Marcel Breuers Sessel »Wassily«. Ein Stuhl als Symbol einer Epoche


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Aspekte zu den Stahlrohrmöbeln Marcel Breuers

2. Marcel Breuer - Die Verwendung von Stahlrohren für den Möbelbau
2.1 Eine Beschreibung des Clubsessels B3
2.2 Was ist das Neue an Breuers Clubsessel?

3. Die Idee zur Verwendung von Stahlrohr
3.1 Der Einfluss des Bauhauses auf Breuers Arbeit
3.2 Die Produktion der Stahlrohrmöbel und weitere Entwürfe Breuers aus anderen Materialien

4. Eine Entwicklung vom Gebrauchsgegenstand zum Designobjekt
4.1 Der Thonet-Stuhl aus dem Naturprodukt Holz im Vergleich mit dem Stahlrohrsessel
4.2 Der Freischwinger

5. Der »Wassily« wird zum unverwechselbaren Möbelstück

6. Zusammenfassende Betrachtung

Abbildungsverzeichnis

Quellenverzeichnis

1. Einleitende Aspekte zu den Stahlrohrmöbeln Marcel Breuers

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den neuen Entwicklungen hinsichtlich des Möbelbaus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Insbesondere wird dabei auf die Neuheit der Verwendung von Stahl für die Möbelherstellung eingegangen. Marcel Lajos Breuer1 (1902-1981; Abb. 1), der als Erfinder der Stahlrohrmöbel gilt2, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

Marcel Breuer im B3, ca. 1927.

Die Entwicklung seiner Entwürfe, angefangen von Möbeln aus Massivholz, über Stahlrohr bis hin zu Aluminium wird in einem Überblick betrachtet. Mit dem Schwerpunkt auf den Möbelstücken aus Stahlrohr, wird ein spezieller Sessel hervorgehoben und beschrieben. Es handelt sich bei diesem Möbel um den »B3« (Abb. 2), der durch seine Bauweise aus industriellen Materialien große Berühmtheit erlangt hat. Ein konstruiertes Möbelstück aus lichtreflek- tierendem Stahl und einer Bespannung aus textilem Material, das durch sein maschinenmäßiges Aussehen den Geist der Industrialisierung zum Ausdruck bringt. Der Fortschrittsgedanke spielt beim Entwurf dieses Möbels eine große Rolle, weil das Stahlrohr durch seine berechenbaren Eigenschaften dem Naturprodukt Holz im Möbelbau Konkurrenz machte.3 Mit einem Vergleich zwischen einem bekannten Modell aus Holz von Michael Thonet und dem Clubsessel B3 von Breuer wird diese Aussage bewiesen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2

Marcel Breuer, Clubsessel B3 »Wassily«, 1927/28, Sammlung Vitra Design Museum.

Ausgehend von der Entwicklung von einem kunstvoll gefertigtem Objekt und dem Gebrauchsgut zu einem funktionalen Gebrauchsgegenstand, wird die Idee erläutert, die Breuer dazu anregte, Stahlrohr für den Möbelbau zu ver- wenden. Entscheidend ist dabei die funktionelle Eigenschaft, welche die Form des Möbels bestimmt. Hier wird die Funktion des Sitzens beschrieben, welche die Form des Stuhles bestimmt und damit auch die Haltung des auf ihm sitzenden Menschen. Die Form des Objektes richtet sich also nach seiner Funktion. Die Verbindung Breuers zum Bauhaus kommt in dieser Aussage zum Ausdruck und deutet an, dass er durch den Stil dieser Einrichtung beein- flusst wurde, was auch an seinem Entwurf des Lattenstuhls nachgewiesen wird. Auch sein Stahlrohrstuhl entstand während seiner Tätigkeit am Bau- haus und wurde in einer Ausstellung das erste Mal der Öffentlichkeit ge- zeigt.4 Um seine Stahlrohrmöbel produzieren zu können, gründete er seine eigene Firma, die später von Thonet gekauft wurde.5 Neben Breuer gab es noch weitere Künstler am Bauhaus, die sich mit dem Entwurf von Möbeln beschäftigen. Darunter sind Mart Stam und Ludwig Mies van der Rohe, die sich mit der Entwicklung von Stühlen ohne Hinterbeine auseinandersetzten. Die Stuhlmodelle werden genannt und mit den Freischwingern von Breuer in einen Vergleich gesetzt. Als Abschluss wird auf den neu aufgelegten Club- sessel mit dem veränderten Namen »Wassily« eingegangen, der seinem De- signer zu großem Ansehen verhalf.

2. Marcel Breuer - Die Verwendung von Stahlrohren für den Möbelbau

Breuer, der in seiner zweiten Karriere als Architekt in Amerika bekannt ge- worden ist, beschäftigte sich in Deutschland zunächst mit dem Design von Möbelstücken und war am Bauhaus tätig. Als diese Einrichtung nach Dessau umzog, wurde Breuer zum Leiter der Möbelwerkstatt.6 Hier experimentierte er mit dem Material Holz für unterschiedliche Möbelstücke. In diesen Jahren entwickelte er auch seine Stahlrohrstühle, die ihm einen hohen Bekannt- heitsgrad einbrachten. Zu dieser Zeit stellten sie eine Neuerung auf dem Mö- belmarkt dar, weil noch nie zuvor unverkleidetes Metall für Möbelstücke ver- arbeitet wurde.7 Einer seiner berühmtesten Stühle ist der Clubsessel B3, der in den sechziger Jahren unter dem Namen »Wassily« neu aufgelegt wurde.

2.1 Eine Beschreibung des Clubsessels B3

Mit 23 Jahren8 entwarf Breuer den Clubsessel (Abb. 3/4), der von 1926- 1928 bei »Standard-Möbel« hergestellt wurde9. Er besteht im Wesentlichen aus verchromtem oder vernickeltem Stahlrohr und einer Stoff- oder Lederbe- spannung. Die dreizehn Einzelteile (Abb. 5) lassen sich durch Schraubverbin- dungen zu einem Sessel aus gebogenen Stahlrohrelementen und vorgefertig- ten Bahnen aus festem Textilmaterial zusammensetzen. Das Bauen als Kon- struktionsprinzip drückt sich nicht nur in der Art der Herstellung, sondern im ganzen Erscheinungsbild der Stuhles aus, der durch klare Linien und zurück- haltende Farbigkeit bestimmt ist. Verchromter kalter Stahl und dunkle, meist schwarze Stoffbespannung lassen den Sessel wenig gemütlich wirken. An- stelle einer weichen Polsterung, bestehen die Sitz- und Lehnflächen aus straff gespannten, textilen Materialien mit rechteckiger Form.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3

Marcel Breuer, Clubsessel B3 »Wassily«,

1927/28, Sammlung Vitra Design Museum.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4

Marcel Breuer, Clubsessel B3 »Wassily«,

1927/28, Sammlung Vitra Design Museum.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5

Zerlegter »Wassily«-Sessel, Marketing-Foto von Knoll International.

Der Rücken der sitzenden Person wird durch zwei waagerecht verlaufende Stoffstreifen gestützt. Sie sind in einem offenen Rahmen aus gebogenem Stahlrohr gespannt, welcher mit einem weiteren u-förmigen, die Sitzfläche tragenden Stahlrohr in einem rechten Winkel verschraubt ist. Die Konstrukti- on aus Sitzfläche und Rückenlehne hängt schräg in einem Gestell aus einem weiteren Stahlrohr der gleichen Stärke. Dieses ist so gebogen, dass die vier, für einen Stuhl üblichen Beine, durch zwei parallele Kufen ersetzt werden und die Vorderbeinkrümmung gleichzeitig die Armlehnen bildet. Das optisch durchgehende Stahlrohr findet sich zuvor auch bei den Hockern der Serie B9 wieder, die im Viererset auch als Teetische (Abb. 6) bei »Standard-Möbel« angeboten wurden.10 Für die Stabilität sorgen zwei gerade Stahlrohre in der Höhe der Armlehnen, die sich in der gleichen Richtung zu den Kufen befin- den. Die Armlehnen selbst werden durch jeweils zwei gespannte Stoffstreifen an jeder Seite erzeugt, die den vorderen mit dem hinteren Teil des geboge- nen Tragegestells verbinden. Von Vorn betrachtet wirkt diese Unterkonstruk- tion der Lehne und Sitzfläche wie ein stilisiertes »M« (Abb. 7) und erinnert nur durch die Umrisse an einen gepolsterten Ledersessel. Mit diesem Stuhl reduzierte Breuer einen Sessel auf sein Grundgerüst, bei dem nur die wich- tigsten Merkmale einer solchen Sitzgelegenheit vorhanden sind: Die Lehne und Sitzfläche, Beine in Form von Kufen und die Armlehnen in ihrer charakteristischen runden Form.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6

Marcel Breuer, Satztische B9, 1926, Sammlung Vitra

Design Museum.

2.2 Was ist das Neue an Breuers Clubsessel?

Breuers Clubsessel wirkt nicht massiv, weil er zu jeder Seite offen ist und als eine Konstruktion von Linien im Raum wahrgenommen wird. Trotz der »schweren« Materialien, aus denen der Stuhl besteht, macht er mit einem Gewicht von 6kg (in der Neuauflage 11 kg)11 einen leichten Eindruck, so als könne er ohne Mühe von einer Stelle zur anderen bewegt werden. Die scheinbare Leichtigkeit und damit auch der Ausdruck von Mobilität war in einer Zeit des technischen Fortschritt sehr wichtig. Die Möbel sollten wandel- bar und flexibel sein und sich an die verändernden Bedürfnisse der Menschen anpassen. Auch Breuer betonte die Austauschbarkeit seiner Metallmöbel und die vielseitige Einsetzbarkeit: »sämtliche typen sind aus denselben normier- ten, elementar gehaltenen, jederzeit zerleg- und auswechselbaren teilen kon- struiert. diese metallmöbel sollen nichts anderes als notwendige apparate heutigen lebens sein.«12 Weiterhin stellte Breuer den Anspruch, dass seine Möbel preiswert, zerlegbar und hygienisch sein sollten.13 Bevor Breuer 1927/28 die endgültige Bauweise des B3 gefunden hatte, waren drei Über- arbeitungen notwendig. Das Ergebnis war ein Stuhl ohne Schweißstellen, der nach dem Biegen zusammengeschraubt wurde und der ursprünglich offene Teil der Rückenlehne war geschlossen.14

Breuer kommentierte 1927 seinen ersten Stahlstuhl mit diesen Worten:

»als ich vor zwei jahren meinen ersten stahlklubsessel fertig sah, dachte ich, daß dieses stück unter meinen sämtlichen arbeiten mir am meisten kritik einbringen würde. es ist in seiner äußeren erscheinung sowie im materialausdruck am extremsten; es ist am wenigsten künstlerisch, am meisten logisch, am wenigsten ›wohnlich‹, am meisten maschinenmäßig. das gegenteil des erwarteten trat ein.«15

[...]


1 Vgl. FIELL, CHARLOTTE & PETER: Industriedesign A-Z, Köln 2006, S. 105.

2 Vgl. MÀČEL, OTAKAR: Marcel Breuer - »Erfinder der Stahlrohrmöbel«, in: VON VEGESACK, ALEXANDER (HRSG.): Marcel Breuer. Design und Architektur, Weil am Rhein 2003, S. 52.

3 Vgl. MUNDT, BARBARA: Produkt-Design 1900-1990. Eine Auswahl, Berlin 1991, S. 28.

4 Vgl. MÀČEL, »Erfinder der Stahlrohrmöbel«, S. 72.

5 Vgl. GUIDOT, RAYMOND: Design. Die Entwicklung der modernen Gestaltung, Stuttgart 1994, S. 28.

6 Vgl. MUNDT, Produkt-Design, S. 60.

7 Vgl. SELLE, GERT: Geschichte des Design in Deutschland, Frankfurt am Main 1994, S. 173.

8 Vgl. REMMELE, MATHIAS: Marcel Breuer, Design und Architektur - Eine Einführung, in: VON VEGESACK, ALEXANDER (Hrsg.): Marcel Breuer. Design und Architektur, Weil am Rhein 2003, S. 15.

9 Vgl. CACCIOLA, DONATELLA: Etablierte Moderne - Die Möbel von Marcel Breuer in der Pro- duktion von Gavina und Knoll International, in: VON VEGESACK, ALEXANDER (Hrsg.): Marcel Breuer. Design und Architektur, Weil am Rhein 2003, S. 150.

10 Vgl. MÀČEL, »Erfinder der Stahlrohrmöbel«, S. 70.

11 Vgl. CACCIOLA, Etablierte Moderne, S. 152.

12 SELLE, Geschichte des Design in Deutschland, S. 197.

13 Vgl. NEUMANN, CLAUDIA / POLSTER, BERND / SCHULER, MARKUS: Dumont-Handbuch. Design international, Köln 2004, S. 86.

14 Vgl. MÀČEL, »Erfinder der Stahlrohrmöbel«, S. 62-65.

15 Ebd., S. 62.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Marcel Breuers Sessel »Wassily«. Ein Stuhl als Symbol einer Epoche
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Funktionen der bildenden Kunst
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V210961
ISBN (eBook)
9783656385912
ISBN (Buch)
9783656386933
Dateigröße
7677 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stuhl, symbol, epoche
Arbeit zitieren
M.A. Patrizia Kramer (Autor:in), 2006, Marcel Breuers Sessel »Wassily«. Ein Stuhl als Symbol einer Epoche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210961

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