Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Rechnungslegungsvorschriften
1.2 Gründe für eine internationale Rechnungslegung
2. Der IASB
2.1 Entwicklung
2.2 Organisation
2.3 Ziele
3. IFRS als EU-weite Rechnungslegungsnormen
3.1 IFRS – Anwendung innerhalb der EU
3.2 Übernahme der IFRS in das EU-Recht
3.3 Exkurs: IFRS auf dem amerikanischen Kapitalmarkt
3.4 Anwendung der IFRS in Deutschland
4. Unterschiede IFRS gegenüber HGB
4.1 Wesentliche konzeptionelle Unterschiede
4.2 Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede
4.3 Immaterielle Vermögensgegenstände
5. Probleme der IFRS
6. Fazit
1. Einleitung
1.1 Rechnungslegungsvorschriften
Die Wurzeln der heutigen International Financial Reporting Standards (IFRS) sowie die bisherigen International Accounting Standards (IAS) sind ein wesentliches Instrument der weltweiten Harmonisierung der Rechnungslegung geworden. Die Entwicklung und Einführung weltweit harmonisierter Rechnungslegungsstandards liegen am 29. Juni.1973 in London gegründeten International Accounting Standards Committee (IASC).[1] Im Zuge der Restrukturierung wurde im März 2001 die IASC als unabhängige Dachorganisation in Delaware, USA, gegründet. Die IFRS für die Konzernabschlüsse Kapitalmarkt orientierter Unternehmen in der EU aufgrund der EG-Verordnung Nr. 1606/ 2002[2] grundsätzlich ab dem Jahr 2005 obligatorisch. Die IFRS ersetzen damit in weiten Teilen die Regelungen des HGB.[3]
Das Regelwerk der IFRS umfasst das Rahmenkonzept (Framework), die Standards und die Interpretationen. Gemäß IAS 1.11[4] bestehen die IFRS aus:
- International Financial Reporting Standards (IFRS),
- International Accounting Standards (IAS) und
- Interpretationen des International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) und des Standing Interpretations Committee (SIC)
Der Selbstbezug von IFRS ist ungewöhnlich, schafft aber inhaltlich keine Probleme. Jedoch sind die IFRS (noch) kein abgeschlossenes Werk. Erstens fehlen zahlreiche in Angriff genommen Regelungen. Zweitens sind bestehende Regelungen im Fluß, das bedeutet viele Standards erfahren eine Überarbeitung, wegen des Konvergenz-projekts mit dem Regulierer für die US-GAAP, dem FASB[5].
Die Rechnungslegung nach IFRS hat primär eine Informationsfunktion zu erfüllen. Das Ziel der IFRS-Rechnungslegung besteht gemäß Framework.12 in der Bereit-stellung von Informationen, die für die verschiedenen Abschlussadressaten bei deren spezifischen wirtschaftlichen Entscheidungen nützlich sind.
1.2 Gründe für eine internationale Rechnungslegung
Es gibt verschiedene Gründe für eine internationale Rechnungslegung: Internationale Kapitalmärkte, Internationalisierung der Wirtschaft und interne Steuerung des Unternehmens. Für die internationalisierung der Rechnungslegung deutscher und österrreichischer Unternehmen gibt es eine Reihe von Gründen. Der zunächst größte Bedarf nach einer internationalen Rechnungslegung resultierte aus dem Wunsch großer international operierender Unternehmen (global players), an internationalen Börsen zu notieren.[6] Gründe dafür sind insbesondere:
- die erleichterte Aufnahme von Eigenkapital,
- die Möglichkeit, eigene Aktien als „Akquisitionswährung“ zu verwenden, und
- die Erlangung eines internationalen Standing, zB: global player zu sein oder das „Gütesiegel“ aufgrund hoher Qualitätsstandards einer Börse zu besitzen.
Es ist somit für die international Tätigen Unternehmen leichter am internationalen Kapitalmarkt Kredit aufzunehmen oder Aktien bzw. Anleihen zu emittieren.
Die Zulassung an den meisten Börsen ist unproblematisch, da diese nach dem Reziprozitätsprinzip die Rechnungslegung gegenseitig anerkennen. Eine wichtige Ausnahme sind US-amerikanische Börsen. Als Hauptgrund gilt die Gleichbehandlung von US-amerikanischen und ausländischen Unternehmen als Konkurrenten um knappes Kapital.[7]
Der Nutzen internationaler Rechnungslegung für kapitalmarktorientierte Unter- nehmen kann in einer Verminderung der Eigenkapitalkosten liegen. So zeigten sich vor einigen Jahren 45% der deutschen Unternehmen, die auf IFRS oder US-GAAP umstiegen, davon überzeugt, dass sich dadurch die Kapitalkosten senken ließen.[8]
Ein weiterer wesentlicher Grund für eine internationale Rechnungslegung besteht in der Internationalisierung der Geschäftstätigkeit der Unternehmen sämtliche Größen klassen. Die Ausweitung des internationalen Handelns macht es erforderlich, Kunden, Märkte und Lieferanten über die Lage des Unternehmens zu unterrichten, und das ist mit Zahlen, die auf internationalen Standards beruhen, einfacher möglich und erfordert weit weniger Erklärungsaufwand.[9]
Immer mehr Staaten haben Rechnungslegungsvorschriften, die sich an IFRS ausrichten und deshalb kommt man immer häufiger mit IFRS-Abschlüssen in Berührung. Die Internationalisierung der Unternehmen führt auch zu grenzüberschreitenden Kooperationen und Unternehmensakquisitionen. Auch Banken verlangen von Unternehmen, die Kredite aufnehmen wollen, immer mehr Informationen, und diese nach internationalen Standards. Ein Grund dafür ist die internationale Regulierung, der die Banken direkt oder indirekt unterliegen.
IFRS bilden auch eine gute Grundlage für die gesamte Konzernberichterstattung. So ist vielfach wirtschaftlich unverständlich, warum ein global agierendes Unternehmen mit Tochterunternehmen weltweit die Rechnungslegungsvorschriften gerade des Sitzstaates des Mutterunternehmens für die gesamte Konzernberichterstattung verwenden soll. Viele multinationale Unternehmen haben kleinere Tochter-unternehmen in Deutschland und in Österreich. Diese machen schon derzeit ihr Reporting nach anderen als nationalen Standards. Viele davon müssen nach IFRS oder US-GAAP berichten.[10]
Ein dritter wesentlicher Grund für eine internationale Rechnungslegung besteht darin, dass internationale Standards im Vergleich zum HGB die wirtschaftliche Situation des Unternehmen tendenziell weniger verzerrend abbilden. IFRS und US-GAAP sind auf die Informationsbedürfnisse der Investoren ausgerichtet, und sie gehen davon aus, dass die Informationsbedürfnisse anderer Stakeholder dadurch ebenfalls abgedeckt werden. Deshalb eignet sich das externe Rechnungswesen auf Basis internationaler Standards besser für die Unterstützung der Unternehmensführung, insbesondere auch einer wertorientierten Unternehmensführung. Bei Unternehmen, die ihre Rechnungslegung auf internationale Standards umstellten, wurde bald darauf begonnen, das gesamte Controlling-Instrumentarium nach denselben Zahlen auszurichten.[11] Es ist oft schwer zu erklären, weshalb die Geschäftsführung nach externen Maßgrößen des Jahresabschlusses beurteilt wird, während sie intern nach gänzlich anderen Zahlen führen soll.
2. Der IASB
2.1 Entwicklung
Das Vorgängergremium des heutiger IASB wurde am 29. Juni. 1973 als privatrechtliche Organisation von Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfe aus 10 Ländern in London gegründet. Gründungsmitglieder waren neben Großbritannien, Australien, Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande und die USA. Mit dem IASC sollte ein Gremium geschaffen werden, das den Einfluss der Berufsverbände auf die Entwicklung der Rechnungslegung sichert.
1983 wurde ein gegenseitiges Abkommen mit der International Federation of Accountants (IFAC) geschlossen, eine in New York ansässige internationale Vereinigung von accountants, die sich insbesondere mit der Koordination des Wirtschaftsprüferberufs beschäftigt.[12]
Hauptmotiv war der Bedarf nach einer Verbesserung und Harmonisierung veröffentlichter Jahresabschlüsse weltweit agierender Unternehmen. Die Initiative zur Gründung des IASC ging vor allem von angelsächsischer Seite aus. Durch den Beitritt Großbritanniens im Jahre 1973 zur EU, damals noch EWG, in der seit Ende der 60er Jahre intensiv an der 4.EG-Richtlinie gearbeitet wurde.[13]
Die bisherige Entwicklung des IASC/IASB lässt sich in mehrere Phasen einteilen. In der ersten Phase, die von 1973 bis 1988, wurden vom IASC insgesamt 28 IAS zu verschiedenen Rechnungslegungsfragen herausgegeben, von denen bereits innerhalb dieses Zeitraumes zwei Standards ersetzt und einer in der Anwendung ausgesetzt wurden. Das Ziel dieser ersten Phase bildete damit vor allem eine Bestandsaufnahme der international möglichen unterschiedlichen Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden; der Harmonisierung wurde in dieser Phase kein besonders großes Gewicht beigemessen.
Die zweite Phase, die von 1989 bis 1993, beginnt mit der Aufnahme der IOSCO (International Organization of Securities Commissions) in die Consultative Group und endet 1993 mit der Verabschiedung (erster) revidierter Standards, die zu einer ersten Einschränkung der Wahlrechte führte. In dieser Phase wurde das IAS-Framework erstellt, in dem sich Ausführungen zu den Zielsetzungen der Rechnungslegung nach IAS und zu übergeordneten Rechnungslegungsgrundsätzen finden.
In der dritten Phasen (1994-2001) steht die verstärkte Zusammenarbeit mit der IOSCO im Mittelpunkt. In 1995 fomulierte IOSCO Eckpunkte einer Überarbeitung der seinerzeit gültigen IAS-Standards, um eine Empfehlung der IAS als kapitalmarkttaugliche Rechnungslegungsvorschriften auszusprechen.
Die aktuelle, vierte Phase (ab 2001) ist charakterisiert einerseits durch die strategische und organisatorische Neuausrichtung des IASC, den „Exposure Draft of Proposed Improvements to International Accounting Standards“ veröffentlicht. Gegenwärtig gehören dem IASC über 150 Organisationen aus über 100 Staaten an.[14]
2.2 Organisation
Mit dem Beginn des Jahres 2001 wurde die Organisationdes IASC grundlegend geändert. So hat im April. 2001 der International Accounting Standards Board (IASB) die Aufgaben des IASC übernommen. Trägerorganisation des IASB ist die im März 2001 gegründete IASC Foundation.[15]
Wichtige Organe dieser Organisation sind die im Rahmen der Neustrukturierung neu geschaffenen Trustees, der IASB, das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC), ehemals Standing Interpretation Committee (SIC), sowie das Standards Advisory Council (SAC). Das wichtigste Organ ist das International Accounting Board (IASB). Es ist für die inhaltliche Fragen, wie den Beschluss von Entwürfen, von Standards und von Interpretationen, eigen-verantwortlich zuständig.
Der IASB soll alle drei Jahre seine Vorschläge über sein künftiges Arbeitsprogramm (Technical Agenda) einem öffentlichen Konsultationsprozess unterziehen.[16] Im Juni 2004 hat das IASB ein Diskussionspapier zur Rechnungslegung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen vorgestellt und um dessen Kommentierung gebeten.[17]
Abbildung 1: Organisationsstruktur des IASB
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beratung à Berichterstattung à Berufung à
Quelle: Winkeljohann, Rechnungslegung nach IFRS, 2004, S.10
Schließlich werden bis 2012 die Mitglieder des IASB von ursprünglich 14 auf 16 erhöht.[18]
2.3 Ziele
Dem IASB obliegt die Facharbeit zur Entwicklung von Rechnungslegungsstandards mit dem selbstgesteckten Ziel, eine weltweit einheitliche Rechnungslegungssprache zu entwickeln. Die vom IASB verfolgten Ziele sind in der im Mai 2000 beschlossenen und im Mai und Juli 2002 überarbeiteten Satzung niedergelegt. Diese neue Ausrichtung zeigt sich auch in einer Anpassung der Ziele des IASB gegenüber denen des IASC. Hiernach verfolgt der IASB mit seiner Arbeit folgende Zwe>§ Die Entwicklung eines einheitlichen Satzes qualitativ hochwertiger, verständlicher und die Durchsetzung globaler Rechnungslegungsstandards im öffentlichen Interesse, die qualitativ hochwertige, transparente und vergleich-bare Informationen in Jahresabschlüssen und anderen Finanzberichten vorschreiben.
- Die Förderung der Verwendung und strikten Anwendung dieser Standards.
- Die aktive Zusammenarbeit mit den nationalen Standardsettern, um die Konvergenz der IFRS mit nationalen Rechnungslegungsstandards für bösennotierte und andere wirtschaftlich bedeutende Unternehmen zu qualitativ hochwertigen Lösungen herbeizuführen.[19]
Mit der Neuorganisation erhoffte man sich eine größere Akzeptanz des IASB vor allem in den USA.
Die Arbeit des IASB zielt infolgedessen nicht nur darauf ab, ein globales kapitalmarktorientiertes Rechnungslegungssystem zu entwicklen, sondern auch seine Akzeptanz und Durchsetzbarkeit als globales Rechnungslegungssystem zu gewährleisten.[20]
3. IFRS als EU-weite Rechnungslegungsnormen
3.1 IFRS – Anwendung innerhalb der EU
Viele Staaten übernahmen IFRS entweder direkt oder als Grundlage für die Erstellung nationaler Rechnungslegungsvorschriften. Es handelte sich dabei meist um Reformstaaten des Ostens und um Entwicklungsländer. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass durch die Übernahme „westlicher“ Rechnungslegungsstandards potenziellen Investoren ein gewohntes Bild der Lage der Unternehmen präsentiert werden soll. Die IFRS werden nun weltweit in über 110 Staaten freiwillig oder verpflichtend angewandt. 39% der 500 weltweit größten Unternehmen verwenden IFRS gegenüber 37% US-GAAP; und 20% der Unternehmen haben ihren Sitz in Ländern, die in den nächsten Jahren zu IFRS konvergieren[21].
Der große Durchbruch zur Anerkennung durch Staaten schaffte das IASB mit der Entscheidung der Europäischen Kommission, die IFRS für kapitalmarktorientierte Unternehmen in der EU zwingend vorzuschreiben.[22] Am 19.07.2002 wurde das Europäische Parlament beschlossen und verpflichtet kapitalmarktorientierte Konzerne mit Sitz in einem Mitgliedstaat ab 2005 (mit einigen Ausnahmen) zur Aufstellung von Konzernabschlüssen nach IFRS. Dies waren 2005 knapp 7.400 Unternehmen, davon 5.500 mit Aktiennotierungen.[23]
[...]
[1] Vgl. Ditges/Arendt, Kompakt-Training: Internationale Rechnungslegung nach IFRS, 2008, S.17
[2] Vgl. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.07.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards.
[3] Vgl. Hirschböck/ Kerschbaumer/ Schurbohm, IFRS für Führungskräfte, 2007, S9.
[4] Zur beabsichtigten Überarbeitung vgl. IASB (2006a); IAS 1.11 wird dann IAS 1.7 ohne inhaltliche Änderung des betrachteten Punktes.
[5] Vgl. Ballwieser, Wolfgang, IFRS-Rechnungslegung, 2006, S.1.
[6] Vgl. zB Flower/Ebbers, Global Financial Reporting, Basingstoke, 2002, S.14 ff.
[7] Vgl. Schütze, What ist he future of mutual Recognition of Financial Statements and is Comparability Really Necessary? European Accounting Review 1994, S.333
[8] Vgl. Pellens/Tomaszewski, Kapitalmarktreaktionen auf den Rechnungslegungswechsel zu IAS bzw. US-GAAP, 1999, S.203.
[9] Vgl. etwa Breker/Naumann/Tielmann, Der wirtschaftsprüfer als Begleiter der Internationalisierung der rechnungslegung (Teil I), Die Wirtschaftsprüfung 1999, S.146.
[10] Vgl. Wagenhofer,Alfred, Internationale Rechnungslegungsstandards - IAS/IFRS, 2009, S.29-31
[11] Vgl. zB Coenenberg (1995), Bruns (1999), Menn (2000)
[12] Vgl. Ruhnke, IFAC, DB 1995, S.940
[13] Vgl. Wagenhofer,Alfred, Internationale Rechnungslegungsstandards - IAS/IFRS, 2009, S.69
[14] Vgl. Winkeljohann, Rechnungslegung nach IFRS, 2004, S.7-9.
[15] Vgl. Pellens/Bonse/Fülbier: Organisatorischer Rahmen des IASC, WPK-Mitteilungen 1996, S.264 ff.
[16] Vgl. IFRS Foundation Constitution, 2010, Rz. 37 dii
[17] Vgl. Ballwieser, IFRS für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, 2006, S.23
[18] Vgl. Heuser/Theile, IFRS Handbuch, 2012, S.13
[19] Vgl. Baetge/ Thiele/ Plock, Der Betrieb 2000, S.1038
[20] Vgl. Wagenhofer,Alfred, Internationale Rechnungslegungsstandards - IAS/IFRS, 2009, S.56,57
[21] Vgl. IASCF Annual Report 2007, S.1
[22] Vgl. Brown, P./Tarca, A.: Politics, Processes and The Future of Australian Accounting Standards, Abacus 2001, S.267
[23] Vgl. den Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der IFRS vom 24.4.2008 (COM(2008)215)