Eine Analyse der Exiltagebücher von Stefan Zweig, Thomas und Klaus Mann


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Historischer Kontext – Autoren auf der Flucht

3. Stefan Zweig
3.1. Tod durch Selbstmord im Exil
3.2. Stefan Zweigs Krisentagebücher
3.3. Seine Exiltagebücher

4. Thomas Mann
4.1. Flucht nach Amerika
4.2. Thomas Mann – Notorischer Tagebuchschreiber
4.3. Manns Exiltagebücher

5. Klaus Mann
5.1. Selbstmord in Frankreich
5.2. Wie der Vater, so der Sohn?
5.3. Exiltagebücher von Klaus Mann

6. Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einführung

Tagebücher wurden und werden aus den verschiedensten Gründen geführt. Dabei gibt es innere und äußere Einflüsse, welche die Entstehung eines Tagebuchs fördern können. Festhalten von Erinnerungen und Gedanken, Langeweile, Selbsterkenntnis oder Recht-fertigungsbedürfnis sind auf der einen Seite Beispiele für eine Motivation von innen heraus. Die Diktaturen des 20. Jahrhunderts sind auf der anderen Seite ein Beispiel für die Motivation von Außen. Denn in Schreckenszeiten, in denen öffentliche Meinungsäußerung gefährlich, sogar tödlich sein kann, wird das Tagebuch zum bevorzugten Medium. Allein hier hat der Tagebuchschreiber dann noch die Möglichkeit, zu sich selbst zurückzukehren und ehrlich seine Meinung zu äußern. Das Leben im Exil gehört zu diesen radikalen äußeren Situationen, welche Tagebücher generieren können.

Stefan Zweig, Thomas und Klaus Mann verfügen über mindestens vier Gemeinsamkeiten: Sie sind deutschsprachige Schriftsteller, sie gehen ins Exil, sie führen dort Tagebuch und sie kehren nach Kriegsende nicht mehr nach Deutschland zurück. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Exiltagebüchern dieser drei Autoren.

Als bedeutende Schriftsteller sind ihre Tagebücher wichtige historische und literaturgeschichtliche Quellen, das gilt umso mehr speziell für die Tagebücher ihrer Emigrationszeit. Denn diese berichten einerseits von den historischen Ereignissen zur Zeit des Hitler-Regimes, des Zweiten Weltkrieges und den Lebenserfahrungen im Exil. Andererseits bieten sie aufschlussreiche Blicke in das Innenleben ihrer Verfasser. Sie zeigen zum einen, wie die Autoren das Geschehen in Deutschland und Europa bewerten und zum anderen machen sie die bitteren Konsequenzen, die das Leben im Exil mit sich bringt, deutlich.

Es wird angenommen, dass die drei Schriftsteller gerade in ihren Tagebüchern besonders offen und ehrlich über ihre Gedanken und Gefühle Auskunft geben, was schließlich einen Rückschluss auf die Bedeutung der Lebensverhältnisse im Exil für die Schriftsteller zulässt. Auf den ersten Blick setzt man Exil mit Rettung gleich. Doch ein zweiter, genauerer Blick offenbart die Kehrseite der Medaille und zeigt Fremde, Einsamkeit, Isolation und auch Verhängnis.

Zu Beginn der Arbeit soll ein kurzer Überblick über die Exilbewegung gegeben werden, insbesondere geht es dabei um flüchtende Schriftsteller. Anschließend werden die drei Autoren vorgestellt. Dazu wird ein Überblick über die jeweilige Person gegeben und nachfolgend allgemeine Aussagen zu ihnen als Tagebuchschreiber getroffen. Im Anschluss daran werden speziell die Exiltagebücher genauer untersucht und einzelne Auszüge analysiert. Am Ende der Arbeit wird ein Fazit gezogen.

2. Historischer Kontext – Autoren auf der Flucht

Mit der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 flüchten bis zum Kriegsende eine halbe Million Menschen vor der politischen, religiösen und rassistischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Unter ihnen sind mehr als 2500 literarische und journalistische Autoren. Viele ihrer bis dato geschriebenen Bücher werden im Reich öffentlich verbrannt, zensiert oder umgeschrieben. Einige Werke werden sogar zu propagandistischen Zwecken missbraucht.[1]

Für die meisten der betroffenen Schriftsteller bedeutet die Situation viel mehr als nur einen politischen Ausnahmezustand. Das Exil bringt einschneidende Veränderungen ihrer persönlichen Lebensverhältnisse mit sich, vor allem bei denjenigen, die sich vorher für „unpolitisch“ hielten. Denn fast unausweichlich führt sie die Geschehnisse zu tiefgreifenden Bewusstseinswandlungen und bleibt folglich nicht ohne Einfluss auf Richtung und Ziel ihres Schaffens.[2]

Allerdings rechnet kaum einer der Exilautoren zum damaligen Zeitpunkt mit einer mehrwöchigen Abwesenheit aus Deutschland. Doch für viele werden es zwölf Jahre und mehr, somit die letzten Jahre ihres Lebens. Im Exil haben sie mit allgemeinen Existenzproblemen zu kämpfen. Sie müssen die bittere Erkenntnis gewinnen, dass man allein vom verbalen Protest gegen den Nationalsozialismus draußen nicht leben kann.[3]

Die Zahl der Verhaftungen und Todesfällen von Schriftstellern sind zwar, gemessen an der Gesamtzahl der Exilanten und der Opfer des Faschismus, recht klein. Das liegt aber nicht nur an der raschen Flucht der Betroffenen, meist werden nicht einmal mehr Vorkehrungen für die Ausreise getroffen, sondern vor allem daran, dass sich die neuen Machthaber zunächst mit der Absicherung ihrer eben gewonnenen Positionen gegen politische und kulturelle Hauptgegner zufrieden geben. Das Exil gilt ihnen anscheinend ebenso viel wie Inhaftierung oder Tod.[4]

Für Deutschland bedeutet die massenhafte Exilierung von Kulturschaffenden und Wissenschaftlern einen Verlust an Substanz ohnegleichen. Zwar sind nicht alle geflüchteten Autoren bekannt oder bedeutend, aber so gut wie alle bekannten und bedeutenden Autoren gehen ins Exil und kehren nicht mehr nach Deutschland zurück.[5] So auch Stefan Zweig, um den es im ersten Teil der Analyse gehen soll.

3. Stefan Zweig

Am Tage, da ich meinen Pass verlor,

entdeckte ich mit achtundfünfzig Jahren,

dass man mit seiner Heimat mehr verliert

als einen Flecken umgrenzter Erde.[6]

3.1. Tod durch Selbstmord im Exil

Stefan Zweig wird am 28. November 1881 als Sohn eines jüdischen Industriellen in Wien geboren. Er studiert Germanistik und Romanistik und arbeitet anschließend als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist. Durch sein literarisches Schaffen wird er sehr bald in Österreich, Deutschland und auch international bekannt. 1933 werden seine Werke durch die Nationalsozialisten verbrannt. Eine Hausdurchsuchung von 1934 nimmt Zweig zum Anlass, sich in London einen zweiten Wohnsitz einzurichten, wo er bis 1940 hauptsächlich lebt. Der Bruch mit seiner Heimat ist noch nicht vollständig, er besucht seine Familie regelmäßig.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unternimmt Zweig mehrere internationale Vortragsreisen. Dabei beeindruckt ihn insbesondere Südamerika, wo zahllose Menschen seine Lesungen besuchen und er bei der Einreise wie ein Staatsgast empfangen wird. Obwohl er sich intensiv, wie seine Briefe zeigen, mit der Gefahr des Faschismus beschäftigt, vermeidet er es Zeit seines Lebens, sich öffentlich politisch zu äußern.

Als 1938 Österreich von Deutschland besetzt wird, verliert sein Pass die Gültigkeit. Zweig muss ein englisches Dokument für Staatenlose ersuchen. Zudem werden seine persönlichen Freiheiten eingeschränkt. Dieser Zustand verschärft sich mit dem Eintritt Englands in den Zweiten Weltkrieg. Diese Situation lässt Zweig zu einem gerade noch geduldeten Ausländer werden. Schließlich verlässt er England aus Furcht, dass die Engländer keinen Unterschied zwischen Österreichern und Deutschen machen würden und er als feindlicher Ausländer interniert würde.

1941 errichtet er sich in Petropolis bei Rio de Janeiro in Brasilien seinen neuen und gleichzeitig letzten Wohnsitz. Für diesen Ort entscheidet er sich bewusst als einen Ort weitab von der großen Mehrzahl von Exilanten und vor allem für ein Land, von dem er hofft, dass es nicht in den Weltkrieg hineingezogen würde. Im ständigen Auf und Ab von Verzweiflung und Hoffnung setzt Zweig sein Werk im Exil fort, bis heute ist ihm in Brasilien eine große Leserschaft treu geblieben.

Dennoch kann sich der erfolgsverwöhnte Autor mit dem Verlust des größten Teiles seiner europäischen Leserschaft nur schwer abfinden, er zieht sich zunehmend in seine Arbeit zurück. Die militärischen Erfolge des deutschen Faschismus deprimierten ihn zusehend mehr. Schließlich nimmt er sich am 23. Februar 1942 gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau das Leben. Sie sterben an einer Überdosis Veronal.

Obwohl er es in seinem Testament abgelehnt hatte, erhält er ein Staatsbegräbnis. Den Trauerzug begleiten tausende von Menschen. Über den Selbstmord herrscht allgemeine Unverständnis, zumal seine materielle Existenz, anders als die vieler Schriftstellerkollegen im Exil, gesichert war. Doch die Zerstörung seiner „geistigen Heimat Europa[7] und seine daraus folgende Perspektivlosigkeit im Exil ließen ihm für sein Empfinden keine andere Wahl.[8]

3.2. Stefan Zweigs Krisentagebücher

Tagebücher sind für den österreichischen Schriftsteller ein bekanntes Medium. Bereits vor seinem Leben im Exil schreibt er mit unterschiedlicher Regelmäßigkeit Tagebücher. Auffällig daran ist aber, dass dies meist nur zu Krisenzeiten oder kriegsähnlichen Zeiten der Fall ist. Er bricht die Aufzeichnungen stets dann ab, wenn ihn die alltäglichen Wiederholungen in den Einträgen zu langweilen scheinen. Zweig führt in den Jahren 1912-15, 1917-18, 1931, 1935-36 und 1939-40 Tagebuch. Neun Hefte und ein loses Tagebuchblatt sind erhalten. Zu Beginn der einzelnen Tagebuchhefte nennt er meist die aktuelle Motivation, die ihn zum Tagebuchführen antreibt. So auch in dem Heft von 1939, um welches es unter anderem im folgenden Abschnitt gehen soll.

3.3. Seine Exiltagebücher

Der Schriftsteller verlässt Deutschland 1934. Der endgültige Bruch mit der Heimat erfolgt allerdings erst mit der Besetzung Österreichs vier Jahre später. Da die Tagebücher von 1935 und 1936 eher der Gattung „Reisetagebücher“ zuzuordnen sind, Zweig unternimmt zu dieser Zeit mehrere Vortragsreisen, werden sie hier in der Analyse seiner Exiltagebücher vernachlässigt. Untersucht werden im Folgenden nur die Kriegstagebücher aus den Jahren 1939 und 1940.

Diese beiden Tagebücher sind in England entstanden und zum Teil auch in englischer Sprache verfasst. Vermutlich fürchtet der Schriftsteller, sich als feindlicher Ausländer mit deutschen Notizen verdächtig zu machen.

Zweig beginnt das Tagebuch von 1939 an dem Tag, da Deutschland Polen den Krieg erklärt. „Keiner würde auch nur im Traum daran denken, daß dies der Tag ist, an dem die größte Katastrophe für die Menschheit begonnen hat!“[9]

Innerhalb seiner Aufzeichnungen setzt er sich fast ausschließlich mit aktuellen politischen Ereignissen auseinander, sein Tagebuch trägt den Namen Diary of the second war. Er führt es bis zum 17. Dezember. Die kurze Zeitspanne ist auffällig, für Zweig aber typisch. Tatsächlich verzeichnet das Tagebuchheft nur 28 Einträge. Sie sind unterschiedlich lang und reichen von mehreren Sätzen bis zu drei Seiten. Überschrieben sind sie meist nur mit dem jeweiligen Wochentag, vereinzelt erfolgt eine Datumsangabe.

Durch Radio und Zeitung verfolgt Zweig die Geschehnisse in und außerhalb Deutschlands und stellt häufig Vergleiche zu Situationen aus dem Ersten Weltkrieg her. Auch damals hatte er Tagebuch geführt.

Wirkt er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges noch relativ gefasst, stellt sich bereits einige Tage später, am 12. September 1939, die Gewissheit ein, dass es ein „langsamer und endloser Krieg“[10] werden wird. Die ersten Einträge dieses Tagebuchs sind allerdings noch relativ neutral gehalten. Zweig kommentiert fast ausschließlich die politischen Ereignisse.

Den Tod Siegfried Freunds, von dem Zweig am 24. September aus dem Radio erfährt, nimmt sich der Schriftsteller zum Anlass, seinen inzwischen fünf Jahre andauernden Aufenthalt in England zu resümieren. Es wird deutlich, das Zweig sich aufgrund der fremden Sprache immer noch isoliert fühlt. Er sieht keine Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit mitzuteilen, obwohl er fließend Englisch spricht. Zu gerne würde er einen Nachruf in einer Zeitung veröffentlichen, sieht aber „keine Möglichkeit, etwas zu sagen“.[11]

Zweig äußert, in Reaktion auf die tagespolitischen Geschehnisse, mehrfach Überlegungen zu einer Flucht aus England, kann sich aber noch nicht dazu durchringen. Schließlich unterbricht er die Aufzeichnungen nach dem Eintrag vom 27. September. Knapp drei Wochen später schreibt er:

Was ich nicht erwartet hätte, ist eingetreten – ich bin dieses Tagebuchs müde geworden, weil ich zu angewidert war von der Entwicklung dieses „Kriegs“. Es ist schwer, die Zeitungen ohne Abscheu zu lesen, diese Propaganda, die denkbar dumm ist und mich fühlen lässt, dass ich es tausendmal besser könnte – besser und aufrichtiger. […] Die militärische Lage ist völlig undurchsichtig, da kein entscheidender Schlag geschehen ist – das Sinken der großen englischen Kriegsschiffe ist sicher eine wahre Katastrophe, doch gab es mehr solcher Gefahren im letzten Krieg. Ich bin unfähig, an „Siege“ zu glauben. Überall sehe ich den Verlust von Millionen Leben und das menschliche Elend. […] Die ganze übrige Zeit warten, warten, warten und bald verzweifeln.[12]

[...]


[1] Vgl. Schütz, Erhard: Exilliteratur. In: Metzler Lexikon Literatur. Hrsg. von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moennighoff. Stuttgart und Weimar: J.B. Metzler 2007. S. 217.

[2] Vgl. Dirschauer, Wilfried: Klaus Mann und das Exil. (=Deutsches Exil 1933-1945. Eine Schriftenreihe. Hrsg. von Gerog Heintz.) Worms: Heintz 1973. S. 22.

[3] Vgl. Stephan, Alexander: Die deutsche Exilliteratur 1933-1945. Eine Einführung. München: Beck. 1979. S. 7.

[4] Vgl. Ebd. S. 41ff.

[5] Vgl. Schütz, E.: Exilliteratur. S. 217f.

[6] Zweig, Stefan: Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers. Frankfurt a. M.: Fischer 1978. S. 374.

[7] Abschiedsbrief vom 23. Februar 1942 (http://www.exilarchiv.de/Joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=1297&Itemid=1. 18. September 2012. 18:38).

[8] Vgl. Meid, Volker: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Stuttgart: Reclam 2006. S. 1079f. Siehe dazu auch: Bauer, Arnold: Stefan Zweig (=Köpfe des 20. Jahrhunderts, Bd. 21). Berlin: Morgenbuch 1996. S. 67-91.

[9] Tagebucheintrag vom 01. September 1939. In: Zweig, S.: Tagebücher. S. 433f.

[10] Tagebucheintrag vom 12. September 1939. In: Ebd. S. 442.

[11] Tagebucheintrag vom 24. September 1939. In: Ebd. S. 446.

[12] Tagebucheintrag vom 16. Oktober 1939. In: Zweig, S.: Tagebücher. S. 448.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Eine Analyse der Exiltagebücher von Stefan Zweig, Thomas und Klaus Mann
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Volkskunde/Kulturgeschichte)
Veranstaltung
Das Tagebuch. Form, Funktion, Geschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
24
Katalognummer
V210926
ISBN (eBook)
9783656385684
ISBN (Buch)
9783656386582
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eine, analyse, exiltagebücher, stefan, zweig, thomas, klaus, mann
Arbeit zitieren
Susanne Spengler (Autor:in), 2012, Eine Analyse der Exiltagebücher von Stefan Zweig, Thomas und Klaus Mann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210926

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