Natur- und Landschaftsbeschreibungen in literarischen Werken werden von der Literaturwissenschaft nicht immer mit großer Achtung bemessen. Dass aber die Darstellung von Landschaft und Natur mehr erfüllt, als einen dekorativen Zweck, zeigt sich vor allem in Werken, in denen die literarische Visualisierung eine besondere Stellung im Werk einnimmt. Die beiden Romanwerke, die in dieser Arbeit behandelt werden, eignen sich besonders gut für die Betrachtung von literarischer Visualiät. Sowohl Johann Wolfgang von Goethes „Leiden des jungen Werther“, als auch Guy de Maupassants „Une Vie“ beinhalten zahlreiche literarische Visualisierungen, vor allem in der Darstellung von Natur- und Landschaftsbildern.
Ob diese Art von visuellen Darstellungen nun tatsächlich als literarisch visuell bezeichnet werden können, soll eine dieser Arbeit zugrundeliegende Fragestellung sein. Zudem sollen Überlegungen getroffen werden, unter welcher Definition von „literarischer Visualität“ beide Werke gehandelt werden könnten. Handelt es sich hierbei um eine eher weitgefasste Verwendung des Begriffs, der besagt, dass eine starke Konzentration auf der Darstellung visuell wahrnehmbarer Objekte liegen und diese mit einer bestimmten Funktion für die Handlung verknüpft sein muss? Oder sollte das literarisch Visuelle selbst im Test rezipiert werden und der literarischen Beschreibung eine gewisse Visualitätskritik zu Grunde liegen, um sie der „literarischen Visualität“ zuordnen zu dürfen? Diese Fragen sollen folgend erörtert werden.
Die Funktionen der Natur- und Landschaftsbeschreibungen in Goethes „Leiden des jungen Werther“ und Maupassants „Une Vie“ sollen hierbei im Mittelpunkt stehen, mit dem Ziel die Rolle der Natur und der Landschaft für den Handlungsverlauf und die Charakterisierung der Protagonisten herauszuarbeiten. Anhand verschiedener thematischer Ausgangspunkte soll die Wichtigkeit der Natur- und Landschaftsdarstellung für den inneren und äußeren Verlauf beider Romane herausgestellt und die Signifikanz dieser für die Deutung der Hauptcharaktere bewiesen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Ambivalenz der Natur als Parallele zu Werthers Leidensweg
- Der Jahresrhythmus im Verhältnis zu Werthers seelischer Verfassung
- Die Rezeption der Natur in der Literatur: Homer und Ossian
- Die Natur als Seelengemälde Jeannes
- Die Natur als Markierung von Glück und Depression
- Das Meer und die Sonne: Natur und Sexualität
- Vergleich
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Funktion von Natur- und Landschaftsbeschreibungen in Goethes „Leiden des jungen Werther“ und Maupassants „Une Vie“. Ziel ist es, die Rolle der Natur für den Handlungsverlauf und die Charakterisierung der Protagonisten herauszuarbeiten. Die Analyse konzentriert sich auf die Bedeutung der Naturdarstellung für die innere und äußere Entwicklung der Romanfiguren.
- Die Ambivalenz der Natur als Spiegel der seelischen Verfassung der Protagonisten
- Der Einfluss des Jahresrhythmus und der Tageszeiten auf die Stimmung und Handlung
- Die Natur als Mittel der Charakterisierung und der inneren Entwicklung
- Der Vergleich der Naturdarstellung in beiden Romanen
- Die Frage nach literarischer Visualität und ihrer Rezeption
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Funktion von Naturbeschreibungen in literarischen Werken und fokussiert auf die Romane „Die Leiden des jungen Werther“ und „Une Vie“. Sie hinterfragt die Definition von „literarischer Visualität“ und skizziert die Zielsetzung der Arbeit: die Analyse der Rolle der Natur für Handlung und Charakterisierung der Protagonisten in beiden Romanen. Die Einleitung legt den methodischen Rahmen der Untersuchung fest und führt die zentralen Fragen ein, die im weiteren Verlauf beantwortet werden sollen. Sie betont die Bedeutung visueller Darstellungen und deren Funktion im Kontext der jeweiligen Erzählung.
Die Ambivalenz der Natur als Parallele zu Werthers Leidensweg: Dieses Kapitel analysiert die Naturbeschreibungen in Goethes „Leiden des jungen Werther“. Es zeigt, wie die Jahreszeiten und Tageszeiten als Stimmungsträger für Werthers Gefühlswelt fungieren, wobei helle Morgenstunden mit positiven Gefühlen und dunkle Abendstunden mit negativen Emotionen assoziiert sind. Die Analyse veranschaulicht, wie Werther versucht, seine visuellen Eindrücke künstlerisch zu verarbeiten, jedoch an der adäquaten Darstellung scheitert. Dies deutet bereits früh auf sein Scheitern und seinen inneren Konflikt hin. Die Natur wird somit nicht nur als Kulisse, sondern als Projektion seiner Seele verstanden, wobei ihre Ambivalenz Werthers innere Zerrissenheit widerspiegelt. Die detaillierte Analyse der Textstellen untermauert die enge Verknüpfung zwischen Werthers emotionalem Zustand und seiner Wahrnehmung der Natur.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse der Naturdarstellung in Goethes "Leiden des jungen Werther" und Maupassants "Une Vie"
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Funktion von Natur- und Landschaftsbeschreibungen in Goethes „Leiden des jungen Werther“ und Maupassants „Une Vie“. Der Fokus liegt auf der Rolle der Natur für den Handlungsverlauf und die Charakterisierung der Protagonisten, insbesondere wie die Naturdarstellung deren innere und äußere Entwicklung beeinflusst.
Welche Aspekte der Natur werden analysiert?
Die Analyse konzentriert sich auf die Ambivalenz der Natur als Spiegel der seelischen Verfassung der Protagonisten, den Einfluss des Jahresrhythmus und der Tageszeiten auf Stimmung und Handlung, die Natur als Mittel der Charakterisierung und inneren Entwicklung, sowie einen Vergleich der Naturdarstellung in beiden Romanen. Die Frage nach literarischer Visualität und ihrer Rezeption wird ebenfalls behandelt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Ambivalenz der Natur in Bezug auf Werthers Leidensweg (inkl. Analyse des Jahresrhythmus und literarischer Rezeption), ein Kapitel zur Natur als Seelengemälde Jeannes (inkl. Natur und Sexualität), ein Vergleichskapitel und ein Fazit. Die Einleitung legt die Forschungsfrage und die methodische Vorgehensweise fest. Jedes Kapitel beinhaltet eine detaillierte Zusammenfassung.
Welche Rolle spielt die Natur in Goethes "Leiden des jungen Werther"?
In "Werther" fungiert die Natur als Projektion von Werthers Seele. Der Jahresrhythmus und die Tageszeiten spiegeln seine Gefühlswelt wider: helle Morgenstunden sind mit positiven Gefühlen, dunkle Abendstunden mit negativen Emotionen verbunden. Werthers Versuch, seine visuellen Eindrücke künstlerisch zu verarbeiten, scheitert, was seinen inneren Konflikt symbolisiert. Die Ambivalenz der Natur repräsentiert somit Werthers innere Zerrissenheit.
Wie wird die Natur in Maupassants "Une Vie" dargestellt?
Die Arbeit analysiert auch die Naturbeschreibungen in Maupassants "Une Vie", wobei der Fokus auf der Bedeutung der Natur für die seelische Verfassung der Protagonistin Jeanne liegt. Hier wird untersucht, wie die Natur (Meer, Sonne etc.) mit Glück und Depression der Hauptfigur verbunden ist und inwieweit sie die Darstellung von Sexualität beeinflusst. Ein detaillierter Vergleich mit der Naturdarstellung in "Werther" wird ebenfalls durchgeführt.
Was ist unter "literarischer Visualität" zu verstehen?
Die Arbeit hinterfragt den Begriff der "literarischen Visualität" und untersucht, wie die visuellen Naturbeschreibungen in beiden Romanen die Handlung und die Charakterisierung der Protagonisten beeinflussen. Die Analyse betrachtet, wie die Autoren durch sprachliche Mittel visuelle Eindrücke erzeugen und wie diese vom Leser rezipiert werden.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Das Fazit fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen und zieht Schlussfolgerungen über die Rolle der Natur in beiden Romanen. Es bewertet die Bedeutung der Naturbeschreibungen für das Verständnis der Protagonisten und ihrer Entwicklung. Die Arbeit trägt zum Verständnis der literarischen Techniken und der Wirkungsweise von Naturdarstellungen bei.
- Arbeit zitieren
- Charlotte Seeger (Autor:in), 2011, Rolle und Funktion literarischer Natur- und Landschaftsbeschreibungen. Ein Vergleich zwischen Goethes „Leiden des jungen Werther“ und Maupassants „Une Vie“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212354