„Sapere aude! – Habe Mut dich deines Verstandes zu bedienen!“, so der bekannte
Wahlspruch der Aufklärungsepoche, der von dem Philosophen Immanuel Kant in die Welt getragen wurde und bis in die heutige Zeit Anklang findet. Der Zeitgeist des späten 18. Jahrhunderts prägte vor allem auch den damaligen öffentlichen Diskurs nachhaltig. Viele Philosophen dieser Aufklärungsepoche, wie auch Immanuel Kant, gingen von einem stetigen Fortschritt der Gesellschaft in puncto Politik, Ökonomie und vor allem auch Moral aus. Immanuel Kant hat in diesem Sinne zu seinen Lebzeiten die sozialen Strukturen kritisch hinterfragt und in seinen vielen Schriften, denen dieser „lebendige anthropologische Optimismus“ innewohnt, der Welt kundgetan. Ein sozialer Bereich, dem zu seiner Zeit - nicht ohnehin aufgrund dieses Optimismus - viel Beachtung zu Teil wurde und der somit auch Eingang in Kants Werke fand, ist die Pädagogik. Die Idee der Erziehung, die letztendlich zwar kein Garant für eine moralische Entwicklung ist, jedoch ohne sie eine Moralisierung gänzlich unmöglich wäre, versucht Kant in sein gesamtphilosophisches Gesellschaftsverständnis einzuweben und somit zu klären was die Pädagogik demnach leisten kann und bewirken soll.5 Man könnte dennoch die These formulieren, dass Kants Blick auf die Erziehung durchweg vom aufklärerischen Gedanken geprägt sei und somit nur noch bedingt - wenn überhaupt - Gewicht für die heutige Pädagogik haben kann, da sich nunmehr der Zeitgeist bis ins 20. Jahrhundert zweifelsohne nicht unerheblich modifiziert hat. Somit könnte man folgende eine Frage formulieren: Ist der Kant‘sche Erziehungsbegriff vom aufklärerischen Geiste geprägt und hat er folglich seine Aktualität für die heutige Pädagogik gänzlich verloren, was sein Werk nun obsolet machen würde? In der vorliegenden Arbeit werde ich daher Kants pädagogisches Verständnis skizzieren und versuchen, die geistige Verwandtschaft des Aufklärungsbegriffes Kants und seines Begriffes der Erziehung zu erörtern. Dazu werde ich zunächst auf die wesentlichen historischen Punkte des allgemein und des von Kantepochal geprägten Verständnisses von ‚Aufklärung‘ eingehen, da es notwendiger Bestandteil dieser Arbeit ist, um den historischen Kontext zu begreifen und meine weitere Analyse nachvollziehen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Exkurs: Die Epoche der Aufklärung
- Das anthropologische Verständnis Kants
- Die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen
- Erziehung als Kunst
- Die vier Stufen der Erziehung: Auf dem Wege zur Moralität
- Die Stufe der Disziplinierung
- Die Stufe der Kultivierung
- Die Stufe der Zivilisierung
- Die Stufe der Moralisierung
- Die Kant'schen Begrifflichkeiten: Moralität und (praktische) Vernunft
- Erziehung und Aufklärung: Verbundenheit im Geiste
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Immanuel Kants pädagogischem Verständnis und dessen Beziehung zur Aufklärung. Sie untersucht, inwiefern Kants Erziehungsbegriff durch den aufklärerischen Geist geprägt ist und ob er trotz des veränderten Zeitgeistes im 20. Jahrhundert für die heutige Pädagogik relevant bleibt.
- Kants anthropologisches Verständnis als Grundlage seines Erziehungsverständnisses
- Die vier Stufen der Erziehung nach Kant und deren Zusammenhang mit dem Aufklärungsgedanken
- Die Bedeutung von Moralität und praktischer Vernunft in Kants Pädagogik
- Die Verknüpfung von Erziehung und Aufklärung in Kants Werk
- Die Frage nach der Aktualität von Kants Erziehungsbegriff für die heutige Pädagogik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den bekannten Wahlspruch der Aufklärungsepoche „Sapere aude! - Habe Mut dich deines Verstandes zu bedienen!“ vor und führt in die zentrale Fragestellung der Arbeit ein: Ist Kants Erziehungsbegriff vom aufklärerischen Geist geprägt und hat er seine Aktualität für die heutige Pädagogik verloren?
Der historische Exkurs beleuchtet die Epoche der Aufklärung und ihre Bedeutung für Kants Philosophie. Er geht auf die sozialen und politischen Verhältnisse des 17. und 18. Jahrhunderts ein und erläutert den Einfluss des aufklärerischen Denkens auf die Gesellschaft.
Im dritten Kapitel werden Aspekte von Kants anthropologischem Verständnis skizziert, die das Fundament seines Erziehungsverständnisses bilden. Dabei wird der Mensch als Mängelwesen und Vernunftwesen dargestellt, das seine natürlichen Anlagen durch Erziehung entwickeln muss.
Kapitel vier widmet sich den vier Stufen der Erziehung nach Kant: Disziplinierung, Kultivierung, Zivilisierung und Moralisierung. Es werden die Ziele jeder Stufe erläutert und die geistige Verwandtschaft des Aufklärungsgedankens und Kants Erziehungsverständnis aufgezeigt.
In Kapitel fünf werden die Kant'schen Begrifflichkeiten Moralität und (praktische) Vernunft in Bezug auf die Erziehung untersucht.
Das sechste Kapitel erörtert die enge Verbindung zwischen Erziehung und Aufklärung in Kants Werk.
Das Fazit soll die Ausgangfrage der Arbeit klärend abschließen.
Schlüsselwörter
Immanuel Kant, Aufklärung, Erziehung, Anthropologie, Moralität, praktische Vernunft, Stufen der Erziehung, Disziplinierung, Kultivierung, Zivilisierung, Moralisierung, Zeitgeist, Pädagogik
- Citation du texte
- Tina Kern (Auteur), 2012, Die geistige Verwandtschaft von Erziehung und Aufklärung bei Immanuel Kant, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210507