Das die französische Sprache in Tunesien einen Sonderstatus besitzt, macht sich besonders im Bereich des Bildungswesens bemerkbar: Französisch ist ein Hauptfach im tunesischen Schulwesen. Derzeit beinhaltet ab dem 3. Grundschuljahr eine Schulwoche 8 Stunden Französischunterricht. Zudem finden in den Oberstufen alle naturwissenschaftlichen Fächer ausschließlich in französischer Sprache statt. Es muss davon ausgegangen werden, dass alle Tunesier die eine Grundschule besuchten (offiziell 98,6% der Bevölkerung) Französisch gelernt haben. Caroline Veltcheff2, die in der französischen Botschaft in Tunis tätig ist, stellte fest, dass 40% der Bevölkerung tatsächlich als Frankophon bezeichnet werden können.
Inhalt
1. Einleitung
2. Einführung in die Thematik
2.1. Der /r/ Laut im heutigen Französisch
2.2. Der /r/ Laut im heutigen Tunesisch
2.3. Konsequenzen für die /r/Realisierung tunesischer Sprecher im Französischen
3. Durchführung einer Sprecheranalyse
3.1. Der Korpus
3.2. Auswertung des Sprachmaterials..
3.3. Analyse der abweichenden Realisierungsvarianten
3.3.1. Die Realisierung von [r]
3.3.2. Die Realisierung von [ɾ]
3.3.3. Die Realisierung von [X]
3.4. Schlussfolgerungen
4. Fazit
5. Bibliographp>6. Anhang: Transkription der Interviews.
Interview mit Sprecher 1
Interview mit Sprecher 2
1. Einleitung
Le français fait partie intégrante de notre histoire et possède de ce fait le statut de langue vivante étrangère privilégiée.1
Das die französische Sprache in Tunesien einen Sonderstatus besitzt, macht sich besonders im Bereich des Bildungswesens bemerkbar: Französisch ist ein Hauptfach im tunesischen Schulwesen. Derzeit beinhaltet ab dem 3. Grundschuljahr eine Schulwoche 8 Stunden Französischunterricht. Zudem finden in den Oberstufen alle naturwissenschaftlichen Fächer ausschließlich in französischer Sprache statt. Es muss davon ausgegangen werden, dass alle Tunesier die eine Grundschule besuchten (offiziell 98,6% der Bevölkerung) Französisch gelernt haben. Caroline Veltcheff2, die in der französischen Botschaft in Tunis tätig ist, stellte fest, dass 40% der Bevölkerung tatsächlich als Frankophon bezeichnet werden können. Die sprachliche Situation in Tunesien ist demnach ein Beispiel für eine Diglossie im Sinne Charles Fergusons (1959):
Diglossia is a relatively stable language situation in which, in addition to the primary dialects of the language (which may include a standard or regional standards), there is a very divergent, highly codified (often grammatically more complex) superposed variety, the vehicle of a large and respected body of written literature, either of an earlier period or in another speech community, which is learned largely by formal education and is used for most written and formal spoken purposes but is not used by any sector of the community for ordinary conversation.3
Dennoch weißt das Französisch tunesischer (bilingualer) Sprecher bestimmte Abweichungen vom Standardfranzösisch auf. Die Realisierung atypischer /r/ Laute ist eines der Hauptmerkmale dieses „accent arabe“. Es stellt sich nun die Frage, ob es sich um die fehlerhafte Aussprache einer gelernten Fremdsprache handelt oder ob man von einer, durch Interferenzen mit dem Tunesischen4 entstandenen, diatopischen Varietät des Französischen sprechen kann.
Die vorliegende Arbeit, beschäftigt sich mit den Realisierungsvarianten des Lautes /r/ im Französisch tunesischer Sprecher. Die folgende phonologische Untersuchung zu /r/ Realisierungen hat das Ziel herauszufinden, ob diese typologisierbar sein könnten. Im folgenden Kapitel soll zunächst ein Überblick über das thematische Feld gegeben werden, innerhalb dessen sich die Arbeit bewegt. Dies besteht zum größten Teil aus einer Merkmalsbeschreibung von /r/ im Französischen und im Tunesischen. Zudem werden die wichtigsten im Zusammenhang mit der /r/ Realisierung stehenden Begriffe erläutert. Des Weiteren werden einige Artikel zur linguistischen Frankophonie-Forschung im Maghreb angeführt. Das dritte Kapitel schildert den praktischen Teil dieser Arbeit. Dazu gehört die Erstellungsbedingungen des Korpus, sowie die Auswertung der Daten. Die Ergebnisse der Auswertung werden anhand von Tabellen dokumentiert und anschließend unter Bezugnahme des vorhergegangenen interpretiert. Das letzte Kapitel dieser Arbeit enthält schließlich eine kurze Zusammenfassung und einen abschließenden Ausblick auf weitere Forschungen zu diesem Thema.
2. Einführung in die Thematik
Diese Arbeit beschreibt die Aussprache von /r/ Lauten tunesischer Sprecher im Französischen, um diese zu klassifizieren und mögliche Interferenzerscheinungen aufzuzeigen. Dazu werden in diesem Kapitel zuerst die grundlegenden Merkmale des Konsonanten /r/ im heutigen Standardfranzösisch und im Tunesischen beschrieben. Da es im Rahmen einer linguistischen Analyse angemessen erscheint von einer national einheitlichen Aussprache auszugehen, beschränken sich die Beobachtungen bewusst nur auf die Hauptmerkmale des in Tunesien gängigen Dialekts des Arabischen - dem Tunesischen.
Anschließend soll anhand des Vergleichs der /r/ Eigenschaften in beiden Sprachen Konsequenzen für die /r/ Realisierung im Französisch tunesischer Sprecher benannt werden. Dazu werden einige Artikel aus der zugehörigen Forschungsliteratur herangezogen und mögliche Erklärungsansätze diskutiert.
Soziolinguistik Nordafrikas. In: Special Issue: Multilingualism and language policies in Africa. Sonderausgabe: Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik in Afrika. SPIL PLUS 38, S. 42-59.5
2.1. Der /r/ Laut im heutigen Französisch
Eine Merkmalsbeschreibung eines Konsonanten (hier /r/) erhält man, indem man zum einen seine phonetischen Eigenschaften und zum anderen seine phonologischen Merkmale beschreibt. Es handelt dabei um einen Vibranten, welcher durch kurzfristige „intermittierrende Verschlussbildungen des elastisch schwingenden Artikulatoren“6 entsteht. Das /r/ kennt im Französischen verschiedene Hauptrealisierungsvarianten: [ʁ] [χ] und [r]7. Phonologisch ließen sich die Merkmale dieser Varianten von /r/ in folgender Tabelle zusammenfassen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Phonologische Merkmale des französischen /r/
Phonetische Unterschiede in den /r/ Realisierung lassen sich beim Merkmal „hinten“ feststellen. Während bei [ʁ] und [χ] die Zunge hinten angehoben ist, bleibt sie bei der [r] Realisierung gesenkt. Zudem unterscheidet sich [r] dadurch, dass er koronal ist und mit dem vorderen Teil der Zunge gebildet wird. Phonetisch sind der Artikulationsort und die Artikulationsart von Bedeutung. Das stimmhaft gerollte apiko-alveolares [r] kann als ein nicht lateraler, liquider Sonorant, bei dem die Zungenspitze gegen die Alveolen vibriert, beschrieben werden. Beim stimmhaften uvularen Vibrantfrikatif [ʁ] wird beim Artikulieren ein Friktionsgeräusch realisiert, während der uvulare Obstruent [χ] stimmlos bleibt.
Anhand des Kommutationsverfahrens kann bestätigt werden, dass es sich bei den vorher beschriebenen Varianten im heutigen Französisch lediglich um verschiedene Realisierungen eines einzigen Phonems, des Archiphonem /R/, handelt. Zum Beispiel <très> kann [tʁɛ] oder [trɛ], <porte> [pɔrte] oder [pɔʁte] oder [pɔχte])8 ausgesprochen werden ohne einen Bedeutungsunterschied zu implizieren.
Diese /r/ Realisierungen werden als Allophone bezeichnet, da die unterschiedlichen Aussprachen in keinem Fall ein Minimalpaar bilden, d.h. sie stehen nie in distinktiver Opposition. Die verschiedenen /r/ Realisierungen im Französischen können unabhängig von der Position miteinander vertauscht werden, da die lautlichen Umgebungen in denen das /r/ ausgesprochen wird, keine Restriktionen aufweisen. Es handelt sich bei allen Realisierungen von /r/ um freie oder fakultative Varianten des Phonems.
Die verbreitteste Realisierung von /r/ ist im heutigen französisch das [ʁ] welche als Standartlautung gilt.9 Diese stimmhafte Realisierung [ʁ] kann in der Tat in bestimmten stimmlosen Umgebungen als stimmloser uvularer frikativ realisiert werden und „entstimmt“ [χ] ausgesprochen werden. Schwarze und Lahiri führen an, dass die stimmlose Variante [χ] tendenziell dann realisiert wird, wenn /r/ vor einem stimmlosen Konsonanten steht (z.B. <article> [aχtikl]) oder zuweilen auch im Auslaut, d.h. am Ende einer rhythmischen Gruppe (Bsp. <lourd> [luχ]). In „allen anderen Umgebungen wird die stimmhafte Variante ([ʁ] […]) realisiert“10.
Verschiedene Varietäten können jedoch Aussprachemerkmale aufweisen, die von der Standardsprache abweichen. Sie unterscheiden sich insofern von einer ʁ „fehlerhaften“ Realisierung, dass diese Variation von einem Sprecher (oder einer Sprechergruppe) systematisch benutzt wird. Aussprache ist in diesem Falle ein Indiz zur Herkunft und Sozialisation des Sprechers, es handelt sich hierbei dann um diatopische oder diastratische Variationen.
2.2. Der /r/ Laut im heutigen Tunesisch
Auch im Tunesischen gibt es verschiedene phonetische Realisierungen von /r/: [χ], [ʁ], [r]. Anders als im Französischen sind die verschieden Artikulationsmodi distinktiv: es lassen sich Bedeutungsunterschieden Minimalpaare bilden. Es handelt sich demnach um unterschiedliche Phoneme, welche auch verschieden lexikalischen Repräsentationen zugeordnet werden.
- <ύ> [ʁ] und <Υ> [χ]
Sind die stimmhafte und die stimmlose Variante des uvularen Frikativs handelt, sind beide im Tunesischen vertreten. Das [χ] wird vor oder nach einem Sonoranten tendenziell zu [g] wird, während das eher pharyngal ausgesprochene [h] zu [χ] werden kann. einer Dies hat jedoch nur eine phonetische Relevanz. Anders lässt sich das Minimalpaar: <΄γήϟ>[arsel] schicken, <ϞδϏ> [aʁsel] waschen bilden.
- <έ> [r]
Es ist der am häufigsten vorkommende Konsonant (24%)11. Je nach vokalischem Kontext existiert zudem die emphatisierte, geminisierte Variante [rˤ]12 Die im Französischen lautsprachlich verschwundene da nicht mehr phonologisch relevante Unterscheidung zwischen <r> und <rr>13, ist besonders in maghrebinischen Dialekten des Arabisch, so auch im Tunesischen wichtig. Schriftlich wird es meistens durch das diakritische Zeichen Shadda über den [r] angezeigt: <έ>. Bei der Aussprache wird der Konsonant verlängert bzw. kurz darauf verharrt. Es lassen sich viele Minimalpaare bilden, z.B.: Er hat studiert <αέΩ > [darasa] und Er hat gelehrt [darˤasa] <αέΩ > oder Er hat gedreht <έΩ > [dâr] und Haus <έΩ> [dârˤ] oder Er ist abgekühlt < ΩήΑ >[brad] und Er hat geschleift < ΩήΑ.> [brˤad].
Auf prosodischer Ebene sei angemerkt, dass wie oben angeführt die Konsonantenlänge im Tunesischen kontrastiv ist, wobei Betonungen bestimmten prosodischen Regularitäten folgen: man spricht von einem gebundenen Akzent. Im Französischen hingegen besteht das Akzentsystem aus einem gebundenen Phrasenakzent. Die Silbe dient im Tunesischen hingegen als Anker für den Akzent. Es kommt in der Silbe zu Akzentuierungen des Konsonanten, wenn dieser von einem kurzen Vokal und einem Konsonanten gefolgt sind. Der letzte Konsonant im Wort wird betont ausgesprochen, wenn darauf ein langer Vokal folgt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2 Vokalsystem des Tunesischen
„L'accent de mot, pour tout parler arabe, porte sur l'avant-dernier pied. “14 Dies ist insofern von Bedeutung, dass es zu Velarisierungen von [χ] zu [X], bzw. zu einer nicht markierten Emphatiesierung des [r] kommen kann.
2.3. Konsequenzen für die /r/Realisierung tunesischer Sprecher im Französischen
Der Vergleich zwischen den verschiedenen Phonetischen Realisierung von /r/ im Tunesischen und Französischen zeigt, dass es keine Schwierigkeiten in der Aussprach der Standardvariante des französischen /r/ , also das frikativ Phonem [ʁ], für den tunesischen Sprecher geben dürfte. Dennoch sind Abweichungen festzustellen und eine der Charakteristika des arabischen Akzents das gerollte [r]. Auch Jean-Louis Maume15 bemerkt:
En fait ce [r] existe en arabe : c'est le « gayn » [g][sic], mais les arabophones le font rarement passer en français. On peut donner plusieurs raisons à ce roulement systématique de tous les [r] du français (parfois même emphatisés).
[...]
1 Zitiert nach Veltchefft, C.: Le français en Tunisie : une langue vivante ou une langue morte ?. In: Le fran ç ais aujourd'hui 3/2006 (n° 154), S. 83.
2 Ebd.
3 Ferguson, Charles (1959). Diglossia. In: Word 15, S. 32.
4 Auf die Problematik zum Verhältnis des Tunesischen zum Arabischen kann im Folgenden deshalb nicht näher eingegangen werden, eingeworfen sei jedoch die Anmerkung von Wolff: „Die als sog. „vulgärarabische Dialekte“ bezeichneten Volkssprachen der alltäglichen Kommunikation, die von den Sprechern inzwischen terminologisch quasi nationalisiert wurden und als Ä gyptisch, Algerisch, Marokkanisch, Tunesisch etc. bezeichnet werden, kommen im normalen akademischen Betrieb kaum vor und werden von der traditionellen Arabistik marginalisiert wenn nicht gar stigmatisiert.“ Wolff, E.: Elemente einer
5 Zur geschichtlichen Veränderung vgl. u.a. Martinet, A.: " R ", du latin au français d'aujourd'hui. In: Le français sans fard, Paris, P.U.F., 1969, S. 132-143.
6 Meisenburg, & Selig: Phonetik und Phonologie des Französischen. Stuttgart: Klett 1998 (UNI-Wissen). S.57.
7 N.B. Es existierte ein dorsales oder pharyngales [R] (vulgärsprachlich als „r d´Edith Piaf“ bezeichnet) in dem die Uvula gegen die Hinterzunge vibriert. Dieses ist im heutigen Französisch jedoch kaum noch vertreten und wird deshalb im Folgenden nicht mehr berücksichtigt. Angeführt sei noch Fouchés Beschreibung seiner Realisierung: „Le dos de la langue se soulève, plus que pour r uvulaire, et l´extrémité antérieur de la luette s´applique contre la partie postdorsale, d´où l´impossibilité pour elle de vibrer. » Fouché, P. : Introduction. In : Phonétique historique du francais. Tome 1, 1957, S.83.
8 Aussprache Beispiele auf der Seite vom Laboratoire de Phonétique Expérimentale de l'Université de Turin, unter http://www.lfsag.unito.it/ipa/index_fr.html einzusehen.
9 Vanneste, Alex : Le fran ç ais du XXIe si è cle : introduction à la francophonie, é l é ments de phon é tique, de phonologie et de morphologie. Garant, 2005, S.203.
10 Schwarze, C. & Lahiri, A. : Einführung in die französische Phonologie. In: Fachgruppe Sprachwissenschaft Universität Konstanz, Arbeitspapier Nr. 88, 1998, S. 4.
11 Wehr, Hans: Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Cowan (Hrsg.), New York: Spoken Language Services, 1971.
12 Vgl. Morsly Dalila: Diversit é phonologique du fran ç ais parl é en Alg é rie : r é alisation de /r/. In: Langue française. N°60, 1983. S. 65-72.
« L'arabe classique connaît deux réalisations pour ce /r/ : l'une normale, l'autre forte, géminée (/tafxlm/ et /tarqïq/ selon la terminologie des grammairiens arabes). »
13 Vgl. Martinet, A. :" R ", du latin au fran ç ais d'aujourd'hui. In: Le français sans fard, Paris, P.U.F., 1969, S. 132-143.
14 Angoujard, Jean-Pierre: Les hi é rarchies prosodiques en arabe. In: Revue québécoise de linguistique, vol. 16, n° 1, 1986, p. 11-37.
15 Maume J.-L. : L'apprentissage du fran ç ais chez les Arabophones maghr é bins (diglossie et plurilinguisme en Tunisie). In: Langue française. N°19, 1973. S. 100.
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