Ereignisse wie die Asienkrise 1997, das Platzen der New Economy Blase
um die Jahrtausendwende und die Subprime- und Kreditkrise ab 2007
haben tiefe Spuren hinterlassen. Anleger erlitten in diesen Zeiten schwere
Wertminderungen ihrer Portfolios bis hin zum Totalverlust ihres
Vermögens.
Enttäuschung und Frustration über die scheinbare Hilflosigkeit der
Investmentbranche machte sich breit und die Risikoaversion der
Marktteilnehmer stieg zusehends an. Die vermeintlich zunehmende
Häufigkeit spekulativer Booms mit anschließenden Kurseinbrüchen und
das Versagen der Investmentbranche in solchen Krisenzeiten führte zu
einer Desillusionierung hinsichtlich des Erfolgs der traditionellen Asset
Allocation.
Im Zuge dieser Entwicklungen wurden viele von der Notwendigkeit eines
Paradigmenwechsels im Portfolio Management überzeugt. Die
mangelhafte Prognosefähigkeit der traditionellen Asset Allocation in solch
hochvolatilen Zeiten begünstigte die Entwicklung moderner Verfahren, die
diese riskanten Phasen besser berücksichtigen und umschiffen sollen.
In der vorliegenden Diplomarbeit werden neben langjährig erprobten
Ansätzen auch neuere risikoorientierte Verfahren präsentiert, die der
zunehmenden Dynamik der Kapitalmärkte Rechnung tragen.
Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird zunächst das Phänomen
spekulativer Blasen näher beleuchtet. So werden die charakteristischen
Entwicklungsphasen einer Spekulationsblase von der Auslösung über das
Wachstum bis hin zum Zusammenbruch dargestellt.
Das dritte Kapitel widmet sich der begrenzten Rationalität der
Marktteilnehmer, welche die Entwicklung spekulativer Blasen erst
ermöglicht. Zunächst werden hier einige Annahmen der modernen
Kapitalmarkttheorie mit ihrem Idealbild des Homo oeconomicus dargelegt
und auf ihre Praxistauglichkeit überprüft. Anschließend wird der
verhaltenswissenschaftlich fundierte Ansatz der Behavioral Finance
Theorie vorgestellt und einige Erkenntnisse aus dieser verhältnismäßig
jungen Disziplin präsentiert.
Kapitel 4 beschreibt das Prinzip der Asset Allocation, also allgemein der
Aufteilung (Allocation) des für die Investition zur Verfügung stehenden
Geldvermögens auf die zur Auswahl stehenden Anlagemöglichkeiten
(Assets). Neben der zugrunde liegenden Portfolio Selection nach Harry
M. Markowitz und dem Capital Asset Pricing Model werden die
verschiedenen Dimensionen der Asset Allocation beschrieben. So wird neben der Strategischen Asset Allocation und der Taktischen Asset
Allocation auch ...
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Spekulationsblasen
2.1 Hintergrund und Begriffsbestimmung
2.2 Charakteristische Entwicklung spekulativer Blasen
2.2.1 Entstehung spekulativer Blasen
2.2.2 Wachstum spekulativer Blasen
2.2.3 Zusammenbruch spekulativer Blasen
3 Die Behavioral Finance Theorie
3.1 Der Homo oeconomicus und die Grenzen der modernen Kapitalmarkttheorie
3.2 Ein neuer Forschungsansatz: Die Behavioral Finance
3.2.1 Begriffsbestimmung
3.2.2 Erkenntnisse der Behavioral Finance Theorie
3.2.2.1 Heuristiken
3.2.2.2 Kognitive Dissonanz
3.2.2.3 Kontrollbedürfnis
3.2.2.4 Die drei Typen von Marktteilnehmern
3.3 Die praktische Relevanz der Behavioral Finance
4 Asset Allocation
4.1 Grundlagen
4.1.1 Begriffsbestimmung
4.1.2 Portfolio Selection
4.1.3 Das Capital Asset Pricing Model
4.2 Die Dimensionen der Asset Allocation
4.2.1 Die Strategische Asset Allocation
4.2.2 Die Taktische Asset Allocation
4.2.3 Aktive und Passive Asset Allocation
5 Ansätze zur Berücksichtigung spekulativer Blasen in der Asset Allocation
5.1 Mängel der traditionellen Asset Allocation in Zeiten hochvolatiler Kurse
5.2 Risikoorientierte Ansätze zur Berücksichtigung spekulativer Blasen
5.2.1 Die Dynamische Asset Allocation
5.2.2 Die Multi Asset Allocation
5.2.3 Die Portfolio Insurance
5.2.3.1 Stop-Loss Strategien
5.2.3.2 Protective Put
5.2.3.3 Portfolio-Insurance mit Calls
5.2.3.4 Synthetischer Put
5.2.3.5 Constant-Mix-Strategie und „Constant Proportion“-Portfolio-Insurance
5.2.3.6 Kasse-Short-Put-Switch
6 Zusammenfassung und Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des S&P500 (1972-2012)
Abbildung 2: Entwicklung des Nikkei 225 (1972-2012)
Abbildung 3: Sicherheitseffekt und Verlustaversion in der Prospect Theory
Abbildung 4: Entscheidungsrichtungen der Portfoliobildung
Abbildung 5: Asset Allocation im Capital Asset Pricing Model
Abbildung 6: Portfoliostruktur der Universität von Yale
Abbildung 7: Wertverlaufsmuster eines Portfolios
Abbildung 8: Gewinn-Verlust-Profile konkreter Aktien, Futures und Optionen
Abbildung 9: Symmetrische und asymmetrische Renditeverteilung
Abbildung 10: Die Portfolio Insurance durch einen synthetischen Put
Abbildung 11: Die CCPI im Beispielfall
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht der Heuristiken
Tabelle 2: Übersicht über die verschiedenen Typen von Marktteilnehmern
Tabelle 3: Risikoprämien-Matrix
Tabelle 4: Delta in Abhängigkeit von Kursniveau und Restlaufzeit
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Ereignisse wie die Asienkrise 1997, das Platzen der New Economy Blase um die Jahrtausendwende und die Subprime- und Kreditkrise ab 2007 haben tiefe Spuren hinterlassen. Anleger erlitten in diesen Zeiten schwere Wertminderungen ihrer Portfolios bis hin zum Totalverlust ihres Vermögens.
Enttäuschung und Frustration über die scheinbare Hilflosigkeit der Investmentbranche machte sich breit und die Risikoaversion der Marktteilnehmer stieg zusehends an. Die vermeintlich zunehmende Häufigkeit spekulativer Booms mit anschließenden Kurseinbrüchen und das Versagen der Investmentbranche in solchen Krisenzeiten führte zu einer Desillusionierung hinsichtlich des Erfolgs der traditionellen Asset Allocation.
Im Zuge dieser Entwicklungen wurden viele von der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels im Portfolio Management überzeugt. Die mangelhafte Prognosefähigkeit der traditionellen Asset Allocation in solch hochvolatilen Zeiten begünstigte die Entwicklung moderner Verfahren, die diese riskanten Phasen besser berücksichtigen und umschiffen sollen.
In der vorliegenden Diplomarbeit werden neben langjährig erprobten Ansätzen auch neuere risikoorientierte Verfahren präsentiert, die der zunehmenden Dynamik der Kapitalmärkte Rechnung tragen.
Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird zunächst das Phänomen spekulativer Blasen näher beleuchtet. So werden die charakteristischen Entwicklungsphasen einer Spekulationsblase von der Auslösung über das Wachstum bis hin zum Zusammenbruch dargestellt.
Das dritte Kapitel widmet sich der begrenzten Rationalität der Marktteilnehmer, welche die Entwicklung spekulativer Blasen erst ermöglicht. Zunächst werden hier einige Annahmen der modernen Kapitalmarkttheorie mit ihrem Idealbild des Homo oeconomicus dargelegt und auf ihre Praxistauglichkeit überprüft. Anschließend wird der verhaltenswissenschaftlich fundierte Ansatz der Behavioral Finance Theorie vorgestellt und einige Erkenntnisse aus dieser verhältnismäßig jungen Disziplin präsentiert.
Kapitel 4 beschreibt das Prinzip der Asset Allocation, also allgemein der Aufteilung (Allocation) des für die Investition zur Verfügung stehenden Geldvermögens auf die zur Auswahl stehenden Anlagemöglichkeiten (Assets).[1] Neben der zugrunde liegenden Portfolio Selection nach Harry M. Markowitz und dem Capital Asset Pricing Model werden die verschiedenen Dimensionen der Asset Allocation beschrieben. So wird neben der Strategischen Asset Allocation und der Taktischen Asset Allocation auch die Aktive und die Passive Asset Allocation vorgestellt.
Auf Grundlage des vierten Kapitels werden im fünften Kapitel Ansätze präsentiert, die den gewachsenen Anforderungen an ein modernes und effizientes Portfolio Management gerecht werden. Die zunehmende Dynamisierung der Kapitalmärkte wird ebenso berücksichtigt wie die Rückbesinnung der Marktteilnehmer auf das Risiko als primär zu beachtende Zielgröße.
Die Dynamische Asset Allocation (5.2.1) wird als Investmentkonzept vorgestellt, welches der gestiegenen Risikoaversion der Anleger Rechnung trägt. Auch die Multi Asset Allocation (5.2.2) mit ihrem Fokus auf der Weiterentwicklung des Diversifikationsgedankens wird erläutert. Weiterhin findet das Prinzip der Portfolio Insurance (5.2.3) mit seinen vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten Beachtung. Eine Zusammen-fassung und ein Fazit runden die Diplomarbeit schließlich ab.
2 Spekulationsblasen
2.1 Hintergrund und Begriffsbestimmung
Spekulationsblasen bezeichnen ein in der Wirtschaftsgeschichte immer wieder zu beobachtendes Phänomen. Sie entstehen häufig dann, wenn die Faszination einer revolutionären Technologie oder eines neuen Geschäftsfelds märchenhafte Gewinne verspricht.[2] So erlebte die Niederlande mit der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert die erste relativ gut dokumentierte Spekulationsblase. Ein neues und fremdartiges Produkt, die Tulpenzwiebel, faszinierte damals viele Menschen. Als die Nachfrage das Angebot überstieg, wuchsen auch die Preise für Tulpenzwiebeln weiter an und das Gut wurde bald als Spekulationsobjekt auf Auktionen gehandelt. Ab 1630 wurden Optionsscheine auf Tulpenzwiebelanteile vertrieben, die Preise explodierten und der eigentliche Spekulationsboom nahm seinen Lauf. Ein jähes Ende nahm die Tulpenmanie schließlich 1637. Als es bei einer Versteigerung nicht genügend Kaufinteressenten gab, kippte die Stimmung und die Preise stürzten in den Keller. Viele Menschen verloren ihr gesamtes investiertes Vermögen.[3]
Auch das 20. Jahrhundert wartet mit einer Vielzahl spekulativer Blasen auf. Das prominenteste Beispiel dürfte der Börsencrash an den Aktienmärkten der Vereinigten Staaten in den späten 20er Jahren sein. Auch der Immobilien- und Aktienboom in Japan Ende der 80er Jahre oder das Platzen der New-Economy-Blase Ende des Jahrtausends stellen bekannte Spekulationsblasen mit weitreichenden Folgen dar.[4]
Um den Begriff der Spekulationsblase zu definieren, sollen zunächst die Begriffe Spekulation und Blase unabhängig voneinander betrachtet werden.
Der Begriff Spekulation bezeichnet die überwiegend kurzfristige und gewinnorientierte Ausnutzung erwarteter Preisänderungen. Bei fallenden Aktienkursen hegt der Spekulant beispielsweise die Hoffnung, dass die Kurse in naher Zukunft wieder steigen werden und er erwirbt Aktien für sein Portfolio.[5]
Mit dem Begriff Blase oder Bubble beschreiben Wirtschaftswissen-schaftler Abweichungen des Assetpreises von seinem Fundamentalwert[6] nach oben.[7] Die Bezeichnung Blase beschreibt zudem den lediglich temporären Charakter dieses Phänomens.
Die Abweichungen der Marktpreise von ihren Fundamentalwerten werden in erheblichem Maße von den Erwartungen der Marktteilnehmer beeinflusst. So erwerben Investoren die Aktien gewöhnlich mit der Hoffnung auf Teilhabe an künftigen Kursgewinnen. Je mehr Anleger diese Erwartung teilen, desto stärker steigen die Kurse. Die Erwartungen über künftige Kursentwicklungen haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Assetpreisbildung und dynamische, sich selbstverstärkende Prozesse werden initiiert (Feedback-Theorie).[8] (Kapitel 2.2.2)
Ein prägnantes Beispiel für die Entwicklung einer Spekulationsblase bietet die Betrachtung des S&P 500[9] in Abbildung 1. Nachdem die Entwicklung des Index in den 70er Jahren stagnierte, verzeichnete er in den 80er Jahren moderates Wachstum. Deutlich erkennbar ist der steile Kursanstieg in den 90er Jahren und der abrupte Kursverfall um die Jahrtausendwende. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise ab 2007 sind ebenfalls augenscheinlich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Entwicklung des S&P500 (1972-2012)[10]
2.2 Charakteristische Entwicklung spekulativer Blasen
2.2.1 Entstehung spekulativer Blasen
Spekulationsblasen geht häufig ein exogener Schock voraus, welchen Robert J. Shiller in seinem Werk „Irrational Exuberance“ mit dem Begriff „New Era Economic Thinking“ umschreibt. Solch exogene Ereignisse begünstigen die Entstehung spekulativer Blasen in erheblichem Maße.[11]
Bezeichnend für das „New Era Economic Thinking“ ist die zu diesen Zeiten weitverbreitete Annahme, dass sich die Zukunft positiver und weniger ungewiss darstellen wird, als dies in der Vergangenheit der Fall war.[12] Dieser Optimismus nährt sich aus bahnbrechenden Erfindungen, die technischen Fortschritt und steigende Gewinnchancen mit sich bringen und eine vermeintlich neue Ära einleiten.[13]
Das Auftreten des Internets Mitte der 90er Jahre wurde beispielsweise von vielen Beobachtern als ein fundamentales Ereignis interpretiert, das die Produktivität der Wirtschaft erhöhen werde. Zweifelsohne hat das Internet als Kommunikations- und Vertriebssystem die Produktivität gesteigert. Um allerdings festzustellen, ob diese Erfindung schnelleres wirtschaftliches Wachstum als in der Vergangenheit generiert, bedarf es eines Vergleichs mit ähnlich bahnbrechenden Erfindungen der Vergangenheit. Der Postdienst, die Eisenbahn, Telegraphen, das Automobil und das Flugzeug, das Radio oder auch moderne Autobahnen sind äquivalente Erfindungen, die zu ihrer Zeit einen beträchtlichen Effekt auf die Volkswirtschaft hatten.[14]
Es ist kaum nachweisbar, ob das Internet einen größeren Einfluss auf das Wachstum der Wirtschaft in den 90er Jahren hatte, als es diese Erfindungen auf die Wirtschaft zu ihrer Zeit hatten. Demnach gibt es auch keine Anhaltspunkte, die heutzutage schnelleres Wachstum als in der Vergangenheit vermuten lassen.[15]
Weiterhin geht die Entwicklung spekulativer Blasen auf ein Zusammen-spiel unterschiedlicher Ursachen zurück. Viele Faktoren befinden sich in Wechselwirkung zueinander, verstärken sich gegenseitig und lösen letztlich eine Spekulationsblase aus.[16]
Im Folgenden sollen beispielhaft einige exogene Faktoren erläutert werden, die für die Entstehung des Booms an den weltweiten Aktienmärkten Ende des 20. Jahrhunderts mitverantwortlich waren.
- Kapitalistische Expansion
Seit dem Ende des Kalten Krieges scheint eine Vielzahl von Staaten das westlich–kapitalistische Wirtschaftssystem nachzuahmen. So öffnete das einst kommunistische China mit seiner „Wirtschaftspolitik der offenen Tür“ bereits in den 70er Jahren sein Land für ausländische Investitionen. In Städten wie Shanghai, Guangzhou und Shenzhen entstanden Sonderwirtschaftszonen. Ausländische Investitionen stiegen sprunghaft an und der Außenhandel florierte.[17]
Auch der Zusammenbruch der UdSSR resultierte in der Gründung kleinerer und zunehmend marktorientierter Staaten. Rund um die Welt entwickelten sich Finanzmarktinstitutionen nach westlichem Vorbild.[18] Dieser Trend scheint bis heute fortzubestehen. Erst kürzlich brachte das streng-kommunistische Kuba wirtschaftspolitische Reformen auf den Weg.[19]
- Neuartige Informationstechnologien
Seit den frühen 80er Jahren ereigneten sich im Bereich der Informationstechnologien revolutionäre Fortschritte. So hat die Entwicklung des Mobiltelefons einen weitreichenden Einfluss auf den Alltag der Menschen. Der Stellenwert dieser Erfindung war von Anfang an unverkennbar und stellt als Symbol technischen Fortschritts einen Faktor dar, der das Vertrauen in die Technologie und in die Aktien-märkte bekräftigte.[20]
Auch das Aufkommen des Internets Mitte der 90er Jahre rückte den schnellen technischen Fortschritt weiter ins Bewusstsein der Menschen und war dabei noch anschaulicher greifbar als es beispielsweise die Erfindung des Fernsehers war. Beim Fernsehen blieb der Mensch passiver Empfänger von Informationen. Dahingegen ermöglicht das Internet dem Menschen die aktive Teilnahme, indem er die Welt auf elektronischem Wege durchstöbern kann oder Bankgeschäfte bequem vom heimischen Computer erledigt. Das anschauliche und erlebbare Wesen des Internets trug zur Überzeugung der Masse bei, dass es einen gewaltigen wirtschaftlichen Einfluss haben müsse.[21]
- Zunehmende Berichterstattung über die Finanzmärkte
Auch die Berichterstattung der Medien übt einen weitreichenden Einfluss auf das Marktgeschehen aus und ist integraler Bestandteil bei der Entstehung spekulativer Blasen. Denn bedeutende Marktgeschehnisse ereignen sich gewöhnlich dann, wenn innerhalb großer Gruppen von Menschen eine ähnliche Sichtweise vorherrscht. Die Medien in ihrer Funktion als Informationsintermediäre spielen eine essentielle Rolle bei der Verbreitung von Ideen. Aufgrund des starken Wettbewerbs untereinander sind sie stets darauf erpicht, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für sich zu gewinnen. Erfolgreiche Berichterstattung findet und kreiert interessante Nachrichten, fokussiert sich auf Themen die Gesprächspotential haben und produziert wenn möglich fortlaufende Geschichten. Das Börsengeschehen ist hierzu bestens geeignet und bietet den Medien exzellentes Material. Die Öffentlichkeit betrachtet die Börse als großes Kasino, als Markt für die Major Player und nicht zuletzt als Barometer für die Lage der Nation. Durch das tägliche Auf und Ab dient der Markt als fortlaufende Geschichte und ist prädestiniert für eine laufende Berichterstattung.[22]
Der erste auf Nachrichten spezialisierte Sender war Cable News Network (CNN) und startete sein Programm im Jahre 1980. Ereignisse wie der Golf-Krieg und der Simpson-Prozess 1995 schürten zunehmend die Nachfrage nach ununterbrochener Berichterstattung. Das Konsumverhalten der Menschen änderte sich im Laufe der Zeit, sodass Nachrichten anstatt abends nun über den Tag verteilt konsumiert werden.
Neue Nachrichtensender mit zum Teil finanzmarktspezifischem Fokus wurden gegründet und offerieren ununterbrochene Berichterstattung. Die Art der Berichterstattung wandelte sich hin zu Berichten, die mit Empfehlungen für mögliche Investitionen gespickt sind. Artikel über einzelne Unternehmen enthalten nun Einschätzungen über mögliche Investitionen und Gewinnchancen.
Die veränderte Berichterstattung führte letztlich zu steigender Nach-frage nach Wertpapieren. Ähnlich wie bei der Werbung für Konsumgüter, wurde das Publikum nun mit Finanzmarktprodukten vertraut gemacht, an ihre Kaufmöglichkeit erinnert und motiviert sie zu erwerben. Auch die Häufigkeit der Berichterstattung über die Finanzmärkte spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung des Booms. So nahm die Berichterstattung im Laufe der 90er Jahre zu und die Medien sind als wichtiger, den Aktienboom begünstigender Faktor anzusehen.[23]
- Optimistische Experteneinschätzungen
Im Jahr 1999 empfahl das Gros der Analysten Aktien zu kaufen oder zu halten. Dies steht in auffallendem Gegensatz zur Situation im Jahre 1989, als die Empfehlung zu verkaufen neunmal höher war. Die damalige Zurückhaltung der Analysten bei Verkaufsempfehlungen wird heute häufig damit begründet, dass sich die Analysten nicht den Unmut der betroffenen Unternehmen zuziehen wollten. Die Unternehmen hätten den Analysten Gespräche verweigern oder sie von Informations-veranstaltungen ausschließen können. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung war die Tatsache, dass viele Analysten bei Unternehmen beschäftigt waren, die diese Unternehmen versicherten. Zu Investmentbanken gehörige Analysten gaben signifikant bessere Beurteilungen über Unternehmen ab, für welche ihr Arbeitgeber der Versicherer war.[24]
- Wachstum von Kapitalanlagegesellschaften
Der Aktienboom geht einher mit einem auffälligen Wachstum der Kapitalanlagegesellschaften. So existierten im Jahre 1982 in den USA lediglich 340 Aktienfonds. Im Jahre 1998 lag deren Zahl bereits bei 3513. Auch die verstärkte Werbung für Fondsgesellschaften in Fernsehsendungen, Magazinen und Zeitungen trug ihren Teil zum rasanten Wachstum bei und weniger erfahrene Investoren wurden durch die Versprechung märchenhafter Gewinne angelockt.[25]
- Ausweitung des Handelsvolumens – Aufkommen von Discount Brokern, Day Tradern und 24-Stunden-Trading
Die Turnover rate [26] für an der New York Stock Exchange ([27])
- Zuversicht und Erwartungen der Investoren
Die Entstehung spekulativer Blasen wird weiterhin von den Einstellungen und Erwartungen der Investoren hinsichtlich künftiger Kursentwicklungen beeinflusst. Eine bemerkenswerte Auffälligkeit im Vergleich eines boomenden Markts zu einem schrumpfenden Markt ist hier die unterschiedliche Grundstimmung der Investoren. Das Vertrauen der Investoren in eine positive Entwicklung des Marktes scheint zu Zeiten eines beginnenden Booms unerschütterlich. So schien sich in den späten 90er Jahren die Ansicht unter Investoren durchgesetzt zu haben, Aktien seien die beste Möglichkeit ein Investment zu tätigen und könnten langfristig nur von Erfolg gekrönt sein. Auch im Jahre 1929 glaubten die Menschen zu weiten Teilen daran, dass der Markt sich bei Kursverlusten innerhalb weniger Jahre wieder erholen werde und man mit etwas Geduld zumindest wieder „bei Null“ stehen würde.[28] Es existiert allerdings eine Vielzahl von Märkten, die sich innerhalb der vergangenen Jahrzehnte mäßig entwickelt haben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Entwicklung des Nikkei 225 (1972-2012)[29]
Der japanische Nikkei225 Index erreicht bis heute nicht ansatzweise sein Allzeithoch aus dem Jahr 1989 und verdeutlicht das Risiko einer jahrzehntelang mäßigen Marktentwicklung. Zu Zeiten eines spekulativen Booms scheinen Negativbeispiele wie dieses jedoch nicht im öffentlichen Bewusstsein verankert zu sein.
Die Darstellungen zeigen, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren spekulative Blasen auslösen können. Betrachtet man die Komplexität und Vielfalt der Faktoren, die zudem häufig noch in Wechselwirkung zueinander stehen, wird schnell deutlich, dass seriöse wissenschaftliche Vorhersagen bezüglich künftiger Preisniveaus nur schwer realisierbar sind. Sicherlich wurden Fortschritte im Verständnis dieser Märkte gemacht doch die zunehmende Komplexität der Wirtschaft und des Weltgeschehens überwiegt weiterhin.[30]
2.2.2 Wachstum spekulativer Blasen
Exogene Schocks wie revolutionäre Erfindungen führen gewöhnlich zu positiveren Zukunftsaussichten. Durch den einhergehenden Optimismus der Marktteilnehmer nimmt die Nachfrage nach Gütern und Dienst-leistungen zu. Bei anhaltend hoher Nachfrage ist auch ein Preisanstieg dieser Güter und Dienstleistungen zu beobachten.
Im Zuge dieser optimistischen Grundstimmung steigt die Zahl der Investitionen und Unternehmensneugründungen. Ein Boom entsteht der anfangs noch durch Fundamentaldaten gerechtfertigt ist. Kredite werden vermehrt in Anspruch genommen und durch die Ausweitung der Kredittätigkeit wird der Boom weiter verstärkt. Die Kreditinstitute vergeben in dieser optimistischen und von Aufbruchstimmung geprägten Atmosphäre vermehrt risikoreiche Darlehen.[31]
Es entwickelt sich „positives Feedback“, da die zunehmenden Investitionen Wachstum generieren und dieses Wachstum wiederum die Zunahme weiterer Investitionen fördert. Der Boom wird von einem sich selbstverstärkenden Prozess begünstigt. Diesem Phanömen liegt die sogenannte Feedback-Theorie zugrunde.[32] Diese soll im Folgenden vorgestellt werden.
Die Feedback-Theorie (auch: Rückkopplungstheorie) besagt, dass anfängliche Preissteigerungen weitere Preissteigerungen verursachen. Zunächst lösen Ereignisse, wie eine bahnbrechende Erfindung den Kursanstieg eines oder mehrerer Assets aus. Dieser Kursanstieg lockt vermehrt Investoren an, die Nachfrage steigt und weitere Preisanstiege des Assets sind die Folge. Der initiale Preisanstieg wird demnach durch die gewachsene Nachfrage der Investoren in noch höhere Preisniveaus rückgekoppelt und das Wachstum der Spekulationsblase wird vorangetrieben. Dies resultiert in weiter wachsenden Preisen, denn der Kursanstieg verstärkt sich selbst.[33]
Veranschaulichen lässt sich dieses Phänomen mit einem einfachen Experiment: Wird ein Mikrophon in die Nähe eines Lautsprechers gehalten, so erklingt als Resultat ein unangenehm schwingendes Pfeifen. Das Geräusch wird zwischen Mikrophon und Lautsprecher in einer Art Dauerschleife rückgekoppelt. Feedbacks bei Spekulationsblasen funktionieren nach demselben Prinzip – freilich in einer vielfach langsameren Geschwindigkeit.[34]
Durch den Feedback–Mechanismus wird das anfangs relativ geringe Kurswachstum um ein Vielfaches vergrößert. Der Kurs steigt unter Umständen immer weiter an ohne dass sich der zugrunde liegende intrinsische Wert des Assets wesentlich geändert hat.
In der Literatur werden eine Reihe verschiedener Feedbacks unterschieden.[35]
- Preis-Preis-Feedback:
Durch Preisanstiege wächst die Zuversicht der Investoren und weitere Preissteigerungen werden begünstigt.
- Preis-BIP-Preis-Feedback:
Durch den steigenden Wert des Aktien- oder Immobilienmarkts nimmt auch der Wohlstand und Optimismus der Marktteilnehmer zu. Ausgaben und Konsum steigen, was sich im Bau neuer Häuser, Fabriken und Anlagen äußert. Letztlich steigt hierdurch das Bruttoinlandsprodukt, die Menschen werden motiviert weiter in die Märkte zu investieren und die Preise steigen weiter.
- Preis-Unternehmensgewinn-Preis-Feedback:
Steigen die Preise an den Aktienmärkten, so konsumieren die Menschen mehr und die Gewinne der Unternehmen steigen. Als Signal einer vielversprechenden Marktentwicklung fördert dies wiederum den Boom an den Aktienmärkten und die Preise steigen weiter.
Diese „Self-Fulfilling Prophecy“[36] zeigt, dass die Kurse immer mehr durch Erwartungen getrieben werden. Spekulationen über künftige Preissteigerungen führen zu weiteren Preissteigerungen. Die Preise entfernen sich demnach weiter von ihren Fundamentalwerten und die Blase wächst vorwiegend auf irrationaler Basis. Der Boom nährt sich fortan praktisch selbst.[37] Züge einer Massenbewegung werden deutlich (soziale Ansteckung der Gesellschaft durch das Boom-Denken)[38] und der realwirtschaftliche Bezug nimmt zunehmend ab.
Der US-Ökonom Nouriel Roubini bemerkte einst:
„Wenn man inmitten der Blase ist, dann finden die Menschen immer Wege, um die überhöhten Preise zu rechtfertigen.“[39]
Der feste Glaube an den Fortbestand der Hausse sowie immer zuversichtlichere Erwartungen an ein stetiges Gewinnwachstum veranlassen die Investoren, immer risikoreichere Geschäfte zu tätigen. Die zuversichtliche Grundstimmung steigt weiter und kann selbsterfüllend werden bis sie sich zu einer regelrechten Manie entwickelt.[40]
Grundsätzlich scheint sich die Entwicklung spekulativer Blasen in zwei Phasen zu vollziehen.
In der ersten, nüchternen Phase reagieren die Marktteilnehmer auf einen exogenen Schock, wie beispielsweise eine bahnbrechende Erfindung. Die Reaktion hierauf erfolgt in begrenztem Ausmaß, ist als rational anzusehen und noch von den Fundamentaldaten gestützt.
In der zweiten Phase spielt die Erwartung von spekulativen Gewinnen eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Güter werden nun vorrangig als Spekulationsobjekt gekauft und nicht in der Absicht, sie tatsächlich zu nutzen.[41]
Der Eisenbahn-Boom im Großbritannien der 1830er Jahre bestand beispielsweise aus zwei Phasen. Die auf Fundamentaldaten beruhende Phase vor 1835 wich einer zweiten, sehr spekulativen Phase ab 1835. In der ersten Phase wurden Aktien durch Promoter an die örtlichen Handelskammern, Geschäftsleute und Industrielle verkauft – stets Menschen vom Fach, die sich vom Bau der Eisenbahn solide Gewinne versprachen. In der zweiten Phase dagegen drängten weniger seriöse Promoter auf den Markt, die an schnellen Gewinnen interessiert waren und als Zielgruppe auch weniger erfahrene Menschen ins Visier fassten.[42]
Die Unterteilung des Wachstums spekulativer Blasen in zwei Phasen lässt auf zwei unterschiedliche Charaktere der Marktteilnehmer schließen. Es existieren demnach Insider und Outsider.
Insider destabilisieren den Markt, indem sie den Preis weiter und weiter nach oben treiben um schließlich nahe dem Höhepunkt des Booms an die Outsider zu verkaufen. Die Outsider oder Trittbrettfahrer sind meist die Verlierer des Booms. Sie kaufen gewöhnlich zu überhöhten Preisen und verkaufen nahe des Kursminimums. Die Verluste der Outsider stellen folglich die Gewinne der Insider dar. Nach erlittenen Verlusten geben sich die Outsider häufig ihrer gewöhnlichen Tätigkeit hin, sparen und investieren beim nächsten aufkommenden Boom.[43]
Dieses Phänomen wird in der Literatur häufig auch als Hausfrauenbörse bezeichnet – eine Situation, bei der in allgemeiner Haussestimmung breite Bevölkerungsschichten beginnen, Aktien zu kaufen und zu spekulieren.[44]
2.2.3 Zusammenbruch spekulativer Blasen
In der letzten Phase des Spekulationsbooms werden Anleger und Kreditgeber zunehmend nervös. Insider beginnen ihre Gewinne zu realisieren und die Anlegererwartungen werden instabiler.
Die Unternehmen realisieren, dass sie ihre Verbindlichkeiten möglicherweise nicht bedienen können und die Tendenz zu kurzfristigen Finanzierungen steigt. Kreditinstitute erhöhen nun die Kreditzinsen. Folglich verteuert sich die Inanspruchnahme von Krediten, die Nachfrage sinkt und Liquidität zur Befeuerung des Booms fehlt zunehmend. Assets werden vermehrt in Liquidität umgesetzt.[45]
Das mittlerweile ausgesprochen instabile System bricht nun in sich zusammen. Die anfangs noch so positiven Erwartungen kehren sich um in Misstrauen und Sorge um das eigene Vermögen. Die Marktakteure veräußern ihre Wertpapiere zunehmend und der Kursverfall setzt ein. Dieser Kursverfall unterliegt nach der Feedback-Theorie einem sich selbst verstärkenden Prozess. Denn die Kursverluste alarmieren nun weitere Anleger und eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale wird ausgelöst. Panik am Markt macht sich breit.[46]
Durch den Abverkauf der Vermögensgüter verlieren diese weiter an Wert wodurch andere Kredite nicht mehr ausreichend gesichert sind und fällig gestellt werden. Zunehmender Verkaufsdruck in anderen Markt-segmenten ist die Folge.
Die Marktteilnehmer ziehen sich nun weitestgehend aus dem Markt zurück und die Börsenkurse rutschen weiter ab. Die allgemeine Panik führt zu einem Zusammenbruch der Konjunktur. Die Stimmung der Wirtschaft trübt ein und eine Rezession ist die Folge.[47]
3 Die Behavioral Finance Theorie
3.1 Der Homo oeconomicus und die Grenzen der modernen Kapitalmarkttheorie
Die neoklassische Theorie basiert auf der Grundannahme, dass Menschen rational denken und handeln. Ein Blick in die Wirtschafts-geschichte zeigt jedoch, dass Spekulationsblasen und Manien ein immer wiederkehrendes Phänomen sind. So reichen die Beobachtungen von der Tulpenmanie im 16. Jahrhundert über das Eisenbahnfieber in den USA zwischen 1830 und 1840 bis hin zu diversen Blasen an den Aktien- und Immobilienmärkten des 20. Jahrhunderts.[48]
Wäre das Handeln der Wirtschaftssubjekte gänzlich rational, gäbe es keinerlei Blasenbildungen oder Ungleichgewichte.[49] Die Beobachtungen des tatsächlichen Wirtschaftsgeschehens stehen dem jedoch entgegen und sind folglich mit der neoklassischen Theorie nicht vereinbar. In Anbetracht wiederkehrender Spekulationsblasen stellt sich die Frage, ob die theoretischen Grundlagen der Finanzwissenschaft, die zu großen Teilen auf der modernen Kapitalmarkttheorie basieren, die Realität fehlerfrei wiederspiegeln.[50]
Einen integralen Bestandteil der modernen Kapitalmarkttheorie bildet die Markteffizienzhypothese. Diese beschreibt die Kapitalmärkte als weitestgehend effizient, was im Widerspruch zu den Beobachtungen während eines spekulativen Booms steht. Die Markteffizienzhypothese und somit auch die moderne Kapitalmarkttheorie gehen bei den Marktteilnehmern vom Verhalten des Homo oeconomicus aus, der im Folgenden näher dargestellt werden soll.[51]
Der Homo oeconomicus beschreibt das Modell eines fiktiven Akteurs, der ausschließlich rational und wirtschaftlich denkt. Er agiert stets nutzenmaximierend und verfügt über vollständige Informationen. Das Modell des Homo oeconomicus ist nicht bestrebt, das individuelle Verhalten jedes einzelnen Wirtschaftssubjekts darzulegen. Vielmehr soll das Modell treffende Aussagen über gewöhnliches menschliches Verhalten in ökonomischen Situationen ermöglichen, um aggregierte Größen, wie den Konsum prognostizieren zu können.[52]
Dem Modell des Homo oeconomicus liegen folgende Annahmen zugrunde:
- Eigeninteresse:
Bereits Adam Smith erwähnte in seinem 1776 erschienenen Buch „Der Wohlstand der Nationen“, dass das Eigeninteresse wesentlich zum gesellschaftlichen Wohlstand beitrage. So bemerkte er:
„It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest.”[53]
Die Verfolgung der eigenen Interessen und Präferenzen sind daher eine markante Eigenschaft des Homo oeconomicus.[54]
- Rationales Handeln:
Der Homo oeconomicus handelt stets rational und befolgt das Ökonomische Prinzip. Er ist bestrebt, vorgegebene Ziele mit minimalen Mitteln zu erreichen (Minimalprinzip) oder mit gegebenen Mitteln den größtmöglichen Nutzen zu erzielen (Maximalprinzip).[55]
- Nutzenmaximierung:
Die Maximierung des Nutzens stellt das oberste Ziel des Homo oeconomicus dar. Welche konkreten Handlungen den Nutzen im Einzelfall maximieren, ist abhängig von der individuellen Zielfunktion, also den individuellen Präferenzen des Akteurs. Der fiktive Akteur verhält sich also rational, wenn er seine persönliche Nutzenfunktion maximiert.[56]
- Reaktion auf Restriktionen:
Aufkommende Restriktionen erwidert der Homo oeconomicus mit systematischem Handeln. Steigt bei einem aus zwei Gütern bestehenden Güterbündel der Preis des einen Gutes, so wird der Homo oeconomicus vermehrt auf das andere Produkt zurückgreifen.[57]
- Feststehende Präferenzen:
Die Präferenzen des Homo oeconomicus sind im Modell stabil; die Nutzenfunktion gilt folglich als unveränderlich.[58]
- Vollständige Information:
Der Homo oeconomicus ist über die bestehenden Handlungs-alternativen jederzeit vollständig informiert und kann die Folgen seines Handelns mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet genau abschätzen. Unsicherheiten und Informationskosten existieren dementsprechend nicht. Lediglich gegenüber der Zukunft herrscht Ungewissheit.[59]
In psychologischen Experimenten wurden die Modellannahmen des Homo oeconomicus mit dem tatsächlichen menschlichen Verhalten verglichen. Das Resultat waren bemerkenswerte Erkenntnisse hinsichtlich menschlicher Denk- und Entscheidungsprozesse. Hieraus ist unter anderem die Prospect Theory (auch: Neue Erwartungstheorie) entstanden, welche die Entscheidungsfindung in Situationen der Unsicherheit beschreibt.[60]
Elementarer Bestandteil der Prospect Theory ist etwa die Erkenntnis, dass Verluste meist stärker gewichtet werden als Gewinne. Ein Verlust wiegt im subjektiven Empfinden der meisten Menschen etwa doppelt so viel wie ein Gewinn in gleicher Höhe. Menschen haben folglich Angst vor Verlusten, verhalten sich daher eher risikoscheu und versuchen Verluste zu vermeiden. In verschiedenen Experimenten zeigte sich, dass die Teilnehmer systematisch die sichereren Optionen gegenüber den unsichereren bevorzugten, selbst wenn damit ein niedrigerer Erwartungswert verbunden war. Diese Verhaltensweise wird in der Fachsprache auch als „loss-aversion“ bezeichnet.[61]
Diese Verhaltensweise hat wiederum zur Konsequenz, dass es bei der Entscheidungsfindung von hoher Relevanz ist, ob die Alternativen als Gewinn oder Verlust umschrieben werden (Framing) Das tatsächliche Ergebnis der Entscheidung rückt dabei oftmals in den Hintergrund.[62]
Beispielsweise wurden im Zuge einer Studie zwei Vergleichsgruppen gebildet. Der ersten Gruppe wurde das Angebot unterbreitet, USD 4.000 mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% zu erlangen oder eine Summe in Höhe von USD 3.000 mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% zu erhalten.
[...]
[1] Vgl. Rudolph, B. (2003), S. 4
[2] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 106 ff.
[3] Vgl. Frey, E. (2009), S. 97 f.
[4] Vgl. Kindleberger, C. / Aliber, R. (2005), S. 25 f.
[5] Vgl. Büschgen, H. (2012), S. 945
[6] Der Fundamentalwert beschreibt die realwirtschaftliche Komponente des Preises wie z.B. reale Gewinnerwartungen eines Unternehmens
[7] Vgl. Büschgen, H. (2012), S. 945 f.
[8] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 62-74
[9] Ein weitbeachteter Aktienindex, der die 500 größten, börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst.
[10] Thomson Reuters Datastream (2012)
[11] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 106-132
[12] Vgl. ebd., S. 106
[13] Vgl. Kindleberger, C. / Aliber, R. (2005), S. 25 f.
[14] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 106 f.
[15] Vgl. ebd., S. 107
[16] Vgl. ebd., S. 32
[17] Vgl. Malkiel, B. / Taylor P. (2008), S. 27 ff., Shiller, R. (2005), S. 33
[18] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 33
[19] Vgl. Reuters (2012)
[20] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 37 f.
[21] Vgl. ebd., S. 38 ff.
[22] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 85 f.
[23] Vgl. ebd., S. 43 f.
[24] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 44 ff.
[25] Vgl. ebd., S. 49 f.
[26] Die turnover rate bezeichnet die totale Anzahl verkaufter Aktien pro Jahr dividiert durch die Gesamtzahl der Aktien, vgl. Büschgen, H. (2012), S. 1025
[27] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 52 f.
[28] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 59-66
[29] Thomson Reuters Datastream (2012)
[30] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 55
[31] Vgl. Kindleberger, C. P. / Aliber, R. (2005), S. 25
[32] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 68-75
[33] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 68 f.
[34] Vgl. ebd., S. 69
[35] Vgl. ebd., S. 69 f.
[36] Vgl. Azariadis, C. (1981), S. 380 ff.
[37] Vgl. Frey, E. (2009), S. 67 f.
[38] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 157-173
[39] Vgl. Minsky, H. (1992), S.1-8
[40] Vgl. Kindleberger, C. P. / Aliber, R. (2005), S. 25 ff.
[41] Vgl. ebd., S. 44
[42] Vgl. Kindleberger, C. / Aliber, R. (2005), S. 44 f.
[43] Vgl. ebd., S. 45 f.
[44] Vgl. Büschgen, H. (2012), S. 497
[45] Vgl. Kindleberger, C. / Aliber, R. (2005), S. 25 ff.
[46] Vgl. Shiller, R. (2005), S. 71
[47] Vgl. Frey, E. (2009), S. 71
[48] Vgl. Kindleberger, C. / Aliber, R. (2005), S. 38
[49] Vgl. Schneider, S. (2010), S. 2
[50] Vgl. Bergold, U. (2005), S. 11 f.
[51] Vgl. ebd., S. 12
[52] Vgl. Kirchgässner, G. (2008), S. 12 ff.
[53] Vgl. Smith, A. (1776), S. 6
[54] Vgl. Schneider, S. (2010), S. 3 f.
[55] Vgl. ebd., S. 4
[56] Vgl. ebd., S. 4
[57] Vgl. ebd., S. 5
[58] Vgl. Schneider, S. (2010), S. 5 f.
[59] Vgl. ebd., S. 6
[60] Vgl. Kahneman, D. (1979), S. 1 ff.
[61] Vgl. ebd., S. 263.
[62] Vgl. Kahneman (1991), S. 199 ff.
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- Michael Ledvinka (Autor:in), 2012, Spekulationsblasen und ihre Berücksichtigung in der Asset Allocation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211287