Benetton-Werbung in der öffentlichen Diskussion und als Thema im Kunstunterricht


Examensarbeit, 2000

199 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Zielsetzungen
1.2. Methodisches Vorgehen und Darstellungsgang

2. Traditionelle Werbung
2.1. Gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Wirtschaftswerbung
2.1.1. Funktion der Wirtschaftswerbung
2.1.2. Werbung und Gesellschaft
2.2. Praktiken der traditionellen Werbung
2.2.1. Traditionelle Mittel der Werbung
2.2.2. Traditionelle Werbestrategien und -methoden
2.3. Ziele und Methoden informativer und suggestiver Werbung
2.4. Analysemittel
2.4.1. Semiotik und Bildwissenschaften
2.4.2. Gesellschaftswissenschaften und Kritik
2.5. Werbeträger: das Plakat als Medium
2.6. Moderne Formen und Strategien der Werbung
2.6.1. Kommunikation und Public Promotions-Mischungen
2.6.2. Markenidentität, Produktablösung und das Werben mit Symbolen
2.6.3. Parodie und Selbstironie
2.6.4. Ästhetisierung
2.6.5. Reglementierungen der Werbung
2.7. Werbung und Kommunikation

3. Traditionelle Werbung im Kunstunterricht
3.1. Bedingungsfeldanalyse
3.1.1. Sozialisationstheoretische Überlegungen
3.1.2. Der Markt der Kinder
3.1.3. Vorkenntnisse und Einstellungen
3.2. Veränderungen in der Konzeption des Kunstunterrichtes seit 1969
3.2.1. Erweiterung des Gegenstandsbereiches
3.2.2. Ziele
3.3. Fachtheoretische Überlegungen zum Kunstunterricht
3.3.1. Theoretische Überlegungen
3.3.2. Thema Werbung im Curriculum
3.4. Traditionelle Werbung in der kunstdidaktischen Praxis
3.4.1. Thematisierung von Aufbau und Funktion der Werbung
3.4.2. Verbale und visuelle Analyse in drei Schritten
3.4.3. Analyse und Interpretation optischer Gestaltungsprinzipien
3.4.4. Aufdecken von Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern
3.4.5. Analytische und produktive Beschäftigung mit der Verpackung
3.4.6. Vermittlung von Werbe- und Verkaufspraktiken
3.4.7. Weitere Hinweise auf Beispiele zum Thema Werbung im Kunstunterricht

4. Benetton-Werbung
4.1. Benetton-Werbung als eine neue Form von Werbung
4.2. Allgemeine Informationen zur Firma Benetton
4.2.1. Marktwirtschaftliche Informationen
4.2.2. Die Kommunikation Benettons
4.3. Oliviero Toscani
4.3.1. Der Weg Toscanis zu Benetton
4.3.2. Toscanis Kritik an der traditionellen Werbung
4.4. Entwicklung der Benetton-Werbung/Kommunikation
4.4.1. ‘United Colors of the World’
4.4.2. ‘All the Colors of the World’
4.4.3. Politische Stellungnahme zum Golfkrieg
4.4.4. Bilder aus der Intimsphäre menschlichen Lebens
4.4.5. Die Reportagefotos
4.4.6. Die AIDS-Kampagne
4.5. Auswertung der Benetton-Werbung seit 1981 unter dem Aspekt
der Kritik Toscanis an der traditionellen Werbung
4.6. Mittel der Benetton-Werbung
4.6.1. Provokation
4.6.2. Schockwerbung
4.6.3. Verstöße gegen die vorherrschende Ethik und Moral
4.6.4. Sympraxis
4.6.5. Paradigmenwechsel und Assoiation negativer Aspekte mit der Marke
4.6.6. Erweiterung der Kommunikationskanäle
4.6.7. Selbstironie
4.6.8. Thematisierung gesellschaftlicher Fragen
4.6.9. Imagewerbung statt Produktwerbung
4.6.10. Ikonik der Bilder
4.7. Werbetheoretische Überlegungen zur Benetton-Werbung
4.8. Benetton in der öffentlichen Diskussion
4.8.1. Meinungen aus der Werbepraxis
4.8.2. Die Diskussion in der Presse
4.8.3. Die Diskussion in der breiten Öffentlichkeit
4.8.4. Zusammenfassung des Pro- und Contraverfahrens

5. Benetton-Werbung: Kunst oder Werbung
5.1. Der erweiterte Kunstbegriff und die Werbung
5.2. Schnittstellen und Zusammenhänge von Kunst und Werbung in der Plakatkunst
5.3. Werbung in der Kunst
5.4. Kunst in der Werbung
5.5. Kunstvolle Werbung
5.6. Benetton-Werbung im Museum

6. Didaktische Konsequenzen: Benetton-Werbung im Kunstunterricht ...
6.1. Benetton-Werbung und curriculare Inhalte und Zielsetzungen
des Kunstunterrichtes
6.2. Thematisierung der Strategie Benettons
6.3. Thematisierung der Schnittstellen von Kunst und Werbung und ihren Grenzen
6.4. Thematisierung fotografischer Aspekte
6.5. Fachübergreifende Unterrichtsmöglichkeiten
6.6. Bildgegenüberstellungen: praktische Unterrichtsideen

7. Schlußbetrachtung
7.1. Resummee
7.2. Desiderata
7.3. Weiterführende Gedanken

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Ende der sechziger Jahre wurde der Kunstunterricht um den visuellen Bereich der Massenmedien erweitert. Der Einfluß der Werbung als ein immer mehr an Bedeutung gewinnender Teil massenmedialer Kommunikation wurde zum zentralen Gegenstand der didaktischen Überlegungen. Da das quantitatives Vorkommen der bewegten und stehenden Bilder der Werbung in der Öffentlichkeit zunehmend das der als Kunst definierten Bildmotive übertraf, beschäftigten sich die Kunstdidaktiker zunehmend auch mit ihnen. Seit Beginn der siebziger Jahre gehörte das Thema Werbung zu einem festen Bestandteil des Unterrichtes. Als Ausgangspunkt fachdidaktischer Überlegungen galten zum einen die Schriften von Gesellschaftswissenschaftlern, wie Wolfgang Fritz Haug, der mit seinem 1971 erstmals erschienenen Buch Zur Kritik der Warenästhetik den Anfang sozialwissenschaftlicher Werbeanalysen machte. Zum anderen stützen sich besonders die praxissorientierten Konzepte zum Thema Werbung im Unterricht auf die Ergebnisse der Semiologen, wobei hier zuvorderst Hermann K. Ehmers 1971 veröffentlichte Aufsatz über die Analyse der Doornkaat-Werbung herangezogen wird. Dessen zeichenntheoretische Untersuchung zu einem Motiv aus dem Bereich der Werbung rückte eine Bildkategorie in den Mittelpunkt, die vorher kaum für den Kunstunterricht in Betracht gezogen worden wäre. Ziel der Unterrichtseinheiten, die sich meist mit den traditionellen Formen der Wirtschaftswerbung befaßten, war es, die Schüler über die Strategien und Methoden der Werbekreativen aufzuklären und ihnen zu einem kritischen Bewußtsein gegenüber den unterschwelligen Manipulationsversuchen der Werbung zu verhelfen.

Während zahlreiche Aufsätze, Artikel und Bücher der Kunstdidaktiker sich in ihren fachtheoretischen und praxisorientierten Überlegungen seit dieser Zeit hauptsächlich auf die Thematisierung konventioneller Werbeformen im Unterricht bezogen, entwickelte sich die Werbung weiter. Als Reaktion auf den Bewußtseins- und Wertwandel in der Gesellschaft waren die Werbeproduzenten gezwungen, zu neuen bzw. ausgefalleneren Mitteln zu greifen, um die Aufmerksamkeit des inzwischen von den Bildern der Massenmedien zuhauf geradezu bedrängten Rezipienten zu gewinnen. Die Benetton-Werbung stellt in diesem Zusammenhang nicht nur eine extreme Form dieses Versuches dar; sie wird vielfach auch als eine neue Form von Werbung beschrieben, die einen Bruch mit den alten Formen signalisiert. Bis dahin weitgehend unübliche Strategien, wie der Wegfall des Produktes und der Werbebotschaft, die Assoziation des Markennamens mit negativen Eindrücken und das Schockieren durch das Übertreten gesellschaftlich festgesetzter ethischer und moralischer Normen, heben die Benetton-Werbung von den traditionellen Werbeformen ab. Die von dem Fotografen Oliviero Toscani für die Firma Benetton konzipierten Werbemotive erregten daher immer wieder großes Aufsehen in der Öffentlichkeit, die das Thema oftmals sehr kontrovers diskutierte. Während viele Kollegen Toscanis seine Kampagnen vom Standpunkt ihrer Werbewirksamkeit lobten, reagierten die Presse und die breite Öffentlichkeit überwiegend mit Ablehnung. Von anderer Seite wiederum wurden die Bilder Toscanis preisgekrönt und sogar im Museum ausgestellt. In diesem Falle wurde das Werbemotiv selbst zum Produkt. Das Veröffentlichen eines besonders provozierenden Motives konnte in einem bestimmten Kulturkreis verboten werden, während es an einm anderen Ort zur selben Zeit zu einem Kunstwerk erklärt wurde. Nicht nur wegen ihrer gesellschaftlichen Brisanz, sondern vor allem aufgrund ihrer Andersartigkeit im Vergleich zu den mittlerweile ausgiebig im Unterricht besprochenen Werbeformen sollte die Benetton-Werbung bei den Überlegungen, wie mit der Werbung im Unterricht umgegangen werden kann, einbezogen werden.

Da die Werbung und ihre Behandlung im Unterricht schon an sich ein weites Themenfeld darstellen, wird es aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit lediglich möglich sein, diejenigen Aspekte herauszuarbeiten, die für die vorgegebene Aufgabenstellung relevant sind. Viele Diskussionspunkte außerhalb des Themas können daher nur angedeutet werden und müssen unbearbeitet bleiben. Auch die Darstellung der Benetton-Werbung wird nur exemplarisch anhand besonders prägnanter und umstrittener Motive durchgeführt werden können. Die hier analysierten Bilder stellen einen repräsentativen Querschnitt aus der Benetton-Werbung dar. Bei der Auswahl wird es vornehmlich darum gehen, das Thema inhaltlich darzustellen und anhand der ausgesuchten Bildbeispiele und Literatur einen Eindruck in die facettenartige und doppelbödige Problematik zu geben. Die theoretischen und praktischen Überlegungen zu den didaktischen Konsequenzen beruhen ausschließlich auf der Betrachtung dieses Materials. Ich bin mir dessen bewußt, daß aufgrund der Komplexität der angeschnittenen Themen keine Aussagen getroffen werden können, die eine Verallgemeinerung zulassen. Mir kann es hier lediglich darum gehen, zum einen einige Aspekte zu beleuchten, die mir im Zusammenhang mit der mir gestellten Aufgabe als besonders relevant erscheinen und zum anderen die bestehenden fachdidaktischen Untersuchungen um die Impulse, die sich aus meinen Überlegungen ergeben, zu ergänzen. In Hinblick auf mein Vorhaben, die Verwendungsmöglichkeiten der Benetton-Werbung für den Unterricht zu beleuchten, ist es auch nicht notwendig, alle Diskussionspunkte, die die Motive Toscanis aufwerfen, zu bearbeiten.

1.1. Zielsetzungen

Mein Anliegen ist es zunächst, zu erfahren, wie sich die Benetton-Werbung von den traditionellen Werbeformen unterscheidet, bzw. ob es sich überhaupt bei den Bildkonzeptionen Toscanis noch um Werbung handelt oder ob die Benetton-Werbung eher als Public-Relations-Maßnahme gesehen werden sollte. In diesem Zusammenhang werden der Begriff Kommunikation und seine Schnittstellen und Abgrenzung zu dem der Werbung relevant. Inwieweit ist Werbung immer auch Kommunikation? Welche Art von Kommunikation betreibt die Benetton-Werbung und wie hebt sie sich von der der konventionellen Werbeformen ab. Welche Intention verfolgen die Sender - in diesem Falle das Kreativduo Oliviero Toscani und Luciano Benetton - mit ihrer scheinbar werbeunabhängigen Kommunikation? Darf eine Bekleidungsfirma überhaupt derartige Kommunikation betreiben? Fragestellungen wie die letztere tauchen immer wieder bei der Beschäftigung mit der Benetton-Werbung auf; da sie vom hier bearbeiteten Thema wegführen, können sie hier nur erwähnt, nicht aber gelöst werden.

Fragen wie diese führen jedoch auch mitten hinein in die von der Öffentlichkeit heftig und polarisierend geführte Diskussion über die ethische und moralische Legitimität der Benetton-Werbung. Anhand ausgesuchter Quellen werde ich versuchen, die konträren Meinungen zu den Bildkonzeptionen Toscanis repräsentativ darzustellen. Es soll dabei darum gehen, die Argumente für und gegen die Benetton-Werbung von unterschiedlichen Standpunkten her zu betrachten und zu zeigen, daß eine Beurteilung der Benetton-Werbung sehr auf die Richtung ankommt, aus der sie gefällt wird. Neben der Position, die Benetton- solle verboten werden, wird besonders auch die Frage nach ihrem künstlerischen Wert untersucht werden. Meine Überlegungen zielen dabei zum einen allgemein darauf, die Bereiche, in denen sich Kunst und Werbung berühren, definitorisch zu erfassen. Es geht mir hier darum, den Kunstanspruch der Benetton-Werbung zu erörtern und zu zeigen, inwieweit sie einen Brückenschlag zwischen Kunst und Werbung darstellen kann, bzw. wo die Grenze zwischen beiden Bereichen liegen.

Am Ende der Arbeit werde ich mich mit den Konsequenzen ausseinandersetzen, die aufgrund der Benetton-Werbung im Unterricht gezogen werden müssen. Ich frage, ob und wie die Benetton-Werbung die Behandlung von Werbung im Kunstunterricht verändert, und will versuchen, die Relevanz der Berücksichtigung der Benetton-Werbung als einer neuen Art von Werbung aufzuzeigen. Zum anderen möchte ich Empfehlungen aussprechen, welche Aspekte ästhetischer Praxis Lehrende bei der didaktischen Arbeit mit dem Thema nutzen können und welche Besonderheiten beachtet werden sollten. Meine Gedanken richten sich damit u.a. auf meine spätere berufliche Praxis. Ich hoffe, mit dieser Arbeit zu einem aktuellen, immer wieder auf verschiedenste Weise diskutierten und ethisch, politisch und theologisch relevanten Thema einen Impuls für die Thematisierung von Werbung im Unterricht geben zu können.

1.2. Methodisches Vorgehen und Darstellungsgang

Kapitel zwei dieser Arbeit wird sich mit verschiedenen Aspekten zur traditionellen Werbung auseinandersetzen. Dabei wird es eingangs darum gehen, die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Wirtschaftswerbung darzustellen. Um die Benetton-Werbung im weiteren Verlauf den überkommenen Formen gegenüberzustellen, ist es erforderlich, vorab auf die Praktiken, Methoden und Ziele der konventionellen Wirtschaftswerbung einzugehen, wobei der Schwerpunkt auf deren suggestiven Formen liegt. Anschließend werden die Analyseverfahren zur Werbung sowohl aus dem Bereich der Semiotik und Bildwissenschaften, als auch der Gesellschaftswissenschaften vorgestellt werden. Beide Methoden, Werbung zu analysieren, werden im daran anschließenden Kapitel drei, das sich mit der Thematisierung von Werbung im Unterricht beschäftigt, unmittelbar wieder aufgenommen werden. Da sich meine Untersuchungen zur Benetton-Werbung ausschließlich auf die unbewegten Bilder Toscanis in Anzeigen- und Plakatform beziehen, scheint es mir außerdem wichtig, auf die spezifischen Eigenschaften des Plakates als Medium einzugehen und seine Vor- und Nachteile als Werbeträger anzusprechen. Um zu untersuchen, ob es sich bei der Benetton-Werbung um eine neue oder nur extrem modernisierte Form von Werbung handelt, werden im folgenden Kapitel moderne Formen und Strategien der Werbung behandelt werden. Die Definition von Werbung und Kommunikation, bzw. deren Abgrenzug und Schnittstellen stellen die Basis für die im vierten Kapitel durchgeführte Erörterung der Kategorisierung der Benetton-Werbung dar.

Ähnlich wie die oben beschriebene Themeneinheit werden die in Kapitel drei zusammengetragenen Ergebnisse zur traditionellen Werbung im Kunstunterricht dazu dienen, die anschließende Diskussion über die Benetton-Werbung und ihre Relevanz für den Unterricht zu fundieren. Sowohl die Darstellung der fachtheoretischen Konzepte als auch die der unterrichtspraktischen Unternehmungen seit dieser Zeit werden für die folgenden Teile der Arbeit von Bedeutung sein.

Kapitel vier wird sich mit verschiedenen Aspekten der Benetton-Werbung auseinandersetzen. Nachdem zu Beginn anhand der neuesten Kampagne die innovative Art der Benetton-Werbung vorgestellt worden sind, werden allgemeine Informationen zur Firma Benetton und zu dem Fotografen Oliviero Toscani gegeben werden. Toscanis Kritik an der traditionellen Werbung wird - nachdem die Entwicklung der Benetton-Werbung/kommunikation erörtert und dargestellt worden ist - unter dem Aspekt seiner eigenen Argumentation ausgewertet werden. Anschließend wird es um die Analyse der Mittel der Benetton-Werbung gehen. Dabei wird auch diskutiert werden, inwieweit sich Toscanis Bildkonzeptionen tatsächlich von denen der traditionellen Werbung abheben. Die in der öffentlichen Diskussion thematisierten Aspekte zur Benetton-Werbung leiten direkt über zu der in Teil fünf stattfindenden Diskussion, inwieweit den Motiven Toscanis Kunstcharakter zugesprochen werden kann.

Das fünfte Kapitel setzt sich mit verschiedenen Aspekten auseinander, unter denen sich die Benetton-Werbung als Kunst einordnen ließe. Ich werde mich in diesem Zusammenhang sowohl mit künstlerischen Unternehmungen, die sich auf Werbung und Produktkultur beziehen, als auch auf Werbemotive, die sich künstlerischer Motive bedienen beschäftigen. Es geht mir dabei vor allem darum, zu untersuchen, inwieweit die Benetton-Werbung einer bereits laufenden Entwicklung folgt oder ob sie sich, wie u.a. der Frankfurter Museumskurator Christoph Amman beschreibt, einen eigenständigen Kunstanspruch geschaffen hat.

Im sechsten Kapitel dieser Arbeit werde ich schließlich untersuchen, inwieweit die Benetton-Werbung für den Unterricht relevant ist und für welche Klassenstufen die Motive der einzelnen Kampagnen eingesetzt werden können. Dabei möchte ich zum einen die Notwendigkeit aufzeigen, die neuen Formen der Werbung im Kunstunterricht zu thematisieren. Zum anderen wird es darum gehen, die fotografischen Aspekte der Bilder Toscanis auf ihre Möglichkeiten hin zu untersuchen, die ihre Betrachtung im Kunstunterricht liefern können. Ebenfalls wird das Potential der Benetton-Werbung mit Bezugnahme auf die Ergebnisse aus Teil fünf auf ihre Möglichkeiten hin untersucht, die Schnittstellen von Kunst und Werbung im Unterricht zu bearbeiten. Besonders wichtig sind mir dabei die Überlegungen zu innerfachlich themenübergreifenden und fächerübergreifenden Möglichkeiten, die die Motive der Benetton-Werbung eröffnen. Nachdem ich verschiedene Ebenen und Themenbereiche auf ihre Gelegenheiten, die Benetton-Werbung zum Thema zu machen analysiert habe, werde ich am Ende unterrichtspraktische Ideen und Vorschläge für die Arbeit mit dem Bildmaterial entwickeln.

In der Schlußbetrachtung werden die Ergebnisse zusammengefaßt und diskutiert. Hier werden Schlußfolgerungen gezogen und Konsequenzen erwogen. Der Ausblick bietet einen Überblick über Fragen, die offen geblieben, oder im Entstehungsprozeß der Arbeit entstanden sind und hier nicht bearbeitet werden konnten.

Begriffsklärungen

Vorab möchte ich einige Begriffe klären und Festlegungen vornehmen, die für alles Folgende relevant sind.

1. Zu den männlichen und weiblichen Sprachformen: Der besseren Lesbarkeit wegen werde ich in meiner Arbeit darauf verzichten, an jeder Stelle die männliche und zusätzlich die weibliche Form auszuformulieren. Wenn ich die männliche Form benutze, meine ich damit allgemein männliche und weibliche Personen gleichermaßen.
2. ´Schüler`: Obwohl die aufgeführten Unterrichtsbeispiele und Überlegungen oftmals jeweils entweder aus dem Bereich der Grundschule oder der weiterführenden Schule genommen sind, beziehen sich meine Aussagen, wenn nicht an der betreffenden Textstelle ausdrücklich spezifiziert, immer gleichermaßen auf Kinder und Jugendliche. Die aus den Altersunterschieden resultierende Akzentuierung des Unterrichts ist im konkreten Fall der Unterrichtsplanung vorzunehmen. Ich gehe davon aus, daß die zu erarbeitenden Möglichkeiten und Strategien sowohl für den Unterricht im Grundschulbereich, als auch in der weiterführenden Schule möglich sind.
3. ´Kunstunterricht`: In den vergangenen Jahren hat es unter den Fachtheoretikern um den Begriff ´Ästhetische Erziehung` zunehmend heftige Diskussionen gegeben. Ich werde in Kapitel 3.2. in Verbindung mit dem Thema Werbung im Kunstunterricht zwar notgedrungen kurz auf die Erweiterung der Fachgegenstände des Kunstunterrichtes zu sprechen kommen, dennoch nicht weiter auf den fachdidaktischen Disput oder die Geschichte des Faches eingehen.
In Berlin heißt das Fach ´Bildende Kunst`. Ich werde im Folgenden der Begriffsbestimmung des Lehrplanes folgen, der den Begriff der ´Ästhetischen Erziehung im Fach Bildender Kunst` verwendet (vgl. Vorläufiger Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule. Grundschule, Fach Bildende Kunst. 1979). Wenn ich von ´Kunstunterricht` spreche, meine ich damit ästhetische Erziehung und beziehe mich damit auf die Konzeption, die der Fachdidaktik zugrunde liegt. Meine Überlegungen beziehen sich immer auf das Konzept der ästhetischen Erziehung für das Unterrichtsfach Bildende Kunst.
4. ´Literaturverzeichnis`: Der größere Teil der Angaben im Literaturverzeichnis erscheint als Zitat oder direkter Beleg auch im Text dieser Arbeit. Auf einige der unter Kapitel acht aufgeführten Literaturangaben wird dagegen nicht explizit verwiesen; sie verdienen dennoch einen Platz in der Liste, da sie bei der Bearbeitung des vorliegenden Themas zum besseren Verständnis sowie zur Bestätigung bereits getroffener Aussagen herangezogen wurden.
5. Die Abkürzung ´p.`: Die aus dem angelsächsischen stammende Form der Abkürzung für Seitenangaben ´p.` wurde hier der in der deutschen Literatur geläufigen Abkürzung ´S.` vorgezogen. Da die Seitenangaben oft mit der Abkürzung ´s.` (siehe) in Verbindung stehen, schien mir dies wegen der besseren Lesbarkeit zweckmäßig.

2. Traditionelle Werbung

Werbung ist der planmäßige Einsatz von Personen, Mitteln und Techniken zur gezielten Beeinflussung menschlichen Verhaltens, zur Weckung von Bedürfnissen oder Verbreitung ideeller Güter.[1]

Kapitel zwei wird verschiedene Aspekte der traditionellen Werbung, vornehmlich der Wirtschaftswerbung, beleuchten. Die folgenden Ausführungen sollen damit vor allem die Funktion erfüllen, die Voraussetzungen für die Thematiken in Kapitel drei und vier zu klären. Die zusammengestellten Diskussionen und Ergebnisse zu einigen ausgewählten Teilgebieten des Werbebereiches werden im weiteren Verlauf der Arbeit benötigt, um darauf aufbauend gesellschaftliche Notwendigkeiten und die Art ihrer Durchführung im Unterricht darzustellen (s. Kap. 3), Abgrenzungen zur Benetton-Werbung vorzunehmen und die dabei analysierten Unterschiede zur traditionellen Werbung auszuwerten (s. Kap. 4 und 5) und schließlich aus den Ergebnissen Konsequenzen für den Unterricht zu erarbeiten (s. Kap. 6).

Die Thematisierung der gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung der Wirtschaftswerbung sowie ihrer Praktiken, Ziele und ihrer Effizienz sind wichtig, um den Sinn curricularer Zielsetzungen und unterrichtspraktischer Vorgehensweisen zu verdeutlichen. Die Notwendigkeit der Beschäftigung mit dem Thema Werbung im Unterricht wird besonders deutlich an den Ausführungen im Teilkapitel über die Analysemittel der Werbung und ihrer gesellschaftswissenschaftlichen Kritik. Das Beschreiben der traditionellen Mittel und Strategien sowie der semiotischen Besonderheiten der Werbung stellt gleichzeitig eine wichtige Anschauungs- und Diskussionsbasis für die Untersuchung der spezifischen Formen und Zielsetzungen der Benetton-Werbung dar. Das Herausarbeiten einiger spezifischer Merkmale der Werbeträger im Allgemeinen und der Bildanzeige, bzw. des Plakates im Besonderen scheinen in Hinblick auf die Themenstellung des vierten Kapitels ebenso unumgänglich, wie die in diesem Teil der Arbeit folgenden Unterkapitel über die modernen Formen und Strategien der Werbung.

2.1. Gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Wirtschaftswerbung

Das folgende Unterkapitel befaßt sich mit der Wirkung, die die Wirtschaftswerbung sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Wirtschaft ausübt. Dabei wird es zunächst um die Funktion der Wirtschaftswerbung und anschließend um die Verbindung zwischen Werbung und Gesellschaft gehen.

2.1.1. Funktion der Wirtschaftswerbung

Werbung gilt als ein unverzichtbarer Bestandteil der Freien Marktwirtschaft. Die Grundlage des modernen Wirtschaftssystems ist die Spannung zwischen den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen und ihrer Befriedigung. Die Wirtschaft versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die „in Gütern ausgedrückten Bedürfnisse“[2] zu decken. Damit die Unternehmen mit ihren Produkten Gewinne erwirtschaften können, müssen sie das Interesse potentieller Käufer finden.

Werbung erfüllt in diesem Zusammenhang die wichtige Funktion, „latente“ Bedürfnisse in „offene“[3] umzuwandeln sowie neue zu schaffen und Kaufwillen zu erzeugen. Auf diese Weise wird der Bedarf nach neuen Produkten geweckt. Ein Produkt im Sinne unternehmerischer Leistung entsteht durch das Hinzukommen von Gebrauchsanleitung, Installation, Wartung, Image, usw. - Leistungen, die das Produkt mit den Merkmalen ausstattet, die für den Interessenten den erwarteten Nutzen auch wirklich erbringt. Christian Kapferer erklärt in diesem Zusammenhang: „Erst die subjektive Beurteilung eines Nachfragens im Markt läßt ein Produkt im obigen Sinne entstehen“[4].

Aufgrund des technologischen Fortschritts und der Massenproduktion werden zunehmend Absatzmärkte für Produkte gesichert bzw. neue geschaffen. Da Produkte gleicher Produktionszweige sich oft sehr ähneln, müssen künstliche Unterscheidungskriterien produziert werden. Sowohl Erkenntnisse aus der Motivanalyse, als auch der Tiefenpsychologie werden zu diesem Zwecke herangezogen (vgl. Krauß/Rühl, p. 38).

Da heutzutage die meisten Bürger innerhalb der westlichen Industrienationen ihren Grundbedarf ohne Schwierigkeiten decken können, streben sie danach, mit ihrer Kaufkraft gehobenere Bedürfnisse zu befriedigen. Zum einen erweitert die Werbung ihren Bedürfnishorizont bzw. weckt bis dahin latent existierende Wünsche; zum anderen hat sie eine besondere Bedeutung im Bereich der Massenartikel, die in der Regel plan- und entscheidungslos erworben werden. Ein hoher Bekanntheitsgrad sowie eine breite Streuung sichern den Absatz der Massenware und bedingen einander: Einerseits erklären sich die Geschäfte nur bereit, Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen, für die stark genug geworben wird, so daß sie eine ausreichend hohe Publizität und Nachfrage aufweisen; andererseits lohnt sich aufwendige Werbung nur, wenn viele Verkaufsstellen vorhanden sind.

2.1.2. Werbung und Gesellschaft

Innerhalb der Wirtschaftswerbung verfolgt die Absatzwerbung das Ziel, die Gesellschaft ganz bewußt mit Hilfe spezieller Kommunikationsmittel zu einem den absatzwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verhalten zu veranlassen. Dabei gibt konventionelle Werbung jedoch stets vor, am Wohl des potentiellen Konsumenten interessiert zu sein. Letztendlich dient sie aber auschließlich dem obersten Ziel der privatwirtschaftlichen Unternehmen, nämlich, wie A. Hermanns erklärt, „der Erzielung einer zufriedenstellenden Rentabilität auf lange Sicht“[5]. Das oberste Ziel der Wirtschaftswerbung besteht in der Verhaltensbeeinflussung und Verhaltensänderung der konsumierenden Gesellschaft zu Gunsten des produzierenden Unternehmens.

Der Appell an die Bedürfnisse des Menschen ist für die Existenz der Werbung unerläßlich. Nach H.-F. Rathenow ist Werbung

...abstrakt nie ohne das gesellschaftliche Umfeld, und immer vor dem Hintergrund des jeweiligen wirtschaftlichen Systems, letztlich die geistig-kulturelle Situation einer Gesellschaft widerspiegelnd, zu denken[6].

Das Individuum wird demzufolge von seinen konsumorientierten Mitmenschen veranlaßt, seine Lebensinhalte materiell auszurichten und um die Steigerung seines Lebensstandardes bemüht zu sein.

Erwirtschaftet eine Werbekampagne dem Produkt nicht den erhofften Käuferkreis, wird die Herstellung des Artikels in der Regel eingestellt. Andererseits bietet der Markt viele Produkte an, die wegen der Intensität erfolgreicher Werbung verkauft werden. Die Effektivität der Produktwerbung wird offensichtlich daran, daß der Konsument bei der Wahl eines bestimmten Artikels auf ein oftmals fast unüberschaubar großes Angebot zurückgreifen kann. Die Zeitschrift Warentest legt dem Käufer die Unterschiede zwischen werbegepriesenem Artikel und seiner realen Qualität dar.

2.2. Praktiken der traditionellen Werbung

In Anbetracht der großen Fülle gleichartiger Konsumgüter und der daraus resultierenden Konkurrenz unter den Herstellern genügt es mittlerweile nicht mehr, nur die jeweiligen Vorteile der Produkte anzupreisen. Mit der gesuchten Entscheidung muß die Befriedigung von Gefühlen und bereits vorhandenen oder durch die Werbung erst geschaffenen Bedürfnissen suggeriert werden. Das folgende Unterkapitel wird zeigen, daß es sich dabei meist in erster Linie um Formen von Leitbildern, Lebenszielvorstellungen, oder Appelle an das Gewissen und Verantwortungsgefühl handelt. Vorab sei jedoch noch darauf hingewiesen, daß die Leitbilder und Lebenszielvorstellungen sich stets gesellschaftlich und historisch im Wandel befinden (vgl. Mohn, p. 249). Diese Beobachtung trifft bereits auf die Informationen zu, die über das Produkt gemacht werden. Während die Werbung in der Vergangenheit überwiegend die Reinheit (z.B. Waschmittel, Kosmetika), Schnelligkeit (z.B. Autos, Kommunikationsmittel), bzw. den guten Geschmack (z.B. Süßigkeiten, Getränke) des zu verkaufenden Produktes anpries, wird heute zunehmend für die gleichen Waren analog zum modernen Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein mit Umweltfreundlichkeit, sparsamem Verbrauch und Bekömmlichkeit geworben[7].

Neben dem oftmals eher irrationalen Werbeversprechen werden gleiche Waren zusätzlich mittels Produktgestaltung und Warenverpackung differenziert, wobei es letztendlich zuvorderst um die Verkaufsteigerung des beworbenen Produktes geht. Dabei wird versucht, die Konkurrenz auszuschalten und das eigene Produkt mittels sprachlicher und visueller Reize hervorzuheben. Punkt 2.2.1. stellt in groben Zügen die geläufigsten Mittel der traditionellen Werbung dar. Punkt 2.2.2. wird sich im Anschluß mit der Art und Weise des Werbens befassen und zeigen, daß Werbung sich sozio-kultureller, entwicklungs- und sozialpychologischer Erkenntnisse bedient.

2.2.1. Traditionelle Mittel der Werbung

In den seltensten Fällen ist es heutzutage noch die Qualität des Produktes, die den Konsumenten zum Kauf anregen soll. Oftmals soll mehr, wie Wolfgang Fritz Haug schon 1971 in seiner Abhandlung zur Kritik der Warenästhetik beschreibt, das bloße „Gebrauchswertversprechen“ als der tatsächliche „Tauschwert der Waren“[8] den Konsumenten zum Kauf veranlassen. Helga Kämpf-Jansen spricht in diesem Zusammenhang von einem Zusatznutzen, bzw. einem „Appetenzsymbol“, sowie einem „erweiterten Gebrauchswert“[9] und erklärt an derselben Stelle:

Waren müssen also über den Gebrauchswert hinausgehende Eigenschaften haben, sie müssen glücklich machen, zufrieden, schön, begehrenswert und frei. Sie müssen Ängste bannen und mit ihren Versprechungen den Wunschvorstellungen von einer schönen heileren Welt nahekommen.[10]

Je nach Produktart bedient sich die Werbung bestimmter Darstellungsmuster, in denen die Wunschvorstellungen von Glück, Liebe, Schönheit und Freiheit eine wichtige Rolle spielen. Sie benutzt dabei Emotionen, Vorurteile, Wunschvorstellungen, Wissen und Erfahrungen der Rezipienten zu ihrem Zweck (vgl. Kämpf-Jansen, 1989a, p. 17).

Zu den bekanntesten Beispielen zählt wohl der legendäre ´Marlboro-Mann`, der uns seit Jahrzehnten auf großflächigen Plakaten, Kinoleinwänden und vor der Sanktionierung von Zigarettenwerbung im Fernsehen auch auf dem Bildschirm zu Hause das abenteuerliche und freie Leben des Tabakkonsumenten der Marke Marlboro vorgelebt hat: Ein Mann in Jeansjacke und fransenbesetzter Lederhose sitzt auf einem Holzlattenzaun, der waagerecht im unteren Drittel des Bildes durch das Bild läuft. Das Gesicht der Person ist nicht vollständig erkennbar, da sie den Kopf leicht nach unten links neigt, um sich eine Zigarette anzuzünden und ein heller Cowboyhut dabei die Augen verdeckt. Am rechten, am Lattenzaun abgestützten Fuß ist eine Spore erkennbar, über dem linken Knie, das angewinkelt ist, hängt ein zusammengerolltes Seil. Der aus dem rechten Bildrand ragende Körper eines Stieres, der hinter dem Zaun steht, läßt vermuten, daß es sich hierbei um eine Lasso handelt, das der Cowboy kurz zuvor benutzte, um das Tier zu fangen. Daraus und aus der lässigen Körperhaltung des Mannes ergibt sich der Anschein, daß er nach getaner Arbeit eine Pause einlegt. Der Hintergrund ist verschwommen und rötlich-schwarz gehalten. Person und Tier werden von Hinten beleuchtet, es scheint also Abend zu sein. Die sich in den Händen des Mannes befindende Zigarette wird durch verschiedene Bildelemente betont: Zunächst einmal zeigen die beiden angewinkelten Arme des Cowboys in die Richtung der Zigarette, da er beide Hände zum Anzünden benötigt. Weiterhin weist die Spitze seines Hutes pfeilartig auf die Zigarette hin. Schließlich führt aber auch die Verlängerung des Büffelhorns direkt in die Richtung der Zigarette. Oberhalb der Szene ist mit dicken weißen Lettern quer über das ganze Format der Schriftzug ´Medium` eingeblendet. Darunter befindet sich in denselben Buchstaben etwas kleiner der Slogan ‘Your way to flavour`. in der linken oberen Ecke ist schrag eine kleine rot-weißfarbige Marlboro-Zigarettenpackung abgebildet. Die beschriebene Anzeige ist lediglich eine Variante vieler ähnlicher Abbildungen der Marke Marlboro. Der die Männlichkeit mit allen ihren Klischees symbolisierende einsame Raucher mit Cowboy-Hut und Sporen stellt außerdem kein Einzelphänomen dar; wie unter Punkt 2.2. bereits angedeutet, wird für Produkte zunehmend mit einem auf die Zielgruppe zugeschnittenen Lebensstil geworben. So kann es in der Welt der Werbung vorkommen, daß ein Fahrer der Automarke Twingo prinzipiell flotter ist, ein Mann durch den Besitz einer Rolex-Uhr beliebter bei Frauen wird, und ein Mensch durch den Besitz eines mit Pfefferminzgelee gefüllten Schokoladenstückes namens After Eight quasi in die englischen Aristokratie aufsteigt.

Zu den Mitteln, mit denen typischerweise für Konsumgüter wie Alkohol, Zigaretten und Autos geworben wird, gehören in erster Linie Frauen. Der Körper einer jungen, attraktiven Frau kann im einfachsten Fall als Blickfänger eingesetzt werden und vermag so, die Aufmerksamkeit auf ein noch so banales Produkt zu lenken. Zum anderen kann der bewundernde Blick einer schönen Frau (vgl. Kirchhoff, 1969) oder ihre Berührung (vgl. Goffmann, p. 114) zur Aufwertung eines Produktes bzw. als Indikator für den durch den Besitz des Produktes erhöhten Status des Besitzers eingesetzt werden. Neben dem Werbemittel Frau werden aber auch häufig direkte oder subtil angedeutete sexuelle Reize und erstrebenswerte Fernziele für die Umsatzsteigerung eines Produktes verwendet. Die Argumentation für eine Ware wird also zunehmend den Symbolen angehängt (vgl. Krauß/Rühl, p. 38). Um dieses Prinzip zu verdeutlichen, scheint es sinnvoll, noch einmal auf den ´Marlboro-Mann` zurückzukommen, der ironischerweise nur wenige Jahre nach den Werbeproduktionen an Lungenkrebs starb. Selbst wenn es sich im konkreten Fall um einen für die Zigarettenbranche ungünstigen Zufall gehandelt haben sollte, ist dennoch allgemein die gesundheitsschädigende Wirkung des Tabakgenusses nicht mehr bestritten. Jeder Raucher wurde in der Regel innerhalb seines Lebens auf verschiedenste Weise über die Gefahren des Tabakkonsums aufgeklärt; zudem schreibt ein Gesetz den gedruckten Hinweis auf die Schädlichkeit auf der Zigarettenpackung und dem Werbeplakat für Tabak sowie darüber hinaus in verbaler Form im Werbespot für Zigaretten vor. An dieser Stelle drängt sich die Frage, warum aufgeklärte Menschen ihrer Gesundheit schaden, Mitmenschen mit ihrem Rauch belästigen und obendrein dafür Geld ausgeben, besonders hartnäckig auf.

Die Erklärung findet sich in der formalen und inhaltlichen Analyse von Werbung. Dem Konsumenten wird ein subjektiver Zusatznutzen mitverkauft, der einen attraktiven Ersatzwert darstellt und die Einwände gegenüber der gesundheitsschädigenden Wirkung von Zigaretten in den Hintergrund treten läßt. Es werden Leitbilder geschaffen, die allgemein idealisiert werden, bzw. eine potentielle Gruppe von Käufern anziehen. Bartsch zufolge sind es besonders junge Menschen, die versuchen, sich an Menschen zu orientieren, die keine Kontaktschwierigkeiten im personalen und gesellschaftlichen Bereich haben (p. 185). Da sie selber noch unsicher sind und nach sozialer Identität streben, wählen sie selbstbewußte, junge und erfolgreiche Personen als Leitbilder (s. Kap. 3). Besonders die Zigarettenwerbung versteht es mit Hilfe ausgefeilter psychologischer Kenntnisse, der Zigarette in der Hand eines derart attraktiven Idols eine ein problemloses und glückliches Leben signalisierende Symbolkraft zu verleihen. Das Rauchen einer bestimmten Zigarettenmarke kann auf diese Weise auch für den erwachsenen Verbraucher Beruhigung und die Lösung verworrener Situationen, Zugehörigkeit zur ´großen, weiten Welt`, Erfolg, einen gehobenen Status, Lebensfreude, Luxus und Individualität verbürgen (vgl. Krauß/Rühl, p. 11).

Auf die Bedürfnisse von Schülern stellt sich besonders geschickt die Werbung für Süßwaren ein. Sie wirbt unterschwellig mit Anerkennung in der peer-group, Geborgenheit im Elternhaus und verspricht ihnen neue Abenteuer und Energien. Indem sie den nichtkonsumierenden Menschen isoliert, während der Konsument meist fröhlich inmitten seines Freundeskreises dargestellt wird, sobald er sich im Besitz des kleinen Leckerbissen befindet, übt sie latent sozialen Druck aus. Weiterhin wird besonders der kindliche Verbraucher mit dem Kauf einer Süßigkeit oftmals mit kleinen Werbegeschenken, wie Abzieh- und Klebebildern, Malbüchern, kleinen Figuren u.a. belohnt. Eine geschickte Art, sich über einen längeren Zeitraum in die Welt der Kinder einzubringen, besteht außerdem im Beilegen von Sammelbildern beliebter Motive.

Ähnliche Praktiken lassen sich im Wesentlichen auch in anderen Branchen wiederfinden. Lediglich die Schwerpunkte der Kampagnen werden produkt- und zielgruppenspezifisch verändert. Getränkewerbung wirbt bspw. oft mit überschäumender Lebensfreude, Lässigkeit und Energie. Das beworbene Getränk scheint die Zugehörigkeit zur modernen, schwungvollen jungen Welt zu sichern, in der Freizeit, ein frisches, prickelndes Lebensgefühl und Erleichterung vorherrschen. Der durch Limonade, Kakao, Bier oder Champagner verursachte Gaumengenuß wird zum erhöhten Lebensgenuß. Besonders Alkoholwerbung verkauft gleichzeitig die gemütliche Freizeitrunde, Eleganz, Erotik. Arzneimittelwerbung dagegen stellt häufig den streßgeplagten aber erfolgreichen Berufstätigen bzw. die zärtliche gutmeinende und engagierte Mutter dar[11]. Weiterhin zeigt traditionelle Waschmittelwerbung die stets saubere, aktive Hausfrau, das schöne Heim, die glückliche Familie, gesunde Kinder, sowie einen anerkennenden Ehemann im Falle der geglückten Entfernung des feindlichen Schmutzes. Besonders in der Waschmittelwerbung geht es oftmals besonders darum, das beworbene Produkt von sogenannten ´herkömmlichen Waschmitteln` abzuheben[12]. Autowerbung betont dagegen in den Anzeigen neben dem Prestigewert eines Autos besonders Zusatzattribute, wie Intellektualität, Schwung und Stärke. Traditionellerweise werden die Personenfahrzeuge als Statussymbole selbstbewußter Jugend, aufstrebender Männlichkeit, bzw. dynamischen Unternehmertums angeboten. Die Werbung suggeriert dem Konsumenten in all diesen Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen die Möglichkeit, durch den Kauf eines bestimmten Produktes sein Leben positiv verändern zu können. John Berger u.a. beobachten dabei, daß die Werbung ihn von einer solchen Veränderung überzeugt, „indem sie uns Menschen vorführt, die anscheinend verändert wurden, und darum zu beneiden sind“[13].

Alle Beispiele weisen eine gemeinsame Struktur auf: Mit Hilfe der Leitbildwerbung verspricht das Produkt einen sozial attraktiven Zusatznutzen, indem es verborgene oder offene Bedürfnisse anspricht oder durch z.T. maßlose Übertreibungen und Versprechungen auf sich aufmerksam macht (vgl. Bartsch, p. 186).

2.2.2. Traditionelle Werbestrategien und -methoden

Traditionelle Werbung spricht den Rezipienten in der Regel mit Schlagworten an, die sich leicht einprägen lassen. Die Slogans können sowohl befehlenden oder belehrenden, als auch vertrauenerweckenden, behauptenden und euphorisch-mitreißenden Charakter haben. Zusätzlich ist die Aussage meist leicht verständlich, um dem Rezipienten möglichst geringe Anstrengungen abzuverlangen und sein Aufnahme- und Erinnerungsvermögen nicht unnötig zu strapazieren (vgl. Krauß/Rühl p. 38). Zu den sprachlichen Mitteln der traditionellen Werbung zählt Gabriele Bechstein zusätzlich Neologismen (p. 327-362). Als auffälligste syntaktische Erscheinung bezeichnet sie die Verwendung des unvollständigen, oft sehr kurzen Satzes in Prosatexten. Werbung bedient sich meist eines weitgehend überregionalen, intersozialen Vokabulars für Produktnamen, um eine möglichst breite Schicht zu erreichen (z.B. Diplomat, Polycolor, Mars). Karl Graak beobachtet zu den genannten sprachlichen Erscheinungen zusätzlich den kreativen Einsatz von Adjektiven sowie die Verwendung möglichst flüssiger Sprache und Metaphern mit oftmals lyrischer Qualität (p. 23). Als typisch gelten weiterhin Superlativhäufungen und qualifizierende Adjektive. Darüberhinaus arbeitet die Werbung mit Wort- und Buschstabenspielen, rhetorischen Fragen, Interpunktion, Thesen und Antithesen sowie mit Zitaten, Euphemismen und Negationen. Die Ratschläge des Werbeproduzenten Joachim Bürger bestätigen die Annahmen über die von der Werbung verwendeten Strategien: Er rät vor allem zur Verwendung origineller, kurzer und einprägsamer Texte. Ebenfalls betont er die Effektivität einer rhythmischen Sprache, die flüssig zu lesen ist sowie vokalreicher Worte und leicht verständlicher Texte, die das Wesentliche offenbaren, außerdem einfacher, geläufiger und moderner Begriffe.

Weiterhin gehört das Prinzip der Wiederholung zu den wirkungsvollsten Strategien der Werbung. Reime und Repitationen von Informationen können auf verschiedene Weise erfolgen: Innerhalb der Werbebotschaft kann permanent die Aussage in analoger oder abgewandelter Formulierung wiederholt werden, oder es werden unterschiedliche Darstellungsformen fotografischer, zeichnerischer, akustischer und sprachlicher Art benutzt. Zusätzlich werden die Anzeigen oder Spots oftmals in gewissen zeitlichen Abständen oder über einen längeren Zeitraum in sämtlichen Medien wiederholt gezeigt, oder Einzelanzeigen werden zu Kampagnen zusammengefaßt, die dasselbe Thema in variierter Form rezipieren. Zusätzlich werden Aussagen über Produkte oder Warengattungen im außerwerblichen Kommunikationsbereich zur Sprache gebracht. Durch diese Form der indirekten Wiederholung spielt die Werbung auf den alltäglichen Erfahrungsbereich der Rezipienten an und schiebt das jeweilige Produkt in den Interessenkreis, ohne den Verdacht auf Werbung zu erregen. Oftmals scheinen es besonders die irrationalen Aussagen und eine gewisse Spannung zwischen Bild und Text bzw. die undurchsichtige Vermischung konkreter Informationen mit mythischen Elementen zu sein, die eine erfolgreiche Werbung ausmachen.

Hermann K. Ehmer beobachtete dazu in seinem Aufsatz „Von Mondrian bis Persil“, 1971:

Versöhnung von Himmel und Erde, Natur und Technik, durch Irrealität der Faszination erfahrbar gemacht und damit alte Schuldfragen vergessen lassend: das kennt die Werbung schon lange.[14]

Er weist darauf hin, daß viele Zeichensysteme eine Sprache benutzen, die von anderen semiotischen Systemen ausgeborgt scheint. Den Ursprung ihres gemeinsamen Konnotationssystems bildet dabei primär der religiöse Vorstellungsbereich. Die scheinbar vielen verschiedenen Bilder aus der Werbung gehen letztendlich auf relativ wenig Inhalt zurück: Luxus und Genuß, Fröhlichkeit, Optimismus, Idealismus, Partnerschaft, Gemeinsamkeit, Liebe und Sex, Sauberkeit und Reinheit. Diese Werte tauchen meist mehrfach kombiniert miteinander auf. Die oben genannten Grundeinstellungen, Verhaltensweisen und Erfahrungen werden nicht nur eingesetzt, um eine Steigerung des Absatzes zu bewirken, sondern sie werden darüber hinaus selbst zum Produkt, das konsumiert werden soll. Werbung bezieht sich beispielsweise immer auf Natur als einer höheren Instanz, sowie auf Kultur und damit auch auf Nationalität und Religion (vgl. Ehmer, p. 187f.; s. Kapitel 2.4.1.).

Eine weitere Strategie besteht in der schlichten Überspringung des Kaufaktes: Der Text enthält, wie Dieter Baacke in seinem Aufsatz „Der Traurige Schein des Glücks“, 1971, feststellt, zusätzlich zum Kaufappell das Bild mit dem unausgesprochenen Versprechen, das bspw. in der Begrifflichkeit ´Ultra Soft` enthalten ist (p. 230). Auf diese Weise wird der Text verstärkt und bekommt seine appellativ-emotionale Wirkung. Das Glück wird hier vorweggenommen unter Ausblendung des noch zu bewältigenden Kaufaktes und des möglichen Scheiterns.

2.3. Ziele und Methoden informativer und suggestiver Werbung

Die Ausführungen in Kapitel 2.2. haben gezeigt, daß der Werbung in der Regel nicht primär an der Vermittlung eines hohen Informationsgehaltes gelegen ist. Der potentielle Käufer wird kaum mit der Beschaffenheit bzw. den Vor- und Nachteilen des Produktes selbst vertraut gemacht. Die Werbung stützt sich dagegen vielmehr auf psychologische Erkenntnisse, wobei besonders behavioristische und gedächtnistheoretische Forschungen der Werbung nützliche Möglichkeiten der Steuerung bieten[15].

Die Fachliteratur unterscheidet grob zwischen informativer und suggestiver Werbung. G. Marshall stellt analog dazu ´gute` und ´schlechte`, bz.w. ´konstruktive` und ´streitende` Werbung einander gegenüber. Während informative Werbung zuvorderst auf den ökonomischen Bereich ihrer Objekte verweist, und das Werbesubjekt mit Wareneigenschaften, Einkaufsmöglichkeiten, Preisen, Zahlungsbedingungen etc. bekannt macht, wendet suggestive Werbung sich „unter bewußter Umgehung der menschlichen Ratio“[16] vorwiegend an das Emotionale; dabei „verzichtet sie weitgehend auf Informationen über Eigenschaften des Werbeobjektes“[17]. Während die plumpe Art der ausschließlich suggestiven Reklame (´Marktschreierei`) heute kaum noch zu finden ist, enthalten die gängigen Werbekampagnen überwiegend suggestive Elemente. Die motivanalytische Marktforschung suggestiver Werbung versucht, elementare Triebe, wie Hunger, Durst, Geborgenheit, Sexualität und andere Bedürfnisse des Menschen aufzuspüren und umsatzfördernd einzusetzen. Der potentielle Konsument soll offensichtlich durch die Stimulierung der Bedürfnisse in eine Spannung versetzt werden, die ihn veranlaßt, diese durch den Kauf eines Produktes abzubauen. Auf diese Art läßt geschickt konzipierte Werbung den Konsumenten in der permanenten Spannung, seine Bedürfnisse immer wieder befriedigen zu müssen. Besonders der Wunsch, jung zu bleiben, sexuell, beruflich oder gesellschaftlich erfolgreich zu sein, spielt als Werbeappell eine bedeutende Rolle (vgl. Rathenow, p. 17f.). Diese von der Werbeindustrie mit bestimmten Produkten assoziierten Bedürfnisse werden „durch den Kaufakt befriedigt, Erfolgs-, Glücks-, oder Potenzversprechen auf diese Weise scheinbar eingelöst“[18]. Krauß/Rühl beschreiben in diesem Zusammenhang zusätzlich die Indienstnahme des Gefühls der Angst vor Altern, Häßlichkeit, Krankheit, Kontaktschwierigkeiten im intimen und gesellschaftlichen Bereich etc. als den wichtigsten Faktor beim Werbeappell zur Bedürfnisschaffung und Bedürfnisbefriedigung (p. 40; s. Kapitel 2.4.2.). Ziel der suggestiven Werbung ist daher, Scheinprobleme aufzubauen, die mit dem Produkt gelöst werden können oder unterschwellig mit Leitbildern zu locken, deren Identifikation dem Konsumenten diverse Lebensbereicherungen suggerieren (vgl. Kap. 2.2.).

Offensichtlich geht die Werbung davon aus, daß der Verbraucher nicht weiß, was er will, da er nicht vernunftgemäß handelt. Bei der Anwendung werbepsychologischer Erkenntnisse nutzen die Werbefachleute irrationale Verhaltensweisen der Verbraucher, indem sie nicht nur Text und Ton, sondern auch die visuelle Darstellung auf diese Irrationalität gründen.

2.4. Analysemittel

Mit dem Zuwachs der Werbebilder in der Alltagswelt zur Zeit des Wirtschaftswachstums der fünfziger und sechziger Jahre wuchs das Bedürfnis und die Notwendigkeit der Fähigkeit zu ihrer Analyse. Die Semiotik richtete seit Ende der sechziger Jahre ihren Blick auf die Bildkonzeptionen der Werbung. Die Semiologie, von Barthes als „Wissenschaft von den Formen“ definiert, ist für die analytische Untersuchung der Werbung hilfreich, da sie, wie er an gleicher Stelle schreibt, „die Bedeutungen unabhängig von ihrem Gehalt untersucht“[19]. Mit dem Aufkommen eines neuen gesellschaftlichen Bewußtseins zur selben Zeit wurde die Werbung als eines der Hauptorgane und Manipulationsinstrumente kapitalistischer Wirtschaftsweise zunehmend Gegenstand sozialkritischer Untersuchungen. Das folgende Kapitel wird zunächst die wichtigsten Untersuchungen und Ergebnisse der Zeichenwissenschaftler Barthes und Ehmer sowie die Hauptkritikpunkte Haugs, ergänzt von anderen Sozialkritikern, zusammenfassen.

2.4.1. Semiotik und Bildwissenschaften

Visuelle Zeichen können emotionale Reaktionen beim Menschen auslösen (z.B. warme und kalte Farben). Zeichen können für die Vermittlung von Gefühlswerten eingesetzt werden, da Menschen, abgesehen von Differenzen im Geschmack, oftmals sehr ähnlich oder sogar gleich auf sie reagieren[20] Gunter Kerner und Ralf Duroy werfen jedoch ein, daß diese Zuordnung von Ausdrucksqualitäten für ganz bestimmte syntaktische Merkmale an visuellen Zeichen nur im jeweiligen Bedeutungszusammenhang möglich ist (p. 29). Da das Geschmacksurteil nicht nur durch die Individualität des Menschen geprägt ist, sondern auch stark von der Gesellschaft beeinflußt wird, ist es zu einem gewissen Maße kalkulierbar und kann für die Nachrichtenvermittlung verwendet werden. Die Werbung macht sich dies zunutze, indem sie durch entsprechende Analysen zunächst die Geschmacksrichtung bestimmter Gesellschaftsgruppen ermittelt, um dann auf die Vorlieben der einzelnen Mitglieder zu schließen und die Werbemaßnahmen darauf abzustimmen.

Die Werbung nutzt die Möglichkeit, durch Zeichen suggestiv auf die Gefühle des Empfängers einzuwirken, indem sie durch ausgewählte visuelle Mittel seine Handlungsbereitschaft fördert und Kaufreiz schafft. Neben der suggestiven Wirkung bedient sich die Werbung auch der imperativen Wirkung der Zeichen, also dem Einfluß, den diese auf den Willen des Menschen ausüben können, indem sie verbal oder visuell direkt zum Konsum auffordert, um unmittelbar den Kauf auszulösen (vgl. Kapitel 2.2.2.). Das Produkt - bzw. in gewisser Weise auch die Frau, die mit ihrem Körper für das Produkt wirbt - wird dem Betrachter oftmals derart entgegengehalten, als brauche er nur noch zuzugreifen, um an dem durch das Produkt zu gelangenden Genuß teilzuhaben (vgl. Kerner/Duroy, p. 29). Häufig verwendet die Werbung auch konventionelle Zeichen in einem anderen Kontext. Die Zusammenstellung sollte jedoch in Form und Inhalt nur in begrenztem Maße Neuigkeiten enthalten, weil andernfalls die Kommunikationsbereitschaft des Empfängers darunter leidet (vgl. Kapitel 2.2.2.). Die Werbepsychologen haben dies erkannt und kündigen neue Ware mit altvertrauten und damit algemein oft als schön empfundenen Nachrichtenformen an. Die Entscheidung über die Mittel der Werbung trifft letztendlich der Empfänger, da der Sender sich nach dem Niveau des Empfängers richten muß (vgl. Kerner/Duroy, p. 30).

Die Entschlüsselung visueller Zeichen ist Gunter Kerner und Rolf Duroy zufolge dort erforderlich, wo sie mit den Objekten, die sie vertreten, nicht identisch ist. Da die Aussage der Zeichen in der Regel über die bloße Abbildungsfunktion hinausgeht, ist es sinnvoll, immer auch nach ihrer Bedeutung zu fragen. Die methodische Herangehensweise der Entschlüsselung von Zeichen bemüht sich - im Gegensatz zu der uns angeborenen ganzheitlichen Wahrnehmung - um die Dekodierung aller anderen Dimensionen der Zeichen. Da das einzelne Zeichen meist zugunsten des Gesamteindruckes bei der ganzheitlichen Betrachtungsweise übersehen wird, muß Kerner/Duroy zufolge analytisch verfahren werden, wobei stets der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen ist (p. 36).

Ziel der Analyse ist die Bestimmung von Sender und Empfänger, sowie Absicht und Wirkung von Nachrichten. Die semiotischen Aspekte (Syntaktik, Semantik, Pragmatik) bilden die Grundlage bei der Analyse visueller Zeichen. Zusätzlich müssen die Ausdrucksqualitäten untersucht und das Verhältnis zwischen den Zeichen und ihren Objekten bestimmt werden. Um Mißverständnisse zu vermeiden, wird die syntaktische Analyse an den Anfang der Untersuchung gestellt. Kerner/Duroy schlagen angesichs ihrer Vielschichtigkeit ein schrittweises Beleuchten der Teilaspekte, wie Form, Helligkeit, Farbe, Material und ggf. die Bewegung eines Bildobjektes vor (p. 44). Diese schwerpunktmäßige Aufteilung soll zum einen eine detaillierte und exakte Analyse gewähren; zum anderen bietet die getrennte Untersuchung der oben genannten Bildelemente den Vorteil, daß sie „dem Gehirn des Menschen getrennt für Form, Helligkeit, Farbe und Bewegung zuständigen Wahrnehmungsinstanzen entspricht“[21]. Weiterhin zeigen Kerner/Duroy, daß die oftmals unterschiedliche visuelle Akzentsetzung, bzw. Wertigkeit der jeweils eingesetzten Bildmittel der inhaltlichen Verschiebung der Akzente entspricht, und daher die getrennt voneinander durchgeführte Untersuchung eine sinnvolle Vorgehensweise darstellt. Bevor nach dem Aussagewert gefragt werden kann, müssen die Zeichen zunächst als Mittel untersucht werden. Die Deutung des einzelnen Zeichens muß hierbei jedoch auch immer am jeweiligen Bedeutungszusammenhang überprüft werden. Nachdem der Inhalt der Nachricht entschlüsselt ist, können Kerner/Duroy zufolge die verbleibenden Fragen nach Sinn und Zweck der Nachricht gestellt werden (p. 45). Folgende Faktoren zählen die beiden Semiologen an derselben Stelle bei dieser pragmatischen Analyse zur unbedingten Berücksichtigung auf: Situation, Gesellschaft, Weltanschauung, Geschichte, Technik und Gefühlslage.

Die Intention Barthes` in seiner Untersuchung zur Rhetorik des Bildes, 1964, bestand darin, anhand einer Spektralanalyse der bildlichen Nachrichten die Entstehung und die Dimension optischer Bedeutungsträger zu erfahren. Für seine Untersuchung wählt er ein Panzani-Reklamebild, weil die Intentionalität der Werbebotschaft vorausgesetzt werden kann. Bestimmte Produktattribute bilden die Signifikate der Information, deren Präsentation auf möglichst verständliche und emphatische Weise hervorgerufen werden soll. Er filtert die unterschiedlichen Nachrichten aus verschiedenen Werbemotiven heraus und kommt zu dem Ergebnis, daß die Fotografie den Betrachter mit sowohl einer linguistischen, einer codierten ikonischen und einer nichtkodierten ikonischen Nachricht konfrontiert. Diese werden in Abhängigkeit vom Rezipienten unterschiedlich interpretiert. Die Unterschriften und die Aufschriften der Etiketten sind die Konstituenten der sprachlichen Mitteilung des Bildes. In diesem Falle wurde als Vermittlungscode die französische Sprache gewählt. Durch den italienischen Klang des Firmennamens kommt ein weiteres linguistisches Signifikat, nämlich das Nationale, hinzu, da es gewisser kultureller Kenntnisse bedarf, um die Produktbezeichnung als Begriff der italienischen Sprache bezeichnen zu können. Die linguistische Information ist also sowohl buchstäblich, bzw. denotativ zu verstehen, als auch konnotativ, also über diese erste Sprache hinausgehende Bedeutungsebene zu erfassen. Während allgemeine Schriftkenntnisse sowie die Vertrautheit mit den verwendeten Codes notwendig sind, um den denotativen Teil zu entschlüsseln, wird für die Dechiffrierung der konnotativen Elemente ein umfangreiches kulturelles Wissen vorausgesetzt. Die ikonischen Nachrichten, die sich ausschließlich auf das Bild beziehen, stellen Barthes zufolge die zweite Art von Information der Panzani-Reklame dar. Der Rezipient wird einer Reihe zusammenhangloser Zeichen gegenübergestellt, die er individuell aufeinanderfolgend wahrnimmt. Die Signifikate der dritten Mitteilungsebene werden durch die realen Gegenstände der Szene gebildet. Die Signifikanten sind nach Barthes dieselben, jedoch abgebildeten Dinge (1969, p. 162). Das Bezeichnende und das Bezeichnete sind auf dieser unverschlüsselten Mitteilungsstufe scheinbar dasselbe; die Art der Abbildung suggeriert die Identität von Bezeichnendem und Bezeichnetem. Diese unkodierte Ebene des Bildes kann ohne weitere Reflektion unmittelbar begriffen werden.

Das Zeichenpotential der ikonischen, symbolischen und konnotierten Nachrichten stellt ein normales System dar, dessen Zeichen einem kulturellen Code entspringen. Die Interpretation kann jedoch je nach individueller praktischer, nationaler, kultureller und ästhetischer Vorerfahrung und Einstellung individuell verschieden sein. Barthes konnte diesbezüglich zeigen, daß jedes Zeichen mit einem Komplex von Haltungen in Verbindung steht. Jedes Bild ist demnach von Bedeutungssystemen durchsetzt; die Gesamtheit des Bildes besteht aus den gesendeten und empfangenen Zeichen.

Der Signifikant der Konnotation steht Barthes Untersuchung zufolge für die reine Vorstellung oder Idee, während das Denotat stets in einen kontingenten Text integriert ist. Es bedarf einer künstlich geschaffenen Metasprache, um die Zeichenträger der Konnotation wiedergeben zu können und eine Formanalyse zu ermöglichen (vgl. Bechstein, p. 17). Die Träger der Zeichen sind in Assoziationsfeldern an bestimmten Bedeutungsachsen angeordnet. Die Festlegung solcher Ordnungssysteme setzt eine gründliche Betrachtung aller Arten von Konnotationssystemen voraus, bei der sich analoge typische Zeichen herauskristallisieren, die die für eine bestimmte historische Periode charakteristische Ideologie wiedergeben. Die Signifikanten der Konnotation bezeichnet Barthes als „connotateurs“; für die Gesamtheit der Konnotatoren steht bei ihm der Begriff „rhetorique“[22]. Unter Berücksichtigung dieser Definition erscheint Barthes zufolge die Rhetorik „als die signifikante Seite der Ideologie“[23]. Während die Rhetoriken sich in ihrer Substanz voneinander unterscheiden, bleibt ihre Form dieselbe. Die Etonymie und das Asyndeton sind aus der Klassik überlieferte, häufig von der Werbung verwendete Formen. Barthes beobachtet, daß nicht alle Elemente der Lexik, hier als die gesamte Redeweise definiert, zu Konnotatoren werden können und immer eine gewisse Denotation in der Rede enthalten ist, da die Rede ohne sie gar nicht möglich wäre (vgl. Barthes: 1996, p. 165).

Ehmers im Jahre 1970 veröffentlichte Studie zur Metasprache der Werbung stellt den Versuch einer semiotischen Analyse einer Werbung für Alkohol in Anlehnung an Barthes und Leo Spitzer dar. Da die ikonische, unkodierten Ebene der Nachrichten Barthes zufolge durch die bloße Wahrnehmung aufgenommen werden können (1969, p. 111), bemüht Ehmer sich zuerst um eine relativ detaillierte Beschreibung der visuellen und verbalen Elemente einer Doornkaat-Werbeanzeige. Eine aufrechtstehende grüne Flasche mit dem gelbumrandeten großen Etikett auf dem Flachenbauch und dem schmalen Etikett auf dem Flaschenhals dar. Auf dem oberen Schildchen befindet sich in altmodischer roter Schrift der Name ´Doornkaat`; dieser ist auch auf dem großen Etikett abgebildet. Darunter befindet sich das Bild eines älteren, lachenden Mannes in einem weißen Hemd, der in der linken Hand dieselbe Flasche und in der rechten ein Glas hält. In der unteren linken Ecke des Flaschenetikettes steht mit der gleichen roten Schrift wie oben etwas kleiner: ´aus Korn seit 1860`. Links neben der Flasche sind zwei übervolle, schäumende Bierhumpen dargestellt, die vom Bildrand angeschnitten werden, rechts neben der Flasche stehen vier gefüllte und mit Tropfen besprenkelte Gläser. Bierhumpen und Gläser wirken durch ihre Anordnung wie Säulen, die zum einen pfeilartig auf den Bildmittelpunkt verweisen und ihn zum anderen einrahmen. In der unteren rechten Ecke ist der Schraubverschluß zu sehen. Oben rechts befindet sich mit schwarzen dicken Buchstaben der Schriftzug ´Heißgeliebt und kalt getrunken. Rechts in der Mitte ist unter dem wiederholten rot-gedruckten Doornkaat- Schriftzug in kleinen weißen Buchstaben zu lesen: ´Deutschlands meistgetrunkener Klarer. Nur in der grünen Vierkantflasche. Über 160 Jahre im Familienbesitz.`

Im zweiten Schritt beschäftigt Ehmer sich mit einer differenzierteren Analyseebene. Während bei der ersten Bildbeschreibung noch eine Identität zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem bestand, muß nun ein über die bloße Abbildungsebene hinausgehender Bedeutungsgehalt der dargestellten Zeichenkomplexe entschlüsselt werden. An dieser Stelle werden die verbalen Zeichen der Reklame genauer betrachtet. Ehmer stellt an der Doornkaat-Reklame eine strukturelle Verwandtschaft zwischen Text und Bild fest, in der eine diskontinuierliche Anordnung der Zeichen besteht und die verbalen und bildlichen Inhalte einzeln und in beliebiger Reihenfolge miteinander in Verbindung gesetzt werden können. Er beschreibt die Beziehung zwischen Signifikant (in diesem Falle das Schriftzeichen ´Doornkaat`) und Signifikat (hier die Firma Doornkaat) der Abbildung auf der Basis des Zeichensystems von Barthes (Barthes, 1996, p. 108; Ehmer, 1970 in: Nusser, 1975, p. 208). Der Rezipient kann demzufolge alle verbalen und visuell/verbalen Merkmale eines Zeichens (hier der Firmenname ´Doornkaat`, die Schrift, die Wortbildung, die Anhäufung eines Zeichens und die Farbgebung) nur aufgrund seiner Fähigkeit zur Konnotation und Assoziation entschlüsseln.

Das verbale Material der Doornkaat-Werbung kann auf unterschiedlichen Bedeutungsebenen verstanden werden: einerseits handelt es sich um relativ sachliche Informationen, andererseits haben die Begriffe aber auch eine metasprachliche Bedeutung. Dem Produkt werden dadurch spezifische, über den allgemeinen Gebrauchswert hinausgehende Qualitäten zugeschrieben, die sowohl über die Suggestion, als auch über die Assoziation vermittelt werden (z.B. Angabe des Alters der Firma spielt auf Traditionsbewußtsein an, die Begriffe ´alt` und ´gut` werden parallel miteinander in Beziehung gesetzt, etc.).

Der Einsatz von Begriffen, die das Kultur- oder Naturbewußtsein der Verbraucher ansprechen, belegt die These, daß die einzelnen Zeichen jeweils für einen Komplex von Haltungen stehen. Indem beispielsweise dem Betrachter eingeredet wird, er erhalte anstelle einer Massenware ein liebevoll hergestelltess Naturprodukt, werden Alltagsrealitäten und Produktionsvorgänge kaschiert und durch unwirkliche Beschreibungen ersetzt. Das Produkt wird durch das Ausblenden realgeschichtlicher und aktueller Kontexte in einen mythischen Bereich transformiert, wodurch eine Kritiklosigkeit beim Betrachter erzeugt werden soll, die ihm selber nicht mehr bewußt ist. Spitzer deckte die Taktik des Verdrängens von Alltagsrealitäten und -kausalitäten in seinem bereits im Jahre 1964 erschienenen Aufsatz „Amerikanische Werbung als Volkskunst verstanden“ in der Untersuchung der Sunkist-Werbung ebenfalls auf. Auch hier scheinen die wirtschaftlichen Interessen der Industrie in den Hintergrund zu treten und die harmonische Natur an erster Stelle zu stehen. Die Intention des Verkäufers scheint allein darin zu bestehen, „die individuellen Genüsse des Verbrauchers (...) mittels eigentlicher Naturkräfte zu befriedigen“[24]. Die Frucht fungiert hier als Symbol für die gesamte Sphäre der Natur, an der es dem potentiellen Käufer durch den Konsum möglich ist, teilzuhaben.

Spitzers Beobachtung zufolge hat Werbung in hohem Maße schon die Rolle des Moralpredigers übernommen, der an die Vernunft seiner Schüler appelliert und sie auf das Gute hinweist. Seine Überzeugung, „eine Predigt in jeder Werbung“[25] sehen zu können, bezieht Ehmer auf die Doornkaat-Abbildung: die Simultaneität von individueller Ansprache und Gemeinschaft und die axialsymmetrische Anordnung der Bildform standen in der Kunstgeschichte stets für etwas Feierliches und Heiliges. Darüberhinaus bedeutet der Blickpunkt des Betrachters direkt am Boden von unten nach oben eine unterworfene Haltung der Bewunderung. Schließlich weist er auf eine mögliche Assoziation der Anordnung der Gläser in ihren barocken, säulenartigen Formen mit dem Sakralraum der typischen Via-saccra Konzeption hin. An zentraler Stelle erscheint die Predigerfigur, die die Ware anpreist. Das Etikett wird dieser Sichtweise zufolge zur „Ikonostasis im sakralen Raum“[26].

Durch die Abbildung des Flaschenetiketts wird die linguistische Information mit der ikonischen Nachricht verbunden. Das Bild, das wiederum ein Bild zitiert, soll Ehmers Vermutung nach zum einen die bereits getroffene Aussage bestätigen und zum anderen die Anonymität durch die Personifikation im Bild mindern (1971a, p. 164). Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, daß die auf dem Etikett befindlichen Informationen in Bezug auf ihren ideologischen Gehalt überflüssig für die anderen metasprachlichen Informationen der Werbebotschaft sind. Auch auf visueller Ebene wird der Rezipient mit der Denotation konfrontiert, da er in der Lage ist, das Motiv als ästhetische Darstellung eines alkoholischen Getränkes wahrzunehmen. Erst nach der Identifikation folgt die Phase der Bedeutungszuweisung, die durch sozio-kulturelle und historisch geprägte Konnotationen charakterisiert ist.

Die symbolischen Informationen der ikonografischen Ebene sind verschlüsselt und können vom Betrachter nur mit dem Wissen über die Zusatzbedeutung der Assoziationsfelder dechiffriert werden. Für den Sender der Nachricht bedeutet dies, daß er nur die optischen Signale zur Formulierung seiner Botschaft wählt, deren konnotative Bedeutung als allgemein bekannt vorausgesetzt wird. Die kritische Analyse des Motivs vermag viele linguistisch irrelevante Nachrichten herauszufiltern, wie bspw. die Darstellung der Tradition durch die Flasche, das Anspielen auf das Nationalgefühl, indem von ´deutscher Trinkkultur` gesprochen wird oder die scheinbar natürliche Frische, auf die durch Wassertropfen auf den Gefäßen angespielt wird. Weiterhin wird durch die einem Stilleben ähnliche Komposition der Anzeige auf den traditionellen ästhetischen Kode Bezug genommen. Die Konventionalität der Kunstauffassung zeigt sich sowohl an der Farbwahl und -kontrastierung und der symmetrischen und perspektivischen Darstellungsweise, als auch an der Materialdesignation und dem Wirklichkeitscharakter der Darstellung. Dieses, sowie der Gebrauch der Fotografie, die allgemein als Mittel zur Fixierung der Realität angesehen wird, formuliert einen Realitäts- und Wahrheitsanspruch (vgl. Ehmer in: Nusser, p. 114).

Ehmer hält weder die Bild- noch die Textnachricht für besonders innovativ. Die ´Doornkaat-Werbung` versucht seiner Ansicht nach lediglich, tradierte oder konventionalisierte Bedeutungszusammenhänge durch Suggestion und Assoziation zu erzeugen. Jedes der Elemente ist Träger eines Zeichens der Konnotationen, die durch das Wiedererkennen die ästhetischen Erwartungen des Betrachters erwecken sollen (Ehmer in: Nusser, p. 215).

Für die Semiologen stellt sich weiterhin die Frage nach den Wirkungsmechanismen ästhetischer Bedeutungszuweisungen auf den Rezipienten. Ehmers Beobachtung zufolge sind die einzelnen Elemente im Bild so komponiert, daß der Rezipient direkt in die Situation integriert zu sein scheint. Vor allem durch die Art und Weise des Blickpunktes, der Blickrichtung und der Position der Gegenstände soll der Betrachter das Gefühl eines persönlichen Kontaktes zum Kommunikator und die Möglichkeit, mitzuwirken bekommen. Dieser Bezug zum Betrachter findet innerhalb mehrerer einzelner, voneinander getrennter Schritte statt. Einerseits hat das Motiv, durch das simultane Angebot der Gegenstände und die Art ihrer fotografischen Gestaltung versinnbildlicht, einen imperativischen Charakter. Andererseits wird eine hinter der Objektsprache existierende Metasprache offensichtlich (vgl. Ehmer in: Nusser, p. 216). Ehmer nimmt schließlich die von Spitzer angeführte Verwandtschaft der Werbung zur Moralpredigt auf, indem er bemerkt, sowohl der Prediger, als auch der Werbetexter wollten die „Nachfrage nach dem Besseren schaffen“[27]. Er vergleicht die spezifische Komposition der Werbung mit dem traditionellen Muster religiöser Darstellungen und stellt die Existenz vergleichbarer Formen fest. Diese strukturale Analogie von der Metasprache der Werbung und der sakralen Ordnung in der Kunst ist Ehmer zufolge ein Zeichen, „daß formale Systeme austauschbar und nicht Privileg des einen oder anderen ´Inhalts` sind“[28]. Für die Kunstwissenschaft würde dies bedeuten, „daß sich die für stringent erachtete Bezogenheit von Form und Inhalt aufhöbe“[29].

Wie Spitzer und Ehmer geht auch Ehrenfried Kluckert davon aus, daß gegenwärtige visuelle Phänomene Modifikationen historischer Vorbilder sind und beweist dies am Beispiel der Illustriertenwerbung. In seinem Buch Kunstgeschichte und Werbung 1979, ermuntert er dazu, Formen, Inhalte und Wirkungen der Illustriertenwerbung anhand kunsthistorischer Vorbilder zu erklären. Er stellt Anzeigen aus den Magazinen Der Spiegel und Stern (Jahrgang 1974-1976) kunsthistorischen Vorbildern gegenüber. Zwischen den Motiven aus Werbung und Kunstgeschichte beobachtet er eine enge Verknüpfung, nämlich daß beide schnell und leicht dekodiert werden sollen. Dieser Forderung entsprechen traditionellen Bildmustern, die schon einen allgemeinen Bekanntheitsgrad beim Rezipienten voraussetzen. Das direkte oder indirekte Nachleben der Kunstgeschichte in der Werbung fördert demnach das Erkennen der Werbeanzeige; eine Werbenachricht ohne geschichtliche Bildmuster ist daher schwieriger zu lesen (Kluckert, p. 19 ff.). Der Konsumartikel wird auch durch den historischen Bezug aufgewertet. Die Gesichtspunkte ´Geschichte als Lesehilfe` und ´Geschichte als Gütezeichen` haben die Auswahl der Werbeanzeigen bestimmt. Anzeigen haben bspw. oft ein traditionelles Kompositions- und figurales Gestaltungsschema. Diese können ggf. themengebunden sein. Das Gestaltungsschema Jugendstil taucht bspw. in vielen Anzeigen mit unterschiedlichen Themen auf (s. Abb. II,2). Weiterhin werden kunsthistorische Kompositionsstrukturen oftmals entlehnt, d.h. sie werden für bestimmte Themen verwendet. Das Maria-Kind-Schema wird bspw. ausschließlich für den Bereich ´Zärtlichkeit` (Mutter/Kind) gewählt (s. Abb. II,3a und b). Ebenfalls können allgemein bekannte Kunstwerke entweder vollständig oder ausschnittweise übernommen werden.

Die durch die Semiologen erarbeiteten Erkenntnisse stellen Ergebnisse analytischer und theoretischer Reflexionen dar, die zwar von den Wissenschaftlern vorgenommen, jedoch selten vom Rezipienten im Alltag durchgeführt werden. Die Werbeschaffenden gehen offensichtlich von diesem Umstand aus, wenn sie Motive konzipieren, die auf die Wirkung des Gesamteindruckes auf die Emotionen der Gesellschaft spekulieren. Neben der Zuhilfenahme bestimmter Leitbilder, Rollenklischees, etc. (vgl. Kap. 2.2.1.) und dem Anwenden psychologisch durchdachter Strategien und Methoden (vgl. Kap. 2.2.2.) besteht eines der Hauptprinzipien traditioneller Werbung darin, stets Markennamen und Slogan „im Gesamtbild von Inseraten und Plakaten“[30] hervortreten zu lassen. Da besonders diese beiden Elemente erinnert werden sollen, müssen sie kurz und einprägsam sein. Die Werbung scheint also mit einer klanglich und rhythmisch reizvollen Grundtendenz sowie mit dem geschickt konzipierten Bild die oftmals enthaltene Sinnlosigkeit der Botschaft überspielen zu wollen. Sobald aber ein Plakat als Zeichenkomplex verstanden wird, kann ihr formaler Aufbau untersucht werden. Die ´Projektgruppe Plakatanalyse` hat im Jahre 1972 die Werbung am Beispiel eines Zigarrettenplakates in ihrem Zusammenhang in der kapitalistischen Gesellschaft analysiert. Assoziationsketten und die numerische Erfassung der unterschiedlichen Häufigkeit bestimmter aufgetretener Zeichenklassifikationen ergaben die Feststellung einer ganzen Reihe von Persuasionstechniken, die teilweise im gesamten Bereich der Werbung angewendet werden (p. 22).

2.4.2. Gesellschaftswissenschaften und Kritik

Vor allem die suggestiven Formen der Wirtschaftswerbung werden auch in gesellschaftswissenschaftlichen Schriften analysiert und vielfach kritisiert. Wiederholt wird argumentiert, sie richteten Schaden an, indem sie die Unzulänglichkeiten der Konkurrenzwirtschaft verschärfen und eine Verteilung des Einkommens forcieren, die anders ist als die unter stabileren Konkurrenzbedingungen. Zudem werfen besonders kritische Schriften ihnen vor, den Geschmack des Konsumenten und dessen Motivationen zu manipulieren und zu verschlechtern. Die Verteidiger der Werbung heben dagegen ihre Rolle innerhalb des kapitalistischen Wirtschaftssystem hervor.

Die den traditionellen Formen der Werbung kritisch gegenüberstehenden Wirtschaftswissenschaftler verurteilen den hohen Einsatz materieller und menschlicher Ressourcen im Werbungsprozeß, sowie in allen anderen Methoden der nichtpreiskonkurrierenden Verkaufsförderung: dabei weisen sie auf die zunehmend trügerische Variierung der Produkte, die immer weniger gerechtfertigten, aber immer kostspieliger werdenden Modellveränderungen, das Propagieren von überflüssigem Zubehör u.a. hin (vgl. Baran in: Krauß/Rühl, p. 42). Auf politisch-wirtschaftlicher Ebene lehnen die Kritiker die Werbung im allgemeinen in der Überzeugung ab, daß sie Vollbeschäftigung eher behindert. Tatsächlich scheint es, als könnten die Energien, die jetzt noch für Werbung gebraucht werden, an anderen Stellen sinnvoller eingesetzt werden. E.H. Chamberlin äußert in diesem Zusammenhang, die Nachfrage an propagierten Produkten sei als Folge der Werbung gestiegen, während sie an anderen dementsprechend zurückgegangen sei (p. 49). Da Reklamekonsumtion und -investition sich stimulierend auf das Wirtschaftswachstum auswirken, könnten Versuche, die Werbung abzuschaffen, allerdings auch zunächst erstmal negative Folgen haben, wenn nicht gleichzeitig die Vollbeschäftigung eingeführt werde (vgl. Baran, p. 43).

Bürgerliche Kritikansätze beschreiben den Konsumenten häufig als kritik- und bewußtseinslos den verführerischen Werbepraktiken unterworfenes Opfer, das zum Kauf gezwungen wird. Diesen Ansätzen nach ist Werbung fähig, Bedürfnisse zu produzieren, die durch den Kauf befriedigt werden können. Kritiker dieses Ansatzes äußern sich besonders skeptisch gegenüber Werbestrategien, die dem Durchschnittsbürger einzureden versuchen, der Konsum von Produkten, wie etwa Zigaretten und Alkohol, verhelfe ihnen zu einem besseren Lebensstil. Tatsächlich nimmt die Werbung auf diese Weise Einfluß auf Bereiche der individuellen Realitätsbewältigung, indem sie dem Konsumenten einen vermeintliche Weg aufzeigt, über den Besitz von Waren individuelles Glück erwerben zu können. Das Bedürfnis nach Glück wird dabei auf das Streben nach wachsendem Wohlstand reduziert und die Konsumerziehung erzeugt eine permanente Unzufriedenheit mit dem jeweils erreichten Lebensstandard, wodurch die Konsumneigung erneut gesteigert wird. Diese Entwicklung ist besonders bedenklich, wenn das noch unzureichend informierte und unkritische Schulkind zum „Objekt geschäftsmäßiger Berechnung“[31] gemacht wird. Als besonders bedenklich sollte auch angesehen werden, daß Gesundheit als eines der wichtigsten Ziele der Gesellschaft durch die Werbung zu einer Ware degradiert wird, die angeblich käuflich ist. Ungesunde Nahrung wird als gesundheitsfördernd gepriesen, indem die Werbung dem Konsumenten einredet, gesundheitsbelastende Genuß- und sogar Suchtmittel brächten ihm Wohlgefühl, Freude, gesellschaftliche Anerkennung und körperliche sowie geistige Erfüllung. Alarmierend ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage Bartsch`s, derzufolge Aufklärungskampagnen von Institutionen, die sich für ein gesundheitsorientiertes Verhalten einsetzen, aus finanziellen Gründen mit der Übermacht der Werbung des Freien Marktes wenig konkurrieren können (vgl. Bartsch, p. 185).

Während die vorangegangenen Abschnitte verschiedene Richtungen der Werbekritik skizzieren sollten, wird es in den folgenden um eine detailliertere Ausführung sozialkritischer Theorien gehen, an deren Anfang Haugs 1971 erschienenes Buch Kritik der Warenästhetik steht. Das Buch wurde vielfach als die erste wissenschaftliche Untersuchung zur Funktion der Phänomene, die vorher mit den Begriffen Reklame, Werbung, Formgestaltung, Produktgestaltung, Design, Styling u.a. gekennzeichnet waren, angesehen. Seinerzeit galt Haugs Theorie bei Kritikern der Werbung als erste Abhandlung „die nicht an der Oberfläche der Erscheinung kleben bleibt, sondern dahinter schaut, Ursachen und Bewegungsgesetze aufdeckt“[32]. Noch heute stellt seine Untersuchung eine wichtige und vielfach zitierte politisch-wirtschaftlich abgestützte Analyse dieser Thematik dar. Mit dem Begriff ´Warenästhetik` definiert Haug die Art von Schönheit, „wie sie im Dienste der Tauschwertrealisierung entwickelt und den Waren aufgeprägt worden ist, um beim Betrachter den Besitzwunsch zu erregen und ihn so zum Kauf zu veranlassen“[33] erstmalig auf kritische Weise.

Dabei stützt Haug sich auf die grundlegenden Kategorien der Marxschen Theorie:

Treibendes Motiv und bestimmter Zweck für jede Seite zweier Waren ist das Bedürfnis nach dem Gebrauchswert der Ware der jeweils anderen Seite. Zugleich ist die eigene Ware und mit ihr das fremde Bedürfnis nur Mittel zu jenem Zweck. Der Zweck eines jeden ist dem jeweils anderen nur Mittel um durch Tausch zum eigenen Zweck zu kommen ... Das Verhältnis ändert sich mit dem Dazwischentreten des Geldes. Wo Geld den Tausch vermittelt, zerlegt es ihn nicht nur in zwei Akte, den Kauf und den Verkauf, sondern es scheidet die gegensätzlichen Standpunkte. Der Käufer steht auf dem Standpunkt des Bedürfnisses, also auf dem Ge-brauchswertstandpunkt: sein Zweck ist der bestimmte Ge-brauchswert; sein Mittel, diesen einzutauschen, ist der Tauschwert in Geldform. Dem Käufer ist derselbe Gebrauchswert bloßes Mittel, den Tauschwert seiner Ware zu Geld zu machen, also den in der Ware steckenden Tauschwert in der Gestalt des Geldes zu verselbständigen. ... Vom Standpunkt des Gebrauchswertbedürfnisses ist der Zweck der Sache erreicht, wenn die gekaufte Sache brauchbar und genießbar ist. Vom Tauschwertstandpunkt ist der Zweck erfüllt, wenn der Tauschwert in Geldform herausspringt.[34]

Da es also dem Verkäufer bei seiner Ware nicht darauf ankomme, daß der Gebrauchswert gewährleistet sei, sondern primär auf den gewinnbringenden Vollzug des Verkaufes, während vom Standpunkt des Gebrauchsbedürfnisses aus derselbe Akt nur „der Beginn und die Voraussetzung für die Realisierung seines Zwecks in Gebrauch und Genuß ist“[35], herrscht zwischen diesen beiden Standpunkten „ein Unterschied wie Tag und Nacht“[36]. Die Auswirkungen, die der eklatante Widerspruch von Gebrauchs- und Kaufwert mit sich bringen, bestehen nach Haug in der Verdoppelung bei der Warenproduktion: „erstens der Gebrauchswert, zweitens und extra die Erscheinung des Gebrauchswertes.“[37]. Da für den Verkäufer bis zum Abschluß des Geschäftes der Gebrauchswert nur insoweit wichtig ist, als er den Käufer zum Kaufakt überzeugen soll, löst sich die ästhetische Erscheinung der Ware von ihr selbst ab. Die äußere Form wird zum „Träger einer ökonomischen Funktion, ... zum Instrument für den Geldzweck“[38].

Ähnlich beschreibt auch Karen Ruoff die sich bedingenden und zugleich gegenüberstehenden Interessen von Käufer und Verkäufer für die amerikanische Gesellschaft:

But although a commodity bought is a commodity sold, buying is not selling, nor is selling buying. The interests which motivates each of these acts are at once mutually dependant and diametrically opposed.[39]

Haugs Theorie der Warenästhetik beansprucht politische Relevanz insofern als sie betont, daß die integrative Funktion der Werbung im Aufrichten des objektiven Scheins einer Lösung des Grundwiderspruchs von Lohnarbeit und Kapital begründet ist. In Kritik der Warenästhetik untersucht er den Einfluß der Warenästhetik auf die Arbeiterklasse (p. 132ff.). An die Schriften von Marx knüpfend, beschreibt er die Unterstützung der Ausbeutung der Gesellschaft durch die Werbung als einen wesentlichen Bestandteil des Kapitalismus. Die Warenästhetik, die selber aus der Konkurrenz resultiert, erzeuge „permanent ein Bewußtsein fundamentaler Ungleichwertigkeit sowohl der Waren wie der Menschen“[40].

Zum einen wird also der manipulierte Konsument bei Haug „zum Ausgangspunkt kultureller Kapitalismuskritik“[41]. Gleichzeitig fungiert er aber auch als „Angelpunkt für die Beschreibung und Kritik einer im Sinne der kapitalistischen Prozeduren perfekt funktionierenden Zirkulationssphäre“[42], die den Konsumenten prägt. Haug zufolge erzieht Werbung zur Kritiklosigkeit und hat unterschwellig einen großen Einfluß auf verschiedenen Ebenen; sie ist besonders gefährlich, weil ihre Auswirkungen nicht immer meßbar sind (s. Kapitel 2.5.1.). Angelernte Verhaltensweisen beziehen sich in der Regel auch auf andere Bereiche, so z.B. auf die Politik (s. Kapitel 6.4.1.). Gerade die frühzeitige Prägung des Jugendlichen zu einem unpolitischen Konsumenten verhindert aber die Entwicklung und Festigung demokratischer Verhältnisse. In diesem Zusammenhang warnen Krauß/Rühl:

Solange die auf Irrationalität basierende Herrschaftsausübung nicht zugunsten rationaler Organisationsformen aufgelöst wird, kann keine Bedürfnisbefriedigung aller Gesellschaftsmitglieder möglich sein.[43]

Mit dem Versuch, die Autonomie des Konsumenten einzuschränken, geht die Bemühung der Werbeproduzenten einher, für ihn die Entscheidung über seine Bedürfnisse und die Art ihrer Befriedigung zu übernehmen. Haug kritisiert das Heraufbeschwören latenter Bedürfnisse, indem er beschreibt, die Warenästhetik hole „Wunsch um Wunsch ans Licht. Sie befriedigt sie eher mit Schein, macht eher hungrig als satt“[44]. Marianne Gronemeyer unterscheidet diesbezüglich zwischen ´wahren` und ´falschen` Bedürfnissen: während ´falsche` Bedürfnisse im wesentlichen davon gekennzeichnet sind, daß sie fremd und von außerhalb oktroyiert sind, entstehen ´wahre` Bedürfnisse ohne äußere Beeinflussung „aus dem Innern des Individuums“[45]. Sie zitiert in diesem Zusammenhang Marcuse, der als ´falsch` die Art von Bedürfnissen bezeichnet, „die dem Individuum durch partikuläre gesellschaftliche Mächte, die an seiner Unterdrückung interessiert sind, auferlegt werden“[46]. Es geht bei der Kapitalismuskritik von Haug, Marcuse, u.a. jedoch nicht so sehr um moralische Verurteilung, sondern um das Aufdecken bestimmter Strukturen und Funktionsmechanismen.

An dieser Stelle könnte erörtert werden, inwieweit der Fehler tatsächlich innerhalb der Gesellschaft selbst liegt, die bereit ist, sich einer derartigen Fremdbestimmung zu unterwerfen. Innerhalb der modernen Gesellschaft existieren offensichtlich bereits im Vorfeld viele Probleme, die es der Werbung ermöglichen, sich ihre Schwächen zu Nutze zu machen. Wenn das Bedürfnis, durch das Beschaffen neuer Produkte Seelenfrieden zu erlangen, größer ist als die Vernunft des Konsumenten, könnte dies auch auf breitgestreute psychosozial labile Strukturen in der Gesellschaft hinweisen. In diesem Sinne wären die von den Gesellschaftskritikern beschriebenen Phänomene neben dem Argument, Werbung sei gesellschaftsschädigend, vor allem ein Indikator für eine bereits bestehende Morbidität der Gesellschaft selbst. Dennoch soll die von K. Koszyk und K.H. Pruys aufgestellte These „Die Freiwilligkeit, sich beeinflussen zu lassen, muß vorhanden sein“[47], nicht das Treiben der Werbenden entschuldigen. An dieser Stelle ergäbe sich durchaus die Möglichkeit zu einer interessanten ethisch-moralischen Diskussion über das Konzept der ´Freiwilligkeit`, und ob man Menschen in Versuchung führen darf, etc. Die Ausführung dieser Thematik würde jedoch zu weit von der Themenstellung dieser Arbeit abweichen. Tatsächlich wurde die Ansicht, Werbung sei zur vollständigen Manipulation fähig, zunehmend in jüngster Zeit kritisiert, da gezeigt werden konnte, daß der mittlerweile gut aufgeklärte Konsument sich nicht mehr nur berieseln und verführen läßt. Das hohe Ausmaß an Möglichkeiten manipulitativer Art, die Vance Packard 1960 den ´geheimen Verführern` zusprach, gelten zunehmend als weit überschätzt (vgl. Werner Lippert, 1995). Die Werbewissenschaftler und Sozialtheoretiker tendieren zunehmend dazu, vom „mündigen Bürger zu sprechen, der sich von den Werbeleuten nicht mehr alles unterschwellig unterjubeln läßt“[48].

Die Gesellschaftswissenschaften haben sich in ihren kritischen Auseinandersetzungen jedoch nicht nur mit den Folgen der Werbung auseinandergesetzt, sondern ebenfalls mit ihrer Analyse auf psycho-sozialer Ebene. Die kritische Betrachtung konnte vor allem zeigen, daß zur Erweckung der von der Werbung erwünschten Bedürfnisse beim Konsumenten besonders die Sexualität auf verschiedene Weisen eingesetzt wird (s. Kap. 2.2.1.). Haug kritisiert diese Indienstnahme als Ausbeutung der Sexualtität und prägt den Begriff der „Technokratie der Sinnlichkeit“[49]. Seiner Beobachtung nach sind die von der Werbung ausgesendeten Reize mit den natürlichen Liebesreizen identisch. Weiterhin weist er auf eine Rückkoppelung von Wirtschaft und Gesellschaft hin. Die Waren entlehnen seiner Beobachtung nach ihre ästhetische Sprache beim Liebeswerben der Menschen; dann kehre das Verhältnis sich um, und die Menschen entlehnen ihren ästhetischen Ausdruck bei den Waren. Haug zufolge bedeutet das eine erste prägende Einflußnahme auf die Sinnlichkeit der Menschen:

So verwandelt der Tauschwert, der die Sexualität in seinen Sinn nimmt, sie sich selber an. In ihre Oberfläche werden zahllose Gebrauchsdinge eingewickelt, und die Kulissen des sexuellen Glücks werden zum häufigsten Warenkleid oder auch zum Goldgrund, auf dem die Ware erscheint. Die allgemeine Sexualisierung der Waren hat die Menschen miteinbezogen. Sie stellte ihnen Ausdrucksmittel für bisher unterdrückte sexuelle Regungen zur Verfügung. Vor allem die Heranwachsenden begriffen diese Möglichkeit, ihre Nachfrage zog neues Angebot nach sich.[50]

Auch neuere ideologiekritische Ansätze sind darum bemüht aufzuzeigen, inwieweit in der Verbindung von Produkt und Leitbild, bzw. der von der Werbung geprägten Aussagen und Wertvorstellungen prägende Strukturen enthalten sind.

Besonders die Frau wird dabei zunehmend „zum Werbeträger für Waren aller Art“[51] und wird, wie auch die Kunst (s. Kapitel 5.1.2.), dabei selbst zur Ware. Eine junge, attraktive Frau wertet das Produkt ästhetisch auf, sie läd zu seiner Konsumtion ein oder verleiht ihm durch ihre Bewunderung, unabhängig davon, wie trivial es auch sein mag, „ihren eigenen, bewundernswerten Appeal“[52] (vgl. Kap. 2.4.1.). Schon 1969 beschrieb Annegret Kirchhoff dazu treffend in ihrem Aufsatz „Was die Werbung mit den Frauen treibt“:

Nichts und niemand scheint so geeignet, die von einem großen Teil der Werbung angepriesenen Produkte an den Mann zu bringen, wie die Frau.[53]

Dies galt schon damals und auch heute noch primär für die Werbung, die sich mit dem Image des stilbewußten Mannes beschäftigt und vorgibt, der Besitz eines gewissen Rasierwassers, Autos, oder einer Uhr brächte ihm Glück, Potenz und Erfolg. Eine attraktive Frau trägt zum einen zu den Annehmlichkeiten des Lebens bei, zum anderen gehört sie aber auch selbst dazu. Wie der Mann sich bei der auf verschiedenste Weise für jegliche Produkte abgebildeten Frau beliebt machen kann, wird ihm in der Reklame erklärt; in der Regel ist es allerdings nur nötig, das jeweilige Produkt zu kaufen. Die Frau wird zum Produkt, indem ihre besonders attraktiven Seiten wie die eigentliche zum Verkauf stehende Ware zur Schau gestellt werden. Auf diese Weise werden Kirchhoff zufolge der weibliche Körper und das Produkt „austauschbar und definieren sich gegenseitig“[54]. Die Frau wird auf diese Weise zum Objekt potentieller sexueller Befriedigung. Diesbezüglich kritisiert Annegret Kirchhoff die auch heute noch existierenden Werbetexte für Sekt, Bier und Whiskey, die mit Vorliebe alkoholisch-sexuelle Genüsse beschreiben und sich der Frau als „Sexualobjekt entweder sentimental verlogen oder brutal bedienen und sie verbrauchen“[55].

Aber nicht nur die Frau wird auf diese Weise verkauft. Auch die sexuellen Wünsche des Mannes können so für den Konsum genutzt werden, indem sie in materielle Wünsche umgesetzt werden, die dann durch die Produkte als Ersatzlösung erfüllt werden können. Zu der Heraufbeschwörung der Angst des Mannes, durch das Fehlen eines bestimmten Produktes nicht genug begehrenswert zu sein, beobachtet Kirchhoff ein ähnliches Phänomen in der Kosmetikbranche. Hier wird die Frau durch die Angst, dem von der Werbung vorgegebenen Idealbild nicht mithalten zu können, zu einem „hilflosen Objekt gesellschaftlicher Ausbeutung“ gemacht, dem „seine Verfügbarkeit noch ideologisch schmackhaft gemacht“ wird[56]. Das Prinzip der Manipulation durch das Erwecken oder Verstärken bereits latent vorhandener Angst wurde ebenfalls sehr überzeugend von Helmut Kentler in seinem Aufsatz „Geschäfte mit der Angst“, 1969, beschrieben: Die Angst spielt seiner Untersuchung zufolge besonders in der Werbung für Luxusgüter eine große Rolle, da es offensichtlich schwerfällt, ihren Konsum mit rationalen Gründen zu rechtfertigen, so daß irrationale Gründe dazu herhalten müssen, zum Kauf anzuregen. Kentler zufolge wird die Angst benutzt, um „Kaufzwang auszuüben“[57] (vgl. auch Berger, p. 137). Da Geld in der kapitalistischen Gesellschaft einen extrem hohen Stellenwert einnimmt, scheint sein Besitz die Angst überwinden zu helfen. Gleichzeitig nutzt die Werbung die in der Gesellschaft bestehende Angst aus, nichts zu sein wenn man nichts besitzt. Berger weist auf die eigentliche Unfreiheit der von der Werbung geformten Sexualität hin, die primär ein angenehmes Leben symbolisiert, in dem man alles kaufen kann (p. 138). Als sexuell begehrenswert wird derjenige dargestellt, der sich alles kaufen kann. Die Werbung beschwört jedoch nicht nur männliche und weibliche Rollenklischees, sondern auch Mythen jeglicher Art wieder herauf, derer Bekanntheit und Wirkung sie sich bedient[58].

Während die gesellschaftswissenschaftlichen Schriften fast einheitlich das Treiben der Werbung verurteilen, existieren jedoch, allerdings meist von Seiten der Werbetreibenden selbst, auch positive Vermutungen über den sozialen Sinn von Wirtschaftswerbung. Die folgenden Zitate, die hier jedoch nicht weiter besprochen werden, sollen einen provokanten Kontrast zu den vorangegangenen Ausführungen darstellen:

Die Werbung trägt langfristig zum sozialen Lernprozeß des Konsumenten wesentlich bei. Durch Darbietung anschaulicher Bilder fördert sie geistige Konsumexperimente und unterstützt so die Entfaltung und das Bewußtwerden der eigenen Persönlichkeit.[59]

Wenn nun in der Werbung emotionale Appelle verwendet werden, so ist der Grund darin zu sehen, daß der Mensch sich in seiner Verhaltensweise nicht nur von rationalen Gesichtspunkten leiten läßt. Der Verbraucher will nicht nur sachlich informiert, er will auch umworben werden. Die Werbung muß sich also auf den Menschen als ein vielfach von Emotionen gesteuertes Wesen einstellen.[60]

Je tiefer die Werbung ins Unbewußte vordringt, desto mehr wird die Werbung zur Ausstrahlung, Erziehung, Führung und... prägt sie im edlen Sinne den Menschen um.[61]

Werbung ist unentbehrlich. Sie hat, nachdem die Religion in der modernen Zeit schwächer geworden ist, dem ängstlichen, haltlosen Menschen neue Leitbilder geschaffen.[62]

Inwieweit diese Aussagen von den Kommentatoren tiefer durchdacht wurden bzw. Ernsthaftigkeit für sich beanspruchen wollen, sei dahingestellt. Ausführlichere Betrachtung verdienen die Thesen vergleichsweise ernst zu nehmender Autoren ähnlicher Meinungsbilder, wie z.B. Hans A. Münster und H.F.J. Kropff. Münster beschreibt in einem Exkurs den Nutzen und die Bedeutung der Wirtschaftswerbung im allgemeinen und verkündet seinen Glauben an das Konzept „redlicher Werbung“[63], die Vertrauen verdiene und moralisch wie auch gesellschaftlich gerechtfertigt und sogar nützlich sei. Schon der Frankfurter Werbekongreß 1954 stand unter der Parole ‘Werbung nutzt dem Verbraucher’. Der Kongreß sollte bei breiten Schichten der Bevölkerung Verständnis für das Wesen der Werbung erwecken und gegen die Auffassung wirken, Werbung verteuere die Ware. Argumentiert wurde zum einen mit der These, durch den durch Werbung gesteigerten Umsatz fielen als Folge davon die Preise. Zum anderen wurde erklärt, gute Werbung könne für die Verbraucher zugleich auch ein „Leitfaden durch den Irrgarten der Produkte“ sein. Werbung wurde angesichts des ständig wachsenden Angebotes als nützliche Aufklärung, die eine Brücke vom Produzenten zum Verbraucher schlägt proklamiert. In seiner weiteren Ausführung kommt auch Münster zu den Ergebnissen, Werbung durchleuchte und reguliere die verschiedenen Märkte. Er bezeichnet besonders die Werbung in der Zeitung als brauchbare Übersicht über Angebote und Nachfrage auf einem bestimmten Gebiet (p. 25).

Auch das Wecken von Ansprüchen und Bedürfnissen durch die Werbung wird bei Münster als positiv betrachtet, da sie dem Konsumenten aufzeigten, was unbewußt bereits an Wünschen in ihm schlummere und daß dieser Wunschtraum in Erfüllung gehen könne, wenn er sich nur sachkundig aufklären lasse. Indem die Werbung dazu beitrage, Latentes wachzurufen, hebe sie allmählich den allgemeinen Lebensstandard. Die soziale Bedeutung und Verpflichtung der Wirtschaftswerbung bestehe also nicht nur darin, breite Schichten der Bevölkerung an die Güter heranzuführen, sondern auch gewisse Neid- und Minderwertigkeitskomplexe, die dem harmonischen Zusammenleben verschiedener Volksschichten schaden, zu mildern und dadurch auch Hemmnisse zu beseitigen, die dem sozialen Ausgleich und der Verständigung im Wege stehen. ´Gute` Werbung habe die möglichst umfangreiche Information des Verbrauchers zum Ziel und helfe ihm so beim Einkauf (p. 19 ff). Ob es dazu allerdings tatsächlich ausreicht, wie er fordert, einerseits den Voraussetzungen, Zuständen und Bedingungen des Marktes zu entsprechen und andererseits die Moralgesetze im Code of Standard of Advertising zu beachten, sei dahingestellt. Sehr euphorisch scheint auch die noch in den fünfziger Jahren von Kropff vorgebrachte Vorstellung zu sein, Werbung sei das „wahrheitsgetreue Angebot eines wirklich guten Produktes“, das mit „wahrhaft schöpferischem Geist vorgetragen“[64] würde. H.F.J. Kropff sieht in der fördernden Wirkung für das Gemeinwohl die Kennzeichen einer guten Werbung; ihr Erfolg auf der betriebswirtschaftlichen Linie allein genügt ihm dazu nicht. Nach Kropff entscheidet über den Wert der Werbung für die Gesamtheit, was die Unternehmer und Fachleute aus ihr machen. Wenn die Werbung sich im Sinne der großen Dienstleistung, zu der sie berufen sei wandelt, so Kropff, „nützt gute Werbung wirklich allen“[65].

Es läßt sich sicherlich darüber streiten, ob traditionelle Werbung tatsächlich, wie Kropff und Münster beschreiben, informativ und neutral genug ist, um nicht nur einen Nutzen für den Warenhersteller zu erbringen, sondern ebenfalls, um Kropff zu zitieren, „eine Hilfe für den Verbraucher“[66] darzustellen. Die Diskussion um die Voraussetzungen einer nutzbringenden Werbung stellt offensichtlich ein komplexes Thema dar und kann daher hier nur in dieser skizzenhaften Form belassen werden. Die Existenz bzw. Möglichkeit ´guter`, d.h. informativer Werbung soll trotz der ausführlichen Darstellung der kritischen Schriften von Autoren wie Haug, Bartsch, Kirchhoff und Berger nicht bestritten werden. Dennoch bildet sie im Bereich der Wirtschaftswerbung eher die Ausnahme. Je nach Intention des Senders werden informative und suggestive Elemente miteinander kombiniert und zu aufklärerischen Zwecken verwendet oder zu manipulatorischen Intentionen mißbraucht. Bechsteins Aussagen scheinen in Hinblick auf die Betrachtung des Großteils traditioneller Werbung heute einer realistischen Darstellung von Werbung am nächsten zu kommen:

Eine Mischung aus echter und scheinbarer Information gepaart mit Unterhaltungselementen kaschiert geschickt die tatsächliche Intention, die in einer Meinungsmanipulation oder der Weckung konsumfreundlichen Verhaltens bestehen kann.[67]

2.5. Werbeträger: das Plakat als Medium

Die Werbung begegnet uns jeden Tag in vielen verschiedenen Erscheinungsformen. Eine gängige Kategorisierung ist heutzutage die Differenzierung von elektronischen Medien (Fernsehen, Kino, Rundfunk, Internet) und Printmedien (Anzeigenwerbung, Plakate). Das folgende Unterkapitel wird sich in Hinblick auf die zu untersuchenden Fragestellungen in Kapitel vier, fünf und sechs auf die Bildanzeige, bzw. hier speziell auf das Plakat als Medium konzentrieren.

Die Bildanzeige gilt als das älteste, noch verwendete Werbemittel. Die wesentlichen Gestaltungsmittel sind nach wie vor der sparsame Text und die meist großflächigen Abbildungen. Bildanzeigen werben oft für Massenkonsumgüter und werden immer dort verwendet, wo die Botschaft alle Konsumenten erreichen soll. Diese wirkt einprägsam, weil sie auf Variation ihres Inhaltes verzichtet und mit Stereotypen arbeitet. Die Struktur der Bildanzeigen weist meist die gleichen Merkmale auf: Das Produkt befindet sich an zentraler Stelle im Vordergrund des Bildes, während ein prägnanter Slogan und eine Abbildung, die den ideellen Zusatznutzen repräsentiert den Hintergrund ausmachen. Produkt und Zielgruppe bestimmen die konkrete Gestaltung. Obwohl Bildanzeige und Plakat zwei unterschiedliche Medien sind, die an unterschiedlichen Orten mit andersartigen Außenwelten auftauchen, kommt es oft vor, daß Kreative für die Plakation eine Anzeige einfach unverändert vergrößern[68].

[...]


[1] K. Koszyk/K. H. Pruys, Wörterbuch zur Publizistik (München: 1973), p. 384.

[2] F. Neske/G.F. Heuer, Handlexikon Werbung und Marketing (Frankfurt a.M.: Fischer 1972).

[3] H. Weirich, Der volkswirtschaftliche Nutzen der Werbung Bd. 1 der ADW-Schriftenreihe (Essen: Stamm, 1966).

[4] Ch. Kapferer/W.K.A. Disch, AbsatzwirtschaftlicheProduktpolitik (Köln: Westdeutscher Verlag, 1967)

[5] A. Hermanns, Sozialisation durch Werbung (Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag, 1972), p.10.

[6] H.F. Rathenow, Werbung (Berlin: Colloquium, 1979), p. 22.

[7] Zu den tendentiellen Veränderungen von Warenästhetik und Werbestrategien zählt Helga Kämpf-Jansen, in ihrem 1989 erschienenen Artikel „Zwanzig Jahre als Gegenstand der Ästhetischen Erziehung. Oder: Die Zeit nach Doornkaat“ folgende Kategorien: (1) Die Veränderung der Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder. (2) Schöner essen und schöner leben. (3) Das veränderte Verhältnis von Warenimage bzw. Markenname und der Warenaura, bzw. der Inszenierung des schönen Scheins (p. 14).

[8] Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1971), p. 14.

[9] Helga Kämpf-Jansen, „Ich wünsche mir von Dir ein süßes Mäuse-Tier“, in: Kunst und Unterricht 132 (1998), p. 18.

[10] ebda, p. 17ff.

[11] Die Arzneimittel- und Kosmetikindustrie liefert Baran zufolge das schlagendste Beispiel dafür, wie „Werbung ein Bedürfnis nach wirkungslosen oder sogar schädlichen Produkten erzeugen kann“ (p. 43).

[12] Das Prinzip der Werbung mit der Sauberkeit wurde schon von Barthes in seinem Aufsatz „Tiefenreklame“, zum ersten mal erschienen 1957 in seinem Buch Mythen des Alltags, in Bezug auf die Mittel zur Schönheitspflege aufgedeckt (p. 47-49).

[13] John Berger, u.a. Sehen. Das Bild in der Bilderwelt (Reinbek: Rowohlt, 1972), p. 125.

[14] Hermann K. Ehmer, „Von Mondrian bis Persil“, in: Visuelle Kommunikation. Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie, Hrsg. ders. (Köln: DuMont, 1971), p. 186.

[15] Vertretern der Stimulus-Response Theorien zufolge lösen bestimmte Außenreize einheitliche und „biologisch determinierte Triebe“ aus, die eine vorhersehbare Verhaltensreaktion bewirken. Zu den entschiedensten Verfechtern der behavioristischen Prämisse zählt B.F. Skinner, der in seinen Schriften immer wieder ganz entschieden die Existenz psychischer Vorgänge und Instanzen bestreitet (vgl. Krauß/Rühl, p. 38).

[16] K. Behrens (Hrsg.), Handbuch der Werbung (Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, 1970), p. 20.

[17] ebda

[18] H.-F. Rathenow, Werbung (Berlin: Colloquium, 1972), p. 18.

[19] Roland Barthes, „Der Mythos heute“. Mythen des Alltags. Frankfurt a.M.: 1964, p. 88.

[20] Waagerechte und senkrechte Linien werden bspw. als beruhigend empfunden, kurvige und schräge Linien signalisieren Bewegung (vgl. Kerner/Duroy, p. 28f.).

[21] Günter Kerner/Rolf Duroy, Bildsprache 1 (München: Don Bosco, 1985), p. 44.

[22] Roland Barthes, „Rhetorik des Bildes“ in: G. Schiwy, Der Französische Strukturalismus (Hamburg: 1996), p. 164.

[23] ebda

[24] Leo Spitzer, „Amerikanische Werbung als Volkskunst verstanden“, in: Sprache im technischen Zeitalter 12 (1964), p. 952.

[25] Leo Spitzer, in: Visuelle Kommunikation. Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie. Hermann K. Ehmer (Hrsg.). (Köln: DuMont, 1971), p. 176.

[26] Visuelle Kommunikation. Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie. Hermann K. Ehmer (Hrsg.). (Köln: DuMont, 1971), p. 176.

[27] K.H. Ehmer (1970) in: P. Nusser, Anzeigenwerbung. Ein Reader für Studenten und Lehrer der deutschen Sprache und Literatur (München: 1975), p. 217.

[28] ebda, p. 218.

[29] ebda

[30] Volker Klotz, „Slogans“ in: Sprache im Technischen Zeitalter 7 (1963), p. 17.

[31] Norbert Bartsch, u.a., Curriculum Alkohol, Rauchen, Selbstmedikation, Werbung und Gesundheit, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln (Stuttgart: Klett, 1975), p. 184.

[32] Diethart Kerbs, „Design, Kosmetik, Werbung - manipulierte Sinnlichkeit ohne Sinn“ in: Gunther Busch (Hrsg.), Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1972), p. 69.

[33] Wolfgang Fritz Haug in: ebda, p. 10.

[34] Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1971), p. 14.

[35] ebda, p. 16.

[36] ebda

[37] ebda

[38] ebda. p. 17.

[39] Karen Ruoff, „Warenästhetik in Amereica, or Reflections on a Multy-National-Concern“in: Gunther Busch (Hrsg.), Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1975), p. 49.

[40] Rainer Paris, „Kommentare zur Warenästhetik“ in: „Design, Kosmetik, Werbung - manipulierte Sinnlichkeit ohne Sinn“ in: Gunther Busch (Hrsg.), Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1975), p. 90.

[41] Heinz Hirdina, „Rezension der ´Kritik der Warenästhetik` in den ´Weimarer Beiträgen` in: Warenästhetik, Hrsg. Gunther Busch (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1975), p. 112.

[42] ebda

[43] Lutz Krauß/Hans Rühl, Werbung in Wirtschaft und Politik (Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt, 1971), p. 109.

[44] Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1971), p. 158.

[45] Zu der Schwierigkeit dieser Trennung nimmmt Gronemeyer jedoch anschließend ausgiebig Stellung. Sie zitiert ein Gespräch zwischen Habermas und Marcuse, um die Schwierigkeiten der Aufteilung in die Kategorien ´wahrer` und ´falscher` Bedürfnisse zu verdeutlichen (p. 25 ff.).

[46] H. Marcuse in: Marianne Gronemeyer, Die Macht der Bedürfnisse (Reinbek bei Hamburg: rowohlt, 1988), p. 22.

[47] K. Koszyk/K. H. Pruys, Wörterbuch zur Publizistik (München: 1973), p. 384.

[48] Joachim H. Bürger, Werben wie die Profis (Landsberg am Lech: Moderne Industrie, 1986), p. 164.

[49] Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1971), p. 68.

[50] ebda.

[51] Diethart Kerbs, „Ästhetische und politische Erziehung“, in: Kunst und Unterricht 1 (1968), p. 30.

[52] Erving Goffmann, Geschlecht und Werbung (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1981), p. 114.

[53] Annegret Kirchhoff, „Was die Werbung mit den Frauen treibt“ in: Konkret 8/8. 4. (1969), p. 37.

[54] ebda, p. 38.

[55] ebda

[56] ebda

[57] Helmut Kentler, „Geschäft mit der Angst in: hessische jugend 2. 1969, p. 17.

[58] Manfred Behr hat die Erfüllung des antiken Mythos des Narziss in der Gegenwart anhand der Calvin Klein-Werbung für das Parfüm ´Escape` exemplarisch dargestellt. Er belegt mit diesem Beispiel Geyers These, nach der der Mythos uns besonders „in den dunklen Wünschen der an Effizienz und Durchschaubarkeit orientierten sogenannten ´modernen Gesellschaft“ begegnet (Behr, p. 10).

[59] Erich Streissler, Informationen in der Wirtschaft (Berlin: Duncker und Humblot, 1982), p. 105.

[60] Horst Slesina, „Auf vorhandenen Bedürfnissen aufbauen“ in: Der Volkswirt 1/3. I. (1969), p. 28.

[61] Walter Heinrich, „Werbung als gesellschatliche Macht“ in: Der Markenartikel 2 (1959), p. 109.

[62] Leiter einer Fernseh-Werrbegesellschaft in: Hans Heinrich Ziemann, Der Freundliche Zwang zum Glücklichsein (Manuskript einer Sendung des NDR I: 30.7.1996), p. 16.

[63] Hans A. Münster, Die Presse - Trumpf in der Werbung (Stuttgart: Forkel, 1963), p. 27.

[64] H.F.J. Kropff, Die Werbemittel und ihre psychologische, künstlerische und technische Gestaltung (Essen: W. Girardet, 1961), p. 20.

[65] ebda, p. 27.

[66] H.F.J. Kropff, Die Werbemittel und ihre psychologische, künstlerische und technische Gestaltung (Essen: W. Girardet, 1961), p. 19.

[67] Gabriele Bechstein, Grundinformationen zur Semiotischen Analyse von Werbekommunikation (Bochum: Brockmeyer, 1987), p. 11.

[68] Über den Sinn eines solchen Verfahrens angesichts der divergierenden Charakteristika beider Medien läßt sich streiten (vgl. Schirner, 1995). An dieser Stelle jedoch kann aus Platz- und Zeitgründen nicht weiter auf die Thematik eingegangen werden, die anhand vieler Beispiele traditioneller Werbung durchaus interessante Ergebnisse liefern könnte, in Hinblick auf die später folgende Diskussion über die Benetton-Werbung in der öffentlichen Diskussion und als Thema im Kunstunerricht jedoch nicht von primärer Bedeutung ist.

Ende der Leseprobe aus 199 Seiten

Details

Titel
Benetton-Werbung in der öffentlichen Diskussion und als Thema im Kunstunterricht
Hochschule
Universität der Künste Berlin  (Kunst, Fachdidaktik Kunst, Visuelle Medien)
Veranstaltung
Erstes Staatsexamen, Prüfungsarbeit - Staatsexamensarbeit Fachdidaktik Kunst
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
199
Katalognummer
V210519
ISBN (eBook)
9783656390688
ISBN (Buch)
9783656391517
Dateigröße
1053 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr gut recherchierte und ausführliche Arbeit zum Thema "Neue Werbeformen" und ihre Anwendung in Schule und Unterricht. Viele Praxisbeispiele, die präsentiert, ausgeführt, erörtert und ausgewertet werden. Praktische Ideen und Unterrichtsbezug sowie Rahmenplanabgleich finden sich in dieser Arbeit ebenso gründlich untersucht, wie die Analysemethoden der Vertreter der Visuellen Kommunikation, der engagierten Fachdidaktiker der 1970er Jahre sowie ihren Nachfolgern. Das Thema Werbung im Kunstunterricht erhält neue Relevanz und Handlungsmöglichkeiten für einen zeitgemäßen Kunstunterricht.
Schlagworte
benetton-werbung, diskussion, thema, kunstunterricht
Arbeit zitieren
Tatjana Katharina Schikorski (Autor:in), 2000, Benetton-Werbung in der öffentlichen Diskussion und als Thema im Kunstunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210519

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