Musikalität in Abhängigkeit von der Händigkeit. Eine Studie zu Links- und Rechtshändern


Bachelorarbeit, 2011

66 Seiten, Note: upper second class honours


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Erläuterungen zur Themenwahl
1.2 These und Zielsetzung der Arbeit

2. Grundlagen
2.1 Musikalität
2.2 Händigkeit
2.3 Ähnliche Studien und deren Ergebnisse
2.3.1 Hassler und Gupta
2.3.2 Hering, Catarci und Steiner
2.3.3 Weitere Studien
2.4 Der Musikforscher Edwin E. Gordon

3. Methodik
3.1 Auswahl der Tests
3.1.1 Seashore Measures of Musical Talents
3.1.2 Wing Standardized Tests of Musical Intelligence
3.1.3 Musical Aptitude Profile
3.1.4 Advanced Measures of Music Audiation
3.2 Testgruppe und Einschränkungen
3.3 Wichtige Kriterien zur Fehlervermeidung

4. Durchführung
4.1 Beschreibung des Testumfelds
4.2 Testvorraussetzungen und deren Überprüfung (Checkliste)
4.3 Beschreibung der Testdurchführung

5. Ergebnisse
5.1 Ergebnisübersicht
5.2 Hypothesentests
5.3 Schlussfolgerung
5.4 Versuch einer Erklärung auf neuropsychologischer Ebene

6. Zusammenfassung
6.1 Beschreibung des Themas
6.2 Testdurchführung und die Ergebnisse
6.3 Fazit

7. Kritische Reflexion der Arbeit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang
I. Übersetzungen des Durchführungsprotokolls
I.a Englisch
I.b Luxemburgisch
I.c Französisch
II. Vollständige Ergebnistabellen

1. Einleitung

1.1 Erläuterungen zur Themenwahl

Das Thema Musikalität in Abhängigkeit von der Händigkeit wählte ich aus mehreren Gründen. Hauptgrund ist mein Interesse an psychologischen Themen sowie die allgemein verbreitete Meinung, dass Linkshänder musikalischer als Rechtshänder sind. Dies wurde bisher jedoch noch nie eindeutig von einer Studie belegt oder widerlegt.

Zusätzlich ist mir aufgefallen, dass es auf diesem spezifischen Themengebiet keine einzige Studie gibt die sich exklusiv mit dem Zusammenhang von Musikalität und Händigkeit befasst. Es gibt Studien die grundlegende Aussagen über einen solchen Zusammenhang treffen, jedoch widersprechen diese sich gegenseitig. Außerdem sind die meisten dieser Abhandlungen bereits zehn Jahre alt oder älter, es besteht also der Bedarf nach einer rezenteren Studie. Dies bietet auch mehrere Vorteile wie beispielsweise die Möglichkeit bessere Tests zum Messen der Musikalität zu verwenden.

Musikalität ist ein Begriff der nicht wirklich greifbar ist, auch das war eine meiner Motivationen dieses Thema zu aufzugreifen. Mich ein dieses Themengebiet einzuarbeiten und den Begriff greifbarer zu machen fasziniert mich und ermöglicht es mir, ein besseres Verständnis von Musikalität im Allgemeinen zu erlangen.

“Ich bin vollkommen unmusikalisch” ist ein Satz den man des Öfteren hört, nach Gordon (2003, p. 17) ist es jedoch ein Fakt, dass “jeder über ein Minimum von Potential verfügt Musik zu erlernen und zu genießen.” Einen vollkommen unmusikalischen Menschen gibt es also, zumindest in der Theorie, nicht.

1.2 These und Zielsetzung der Arbeit

In dieser Arbeit geht es vor allem um den Zusammenhang von Musikalität und Händigkeit. Die These, Linkshänder sind musikalischer als Rechtshänder, soll im Laufe der Studie entweder bewiesen oder widerlegt werden. Dazu werden an einer möglichst großen Anzahl von Probanden Musikalitätstests durchgeführt, durch deren statistische Auswertung eine Aussage über einen

möglichen Zusammenhang zwischen Musikalität und Händigkeit getroffen werden kann.

Das Resultat der Studie, unabhängig davon, ob ein Zusammenhang besteht oder nicht, soll dann anhand neuropsychologischer Aspekte erklärt und bekräftigt werden. Durch diese Arbeit sollen weder Links- noch Rechtshänder auf Grund ihrer Händigkeit diskriminiert oder für unmusikalisch erklärt werden. Es geht lediglich darum, eine allgemeine Aussage zu treffen. Auch werden eine eventuelle musikalische Vorbildung sowie das Geschlecht bei der Studie mit in Betracht gezogen und Unterschiede die auf diese Punkte zurückzuführen sind werden untersucht.

Ein weiteres Ziel ist das Erstellen einer aussagekräftigen Studie. Um dieses Ziel zu erreichen müssen möglichst viele Probanden getestet werden, und der Autor wird jeden einzelnen Test mit den Probanden persönlich durchführen um somit ein gleiches Testumfeld und gleiche Testkonditionen zu garantieren, damit die Resultate nicht durch Schwankungen in den Instruktionen und variierenden Testumfeldern beeinflusst werden.

Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass Linkshänder musikalischer als Rechtshänder sind und dies beispielsweise auf eine erhöhte Beanspruchung ihrer rechten Gehirnhälfte zurückzuführen ist, soll diese Studie auch dazu bewegen, Linkshänder nicht mehr wie bisher üblich, bei klassischen Instrumenten auf Rechts umzuschulen, da somit ein Teil ihrer Musikalität verloren gehen könnte, sie also ihre musikalischen Fähigkeiten nicht voll ausschöpfen könnten. Vor allem bei Streichinstrumenten, welche eigentlich händigkeitsabhängig sind, ist es üblich Linkshänder umzuschulen. Diese Arbeit soll jedoch nicht zu einer Abhandlung über die Notwendigkeit von speziellen Instrumenten für Linkshänder werden. Das Resultat der Studie kann aber für solche Zwecke interpretiert und verwendet werden. Dass allgemein ein Umschulen von Linkshändern nicht sinnvoll und sogar schädlich sein kann, ist bereits von Jones (1918, p. 75) belegt: “Bei einer Umschulung auf die schwache Hand droht ein physiologisches Desaster in Form von Stottern.”

2. Grundlagen

2.1 Musikalität

Eine präzise Definition von Musikalität gibt es nicht, sondern eine Vielzahl an Definitionen die sich in Aussage und Formulierung oftmals bedeutend unterscheiden. Musikalität ist schwer greifbar und setzt sich aus mehreren Teilaspekten zusammen. Nach Gordon (1998, p. 9) gibt es keine zufrieden- stellende verbale Beschreibung von Musikalität, also keine Definition der Elemente aus denen sich die Musikalität zusammensetzt. Des Weiteren schreibt Gordon (1998, p. 6) dass alle Forscher die sich mit dem Gebiet der Musikalität befasst haben übereinstimmen, dass Musikalität angeboren ist. Generell kann man festhalten, dass “1) wenn beide Elternteile musikalisch sind, die Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit auch musikalisch werden, 2) wenn nur eines der Elternteile musikalisch ist, die Kinder generell musikalisch werden, und 3) wenn keines der Elternteile musikalisch ist, die Kinder generell noch unmusikalischer als die Eltern werden” (Haecker und Ziehen 1925, pp. 191-214). Somit stünde also fest, dass Musikalität vererblich ist. Gordon (1998,

p. 7) bemerkt, dass Musikalität jedoch nicht ausschließlich angeboren ist, sondern ein Produkt aus angeborenem Potential und äußeren Einflüssen. Kinder mit sehr hohem musikalischen Potential die nur selten Musik ausgesetzt wurden können so zum Beispiel in Musikalitätstests schlecht abschneiden.

1919 wurde von Carl E. Seashore der erste standardisierte Test zum Messen der Musikalität publiziert. Der Test hieß ursprünglich Seashore Measures of Musical Talent, wurde aber 1939 in Seashore Measures of Musical Talents umbenannt. Nach Gordon (1998, p. 21) distanzierte sich Seashore durch das hinzufügen von diesem “s” von jenen die sich damit zufrieden gaben, dass es nur eine allesübergreifende Musikalität gebe.

Obwohl ab 1919 immer wieder neue Tests publiziert wurden, waren erst die 1958 publizierten Wing Standardized Tests of Musical Intelligence eine wirkliche Innovation. Der Test umfasste sieben Teilbereiche, Akkorde, Tonhöhen, Erinnerungsvermögen, Rhythmus, Harmonie, Intensität und Phrasierung. (Gordon 1998, p. 43)

1989 veröffentlichte Gordon die Advanced Measures of Music Audiation (AMMA) und 1995 das Musical Aptitude Profile (MAP). Während AMMA in nur

30 Minuten durchgeführt werden kann, muss man für das MAP mindestens dreieinhalb Stunden einplanen. Beide Tests setzen sich aus mehreren Teilbereichen zusammen für die auch einzelne Resultate errechnet werden. Somit kann man durch diese Tests sehr einfach Stärken und auch Schwächen der Probanden erkennen. (Gordon 1998, pp. 53-57)

Gordon gilt bis heute als einer der größten Innovatoren auf dem Gebiet der Musikpsychologie und der Entwicklung von Musikalitätstests. (GIA Publications 2010)

2003 erschien Gordons “Am I Musical?”, ein Buch mit dem man spielerisch prüfen kann ob jemand musikalisch ist. In dem Buch sind so genannte “Music Audiation Games”, unterteilt in zwei Kategorien (Erwachsene und Kinder). Obwohl diese Spiele weitaus weniger genau als die vorab aufgeführten Tests sind, schlägt Gordon vor, Kinder mit diesen Spielen zu prüfen. Mithilfe der Music Audiation Games könnte man außerordentliches musikalisches Talent früh erkennen und dieses dann auch gezielt fördern. Oftmals bleibt musikalisches Talent nämlich unentdeckt oder wird erst sehr spät entdeckt.

Für diese Studie wird Musikalität durch das im Test erzielte Resultat definiert. Je höher das Ergebnis im Test, desto musikalischer der Proband der das Ergebnis erzielt hat.

2.2 Händigkeit

Im Gegensatz zur Musikalität ist Händigkeit ein greifbarer Begriff. Händigkeit beschreibt im Grunde genommen welche Hand einer Person die Stärkere und welche die Schwächere ist. Stark und schwach sind hier nicht auf Kraft zu beziehen, sondern auf Fähigkeiten wie beispielsweise Schreiben, Hämmern, Schrauben, etc.

Jones fand bereits 1918 (p. 44) in einer Studie heraus, dass Händigkeit angeboren ist, und durch Messen der Länger der Knochen des Arms bestimmt werden kann. Der dominante Arm ist immer der längere. Auch eine Umschulung

der Hand kann man durch einfaches Messen feststellen, der bevorzugte Arm weist hier einen größeren Muskelumfang auf.

“96% der menschlichen Rasse werden als Rechtshänder geboren, 4% sind geborene Linkshänder” (Jones 1918, p. 46). Nach Heilman (2005, p. 73) bevorzugen 90% der Menschen ihre rechte Hand, die anderen 10% bevorzugen entweder ihre linke Hand, oder haben keine Vorliebe. Die Vorliebe für eine der Hände ist hier jedoch nicht mit angeborener Händigkeit gleichzusetzen. In Jones’ Studie gab es Probanden die ohne erkennbaren Grund im Laufe ihres Lebens auf die schwache Hand gewechselt sind.

Jones (1918, p.75) stellte auch einen Zusammenhang zwischen Umschulung auf die schwache Hand und Stottern fest. Vor allem beim Schreiben sollten Linkshänder nicht auf die rechte, schwache Hand umgeschult werden. Bis heute gibt es jedoch keine eindeutige Erklärung warum dieser Effekt bei Umschulung auftritt.

Heilman (2005, pp. 73-88) schreibt, dass es bis heute nicht eindeutig möglich ist die Vorliebe für eine bestimmte Hand zu erklären. Es wurde wohl spekuliert, dass die Händigkeit auf die Dominanz einer der beiden Gehirnhälften zurückzuführen sei, dies wurde jedoch von neueren Studien widerlegt. Heilman beschreibt auch, dass Kreativität (sowie Musikalität) im Allgemeinen oft mit Linkshändern in Verbindung gebracht würde und es auch Anzeichen gebe, die dieses vermuten lassen. So ist beispielsweise nicht mit Sicherheit überliefert ob Leonardo da Vinci Linkshänder war, jedoch dass er in Spiegelschrift schrieb, welches ein Anzeichen für eine Vorliebe der linken Hand ist. Auch von Michelangelo und Raphael wird vermutet, dass diese Linkshänder waren. (Heilman 2005, pp. 73-88)

Vor allem im musikalischen Bereich ist von sehr vielen erfolgreichen Künstlern bekannt, dass diese Linkshänder sind (oder waren) wie zum Beispiel Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Paul McCartney, Bob Dylan, George Michael, Phil Collins und Noel Gallagher die alle sehr erfolgreich waren. Es besteht also Grund zur Annahme, dass die Händigkeit tatsächlich eine Auswirkung auf die Musikalität haben könnte.

Bei verschiedenen Instrumenten gibt es eine natürliche Händigkeit, dies bedeutet, dass die entsprechenden Instrumente in Linkshänder-Versionen existieren (sollten). Das bekannteste Instrument mit natürlicher Händigkeit ist die Gitarre. Bei der Gitarre gibt es eine natürliche Händigkeit, da beide Hände unterschiedliche Aufgaben haben: Die eine greift, die andere führt rhythmisches und präzises Zupfen durch, welches feinmotorische Fähigkeiten beansprucht, im Gegensatz zu der greifenden Hand. Dadurch zupfen Linkshänder (meist) mit Links, bevorzugen also eine Linkshänder Gitarre.

Auch bei allen Streichinstrumenten gibt es theoretisch eine natürliche Händigkeit. Da man Streichinstrumenten aber fast immer in einer klassischen Ausbildung lernt, werden fast alle Streicher umgeschult. Es wäre technisch auch nicht möglich für einen linkshändigen Streicher in einem Orchester zu spielen, da er ständig mit seinem Bogen gegen den Bogen seines Nachbarn stoßen würde.

Andere Instrumente hingegen, wie beispielsweise das Klavier oder Blasinstrumente verfügen nicht über eine natürliche Händigkeit, da hier beide Hände genau gleich beansprucht werden und die gleiche Aufgabe erfüllen.

Deutsch (1982, p. 336) fand heraus, dass die Händigkeit im Zusammenhang von ihr erforschten Audio-Illusionen steht. Rechtshänder nahmen beispiels- weise bei der Oktav Illusion den hohen Ton auf der rechten Seite wahr, auch wenn die Kopfhörer umgedreht wurden. Bei Linkshändern war kein eindeutiges Muster zu erkennen.

2.3 Ähnliche Studien und deren Ergebnisse

Bei der Musikalität im Bezug zur Händigkeit gab es bereits einige Studien, die sich jedoch in ihrer Durchführung und vor allem bei ihren Ergebnissen deutlich unterscheiden. Viele dieser Studien widersprechen sich gegenseitig. Größter Kritikpunkt an allen diesen Studien ist, dass sie entweder zu kleine Stichproben verwendet haben oder Daten aus einer begrenzten Grundgesamtheit wie beispielsweise der Grundgesamtheit der Orchestermusiker erhoben haben. Auf zwei dieser Studien werde ich etwas genauer eingehen, da diese beiden Studien meiner Studie am meisten ähneln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.1 Hassler und Gupta

In einer von Hassler und Gupta (1993) durchgeführten Studie wurden 51 junge erwachsene Musiker und Nichtmusiker mit den Wing Standardized Tests of Musical Intelligence getestet. Aus diesem Test konnten folgende Schlüsse gezogen werden:

Musikalität steht in Verbindung zu einer anomalen Dominanz (Gehirn) für Sprachfunktionen

Musikalität steht im Zusammenhang mit Linkshändigkeit Musikalität steht im Zusammenhang mit Immunschwäche

Anomale Dominanz für Sprachfunktionen steht im Zusammenhang mit Immunschwäche

(Hassler und Gupta 1993, pp. 657-658)

Die Studie wurde mit großer Sorgfalt durchgeführt, begonnen beim Feststellen der Händigkeit. Alle Probanden bekamen folgende Fragen gestellt:

Mit welcher Hand würden Sie einen Ball werfen um ein Ziel zu treffen? Mit welcher Hand zeichnen Sie?

Mit welcher Hand benutzen Sie einen Radiergummi?

Mit welcher Hand nehmen Sie die Karte beim Austeilen?

(Hassler und Gupta 1993, p. 656)

Die Antwort “mit der rechten Hand” war drei Punkte wert, die Antwort “mit beiden Händen” zwei Punkte und die Antwort “mit der linken Hand” nur einen. Diejenigen mit einem Ergebnis von 4-9 wurden als Linkshänder eingestuft, Probanden mit einem Ergebnis von 10-12 als Rechtshänder. (Hassler und Gupta 1993, p. 656)

Obwohl bei der Vorbereitung und Durchführung der Studie mit großer Sorgfalt gearbeitet wurde, ist das Ergebnis trotzdem fraglich, da die Anzahl an befragten Probanden gering ist. Zusätzlich wurden für die Händigkeitsunterschiede nur noch 30 Personen getestet (15 Links- und 15 Rechtshänder). Bei nur 30 Testpersonen ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis auf purem Zufall beruht sehr hoch. Hassler und Guptas Studie kommt dieser Musikalitätsstudie,

zumindest was die Durchführung betrifft, am nächsten, da hier auch eine Testgruppe auf Händigkeit untersucht wurde und dann an einem Musikalitäts- test teilnehmen musste.

2.3.2 Hering, Catarci und Steiner

In einer 1995 von Hering, Catarci und Steiner durchgeführten Studie wurde das Resultat der zwei Jahre vorhergehenden Studie von Hassler und Gupta widerlegt. Bei dieser Studie wurden professionelle Orchestermusiker analysiert. Hering, Catarci und Steiner konnten bei den Orchestermusikern keine höhere Anzahl an Linkshändern feststellen als in der normalen Bevölkerung zu finden ist. (Heilman 2005, p. 81)

Interessant ist, dass Hering, Catarci und Steiner keinen Musikalitätstest durchgeführt haben. Somit haben sie zwar festgestellt, dass bei Orchester- musikern nicht mehr Linkshänder vorkommen als in der allgemeinen Bevölkerung, jedoch bedeutet dies nicht, dass Linkshänder deswegen nicht musikalischer als Rechtshänder sein könnten. Zusätzlich ist die Beschränkung auf Orchestermusiker eine sehr starke Einschränkung, da Musiker (und auch musikalische Personen) nicht zwingend in klassischen Orchestern zu finden sind.

2.3.3 Weitere Studien

Es existieren weitere Studien die entfernt auch einen Zusammenhang zwischen Musikalität und Händigkeit analysieren. Deutsch (1982, p. 336) analysierte wie die Händigkeit mit den von ihr untersuchten Audio Illusionen zusammenhängt und Jancke, Schlaug und Steinmetz (1997 pp. 424-432) untersuchten wie sich Musikalität auf die Händigkeit auswirkt. Sie stellten fest, dass Musiker (Rechtshänder als auch Linkshänder) eher beidhändig geschickt sind als Nichtmusiker. Dies, so wird vermutet, wird vor allem durch Training der motorischen Fähigkeiten erreicht (Heilman 2005, p. 81).

2.4 Der Musikforscher Edwin E. Gordon

Edwin E. Gordon ist weltweit als Forscher, Lehrer, Autor, Editor und Dozent für Musikpädagogik bekannt. Seit 1997 geht er einer Professur an der University of South Carolina nach, nachdem er sein Amt als Carl E. Seashore Professor in

Musikforschung abgelegt hat. Heute berät Dr. Gordon Doktoratsanwärter und fungiert als Musiklehrer in Grundschulen. Er verfügt über einen Bachelor und Master in Kontrabass und promovierte 1958. (GIA Publications 2010)

Von Gordon stammt unter anderem die Music Learning Theory, die beschreibt, wie wir Musik lernen. Sie basiert auf Gordons Forschung und die darin festgehaltenen Prinzipien sollten von Musiklehrern für jede Altersgruppen angewandt werden. Hauptziel ist die Entwicklung der tonalen und rhythmischen Audiation (innerliches Hören) der Studenten, da dieser Faktor die wichtigste Grundlage für eine gute musikalische Entwicklung ist (Gordon Institute for Music Learning 2010). Die beiden wichtigsten Prinzipien der Music Learning Theory sind:

Die Audiation, bedeutet so viel wie “innerliches Hören”, also sich einen Ton vorstellen zu können, auch wenn dieser nicht physikalisch vorhanden ist. Man audiiert immer wenn man Musik hört, nach Noten spielt, nach “Gehör” spielt, improvisiert, komponiert oder Musik schreibt. Man sollte Audiation jedoch nicht mit Hören gleichsetzen, beides geschieht zwar gleichzeitig, jedoch ist Audiation ein kognitiver Prozess des Gehirns der musikalischen Tönen einen Sinn gibt. Audiation ist also das musikalische Pendant zum Denken in der Sprache. (Gordon Institute for Music Learning 2010)

Musikalität (musikalische Begabung), welche durch Standardtests messbar ist. Wichtig ist, die Tests nicht zu den falschen Zwecken zu benutzen.

Sinn eines Musikalitätstests ist NICHT Studenten aufgrund ihres Resultats an musikalischen Aktivitäten teilnehmen zu lassen oder auszuschließen. Alle Kinder (Menschen) haben ein Recht auf eine verständliche musikalische Ausbildung. Musikalitätstests helfen dem Lehrer auf die besonderen Bedürfnisse eines einzelnen einzugehen. (Gordon Institute for Music Learning 2010)

Mithilfe dieser Prinzipien, sowie den in der Music Learning Theory beschrie- benen Methoden soll es Musikpädagogen ermöglicht werden, besser auf jeden einzelnen Schüler einzugehen, seine Schwächen zu erkennen und diese

aufzuarbeiten. Dadurch hat jeder die Möglichkeit sich musikalisch bestmöglich zu entwickeln.

Zusätzlich hat Gordon mehrere Musikalitätstests entwickelt, unter anderem das Musical Aptitude Profile und die Advanced Measures of Music Audiation, die heute beide Standardtests zum Messen der Musikalität sind.

Edwin E. Gordon und seine Arbeit wurden unter anderem in der NBC Today Show, der New York Times, USA Today und verschiedenen Europäischen und Asiatischen Publikationen vorgestellt. (GIA Publications 2010)

3. Methodik

3.1 Auswahl der Tests

Zur Bestimmung der Musikalität wird ein Musikalitätstest benötigt. Hier gibt es eine sehr große Auswahl an unterschiedlichen Formen von Tests die eine Aussage über die Musikalität treffen können. Es folgt eine Auflistung mit Beschreibung der wichtigsten Musikalitätstests die heute erhältlich sind.

3.1.1 Seashore Measures of Musical Talents

Der so genannte Seashore Test wurde 1919 als erster Musikalitätstest überhaupt von Carl E. Seashore entwickelt. Es gibt zwei unterschiedliche Ausgaben, A und B mit dem einzigen Unterschied, dass bei B der Inhalt komplizierter ist. 1939 wurde, ohne die Angabe weiterer Gründe, die B-Serie eingestellt. Der Test untersucht folgende Aspekte:

Tonhöhenwahrnehmung. Laut Seashore besteht eine Tonhöhenwahrnehmung wenn zwischen zwei unterschiedlichen Tonhöhen unterschieden werden kann. Für Seashore war es nicht nur wichtig, beschreiben zu können ob zwei Töne eine unterschiedliche Tonhöhe haben, sondern auch welcher höher beziehungsweise tiefer ist. Lautstärkenwahrnehmung. Um diese festzustellen, muss der Proband angeben, ob der zweite Ton lauter oder leiser als der erste war.

Zeitliche Wahrnehmung. Dem Probanden werden zwei Töne vorgespielt, beide mit einer Länge von 0,05 bis 0,3 Sekunden. Der Proband muss dann angeben welcher dieser Töne länger ist.

Klangfarbenwahrnehmung. Bei zwei Tönen die durch einen Generator erzeugt werden muss der Proband angeben ob diese gleich oder verschieden klingen.

Konsonanz. Bei dieser hatte Seashore Probleme, sie so zu definieren, dass sie messbar wurde. Für den Test werden dem Probanden konsonante und dissonante Intervalle vorgespielt, dieser muss dann Angaben zur Konsonanz machen.

(Gordon 1998, pp. 21-33)

Da der Test der erste Musikalitätstest überhaupt ist und auch in neueren Ausgaben inhaltlich nicht verändert wurde und insbesondere neueren Tests eine höhere Reliabilität und Validität nachgewiesen werden konnte, kann er für diese Studie nicht verwendet werden.

3.1.2 Wing Standardized Tests of Musical Intelligence

Nach Seashore war Herbert Wing der erste wirkliche Innovator auf dem Gebiet der Musikalitätstest. Der Wing Test wurde 1958 publiziert und besteht aus sieben Subtests: Akkordanalyse, Tonhöhenwechsel, Gedächtnis, Rhythmus, Harmonie und Intensität. Der größte Unterschied zwischen dem Wing und Seashore Test ist, dass bei jedem von Wings Subtests ein musikalisches Instrument, nämlich das Klavier, benutzt wurde um die Beispiele vorzuspielen (bei Seashore wurden die Töne meist von Frequenzgeneratoren erzeugt). Leider gibt es von den Wing Tests keine Validitätsstudien. (Gordon 1998, pp. 43-49)

Dadurch, dass bei den Wing Tests keine longitudinalen Validitätsstudien vorhanden sind (dem Test also keine eindeutige Validität nachgewiesen ist), kommt der Test für diese Studie nicht in Frage.

3.1.3 Musical Aptitude Profile

Der gängigste Musikalitätstest heute ist das 1995 von Gordon publizierte Musical Aptitude Profile, kurz MAP. Der Test wurde für Kinder und Jugendliche im Alter von 9-17 Jahren entworfen. Er ist in drei Teilbereiche unterteilt: Tonale Darstellung, Rhythmische Darstellung und musikalische Empfindsamkeit. Diese Teilbereiche sind wiederum in Subtests unterteilt; Melodie und Harmonie für den

ersten, Tempo und Takt für den zweiten und Phrasierung, Ausgewogenheit und Stil für den letzten. (Gordon 1998, pp. 53-54)

Im Melodie und Harmonie Subtest muss der Proband eine musikalische Antwort mit der zugehörigen musikalischen Frage vergleichen. Die Antwort unterscheidet sich entweder in Melodie oder Anzahl der Töne. Falls die Melodie sich ändert (bei gleicher Anzahl der Töne) soll der Proband dies als tonale Variation angeben, falls die Anzahl der Töne sich ändert soll er dies mit einer nicht-tonalen Variation angeben. Im Melodietest werden Fragen und Antworten von einer Violine gespielt, im Harmonietest von einer Violine und einem Cello im Duett. Die Beispiele sind in den unterschiedlichsten Tonarten und teilweise auch atonal. Im Zweifelsfalle gibt es immer eine “ich bin nicht sicher” Wahlmöglichkeit. (Gordon 1998, pp. 53-54)

Für den Tempo Subtest werden die Enden der musikalischen Antworten entweder schneller, langsamer oder genau gleich neu aufgenommen. Die tonale Komponente ist bei Frage wie auch Antwort genau gleich. Der Proband gibt nun an, ob das Tempo gleich oder verschieden ist. Auch hier hat er wieder die “ich bin nicht sicher” Auswahlmöglichkeit. (Gordon 1998, pp. 53-54)

Im Takt Subtest gibt der Proband an, ob musikalische Frage und Antwort im gleichen Takt sind oder sich unterscheiden. Die “ich bin nicht sicher” Wahlmöglichkeit wird natürlich auch hier gegeben. (Gordon 1998, pp. 53-54)

Bei den Subtests im Empfindsamkeits -Teil muss der Proband angeben, welche musikalische Aussage mehr Sinn macht. Im Phrasing Subtest wird die gleiche Melodie mit einem anderen Ausdruck gespielt, und der Proband muss entscheiden welche der beiden Versionen die bessere ist. Im Ausgewogenheit Subtest unterscheiden sich die Enden der beiden Melodien, und der Proband muss angeben, welche Melodie das bessere Ende hat. Im Stil Subtest wird die Melodie beim zweiten Mal in einem anderen Tempo gespielt, und der Proband muss angeben, welches Tempo am besten zur Melodie passt. (Gordon 1998, pp. 53-54)

Durch die vielen einzelnen Testbereiche gibt das MAP eine sehr ausführliche Auskunft über die Musikalität eines Probanden. In einer zweijährigen longitudinalen Validitätsstudie von Gordon wurde dem Test zusätzlich eine hohe Validität bezeugt, die trotz weiterführender musikalischer Erziehung zwischen Test und Kontrolltest nicht beeinträchtigt wurde (Gordon 1998, p. 55). Dieser Test wäre eigentlich optimal für meine Studie, jedoch kommt er durch die sehr lange Administrationszeit (3,5 Stunden) nicht in Frage.

3.1.4 Advanced Measures of Music Audiation

Vor dem MAP publizierte Gordon 1989 die Advanced Measures of Music Audiation, kurz AMMA. Im Gegensatz zum MAP sind die AMMA in relativ kurzer Zeit zu administrieren, und können außerdem auch noch für Probanden die älter als 17 sind (also Studenten) benutzt werden. (Gordon 1998, p. 57)

Bei den AMMA werden dem Hörer wie in Teilen vom MAP auch musikalische Fragen gefolgt von musikalischen Antworten vorgespielt. Der Hörer muss dann angeben ob Frage und Antwort gleich sind oder sich tonal oder rhythmisch unterscheiden. Auch hier gibt es eine “ich bin mir nicht sicher” Auswahl- möglichkeit. Für jede Testfrage gibt es immer nur eine korrekte Antwort, die musikalische Antwort kann sich also von der musikalischen Frage immer nur entweder tonal, rhythmisch oder überhaupt nicht unterscheiden. Die Beispiele wurden in verschiedenen Ton- und Taktarten von einem professionellen Musiker auf einem Synthesizer eingespielt. (Gordon 1998, p. 57)

Die AMMA geben drei Endresultate an: Tonales Ergebnis, rhythmisches Ergebnis und ein Gesamtergebnis. Die Übersicht über die musikalischen Fähigkeiten in den verschiedenen Teilbereichen ist also nicht so detailliert wie beim MAP. Dafür kann der Test jedoch in rund einer halben Stunde administriert werden und verschiedene longitudinale Validitätsstudien von Gordon haben die Validität des Tests nachgewiesen. (Gordon 1998, p. 57)

Für diese Studie wählte ich daher die AMMA, da diese vor allem in der computerbasierten Form einfach und in einer annehmbaren Zeit zu administrieren sind.

3.2 Testgruppe und Einschränkungen

Für die Musikalitätsstudie werden 80 Probanden befragt und getestet. Die Hälfte der Teilnehmer sollten Linkshänder, die andere Hälfte Rechtshänder sein.

Die AMMA sind für Probanden ab einem Alter von 13 Jahren valide, für diese Studie werden jedoch Probanden in einem Alter von 15-40 Jahren bevorzugt. Obwohl laut Gardner (1982, pp. 144-157) die musikalische Grundentwicklung bereits im Alter von 5 Jahren abgeschlossen ist, in diesem Alter also bereits ein Verständnis für Tonhöhe, Tonart und Rhythmus vorhanden ist, sind die Instruktionen für Kinder in diesem Alter nicht verständlich. Auch mit 13 Jahren ist das Risiko von mutwilligen Falschaussagen, etwa durch Langeweile oder Unaufmerksamkeit, höher als bei älteren Probanden.

Bei den Testpersonen wird unterschieden ob diese Musiker, Musikstudenten oder Nichtmusiker sind. Die AMMA bewerten Musikstudenten und pro- fessionelle Musiker strenger als Nichtmusiker. Zusätzlich wird das Ergebnis für Probanden ab einem Alter von 18 Jahren strenger berechnet, als für jüngere Teilnehmer (Gordon 1989, pp. 28-31). Diese Einschränkungen sind jedoch im computerbasierten Test integriert und werden automatisch angewendet. Die genauen Testspezifikationen sind im Manual for the Advanced Measures of Music Audiation (Gordon, 1989) zu finden.

Testpersonen bei denen keine eindeutige Händigkeit festzustellen ist, die also beidhändig (ambidexter) sind, dürfen am Test teilnehmen, ihr Resultat fließt jedoch nicht in die Auswertung mit ein, da hier eine klare Zuordnung zu einer der beiden Händigkeiten unmöglich ist. Falls eine ausreichende Anzahl an ambidexteren Probanden am Test teilnimmt, wird ein einzelnes Resultat für diese Händigkeitsgruppe errechnet. Dieser Fall ist jedoch sehr unwahr- scheinlich.

Es sollte möglichst vermieden werden, ganze Familien zu testen. Da Musikalität (oder gegebenenfalls Nichtmusikalität) nach Haecker und Ziehen (1925, pp. 191-214) vererblich ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Familienmitglieder ähnlich gute oder schlechte Resultate erzielen sehr hoch. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass beispielsweise zwei Geschwister am Test teilnehmen,

[...]

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Musikalität in Abhängigkeit von der Händigkeit. Eine Studie zu Links- und Rechtshändern
Hochschule
( Middlesex University in London )
Veranstaltung
Untersuchung und Vergleich der musikalischen Fähigkeiten bei Links- und Rechtshändern
Note
upper second class honours
Autor
Jahr
2011
Seiten
66
Katalognummer
V210982
ISBN (eBook)
9783656396123
ISBN (Buch)
9783656396307
Dateigröße
919 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
studie, musikalität, abhängigkeit, händigkeit
Arbeit zitieren
Patrick Floener (Autor:in), 2011, Musikalität in Abhängigkeit von der Händigkeit. Eine Studie zu Links- und Rechtshändern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210982

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