Solidarnosc. Der Einfluss der "polnischen Revolutionsbewegungen" auf das kommunistische System der Sowjetunion


Seminararbeit, 2013

48 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Russisches System
2.1 Die Breschnew-Ära: Zeit der Stagnation
2.2 Festigung der Parteienherrschaft und Ausbau der Nomenklatura
2.3 Ökonomische Entwicklung unter Breschnew
2.4 Breschnew Doktrin und Entspannungspolitik

3 Polnisch-Russisches Verhältnis
3.1 Polen von 1945 bis 1980 - Die Beziehung zu Russland
3.2 Die Beziehung Russland-Polen aus der Sicht Russlands

4 Polnischer Widerstand: Streik
4.1 Die Entstehung des Streiks in der Lenin- Werft
4.2 Folgen des Streiks

5 Die erste unabhängige Gewerkschaft Polens
5.1 Die Gründung der Solidarnosc
5.2 Die Strukturen der neuen Gewerkschaft
5.3 Zunahme der Spannungen

6 Das Kriegsrecht und dessen Folgen
6.1 Ausrufung des Kriegsrechts
6.2 Der Untergrund
6.3 Die Reaktion der Kirche unter Johannes Paul II.
6.4 Die Freilassung von Lech Walesa
6.5 Zweiter Besuch des Papstes und die Aufhebung des Kriegsrechts
6.6 Erneute Amnestie
6.7 Der Schritt an die Öffentlichkeit und der dritte Papstbesuch
6.8 Frühjahrstreik und Auguststreik 1988

7 Der Runde Tisch

8 Historische Wahlen: 1989

9 Revolutionäre Bewegungen – Eine Zeitzeugin
9.1 Interview mit Liljeta Krasniqi
9.1.1 Kurzbiographie
9.1.2 Interview

10 Heutige Situation in Polen
10.1 Das Verhältnis von Polen und Russland von 1991 bis heute
10.2 Solidarnosc im Wandel der (Neu-)Zeit

11 Schlussfolgerungen
11.1 Vergleich Recherchearbeit und Interview
11.2 Fazit
11.3 Schlusswort
11.4 Danksagung

12 Literaturverzeichnis

13 Abbildungsverzeichnis

14 Anhang
14.1 Transkription Interview

1 Einleitung

Die Wahl, diese Seminararbeit auf ein Land und eine Bevölkerung zu beziehen, die nur indirekt aber doch ungemein viel mit der russischen Geschichte zu tun hat, viel uns nicht leicht. Das Verhältnis Russlands (oder der Sowjetunion) und dem Gebiet Polens gilt nicht erst seit der Gründung der Solidarnosc 1980 als angespannt. Die engen und doch distanzierten Beziehungen werden seit bald einem Jahrhundert durch Kriege, politische Abhängigkeit und sozialistische Querelen bestimmt.

Nicht nur die vielen kleinen Aufbäumen gegen das kommunistische System der Sowjetunion, sondern auch die grosse Revolte gegen die Indoktrination machen Polen zu dem, was es heute ist. Durch die Möglichkeit, ein Interview mit einer Zeitzeugin der Gewerkschaftsbewegung „Solidarnosc“ machen zu können, eröffnete sich uns die Perspektive, eine andere Sicht als diejenige der vorhandenen Literatur wahrzunehmen und zu reflektieren.

2 Russisches System

Die Wirksamkeit der Einflüsse, welche auf ein System einwirken, hängt von der Struktur des Systems ab. Aus diesem Grund stellt die Analyse des sowjetischen Staates ein wichtiger Bestandteil dieser Seminararbeit dar. In der Folge werden die drei wesentlichsten, politischen Tätigkeitsfelder eines Landes im Allgemeinen erklärt: Innenpolitik, Wirtschaftspolitik und Aussenpolitik.

2.1 Die Breschnew-Ära: Zeit der Stagnation

Die Sowjetunion im Jahre 1980: Grosse Probleme machen dem riesigen Imperium zu schaffen. Neben der wirtschaftlichen Stagnation kommt für das Sowjetreich dazu, dass zunehmend Stimmen in der Bevölkerung laut werden, welche eine Abkehr vom kommunistischen System propagieren. Die Errungenschaften des sowjetischen Systems stehen auf dem Prüfstand. Einer, der mit aller Macht gegen den Untergang des Systems kämpft, ist Leonid I. Breschnew, 1. Sekretär der KPdSU[1]. Nach der Entmachtung seines Vorgängers Chruschtschows kommt er 1964 an die Spitze der Sowjetunion und bleibt bis zu seinem Tod im Jahre 1982 Führer des sowjetischen Systems - ausser Stalin erreichte diese Regierungsdauer kein einziger Generalsekretär in der Sowjetunion. Breschnew war weder besonders intelligent, noch ein begabter Rhetoriker. Vielmehr vermochte er durch seine fröhliche und gewinnende Art, pragmatische Lösungen mit einem Minimum an Dissonanzen zu erreichen. Diese Fähigkeit, Mehrheiten zu bilden und Konsense herbeizuführen, spielte ihm auch bei seiner Wahl in die Hände, als sich innerparteiliche Verschwörer gegen Scheljepin[2] stellten, welchem allgemein die grösseren Chancen eingeräumt wurden. Stattdessen verständigte man sich auf Breschnew, von dessen Wahl man sich erhoffte, Streit vermeiden zu helfen. (Ascher, 2005, S.222)

Unter Breschnew erfuhr das Land eine Ära der Stagnation. Zum einen hing das Vermächtnis der stalinistischen Schreckensherrschaft immer noch wie ein Damoklesschwert über dem Land. Zum anderen war es unter dem ideologischen Aspekt enorm wichtig, für die Bewohner einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, was zur Folge hatte, dass sich das Land nur schwer eine längere Zeit ohne politischen und wirtschaftlichen Fortschritt leisten konnte. (Ascher, 2005, S.223)

2.2 Festigung der Parteienherrschaft und Ausbau der Nomenklatura

Unter der Regierungsperiode von Breschnews Vorgänger Chruschtschow wurde ein Entstalinisierungsprozess der Sowjetunion in Gang gesetzt, mit welchem das Ziel verfolgt wurde, die Öffentlichkeit über die Wahrheit der stalinistischen Vergangenheit zu informieren und somit die kritische Denkweise der Bevölkerung wieder zu fördern. Allgemein kann zu der Regierungszeit Chruschtschows[3] gesagt werden, dass sich ein leiser Hauch von Liberalisierung breit machte, der nur ein Ziel verfolgte: Das verloren gegangene Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung wiederherzustellen.

Obwohl Breschnew als politischer Ziehsohn Chruschtschows galt, erinnerte in der politischen Führung bald nichts mehr an seinen Vorgänger. Den ersten liberalen Gehversuchen der Sowjetunion unter Chruschtschow setzte er ein abruptes Ende, indem er die konsequente Ausbreitung der atheistischen Weltanschauung, vor allem unter Kinder und Jugendlichen, vorantrieb. Wem sich dieser Fügung widersetzte, musste mit Repressalien rechnen. Der sozialistischen Theorie widerstrebende Meinungen wurden konsequent unterdrückt. Von diesem Kurswechsel waren vor allem Kulturschaffende und Intellektuelle betroffen, darunter bekannte Persönlichkeiten wie der Atomphysiker Andrej Sacharow oder der Schriftsteller Alexander Solschenizyn. Entweder erkannte man ihnen die Staatsbürgerschaft ab, schob sie in die Provinz ab oder wies sie in psychiatrische Kliniken ein. (Ballhausen, 1997, S.110)

Die sowjetische Psychiaterin Marina Fainberg berichtet dazu im Jahre 1976:

"In seiner Krankheitsgeschichte war als Diagnose Schizophrenie eingetragen. Aber es waren überhaupt keine entsprechenden Symptome festzustellen, und es waren auch keine Symptome in seiner Krankheitsgeschichte aufgeführt. [...] Denn während der letzten Jahre war es in der UdSSR üblich geworden, alle gesellschaftlich unzuverlässigen Leute - darunter waren auch Alkoholiker, Dissidenten und Personen, die ständig ihre Meinung wechselten - in psychiatrische Kliniken einzuliefern. […] " (Hardmann & Wippermann, 1976, S.195 f.)

Erstaunlich ist, dass nicht nur Dissidenten vom System verfolgt wurden, sondern auch solche, die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellten. Ihre Zahl blieb aber im Vergleich zur stalinistischen Schreckensherrschaft vernichtend klein. Zwischen 1962 und 1983 wurden nur rund 500 Bürger, darunter viele Menschenrechtler, in psychiatrische Kliniken eingewiesen. (Ascher, 2005, S. 223)

Obwohl die Grund- und Menschenrechte in der sowjetischen Verfassung verankert waren und die UN-Menschenrechtsdeklaration auch von der Sowjetunion anerkannt wurde, drohte die Regierung mit immer mehr Repressionen. Auf Dauer konnte diese Unterdrückungspolitik jedoch nicht gut gehen. Viele, darunter vor allem Intellektuelle, begannen an der Idee des Sozialismus zu zweifeln und gründeten in Moskau sowie in anderen Städten der Sowjetunion sogenannte Helsinkigruppen. Den Namen gab ihnen die KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975[4], welche im Rahmen einer internationalen Konferenz von 35 Staaten, darunter auch von der Sowjetunion, unterzeichnet wurde und im Allgemeinen „Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschliesslich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit für alle" einforderte. Paradoxerweise stand dieses Bekenntnis, die Schlussakte war eine sogenannte „selbstverpflichtende Aussage" (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 1973), quer zur in der Wirklichkeit betriebenen Politik des sowjetischen Staates.

2.3 Ökonomische Entwicklung unter Breschnew

„Staatliche Planwirtschaft ist wie ein prachtvoller Baum mit weit ausladender Krone. Aber in seinem Schatten wächst nichts." (Harold Macmillan, 05.03.2013)

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage, welches in einer freien Marktwirtschaft herrscht, existierte in dieser Form nicht in der Sowjetunion. Der ganze Wirtschaftskreislauf wurde zentral von der Hauptstadt Moskau aus gesteuert. Die zentrale Planung in Moskau legte die Preise aller Güter willkürlich fest, ohne dabei die tatsächlichen Herstellungskosten zu berücksichtigen. So geschah es, dass einige Güter und Dienstleistungen derart billig angeboten wurden, dass der Staat mit Hilfe von Subventionen nachhelfen musste. Diese staatliche Planwirtschaft stellte für die sowjetische Wettbewerbsfähigkeit im ideologischen Kampf gegen den Westen ein grundlegendes Problem dar. Nichtsdestotrotz wurden immer und immer wieder Wirtschaftsreformen beschlossen, so auch unter Breschnew. (Haumann, 2003, S. 458-461)

Breschnew straffte die Wirtschaftsverwaltung und versuchte mit verschiedenen Massnahmen, die Arbeitsmoral sowie die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung anzuheben. Aufgrund des ideologischen Kampfes mit dem Westen waren solchen Reformmassnahmen aber schon zu Beginn enge Grenzen gesetzt. Um die Weltmachstellung für sich zu beanspruchen, wurden enorme Investitionen in die Rüstungsindustrie getätigt, währenddessen die Konsuminteressen der Bevölkerung vernachlässigt wurden. Diese Wirtschaftsauslegung musste früher oder später zur Stagnation führen. Erschwerend dazu kam, dass Breschnew ab Mitte der 70er Jahre mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Mehrere Schlaganfälle veränderten seine Sprechweise so stark, dass er für die anderen kaum noch verständlich war. (Ascher, 2005, S. 226)

Anfangs der 80er Jahre lassen sich folgende Defizite am kommunistischen System der Sowjetunion feststellen:

- Anwachsen der Staatsverschuldung
- Stagnation der Produktivität und des Lebensstandards
- wachsende Aussenhandelsdefizite
- Rückgang der internationalen Konkurrenzfähigkeit
- beträchtliche Verringerung der natürlichen Ressourcen des Landes

(Schlegel, 2012, S. 90)

„Geht es der Wirtschaft, geht es uns allen gut." Ein Sinnspruch, der auch in Bezug auf die sowjetische Bevölkerung seine Gültigkeit bewahrt. Die negative Wirtschaftsentwicklung führte zu Interesselosigkeit und sinkender Arbeitsmoral (Schlegel, 2012, S.90) in der Bevölkerung. Als Indikator dieses gesellschaftlichen Missstandes kann der steigende Alkoholismus angesehen werden. „Allein in Leningrad wurden 1979 elf Prozent der Bevölkerung verhaftet, weil sie in der Öffentlichkeit betrunken waren." (Ascher, 2005, S.226) Schätzungen ergeben, dass 1980 50‘000 Menschen direkt oder an den Folgen von übermässigem Alkoholkonsum starben. (Ascher, 2005, S.226)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft (1951-1985). Durchschnittliches

Wachstum in % (Büllow, 1988, S.276 ff.)

2.4 Breschnew Doktrin und Entspannungspolitik

Im Verlaufe der 60er Jahre entwickelten sich in den kommunistischen Bruderstaaten des Ostblocks erste Reformbestrebungen. Als im Frühjahr 1968 reformwillige Kommunisten um Alexander Dubcek[5] an die Spitze der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei gewählt werden, duldet die sowjetische Führung zwar zu Beginn den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz" (Ballhausen, 1997, S.111), marschiert dann aber wenig später trotzdem ein und besetzt die wichtigsten Knotenpunkte des Landes. Dem „Prager Frühling"[6] wurde schnell ein Ende gesetzt. Als Folge dieser Intervention entstand die sogenannte „Breschnew-Doktrin", welche die Souveränität der Ostblockstaaten einschränkte. „Zur Festigung der sozialistischen Errungenschaften" (Ballhausen, 1997, S.111) seien alle sozialistischen Länder verpflichtet einzuschreiten, wenn die sozialistische Entwicklung in einem Land in Gefahr ist. (Ballhausen, 1997, S.111)

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Chruschtschow pflegte Breschnew jedoch „eher den Vorschlaghammer als das Skalpell" (Ascher, 2005, S.224) zu benutzen. Weil das Risiko eines nuklearen Weltkrieges grösser denn je war, verständigte man sich mit den Vereinigen Staaten auf ein „geregeltes Nebeneinander" (Schlegel, 2012, S.92) und eine „friedenssichernde Zusammenarbeit" (Schlegel, 2012, S.92). Trotzdem blieb das Misstrauen zwischen den beiden Weltmächten intakt, auch gerade wegen der Grundverschiedenheit der sich entgegenstehenden Ideologien. Mit der Intervention in Afghanistan im Dezember 1979 entzog das sowjetische Regime der bis anhin betriebenen Entspannungspolitik endgültig den Boden. Aus Furcht, dass das kommunistische Regime in Afghanistan seine Macht an die islamischen Fundamentalisten verlieren könnte, wurde ein jahrelanger, sinnloser Krieg geführt. Viele Sowjetverbände kämpften lustlos, weil sie den Grund nicht verstanden, weshalb sie im Lande waren. (Ascher, 2005, S. 224). Afghanistan wurde zum Vietnam für die Sowjetunion.

Der aggressive Expansionskurs verschlechterte das internationale Klima rapide, der eingeschlagene Weg einer kompromissvollen Politik war Vergangenheit. Was folgte, war ein Rüstungswettlauf mit dem Westen von ungeheurem Masse, welcher die stagnierende Wirtschaft weiter in die Knie zwang.

Dieser historische Umgang führte dazu, dass die Sowjetunion während der Krise 1980/81 in Polen nicht aktiv in Form einer militärischen Invasion eingriff, sondern versuchte mit Manöver an der Grenze die ideologische Bruderpartei PVAP[7] zu unterstützen. Der Verzicht auf ein aktiveres Eingreifen lässt sich dadurch erklären, dass einerseits das sowjetisch-polnische Verhältnis bereits genug vorbelastet war, andererseits ein allfälliger Angriff eine westliche Reaktion ausgelöst hätte, welche die UdSSR nicht hätte verkraften können. (Schlegel, 2012, S.97 ff.)

In der Sowjetunion selbst befand sich ein überaltertes Politbüro an der Spitze, welches zu wirkungsvollen Reformen und erfolgreicher Führung unfähig war. Ihr Alter stand stellvertretend für den Zustand des Landes – marod und am zerbröckeln. Das System mit Mehrfachbürokratien und parasitären Polizeiapparaten war das Antlitz eines modernen Industriestaates nicht mehr wert. Lebensmittel mussten mehr und mehr aus dem Westen importiert werden, denn die eigene Landwirtschaft konnte die Versorgung nicht mehr ausreichend sicherstellen. Das auf Dynamik und Expansion angelegte Sowjetsystem gleitet von der Krise in die Agonie[8]. (Geiss, 1995, S.57-58)

3 Polnisch-Russisches Verhältnis

3.1 Polen von 1945 bis 1980 - Die Beziehung zu Russland

Polen wurde schon immer stark von seiner Geschichte geprägt, die viel Emotionalität mit sich bringt. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm die polnische Bevölkerung die Übermacht Sowjetunion zur Kenntnis und musste versuchen, mit ihr in einen <modus vivendi>[9] zu treten. Von den Westmächten durfte Polen keine Hilfe erwarten. Kurz nach dem Krieg sah es nach einer Kompromissfindung der zwei Staaten aus, da Polen annahm, das Interesse der Sowjetunion beziehe sich nicht auf das Leben im Inland. Während in Polen in den ersten Nachkriegsjahren ein vermeintlich reger Wandel in der Politik und eine vorgetäuschte Neuorientierung von Statten gingen, hielten die Kommunisten im Land doch irgendwie alle Fäden zusammen.

Die Gegner wurden möglichst unter vorgehaltener Hand ruhig gestellt, so wurde vor allem physische Gewalt angewendet, die sich hauptsächlich gegen die Polnische Bauernpartei (PSL) richtete. Durch Sympathisieren mit der PSL wurden so auch ganze Dörfer systematisch bekämpft. Handkehrum wurde versucht, die PSL zu spalten und so zu entmachten. Bei den Wahlen 1947 kam es durch die Unterdrückung und Wahlbetrug zur Niederlage der PSL, was eine demokratische Weiterentwicklung Polens für einige Zeit zunichtemachte. Andere Parteien[10] waren kompromissbereiter, wollten jedoch „eine innere Sowjetisierung Polens vermeiden.“ (Holzer, 1985, S. 27)

Durch ein Bündnis mit dem sowjetischen System sollte die Gefahr gebannt werden. Trotz vieler kommunistischer Mitglieder in höheren Ämtern, sollte der kommunistischen Beeinflussung mehr Einhalt geboten werden, als dass den demokratischen Bewegungen schlussendlich gelang. Obwohl man in Polen keine „Politik à la Moskau“ wollte, stellte sich die PPS immer mehr auf die kommunistische Regierung ein und manövrierte sich so selber ins Aus.

Als 1948 eine bekennend kommunistische Partei an die Macht kam, zerstörte dies ein weiteres Mal das Hoffen auf eine Eingliederung Polens in das Gefüge Europas. Kopf der zusammengeschlossenen Arbeiterpartei (PZPR[11]) war Władysław Gomułka, der seine Partei damals mit strammer Hand und sehr clever vorwärts führte. (Holzer, 1985, S. 29)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Golmulkas Rede am 24. Oktober 1956

1956 herrschte in Polen die allgemeine Überzeugung vor, man müsse das Land auf friedfertige Weise reformieren. Dieser Wunsch führte zur polnischen Krise, der aber eine Kompromissbereitschaft der kommunistischen Parteien vorweggenommen wurde. Nach einer Auseinandersetzung mit Todesopfern im Juli 1956, die sich tief ins Bewusstsein der polnischen Bevölkerung grub, erkämpften sich die Arbeiter einen Weg in Richtung einer demokratischeren Regierung. Noch im Oktober des gleichen Jahres erwies sich dieser kleine Sieg nach nochmaligem Aufbäumen auch von Seiten der Sowjets als fruchtend und ebnete den Weg zu Eingeständnissen der Sowjetregierung und polnischen Spitze. Die Zeit wird seither als Polnischer Oktober bezeichnet, Polen konnte sich nun in kontinuierlichen aber langsamen Vor-und Rückschritten den hart umkämpften Freiheiten annähern. (Holzer, 1985, S.30-32)

Ende der 50er-Jahre viel es so auch nicht auf, dass sich Polen in einer Art stillschweigenden Kompromisslösung mit der Sowjetunion befand, die Bevölkerung erfuhr den etwas gehobenen Wohlstand seit Ende des Krieges, hatte einen angenehmen Rahmen an Freiheiten und so mehrheitlich keinen Grund sich zu beklagen. Doch schon zu Beginn der 60er-Jahre begannen Stimmen laut zu werden, die dem scheinheiligen Mittelweg nicht mehr Glauben schenken wollten. Die wirtschaftliche Stagnation und Perspektivenlosigkeit führte vor allem bei den jungen Polen zu Unzufriedenheit. Die im Dezember 1948 gegründete PZPR trennte sich in dieser Zeit in zwei Gruppen auf, von denen die „Partisanen“ einen grossen Einfluss auf die Richtungsänderungen im Land hatten.

[...]


[1] Kommunistische Partei der Sowjetunion

[2] sowjetischer Politiker. Vorsitzender der KGB von 1958 bis 1961.

[3] Parteichef der KPdSU von 1953 bis 1964

[4] Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zur Zeit des Ost-West-Konflikts 1937. Teilnehmer waren 35 Staaten, darunter die USA, Kanada und die Sowjetunion.

[5] tschechoslowakischer Politiker und Leitfigur des Prager Frühlings 1968

[6] Bemühungen der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei unter Alexander Dubcek, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen. Der Versuch wird durch militärische Gewalt am 21. August 1968 niedergeschlagen.

Abgerufen am 11. März 2013: http://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Fr%C3%BChling

[7] Polnische Vereinigte Arbeiterpartei

[8] Todeskampf

Abgerufen am 11. März 2013 von Duden: http://www.duden.de/suchen/dudenonline/agonie

[9] modus vivendi = Form eines erträglichen Zusammenlebens zweier oder mehrerer Parteien [ohne Rechtsgrundlage] (Duden, 2013)

[10] Vor allem die linkssozialistische Partei PPS (Polnische Sozialistische Partei)

[11] PZPR = Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVPA, deutsche Abkürzung) polnisch: Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (Wikipedia, 2013)

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Solidarnosc. Der Einfluss der "polnischen Revolutionsbewegungen" auf das kommunistische System der Sowjetunion
Hochschule
Pädagogische Hochschule St. Gallen
Autoren
Jahr
2013
Seiten
48
Katalognummer
V212779
ISBN (eBook)
9783656418283
ISBN (Buch)
9783656419464
Dateigröße
750 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
solidarnosc, einfluss, revolutionsbewegungen, system, sowjetunion
Arbeit zitieren
Simon Ammann (Autor:in)Angela Schmitz (Autor:in)Murielle Hug (Autor:in), 2013, Solidarnosc. Der Einfluss der "polnischen Revolutionsbewegungen" auf das kommunistische System der Sowjetunion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212779

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