung in Konstantinopel nicht vorkam. Dem Kaiser wurde seine Sakralität nicht von einem Kleriker übertragen, sondern er wurde durch die Übertragung der Herrschaft von Gott selbst in eine besondere Aura gehoben.[16] Eine weitere Besonderheit ist, dass er es war, der die Konzilien einberief und durch seine Unterschrift unter die Kanones diesen Gültigkeit verlieh und sie damit sogar zu Reichsgesetzen werden ließ.

2.4. Der Patriarch von Konstantinopel: „Hofkaplan“ des Kaisers

Das Krönungs- und Schilderhebungszeremoniell sah lange Zeit keine besondere Rolle für den Patriarchen vor. Der Kaiser wurde von einem angesehenen Bürger gekrönt,[17] eine Rolle die seit der Mitte des 5. Jahrhunderts immer öfter dem Patriarchen als angesehensten Bürger übertragen wurde.[18] Die Bedeutung des Patriarchen leitete sich von seiner Stellung am Kaiserhof ab. Erst nachdem Justinian I. (ca. 482-565) eine Restauration der konstantinischen Kaiseridee durchsetzte[19] und mehr als seine Vorgänger die kaiserliche Macht und Würde als ein unmittelbar von Gott (ek qeu) gegebenes Charisma definierte,[20] wuchs das Selbstbewusstsein der Patriarchen Konstantinopels gegenüber den anderen Patriarchen der Christenheit. Das Konzil von Chalcedon hat 451 den Erzbischofsstuhl von Konstantinopel erst zum Patriachat erhoben und den Vorrang Roms in Frage gestellt.[21] Patriarch Johannes IV. (Patriarch von 582 bis 595) legte sich den Titel des Ökumenischen Patriarchen zu, womit er Papst Gregor I. (ca. 540 -604) provozierte, der in Folge dessen das „servus servorum dei“ in seine Titulatur aufgenommen hat, sich in seiner Politik aber vehement gegen eine Beschneidung seines Vorranges in der Christenheit wandte.

3. Die Herrschaftsauffassung im Westen des Reiches

3.1. Der Vorrang des Hauptstadtbischofs und die Denker des Westens

Demgegenüber bildete das Selbstverständnis der Päpste schon sehr früh einen Gegenpol zur universalen Herrschaftsauffassung des byzantinischen Kaisers. Spätestens im 2. Jahrhundert konnte sich Rom als die angesehenste Gemeinde in der Christenheit etablieren, der eine besondere Autorität zugestanden wurde.[22] In den Formulierungen der nordafrikanischen Patristik, vor allem in den von Cyprian von Karthago (+258) geprägten Begriffen der Cathedra und des Primatus Petri, zeigt sich bereits in der vorkonstantinischen Zeit die Sonderstellung des römischen Bischofs.[23]

[...]


[1] Guiseppe Verdi: Oper Don Carlo. Vierter Akt, zweite Szene. Deutsches Libretto der Fassung von 1867. Italienisches Originalversion: “Dunque il trono piegar dovrà sempre all´altare!”

[2] Karayannopulos, Ioannes: Der frühbyzantinische Kaiser. In: Hunger, Herbert (Hrsg.): Das byzantinische Herrscherbild. Darmstadt 1975, S. 238

Noch heute lebt der Mythos der göttlichen Abstammung des Adels zumindest in unserer Sprache fort. So wird, wenn natürlich auch nur metaphorisch, z.B. vom „blauen Blut“ gesprochen. Der Erfolg von Dan Browns Roman „Sakrileg“ hängt eben mit diesem Bild zusammen, in dem königlich-göttliches Blut, das „sang real“ – eben der Gral – durch die Familie weitergegeben wird. Der blaue Stein Lapislazuli ist in der Mythologie nichts anderes als das zu Stein gewordene Blut der Götter, was diesen Stein wiederum zum Stein der Könige machte und somit auch in mancher Hinsicht sogar zu einer Reliquie.

[3] Sog. Mailänder Edikt. Sieh dazu: Girardet, Klaus M.: Die Konstantinische Wende. Darmstadt 2007²

[4] Bréhier, Louis: IEREUS KAI BASILEUS. In: Hunger Herbert. S. 86

[5] Vgl.: Enßlin, Wilhelm: Gottkaiser und Kaiser von Gottes Gnaden. In: Hunger, Herbert. S. 54-85

Siehe auch: Wyrwoll, Nikolaus: Politischer oder petrinischer Primat? Zwei Zeugnisse zur Primatsauffassung im 9. Jahrhundert. Freiburg (CH) 2010, S. 35f

[6] Solidus mit Victoria: Staatliche Museen zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz: Münzkabinett, Objektnummer 18229077. http://www.smb.museum/ikmk/object.php?id=18229077 (6. Juli 2012)

Medaillon Konstantins, bekrönt durch die Hand Gottes: Kunsthistorisches Museum Wien: Münzkabinett, Inventarnummer MK_RO32480. http://www.khm.at/sammlungen/muenzkabinett/ausgesuchte-meisterwerke/ (6. Juli 2012). Eine ähnlich erstaunliche Flexibilität in der Ikonographie des Übergangs zeigte die Ausstellung „Treasures of Heaven“ des British Museums 2011 anhand der Bodenbilder zweier Gläser, die jeweils Ehepaare mit ihrer Schutzgottheit darstellen. Einmal schwebt Hermes zwischen einem Paar und beim nebenstehenden Glas ersetzt das Christusmonogramm die heidnische Gottheit. Vgl.: Bagnoli, Martina: Treasures of Heaven. Saints, Relics, and Devotion in Medieval Europe. Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung. London 2011, S. 35

Wie deckungsgleich die äußere Erscheinungsform der kaiserlichen Ikonographie vor und nach der Christianisierung war, verdeutlicht Enßlin mit dem Hinweis, dass Konstantin und seine Nachfolger den Nimbus auch nach wie vor als „Markenzeichen für die kaiserliche Majestät“ benutzten. Enßlin, Wilhelm: Gottkaiser und Kaiser von Gottes Gnaden. In: Hunger, Herbert. S. 73

[7] Enßlin, Wilhelm: Gottkaiser und Kaiser von Gottes Gnaden. S. 56

[8] Straub, Johannes A.: Vom Herrscherideal in der Spätantike. Stuttgart 1964, S. 175

[9] Zur Herrscherauffassung Kaiser Konstantins: Enßlin, Wilhelm: Gottkaiser und Kaiser von Gottes Gnaden. In: Hunger, Herbert. S. 54-85. Hier besonders S. 61

[10] Im byzantinischen Hofzeremoniell finden sich einige ehemals heidnische Rudimente. Zur Diskussion siehe: Treitinger, Otto: Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell. Vom oströmischen Staats- und Reichsgedanken. Darmstadt 1969, z.B. S. 49.

Karayannopulos, Ioannes: Konstantin der Große und der Kaiserkult. In: Hunger, Herbert. S. 109-132

Vogelstein, Max: Kaiseridee – Romidee und das Verhältnis von Staat und Kirche seit Constantin. In: Kornemann, Ernst (Hrsg.): Historische Untersuchungen. 7. Heft. Breslau 1930, S. 3

[11] Dölger, Franz Joseph: Kaiser. II. Byzantinisches Kaisertum. In: Höfer, Josef u.a. (Hrsg.): LThK 2, Bd. 5. Freiburg 1960, Sp. 1245f

[12] Michel, Anton: Die Kaisermacht in der Ostkirche. Darmstadt 1959, S. 5

[13] Vgl.: Treitinger, Otto: Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell. Vom oströmischen Staats- und Reichsgedanken. Darmstadt 1969, S. 124-146

[14] problema wird hier als Ausdruck des „sich vor jemanden Stellen“ verwendet. Der Kaiser ist dabei sowohl „abwehrendes Bollwerk“ als auch Mittler. Näher als in seiner Person kann der Mensch in der Welt Gott nicht kommen. Somit sieht er sich als der Stellvertreter Gottes. A.d.V.

[15] Das kaiserliche Hofzeremoniell sah vor, dass sich der Kaiser an Werktagen auf die rechte Seite des Thrones setzte, während er diesen Platz an Sonn- und Feiertagen für Christus freiließ. Vgl.: Treitinger, Otto: Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell. Darmstadt 1969, S.32

[16] Zur Diskussion über die Herrschersalbung in Byzanz siehe: Ostrogorsky, Georg: Zur Kaisersalbung und Schilderhöhung im spätantiken Krönungszeremoniell. In: Hunger, Herbert. S. 95

Siehe auch: Michel, Anton: Die Kaisermacht in der Ostkirche (843-1204). Darmstadt 1959, S. 10

Für eine Herrschersalbung im Byzanz des 1. Jahrtausends spricht sich z.B.: Diosi, David: Die mittelalterliche Kaiser-/Königssalbung als „Sakrament“. Das Aufkommen der Königsalbung im Abendland. In: Studia Universitätis Babes-Bolyai Theologia Catholica Latina, XLVII, 1, 2002. Auf: http://rocateo.ubbcluj.ro/studia/st_Diosi_2002.pdf (13.12.2011. Überprüft 06.03.2012)

Die erste bezeugte Salbung eines byzantinischen Kaisers (Basilios I.) fand 866 statt. Vgl. Sickel, Wilhelm: Das byzantinische Krönungsrecht. Byz. Zeitschrift VII, 1898, S. 524

Lilie, Ralph-Johannes: Krönung ohne Salbung. Zum Kaiserbild in Byzanz. In: Puhle, Matthias (Hrsg.): Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter. Ausstellungskatalog zur Landesausstellung Sachsen-Anhalt. Regensburg 2012, S. 321-327

[17] Die Krönung wurde im Zusammenhang mit dem Pfingstereignis gedeutet und die Krone gleichgesetzt mit der Flamme des Heiligen Geistes, die auf den Kaiser herabkommt. Darum wurde die Krone des Kaisers auch am Pfingstfest geweiht. Vgl.: Treitinger, Otto: Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell. Darmstadt 1969, S. 37

[18] Vgl.: Dölger, Franz Joseph: Kaiser. II. Byzantinisches Kaisertum. In: Höfer, Josef u.a. (Hrsg.): LThK 2. Bd. 5. Freiburg 1960, Sp. 1245f

Das Konzil von Chalcedon erhob 451 den Erzbischofstuhl von Konstantinopel durch den Canon 28 zum Patriarchat. 457 krönte Anatolios (+458), der maßgeblich an Canon 28 beteiligt war, als erster Patriarch einen byzantinischen Kaiser (Leo I). Vgl.: Wyrwoll, Nikolaus: Politischer oder petrinischer Primat? Zwei Zeugnisse zur Primatsauffassung im 9. Jahrhundert. Freiburg (CH) 2010

[19] Wird Justinian oft als der Kaiser am Übergang der Antike zum eigentlich byzantinischen Kaisertum gesehen, so ist die Festigung der kaiserlichen Autorität und die Zentrierung der Macht auf ihn doch sehr am Vorbild Konstantins orientiert. Seine Neuordnung des Reiches, die sich z.B. in der Vereinheitlichung des Rechtes im Corpus Iuris Civilis zeigt, ist als Übergang in eine neue Phase des Reichs zu sehen. Das Bewusstsein aus dem heraus er jedoch dazu fähig war, schöpft er aus der Inspiration durch das Herrscherideal Kaiser Konstantins. Bewusst wird von ihm das alte heidnische Zeremoniell beibehalten und strickt christologisch umgedeutet. Er sieht sich als Weltherrscher und Stellvertreter des Pantokrators (Christus, der Allherrscher). Vieles in der Ikonographie und vor allem der (Kirchen-)Baupolitik stellt einen eindeutigen Bezug zu Konstantin her. Vgl.: Wirth, Gerhard: Kaiser, Kaisertum (Ktm). II. Byzantinisches Kaisertum. In: LThK 3. Bd. 5. Freiburg 2006, Sp. 1132f. Siehe auch: Hunger, Herbert: Kaiser Justinian I. (527-565). In: Ders. S. 333-352

[20] Schreiner, Peter: Regnum u. Sacerdotium. In: Kasper, Walter u.a. (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche (LThK 3). Bd. 8, Freiburg 2009, Sp. 974.

Das Begriffspaar Regnum – Sacerdotium/basileia - ierosunh wurde von Justinian I. geprägt, um die Beziehungen zwischen Kaiser und Kirche zu beschreiben.

[21] Dieser Vorrang wurde erst 381 auf dem Konzil von Konstantinopel festgestellt. Gegen die Nivellierung durch das Chalcedoniense legte Papst Leo der Große heftigen Protest ein und ratifizierte die Dekrete erst nicht.

[22] Zur Stellung des römischen Bischofs in der Antike: Minnerath, Roland: Die Lehrüberlieferung über den Primat des Petrus im ersten Jahrtausend. In: Müller, Gerhard Ludwig (Hrsg.): Der Primat des Nachfolgers Petri im Geheimnis der Kirche. Studien der Kongregation für die Glaubenslehre. In: Ders.: Römische Texte und Studien. Bd. 4. Würzburg 2010, S. 51-75, hier S. 51-56

Schon der Brief an die Römer zeigt, welche Bedeutung Paulus dieser „Hauptstadt-Gemeinde“ zuschreibt und wie er um Anerkennung durch dieselbe wirbt. A.d.V.

[23] Cyprianus: Epistula 59. In: Diercks, G.F. (Hrsg.): Corpus Christianorum. Series Latina III c.: Sancti Cypriani Episcopi Opera. Pars III,2. Brepols 1996, S. 361

Vgl.: Knabe, Lotte: Die gelasianische Zweigewaltentheorie bis zum Ende des Investiturstreits. In: Ebering, Emil (Hrsg.): Historische Studien. Heft 292. Berlin 1936, S. 7f

Siehe auch: Ernst, Johann: Cyprian und das Papsttum. Mainz 1912, S. 41f

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Vicarius Christi? Die Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht in Europa von Konstantin bis zum Wormser Konkordat
Hochschule
Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main
Veranstaltung
Diskussion laufender mediävistischer Arbeiten
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
24
Katalognummer
V210335
ISBN (eBook)
9783656385851
ISBN (Buch)
9783656386698
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Hauptteil der Arbeit endet mit der Niederlage des Kaisers im Streit um das Gottesgnadentum. Mit dem Wormser Konkordat verlor die weltliche Macht ihre sakrale Aura. Im Schlusskapitel wird die staufische Sakralisierungspolitik behandelt, die dem Reich z.B. mit Hilfe der Heiligsprechung Karls des Großen und der Translation der Reliquien der Heiligen Drei Könige nach Köln ein vom Papst unabhängiges, sakrales Niveau verleiht. Durch diese Politk angeregt brachte Ludwig IX. von Frankreich mit der Erwerbung der Dornenkrone Christi u. dem Bau der Sainte Chepelle diese Entwicklung auf ihren Zenit.
Schlagworte
vicarius, christi, auseinandersetzung, macht, europa, konstantin, wormser, konkordat
Arbeit zitieren
dipl. theol. Ralf Gührer (Autor:in), 2013, Vicarius Christi? Die Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht in Europa von Konstantin bis zum Wormser Konkordat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210335

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