Die geistige Verwandtschaft von Erziehung und Aufklärung bei Immanuel Kant


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


I. Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Exkurs: Die Epoche der Aufklärung

3. Das anthropologische Verständnis Kants
3.1 Die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen
3.2 Erziehung als Kunst

4. Die vier Stufen der Erziehung: Auf dem Wege zur Moralität
4.1 Die Stufe der Disziplinierung
4.2 Die Stufe der Kultivierung
4.3 Die Stufe der Zivilisierung
4.4 Die Stufe der Moralisierung

5. Die Kant’schen Begrifflichkeiten: Moralität und (praktische) Vernunft

6. Erziehung und Aufklärung: Verbundenheit im Geiste

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

„Sapere aude! - Habe Mut dich deines Verstandes zu bedienen!“, so der bekannte Wahlspruch der Aufklärungsepoche, der von dem Philosophen Immanuel Kant in die Welt getragen wurde und bis in die heutige Zeit Anklang findet.1 Der Zeitgeist des späten 18. Jahrhunderts prägte vor allem auch den damaligen öffentlichen Diskurs nachhaltig. Viele Philosophen dieser Aufklärungsepoche, wie auch Immanuel Kant, gingen von einem stetigen Fortschritt der Gesellschaft in puncto Politik, Ökonomie und vor allem auch Moral aus.2 Immanuel Kant hat in diesem Sinne zu seinen Lebzeiten die sozialen Strukturen kritisch hinterfragt und in seinen vielen Schriften, denen dieser „lebendige anthropologische Optimismus“ innewohnt, der Welt kundgetan.3 Ein sozialer Bereich, dem zu seiner Zeit - nicht ohnehin aufgrund dieses Optimismus - viel Beachtung zu Teil wurde und der somit auch Eingang in Kants Werke fand, ist die Pädagogik.4 Die Idee der Erziehung, die letztendlich zwar kein Garant für eine moralische Entwicklung ist, jedoch ohne sie eine Moralisierung gänzlich unmöglich wäre, versucht Kant in sein gesamtphilosophisches Gesellschaftsverständnis einzuweben und somit zu klären was die Pädagogik demnach leisten kann und bewirken soll.5 Man könnte dennoch die These formulieren, dass Kants Blick auf die Erziehung durchweg vom aufklärerischen Gedanken geprägt sei und somit nur noch bedingt - wenn überhaupt - Gewicht für die heutige Pädagogik haben kann, da sich nunmehr der Zeitgeist bis ins 20. Jahrhundert zweifelsohne nicht unerheblich modifiziert hat. Somit könnte man folgende eine Frage formulieren: Ist der Kant‘sche Erziehungsbegriff vom aufklärerischen Geiste geprägt und hat er folglich seine Aktualität für die heutige Pädagogik gänzlich verloren, was sein Werk nun obsolet machen würde? In der vorliegenden Arbeit werde ich daher Kants pädagogisches Verständnis skizzieren und versuchen, die geistige Verwandtschaft des Aufklärungsbegriffes Kants und seines Begriffes der Erziehung zu erörtern. Dazu werde ich zunächst auf die wesentlichen historischen Punkte des allgemein und des von Kant epochal geprägten Verständnisses von ‚Aufklärung‘ eingehen, da es notwendiger Bestandteil dieser Arbeit ist, um den historischen Kontext zu begreifen und meine weitere Analyse nachvollziehen zu können. Anschließend werde ich lediglich auf Aspekte von Kants anthropologischem Verständnis eingehen, welche das Fundament seines Erziehungsverständnisses darstellen und somit auch für das Gesamtverständnis der vorliegenden Arbeit unabdingbar sind - eine ausführliche Darstellung würde hier jedoch den Rahmen sprengen. Nachfolgend werde ich mich den vier differenzierten Stufen der Erziehung ausführlicher widmen, um klarer die Ziele der Erziehung im Sinne Kants herausarbeiten zu können. Vor allem aber werde ich auch bei der genauen Erläuterung der Stufen, die geistige Verwandtschaft des Aufklärungsgedanken und Kants Erziehungsverständnis immer wieder aufzuzeigen versuchen. Im Anschluss daran werde ich mich kurz dem von Kant abgesteckten Endziel der Erziehung zuwenden: also mit dem in direktem Zusammenhang stehenden Ziel der vierten Stufe der Erziehung, und dem im Aufklärungsgedanke innewohnenden Begriff der Moralität im Kant‘schen Sinne. Meine persönliche Reflexion der aufgeführten Kapitel sollte dann letztendlich die Ausgangfrage meiner Arbeit klärend abschließen können.

2. Historischer Exkurs: Die Epoche der Aufklärung:

Das neue Weltbild der westlichen Hemisphäre war im 17. Jahrhundert beträchtlich vom Absolutismus geprägt. Die alleinige Herrschaft wurde somit den Königen und Fürsten zu Teil. Die in diesem feudalen Zeitalter lebenden Menschen gehörten zudem einer Ständegesellschaft an - somit wurden sie bereits von ihrer Geburt einer bestimmten sozialen Schicht zugehörig, die sie nicht wieder verlassen konnten. Das Bürgertum, sowie der vom Herrscher politisch entmachtete Adel, hatten keinerlei Privilegien oder politischen Einfluss auf die damals herrschenden sozialen Umstände. Sie fügten sich dennoch - so wie die christliche Kirche predigte, die über einen enormen Einfluss verfügte - dem gottgegebenen Willen, der somit die Ständegesellschaft rechtfertigte.6 Dementsprechend ließen sich horrende Unterschiede in puncto Besitz und Macht verzeichnen, die die Gesellschaftsstrukturen grundlegend bestimmten. Im 18. Jahrhundert begann jedoch, zunächst in Frankreich, die kritische Stimme des Volkes - vornehmlich Akademiker des Bürgertums und auch zum Teil Adelige - lauter zu werden und die gegebenen sozialen Umstände zu hinterfragen. Dies nahmen sich die Gelehrten zum Anlass das ‚vernünftige Denken‘ zu fordern, um die damaligen Zustände dementsprechend umwälzen zu wollen.

„Der menschliche Verstand wurde zum Maßstab aller Dinge gemacht. Freiheit statt Absolutismus, Gleichheit statt Ständeordnung, Erfahrung, wissenschaftliche Erkenntnis statt Vorurteil und Aberglauben, Toleranz statt Dogmatismus - so lauteten die neuen Ideen.“7

Damit verbunden war eine zunehmende Säkularisierung, die somit auch weitgehend den Menschen die Angst vor den von kirchlichen Schriften geprägten Vorstellungen des Jenseits nehmen sollte, die bisher unter anderem dazu führte, dass sich diese der kirchlichen Macht unterordneten und sich ihrem weltlichen Leid und Elend fügten. Jedoch sollten nun die Menschen „über ihre politische, soziale und geistige Unterdrückung "aufgeklärt" werden. Wüssten sie erst um die Ursachen dieser Unterdrückung - so meinten die Aufklärer -, halte man ihnen die richtigen Ziele vor Augen, dann würden sie es einsehen und sich selbst befreien.“8 Die Annahme der damaligen Gelehrten war zudem, dass jeder Mensch von Natur aus ‚gut‘ sei und folglich wurde somit der Erziehung ein besonderer Stellenwert zugeschrieben, da sie die ‚guten‘ natürlichen Anlagen im Menschen wissen solle zu aktivieren. Dabei wurde jedoch gefordert, dass ausschließlich die Bürger als Erzieher in Frage kämen, die selbst bereits aufgeklärt seien, um die eigene Erkenntnis adäquat weitergeben zu können. Durch die Erziehung versprach man sich demnach eine epochale Wende, die das Zeitalter einer aufgeklärten Gesellschaft einläuten sollte.9 Immanuel Kant, als einer der renommiertesten Vertreter der deutschen Aufklärungsepoche, geprägt von diesen unkonventionellen Denkansätzen, brachte schließlich im 18. Jahrhundert diese umwälzenden philosophischen Ansätze sozialer Betrachtung in die deutschen Gefilde. Seine kritische Betrachtung der damaligen sozialen Strukturen finden sich in seinen Schriften wieder, mit denen er seinen Beitrag zur Aufklärung des Menschengeschlechts leisten wollte. Nach Kant ist demnach Aufklärung:

„(...) der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“10

Weiter postuliert dieser, dass, wenn man dem Individuum genügend Freiheit lasse, dass es sich aus seiner Unmündigkeit befreien könne. Die Freiheit beziehe sich hierbei auf die Möglichkeit des selbstständigen Gebrauchs der eigenen im Menschen angelegten Vernunft. Für ihn ist diese der Schlüssel zu einer neuen Gesellschaftsformation - aber nicht eine gewaltvolle revolutionäre Umwälzung der herrschenden Strukturen. Vor allem zielt er dabei auf die Gelehrten, welchen die Aufgabe zugeteilt sein sollte, zu der Öffentlichkeit zu sprechen und somit die Idee der Aufklärung weiter zu geben und die dementsprechend auch über eine uneingeschränkte Freiheit verfügen. Er plädiert demnach darauf, dass die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft die Ideen der Aufgeklärten rezipieren und sich auf einen ‚privaten Gebrauch‘ ihrer Vernunft beschränken sollen.11 Dieses vorangestellte gedankliche Konstrukt prägt auch nunmehr Kants anthropologisches Verständnis, welches wiederum unmittelbar mit seinen Forderungen an die Pädagogik zusammenhängt. Im Folgenden werde ich nun, um zum Gesamtverständnis beizutragen, Kants Menschenbild skizzenhaft darstellen, womit es sich in den historischen Kontext einordnen lässt.

3. Anthropologisches Verständnis:

Immanuel Kant gründet sein Erziehungsverständnis vornehmlich auf sein konstruiertes Menschenbild: da Kant den Homo Sapiens als ein Mängelwesen ansieht, das nicht wie das Tier über einen natürlichen Instinkt verfüge und sich danach, sowie ohne weitere Kenntnis darüber verhalte, um seiner natürlichen Bestimmung gerecht zu werden, müsse der Mensch die in ihm verborgenen Anlagen zuerst aktivieren und somit müsse sich das in ihm angelegte Potential entwickeln - damit er letztendlich seiner Bestimmung gerecht werden kann.12 Doch Kant sieht den Menschen auch als Vernunftwesen, dessen letztes Ziel demnach das ‚Menschwerden‘ ist. Dadurch grenzt er die Menschengattung erneut vom Tier ab, denn dies ist wie bereits erwähnt ausschließlich an seine Instinkte gebunden und er erfüllt somit seine natürliche Bestimmung, Instinktwesen zu sein ohne obligatorische Fremdeinwirkung. Der Homo Sapiens ist also auf Grund seiner Fähigkeit, Vernunftwesen sein zu können, selbst für seine Entwicklung mitverantwortlich - nach Kant ist daher die ‚Person-Werdung‘ kein natürlicher Prozess, sondern vielmehr sei die Selbstbildung unmittelbar an Fremderziehung gekoppelt.13

„Es liegen viele Keime in der Menschheit, und nun ist es unsere Sache, die Naturanlagen proportionierlich zu entwickeln, und die Menschheit aus ihren Keimen zu entfalten und zu machen, dass der Mensch seine Bestimmung erreiche.“14

3.1 Die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen:

Um diese im Menschen angelegten Naturanlagen zu entwickeln, bedürfe es nach Kant also der Erziehung - en suite sieht Kant den Menschen als einziges erziehungsbedürftiges Wesen an. Nur durch Erziehung könne sich die im Menschen angelegte Vernunft entfalten und er kann seiner Bestimmung Folge leisten.15 Erziehung versteht Kant als ein Entwickeln, dessen Ziel es ist, einen Zustand der Vollkommenheit herbeizuführen.16 Von äußerster Wichtigkeit ist Kant hierbei, dass ausschließlich ein Mensch, der selbst erzogen wurde, einen anderen Menschen erziehen könne - denn nur ein erzogener und disziplinierter Mensch kann einen Edukanten im Sinne Kants erziehen, sodass er seiner natürlichen Bestimmung nachkommen kann. Seine Intention dabei ist, dass sich die Menschheit dadurch auf moralischer Ebene weiterentwickeln könne. Das Kind solle nach Kant nämlich nicht nur in Richtung der herrschenden sozialen Gegebenheiten erzogen werden, sondern in Richtung eines hypothetisch optimierten gesellschaftlichen Zustandes in spe - somit sollen Kinder „der Idee der Menschheit und deren ganzer Bestimmung angemessen erzogen werden.“17 Dies soll letztendlich zu einer Verbesserung des menschlichen Daseins bis hin zu Vollkommenheit der menschlichen Natur führen.18

3.2 Erziehung als Kunst:

Diese Vervollkommnung soll zudem mit Hilfe des Prozesses der Verbesserung der Erziehung, bzw. der erzieherischen Qualitäten, der sich von Generation zu Generation vollziehen soll, erreicht werden. „(...):

[...]


1 Vgl. Kant 1788: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3505/2.

2 Vgl. Ruberg 2002, S.35.

3 März 1980, S.233.

4 Vgl. Kant 1788: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3505Z2.

5 Vgl. Funke 1985, S.100

6 Vgl. Pohl: http://www.pohlw.de/literatur/epochen/aufklaer.htm

7 Pohl: http://www.pohlw.de/literatur/epochen/aufklaer.htm

8 Ebd.: http://www.pohlw.de/literatur/epochen/aufklaer.htm

9 Vgl. ebd.: http://www.pohlw.de/literatur/epochen/aufklaer.htm

10 Kant 1788: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3505/

11 Vgl. ebd.: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3505/

12 Vgl. Baumgart 2007, S.42.

13 Vgl. Ruberg 2002, S.35f.

14 Ebd., S.439.

15 Vgl. Baumgart 2007, S.42f.

16 Vgl. Lausberg 2009, S.56.

17 Lausberg 2009, S.64.

18 Baumgart 2007, S.42f.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die geistige Verwandtschaft von Erziehung und Aufklärung bei Immanuel Kant
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Klassiker des Pädagogischen Jahrhunderts: Aufklärer und Philanthropen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V210507
ISBN (eBook)
9783656380252
ISBN (Buch)
9783656380832
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wurde als excellente Arbeit bewertet, daher 1,0!
Schlagworte
Moralität, Kategorischer Imperativ, Vier stufen der Erziehung, Anthropologie, Kants anthropologisches Verständnis, Praktische Vernunft, Disziplinierung, Kultiverung, Moralisierung, Zivilisierung, Aufklärung, Sapere Aude!, Erziehungsbedürftigkeit, Erziehung als Kunst
Arbeit zitieren
Tina Kern (Autor:in), 2012, Die geistige Verwandtschaft von Erziehung und Aufklärung bei Immanuel Kant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210507

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