Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Entstehung von Lockes Eigentumstheorie
3. Eigentumstheorie nach John Locke
3.1 Eigentum im Naturzustand
3.2 Eigentum nach Einführung der Geldwirtschaft
3.3 Staatliche Eingriffe zur Sicherung des Eigentums
4. Wirkung von Lockes Eigentumstheorie auf die Soziale Frage
5. Schlussbetrachtung: Auswirkungen von Lockes Eigentumstheorie auf die englische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Primärer Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit ist die Eigentumstheorie des John Locke aus seinem politischen Hauptwerk „Two Treatises of Government“. Diese soll im Hinblick auf ihren sozialen Gerechtigkeitsanspruch analysiert werden. Die Anregung zu diesem Thema ergab sich aus der Lektüre des Kurses „Sozialphilosophie des 18. Jahrhunderts“ als Bestandteil des Moduls 3E „Diskursiver Entwurf: Wissen, Aufklärung, Handeln“ des Studienganges „Europäische Moderne: Geschichte und Literatur“.
Der englische Philosoph John Locke (1632-1704) gilt mit Recht als einer der führenden Denker der politischen Philosophie, der die geistigen, politischen und wirtschaftlichen Strömungen seiner Zeit sehr genau erfasste.
Auf eine detaillierte Darstellung der Vita John Lockes soll an dieser Stelle verzichtet werden. Lediglich einige prägnante Eckdaten aus dem Leben Lockes, die für die Entwicklung seiner politischen Vertragstheorie maßgeblich waren, werden dargelegt.
John Locke wurde 1632 geboren und kam aus einem puritanischen Elternhaus. Geleitet von seinem modernen Denken und seiner akademischen Ausbildung beschäftigte er sich früh mit Fragen der empirischen Naturerkenntnis sowie der Medizin und entwickelte sich von einem konservativ geprägten zu einem freiheitsliebenden Bürger mit liberalen Ansichten.[1] Susann Held beschreibt Locke in ihrer Dissertation sehr treffend als „Archetyp des Bürgers in der frühkapitalistischen Gesellschaftsordnung des 17. Jahrhunderts“.[2]
Lockes politisches Hauptwerk war die bereits erwähnte 1689 anonym erschienene Streitschrift „Two Treatises of Government“, auf deren Entstehung in Kapitel 2 noch ausführlicher eingegangen wird. In ihr entwickelte John Locke seine politische Philosophie und begründete darin seine berühmte Eigentumstheorie, in der er die Aneignung von privatem und gesellschaftlichem Eigentum auf die menschliche Arbeit zurückführte. Locke galt mit seiner politischen Theorie als einer der ersten Vertreter, der das Privateigentum und dem sich daraus ergebenden Freiheitsbegriff als Kennzeichen für das bürgerliche Individuum über die Frage nach der Herkunft des gesellschaftlichen Reichtums stellte.[3]
Die deutsche Übersetzung „Zwei Abhandlungen über die Regierung“, die von Hans Jörn Hoffmann übersetzt und von Walter Euchner herausgegeben wurde, wird als Hauptquelle zur Lockeschen Eigentumstheorie genutzt und soll bei der Beantwortung nachstehender Fragestellung helfen:
- Ist John Lockes Eigentumstheorie als Ausdruck sozialer Gerechtigkeit zu verstehen?
Die Fragestellung zielt auf die „Soziale Frage“ ab. Untersucht werden soll, ob Locke in seiner Lehre vom Eigentum im Naturzustand und nach Einführung des Geldes sowohl für die besitzende als auch für die nicht-besitzende Bevölkerung argumentierte oder aber mit seinen Aussagen nur für eine der beiden Seiten eintrat.
Zum Verständnis der Thematik werden in Kapitel 2 Gründe für die Entstehung von Lockes Eigentumstheorie aufgezeigt, die sich aus seiner kritischen Auseinandersetzung mit der politischen Theorie des Sir Robert Filmers ergab.
Im dritten theoretischen Kapitel dieser Arbeit soll die Eigentumstheorie von John Locke vor und nach der Einführung der Geldwirtschaft thematisiert sowie staatliche Eingriffe zur Sicherung des Eigentums aufgezeigt werden.
Kapitel 4 zielt darauf ab, Lockes Eigentumstheorie vor dem Hintergrund der sozialen Gerechtigkeit zu beleuchten und schließlich die zentrale Fragestellung dieser Hausarbeit zu beantworten.
In der Schlussbetrachtung wird ein Fazit der Lockeschen Eigentumstheorie gezogen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft im England des 17. Jahrhunderts aufgezeigt.
2. Zur Entstehung von Lockes Eigentumstheorie
Besonders bedeutend und wirksam ist bis heute die politische Philosophie des John Locke. Dieser liegt sein ursprünglich als Streitschrift geplantes Werk „Two Treatises of Government“, in der deutschen Fassung „Zwei Abhandlungen über die Regierung“, zugrunde. Dieses ließ er 1689 anonym erscheinen. Beide Abhandlungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang. In seiner ersten Abhandlung ging Locke der zentralen Fragestellung zu den Eigentumsrechten und dem Ursprung politischer Herrschaft nach, während er in der zweiten Abhandlung seine politische Theorie entwarf, in der sich auch sein berühmtes und einflussreichstes fünftes Kapitel über das Eigentum finden lässt.[4]
Auf die Gründe der Entstehung seiner Eigentumstheorie soll im Folgenden näher eingegangen werden.
Die erste und oft vernachlässigte Abhandlung seiner „Two Treatises of Government“ polemisierte und kritisierte im Wesentlichen die politische Theorie des Sir Robert Filmers, der ein Royalist und dem herrschenden Adelsgeschlecht der Stuarts im England des 17. Jahrhunderts treu ergeben war. Filmers zentrales Werk „Patriarcha: A Defense of the Natural Power of Kings against the Unnatural Liberty of the People“ gründete hauptsächlich auf Zitate aus der Heiligen Schrift und legitimierte die uneingeschränkte Herrschaftsgewalt des Monarchen durch göttliches Recht.[5] Seine konservative Sichtweise vertrug sich nicht mit Lockes moderner Konzeption von Eigentum und Herrschaft, denn jedem freien Bürger standen unveräußerliche „natural rights“ zu, die ihn auch dazu berechtigten, sich gegen die Eingriffe eines Monarchen zur Wehr zu setzen („Widerstandsrecht“).[6]
In Bezug auf das Eigentum legte Filmer die Genesis so aus, dass Gott Adam die Welt allein gegeben hatte und nicht allen Menschen. Demzufolge besaß Adam als alleiniger Eigentümer der Erde auch die alleinige Herrschaft über alle Lebewesen. Seine These übertrug Filmer auf das alleinige Herrschaftsrecht der Könige in seiner „Patriarcha“. Dies implizierte für Filmer demzufolge auch,
„daß Umfang und Grenzen der Eigentumsrechte der Individuen nicht für alle gleich wären, sondern von der jeweiligen Stellung ihrer Träger zum König als Gesamteigentümer abhingen.“[7]
Locke widersprach den Thesen Filmers vehement und konstruierte seine allgemeine Theorie vom Eigentum in seiner „Second Treatise“ auf zwei grundlegende Voraussetzungen:
erstens habe Gott die Welt Adam und seiner Nachkommenschaft gemeinsam gegeben und zweitens hat jeder Mensch das Recht, von den Dingen Gebrauch zu machen, die für seine Existenz nützlich sind.[8]
Demnach war es dem Mensch erlaubt, sich aus dem Gemeindeeigentum äußere Güter für den individuellen Konsum und Genuss anzueignen. Der Übergang von Teilen des Gemeineigentums in Privateigentum erfolgte durch Arbeit des Einzelnen und bedurfte weder einer vertraglichen Zustimmung noch einer Beipflichtung der übrigen Menschen. Locke rechtfertigte den Übergang ins Privateigentum mit dem Naturrecht des Menschen, der Arbeit. Er berief sich dabei auf das Naturrecht des Eigentums an der eigenen Person sowie der Erhaltung des Lebens.[9]
Locke setzte das Recht auf Selbsterhaltung an den Anfang der Eigentumsbegründung und verdeutlichte bildhaft in seiner zweiten Abhandlung, dass jemand nicht erst durch das Verzehren eines Apfels Eigentümer am Apfel wird, sondern bereits durch das Pflücken vom Baum, sprich dem Aneignungsprozess.[10] Folglich hatte nach Maßgabe Lockes jeder Mensch, vorausgesetzt er ist Eigentümer über seine eigene Person, ein Recht auf Eigentum aus seiner eigenen Arbeit.
„Obwohl die Erde und alle niederen Lebewesen allen Menschen gemeinsam gehören, so hat doch jeder Mensch ein Eigentum an seiner eigenen Person. Auf diese hat niemand ein Recht als nur er allein. Die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände sind, so können wir sagen, im eigentlichen Sinne sein Eigentum. Was immer er also dem Zustand entrückt, den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat, hat er mit seiner Arbeit gemischt und ihm etwas eigenes hinzugefügt. Er hat es somit zu seinem Eigentum gemacht…“[11]
[...]
[1] vgl. Euchner 2011, 9
[2] zit. n. Held 2006, 35
[3] vgl. Rotermund 1976, 7
[4] vgl. Held 2006, 41
[5] vgl. Medick 1973, 116 ff
[6] vgl. Brocker 1992, 147
[7] zit. n. Gey 1980, 74
[8] vgl. Locke 1977, II. Abhandlung, §25, I. Abhandlung, § 86
[9] vgl. Gey 1980, 75
[10] vgl. Locke 1977, II. Abhandlung, §28
[11] zit. n. ebd., II. Abhandlung, §27