Historische Entwicklung und Analyse der Erfolgsfaktoren der Tagesschau


Bachelorarbeit, 2012

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Tagesschau zwischen Kritik und Auftragserfüllung
2.1 Kritische Stimmen zur Berichterstattung
2.2 Die visuelle Gestaltung
2.2.1 Vom starken Bild zum bloßen Beiwerk
2.2.2 Eintönige Darstellung und Ablenkungspotenzial
2.2.3 Neutrale Darstellung und Informationsvermittlung
2.2.4 Standardisierte Bilder für eine objektive Berichterstattung
2.3 Die Kommunikation
2.3.1 Sprache und Sprecher im Wandel
2.3.2 Die verbale Kommunikation
2.3.2.1 Verständnisschwierigkeiten und Eintönigkeit
2.3.2.2 Präzision, Objektivität und Respekt
2.3.2.3 Vorgefertigter Sprachapparat für Zeitmanagement und Objektivität
2.3.3 Die nonverbale Kommunikation
2.3.3.1 Neutralität und Distanz
2.3.3.2 Ablenkungspotenzial durch unpersönliche Informationsvermittlung
2.4 Die Themengestaltung
2.4.1 Von der Unterhaltungsshow zur politischen Nachrichtensendung
2.4.2 Ausgewogene Berichterstattung ohne Hintergrund und Soft News
2.4.3 Glaubwürdigkeit durch hohe Nachrichtenqualität
2.4.4 Hohe Nachrichtenqualität trotz kritikwürdiger Themengestaltung

3. Markenhistorie als Erfolgsfaktor
3.1 Die Tagesschau – eine Marke mit Historie
3.2 Von der Markenhistorie zur Markentreue
3.2.1 Markenidentitätsbezogene Potenziale
3.2.2 Markenwissenbezogene Potenziale
3.2.3 Das konsumentenbezogene Potenzial Markentreue
3.2.4 Zuschauerbindung durch Markenhistorie

4. Der Erfolg der Tagesschau
4.1 Auftragserfüllung und kritikwürdige Darstellung
4.2 Kritikwürdige Darstellung als Methodenhistorie
4.3 Erfolg durch Markentreue

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Täglich informieren sich über 9 Millionen Menschen über die Ereignisse in der Welt in der Tagesschau, der ältesten Nachrichtensendung im deutschsprachigen Fernsehen.[1] „Die Tagesschau ist keine Sendung, sondern pure Gewohnheit. Die kann man auch in Latein verlesen“, so Helmut Thoma, der einstige Chef von RTL.[2] Doch das Flaggschiff aller Nachrichtensendungen, das für Qualität und Objektivität steht, bekommt immer stärkere Konkurrenz, vor allem durch die privaten Sender. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts forsa werden von den Zuschauern Nachrichten wie beispielsweise RTLaktuell für ebenso seriös gehalten wie die Tagesschau oder heute.[3] Zudem wirkt deren Präsentation durch eine lockere Sprache, eine aufregende bildliche Gestaltung, eine interessante Themenwahl sowie einen Anchorman im Vergleich zur Tagesschau attraktiver. Die Tagesschau dagegen blieb ihrer seit Jahrzehnten annähernd gleichbleibenden nüchternen und zurückhaltenden Nachrichtenpräsentation bis heute treu, was ihr immer wieder Kritik einbrachte und einbringt.

Ziel dieser Arbeit ist es daher herauszustellen, weshalb die Tagesschau trotz ihrer kritikwürdigen Darstellung so erfolgreich ist. Für die Beantwortung dieser zentralen Frage liegt die Konzentration des Portraits daher auf der Nachrichtenpräsentation innerhalb der Hauptnachrichtenausgabe um 20:00 Uhr. Diese stellt das Aushängeschild der Tagesschau dar und besteht seit 59 Jahren in dieser für die Tagesschau typischen Form. Hinsichtlich der Nachrichtendarstellung werden nur die für den Zuschauer wahrnehmbareren Elemente analysiert, die in der folgenden Arbeit die visuelle Gestaltung, die Kommunikation auf verbaler als auch nonverbaler Ebene und die Themengestaltung umfassen. Produktionsabläufe, Persönlichkeiten wie Sprecher oder Redakteure, Bezugsquellen für Bild- und Textmaterial oder weitere Sendungen werden nicht berücksichtigt, da diese keine hinreichenden Ergebnisse zur Beantwortung der Frage liefern.

Zunächst werden in Kapitel 2 wesentliche negative Elemente der Nachrichtenpräsentation anhand zweier Kritiken dargelegt, die eine Grundlage für die darauf folgende Analyse darstellen sollen. Ausgangspunkt für die Analyse bilden jeweils die historischen Entwicklungen innerhalb der einzelnen Schwerpunkte (visuelle Gestaltung, Kommunikation, Themengestaltung), die Aufschluss darüber geben sollen, wie es zu den entsprechenden Darstellungsformen gekommen ist.

Danach erfolgt innerhalb der jeweiligen Schwerpunkte die Analyse, welche die wesentlichen Kritikpunkte beschreiben soll. Ergänzend dazu werden Gründe aufgezeigt, welche die negativ bewertete Handlungsweise der Tagesschau erklären sollen. Diese Ergebnisse tragen ihren Teil zur Beantwortung der Forschungsfrage bei.

Darauf folgend soll in Kapitel 3 der Erfolg der Tagesschau erläutert werden. Dazu dient die Theorie der Markenhistorie, da sie besonders gut auf die Tagesschau übertragbar ist. Im 4. Kapitel soll der Erfolg der Tagesschau eindeutig herausgearbeitet werden, indem die Ergebnisse aus Kapitel 2 und 3 zusammengefasst werden. Das 5. Kapitel gibt schließlich in einem Fazit einen Überblick über die Ergebnisse dieser Arbeit.

2. Die Tagesschau zwischen Kritik und Auftragserfüllung

2.1 Kritische Stimmen zur Berichterstattung

Die gegenwärtige Kritik zur Berichterstattung der Tagesschau ist aus zwei ähnlichen Blickwinkeln erkennbar. Ein bekannter Kritiker der Tagesschau ist Walter van Rossum. Dieser untersuchte die Nachrichtensendung und gelangte zu folgenden Ergebnissen: kennzeichnend ist eine weltabgewandte Erzählweise, die durch vorgefertigte Wort- und Phrasenkombinationen charakterisiert ist. Hinsichtlich der visuellen Gestaltung findet sich standardisiertes Bildmaterial, das wenig aussagekräftig ist und häufig dem Archiv entstammt. Die von der Tagesschau ausgewählten und dargestellten Meldungen sind von keiner hinreichenden Bedeutung für den Zuschauer und würden ihm keinen ausreichenden Einblick in das behandelte Thema geben. Infolgedessen kann der Zuschauer die Nachrichten nicht begreifen.[4]

Eine weitere kritische Darstellung der Nachrichtenpräsentation der Tagesschau erweitert diese noch um einige Punkte. Auch hier wird die Problematik der fehlenden Hintergrundinformationen angesprochen, ergänzt durch eine unzureichende Faktenvermittlung. Im Zentrum der Berichterstattung stehen Politiker, deren Handlungen sowie deren Meinungen. Hinsichtlich der Themenwahl handelt es sich um immer wiederkehrende und teilweise oberflächliche Meldungen. Sowohl textliche als auch bildliche Beitragselemente entstammen vorgefertigten Mustern und wirken daher eintönig.[5]

Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob diese Kritik gerechtfertigt ist. Daher werden in dieser Arbeit folgende Elemente analysiert: visuelle Gestaltung, verbale sowie nonverbale Kommunikation und Themenschwerpunkte. Zudem werden mögliche Gründe aufgezeigt, aus denen sich diese Art der Nachrichtendarstellung erklären lässt.

2.2 Die visuelle Gestaltung

2.2.1 Vom starken Bild zum bloßen Beiwerk

Als Ableger der Wochenschau im Kino stand bei der Tagesschau im Fernsehen in den 1950er Jahren ebenfalls das bewegte Bild im Vordergrund, denn die Tagesschau bestand zunächst aus kompletten Beiträgen der Wochenschau. Erst später wurden Schnittabfälle der Wochenschauredaktion zu eigenen Filmen für die Tagesschau zusammengeschnitten. Entscheidend für die Auswahl des Materials waren sensationelle und eindrucksvolle Bilder, die eine Geschichte erzählen sollten. Das Ereignis selbst war von geringem Interesse und untergeordneter Bedeutung.[6]

Im Laufe der 1960er Jahre kristallisierte sich zunehmend das Selbstverständnis der Tagesschau als eine Nachrichtensendung heraus, weshalb die Redakteure bei der Auswahl der Themen journalistischen Kriterien folgten. Die Bilder selbst wurden immer mehr in den Hintergrund gedrängt, dafür rückte der Nachrichtentext ins Zentrum der Beiträge. Das Bild bestimmte nicht mehr den Text, sondern der Text bedingte jetzt das Bild.[7]

Als politische Themen immer wichtiger wurden, entwickelte sich der Visualisierungsdruck des Mediums zum ernsthaften Problem. Beschlüsse und Debatten lieferten eintönige Bilder und die komplexen Zusammenhänge der Politik ließen sich nur unzureichend anschaulich darstellen. Es fehlte der Tagesschau an abwechslungsreichem Bildmaterial, wiederkehrende Themen wurden auf die immer gleiche Weise dargestellt.[8]

1984 erhielt die Tagesschau mit der Einführung des Dualen Rundfunksystems Konkurrenz durch die privaten Sender. Nach deren Credo „Was uns bewegt, das muss gezeigt werden (…) Es muss Tempo haben und darf nicht eine Sekunde langweilig sein (…)“[9] setzten sie mit emotionalen Bildern und schnellen Schnitten neue Maßstäbe. Diesem Trend folgte die Tagesschau nicht, denn sie wollte ihre Vorreiterstellung bezüglich Objektivität und Glaubwürdigkeit nicht auf Kosten einer voyeuristischen Darstellungsweise gefährden. Sie blieb deshalb ihrer nüchternen Linie in der Bildgestaltung bis heute treu.

2.2.2 Eintönige Darstellung und Ablenkungspotenzial

Die visuelle Darstellung der Nachrichten in der Tagesschau ist eintönig. Zum einen ist dies anhand des verwendeten Filmmaterials erkennbar. Der Zuschauer wird mit standardisierten Bildern von vorfahrenden Limousinen und Konferenzen konfrontiert, die immer gleiche Zusammenhänge und Prozesse suggerieren.[10] Diese festgefahrene und eintönige Darstellung ist beispielsweise an folgenden Handlungen ersichtlich:[11]

- Staatsmänner, die wiederkehrende repräsentative Handlungen vollziehen, wie zum Beispiel das Schütteln von Händen oder das Sprechen in Mikrofone
- Kriegs- oder Krisenberichterstattung verlaufen nach gleichem Muster, bei der involvierte ausländische Staatsmänner ebenfalls Hände schütteln und in Mikrofone sprechen
- Die Struktur der Nachrichtenvermittlung von Demonstrationen verläuft über Jahre hinweg ähnlich: gleicher Prozess nur anderer Standort

Zum anderen wirkt auch die visuelle Gestaltung der einzelnen Beiträge eintönig, die sich über die letzten Jahre nur wenig verändert hat und beinahe von langweiligem Charakter zeugt.[12] Dies fand auch der Kommunikationswissenschaftler Peter Ludes heraus. Er kritisiert vor allem das Repertoire, aus dem die Tagesschau hinsichtlich der Bildgestaltung schöpft. So sind zentrale Bestandteile der Filmbeiträge stets die Perspektive der Normalsicht auf Augenhöhe und distanzierte Einstellungsgrößen. Neben den bereits im letzten Absatz geschilderten Standardbildern bleiben auch die Einstellungen in Interviewsituationen mit den vielen Staatsmännern, welche die Tagesschau häufig zu Wort kommen lässt, nahezu unverändert und eintönig. Diese verstärkte Darstellung von Interviewsituationen vermittelt zudem den Eindruck, dass es sich dabei um „Hörfunkbeiträge im falschen Medium“[13] handelt.[14]

Eine weitere Problematik in der Bildsprache der Tagesschau stellt die Verständnisschwierigkeit der Beiträge dar, die aus einer ineffektiven bzw. widersprüchlichen Kombination von Bildern und Texten resultiert. Zwar liefern Bilder selbst bereits Informationen zum Ort des Geschehens und vermögen in einigen Fällen auch Antworten auf die Fragen „Wer“ und „Was“ zu geben, wodurch die visuelle Darstellung den gesprochenen Text mit zusätzlichen Informationen unterstützen und dadurch dem Rezipienten zu einem besseren Verständnis verhelfen kann.[15] Allerdings unterliegt das Fernsehen dem Visualisierungszwang, was es vom Medium Hörfunk abgrenzt.[16] Das heißt, gesprochene Worte müssen mit Bild- bzw. Filmmaterial unterlegt werden.

Allerdings erweist sich dieser Druck der Bebilderung nicht bei allen Themen und Meldungen als leicht umzusetzen. Das führt bei der Tagesschau gerade im Falle der Visualisierung politischer Meldungen oftmals zu einer ineffektiven Kombination wichtiger Informationen mit informationslosen Bildern. Die Tagesschau greift deshalb häufig auf standardisierte Bilder zurück, durch welche die komplexen Zusammenhänge der Politik vereinfacht dargestellt werden sollen. Allerdings wirken diese Bilder nicht nur eintönig und suggerieren immer wiederkehrende und ähnlich ablaufende Prozesse, sondern können beim Zuschauer auch Verwirrung hervorrufen.[17]

Im Falle der Berichterstattung über den Schuldenschnitt in Athen beispielsweise, lieferten die dargestellten Bilder von Menschen in der Innenstadt keine unterstützenden Informationen zu dem geäußerten Text, in dem die Verringerung der Schuldenlast erläutert wurde.[18] Diese standardisierten und wenig aussagekräftigen Bilder bieten kaum Informationen, welche die gesprochenen Äußerungen unterstützen. So bleibt die eigentliche Funktion des Mediums Fernsehens für eine bessere Verständlichkeit im Falle der Tagesschau aufgrund der ineffektiven Kombination wichtiger Fakten mit nichts aussagendem Filmmaterial wirkungslos.

Ein weiteres Beispiel für die Verständnisschwierigkeit der Nachrichten stellt eine große Anzahl an Bild-Text-Scheren dar, die Ute Gombert in ihrer Studie „Tradition contra Show“ ermittelte.[19] Im Falle einer Bild-Text-Schere passen die sprachlich dargestellten Fakten nicht zu den gezeigten Bildern, das heißt, die auf der bildlichen und sprachlichen Ebene vermittelten Informationen sind widersprüchlich und zusammenhangslos.

Das verdeutlicht das folgende Beispiel: Während im Bild Autos vor einem Gebäude zu sehen sind, wird im Text allerdings von einer Konferenz gesprochen, die keinerlei Ergebnisse liefert.[20] „Für die Zuschauer sei es schwieriger dem Inhalt zu folgen und die Aussage zu verstehen, weil sie sich auf das reizintensivere Bild konzentrierten und den Text deshalb nicht aufnehmen könnten.“[21] Der Zuschauer wird durch die Diskrepanz zwischen Bild und Text verwirrt.

2.2.3 Neutrale Darstellung und Informationsvermittlung

Die visuelle Darstellung der Beiträge mit standardisierten Bildern, einem Repertoire an Bildgestaltungselementen als auch Bild-Text-Scheren wirkt zwar auf den ersten Blick eintönig und verwirrend, allerdings wählt die Tagesschau diese Darstellungselemente mit Bedacht. Denn diese visuelle Darstellung verhindert sowohl Interpretationsspielräume als auch Ablenkungspotenziale und ermöglicht die Wahrung ethischer Grundsätze. Da Bilder von Rezipienten unterschiedlich ausgelegt und wahrgenommen werden können, muss die Tagesschau in ihren Filmberichten solche wählen, die nüchtern und eindeutig sind und daher keinen Interpretationsspielraum zulassen.[22] Das gelingt durch Bilder, die sich auf das Wesentliche beschränken und auf Details verzichten.

Die über Bilder vermittelte Emotion kann beim Zuschauer starke Reize auslösen, denn das „[…] Bild besetzt zunächst die Wahrnehmung des Gehirns, sodass – wenn es zu stark wirkt – eine differenzierte Wahrnehmung des Themas zunächst nicht möglich ist.“[23] Folglich könnte der Rezipient von der sprachlich vermittelten Information abgelenkt werden, wenn er sich auf das reizintensive Bild konzentriert. Emotionale Bilder verfügen demnach über ein starkes Ablenkungspotenzial. Da bei der Tagesschau die Informationsvermittlung im Zentrum steht, verzichtet sie bei ihrer Bildauswahl auf starke stimmungsgeladene und aufregende Bilder. Eine zurückhaltende Darstellung erreicht sie zudem auch, indem sie nahe Einstellungsgrößen vermeidet und stattdessen distanzierte Blickwinkel wählt.[24]

Dies ist vor allem in der Kriegs- und Krisenberichterstattung zu beobachten. Das Filmmaterial soll zwar die Auseinandersetzungen unverfälscht darstellen, doch reduziert die Tagesschau die Länge der Gewaltsequenzen auf das Nötigste und vermeidet ebenso allzu schockierende Einstellungen.[25] Im gleichen Zug hält sie durch ihre zurückhaltenden, von Distanz geprägten Bilder ethische Grundsätze ein, indem sie eine Darstellung von Opfern in Großaufnahmen unterlässt und so die Würde des Menschen wahrt.[26]

Das lässt sich an der Berichterstattung über den Konflikt zwischen Israel und Palästina 1997 verdeutlichen: in einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Ländern wurde ein Junge durch einen Schuss in die Brust getötet. Allerdings wurde die Szene, in der der Junge von der Kugel getroffen wurde und dessen anschließender Todeskampf nicht in der Berichterstattung gezeigt, da dessen Würde geschützt werden sollte.[27]

2.2.4 Standardisierte Bilder für eine objektive Berichterstattung

Die Tagesschau verwendet in ihrer visuellen Darstellung sowohl standardisierte Bilder als auch ein Repertoire an Bildgestaltungselementen und Bild-Text-Scheren. Diese Darstellungsformen wirken dadurch zwar eintönig und sorgen beim Zuschauer für Verwirrung. Jedoch kann die Tagesschau mit dieser Auswahl an Filmmaterial und der für sie typischen Gestaltung den Transport von Meinung bzw. Emotion verhindern und ethische Grundsätze wahren. Die Tagesschau erreicht durch ihre zurückhaltende Bildsprache und Bildgestaltung eine objektive und neutrale Nachrichtendarstellung. Damit erfüllt sie auf Kosten der Attraktivität den durch den § 11 des Rundfunkstaatsvertrags[28], bzw. den durch die ARD-Leitlinien[29] vorgeschriebenen Auftrag der objektiven Berichterstattung, indem sie Information und Meinung trennt.

2.3 Die Kommunikation

2.3.1 Sprache und Sprecher im Wandel

Nachdem in den 1950er Jahren das Bild die Beiträge der Tagesschau dominierte, entwickelte sie sich in den 1960er Jahren, wie bereits in Abschnitt 2.2.1 erwähnt, zu einer Nachrichtensendung, in der das Wort im Mittelpunkt stand.[30] Allerdings wurden die Agenturmeldungen in dieser Zeit wortwörtlich auf die gezeigten Bilder getextet, was der Tagesschau hinsichtlich der Verständlichkeit Kritik einbrachte. Agenturmeldungen sind nämlich für das Lesen gedacht und deshalb in Schriftsprache verfasst, was das Verstehen beim Hören erschwert. Denn beim Fernsehen handelt es sich um ein flüchtiges Medium, das Gesagte kann damit nur einmal wahrgenommen werden.[31]

Allmählich wurden die Texte in der eigenen Redaktion verfasst und an die gesprochene Sprache angelehnt, um ein besseres Verständnis gewährleisten zu können. Das Jahr 1984 markierte mit dem Aufkommen der privaten Sender, die eher der Unterhaltung dienten, anstatt der Information, einen weiteren Wendepunkt in der Entwicklung der Tagesschau-Sprache. Denn die privaten Sender verwendeten im Gegensatz zur Tagesschau eine lockere und saloppere Sprache, was sie leichter verständlich und unterhaltsamer machte.[32]

Damit setzte in Folge einer langsamen Annäherung der Tagesschau an die Konkurrenz eine Veränderung in der Nachrichtenpräsentation ein: Fremdwörter wurden größtenteils deutsch wiedergegeben, Formulierungen ähnelten etwas mehr der Umgangssprache und die Satzgefüge wurden allmählich gekürzt.[33] All diese Neuerungen fanden soweit statt, dass sie die Glaubwürdigkeit und das Image der Tagesschau nicht gefährdeten.

Die Ära der Nachrichtensprecher begann erst sieben Jahre nach der ersten Ausstrahlung, als Gerd Heinz Boening am 02. März 1959 zum ersten Mal auf dem Bildschirm zu sehen war.[34] Zuvor waren die Sprecher nur zu hören, nicht aber zu sehen. Bereits in den 1960er Jahren wurde von den Sprechern eine neutrale Haltung gefordert, da sich die Zuschauer auf die übermittelte Nachricht konzentrieren sollten.[35] Nachdem die Tagesschau viele Jahre von männlichen Sprechern geprägt war, präsentierte Dagmar Berghoff am 23. Juni 1976 als erste Sprecherin die 20:00 Uhr Ausgabe der Tagesschau.[36] Die neutrale Haltung – unterstützt durch reduzierte Körpersprache sowie dem Ablesen der Meldungen vom Blatt – ist auch heute noch zentrales Element der Nachrichtenpräsentation der Sprecherinnen und Sprecher.

[...]


[1] Vgl. Zubayr/Gerhard (2011),

[2] Vgl. Tholl (2010)

[3] Vgl. Daschmann (2009),

[4] Vgl. Klavitter (2007)

[5] Vgl. Schicha (2004),

[6] Vgl. Silbermann (2009), S. 127ff.

[7] Vgl. Muckenhaupt (2000),

[8] Vgl. Silbermann (2009), S. 131ff.

[9] Muckenhaupt (2000),

[10] Vgl. Silbermann (2009),

[11] Vgl. Silbermann (2009),

[12] Vgl. Matzen (2009),

[13] Silbermann (2009),

[14] Vgl. Silbermann (2009),

[15] Vgl. Jaedicke (2002), S. 173 sowie Muckenhaupt (2000), S. 64 und Meckel/Kamps (1998),

[16] Meckel/Kamps (1998),

[17] Vgl. Meckel/Kamps (1998), S. 26f.

[18] Vgl. Tagesschau vom 09.03.12

[19] Vgl. Silbermann (2009), S. 143f.

[20] Vgl. Vitouch (1997),

[21] Silbermann (2009),

[22] Vgl. Meckel/Kamps (1998),

[23] Vgl. Silbermann (2009) zit. nach schriftlichem Interview mit Reinhard Döcke (2008) ,

[24] Vgl. Silbermann (2009),

[25] Vgl. intern.tagesschau (o. J.): Welche Bilder zeigt die Tagesschau?

[26] Vgl. Intern.tagesschau (o. J.): Welche Bilder zeigt die Tagesschau?

[27] Vgl. intern.tagesschau (o.J.): Welche Bilder zeigt die Tagesschau?

[28] Vgl. LFK (2010): 13. Rundfunkstaatsvertrag,

[29] Vgl. Leitlinien für die Programmgestaltung (o.J.),

[30] Vgl. Muckenhaupt (2000),

[31] Vgl. Wahdat (2009),

[32] Vgl. Wahdat (2009), S. 160f.

[33] Vgl. Wahdat (2009),

[34] Vgl. Jaedicke (2002),

[35] Vgl. Jaedicke (2002),

[36] Vgl. Jaedicke (2002),

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Historische Entwicklung und Analyse der Erfolgsfaktoren der Tagesschau
Hochschule
Hochschule Ansbach - Hochschule für angewandte Wissenschaften Fachhochschule Ansbach
Veranstaltung
Ressortjournalismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
39
Katalognummer
V210753
ISBN (eBook)
9783656390640
ISBN (Buch)
9783656391609
Dateigröße
1122 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
tagesschau, porträt, nachrichtensendung, fernsehens
Arbeit zitieren
Anja Kahler (Autor:in), 2012, Historische Entwicklung und Analyse der Erfolgsfaktoren der Tagesschau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210753

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