Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orlèans, ist heute nicht nur in der Fachliteratur, sondern auch in der Belletristik und im Film eine der populärsten historischen Figuren. Dieser Umstand ist nicht nur der Tatsache zuzuschreiben, dass die Akten zu ihrem Verurteilungs- und Rehabilitationsprozess ausführlich erhalten sind (wenn auch in den verschiedenen Sprachen teilweise unterschiedlich zu deuten), sondern auch den Mythen um ihre Wundertaten und Visionen sowie ihrer schillernden Persönlichkeit. Sehr oft wird besonders im Film und in der Populärliteratur ein Bild gezeichnet, dass die „Pucelle“ sehr positiv erscheinen lässt: Als eine von Gott erwählte, gerechte, gutherzige Wundertäterin, der letztendlich Unrecht widerfahren ist, als sie als Hexe, Blasphemikerin und Lügnerin verurteilt und verbrannt wurde. Doch stellt sich die Frage, wie Jeanne d’Arc seinerzeit von ihren Gegnern beurteilt wurde, denn nicht nur die Männer, die den Prozess gegen sie führten, waren gegen sie eingenommen und es ist abwegig zu glauben, dass die Verurteilung und der Tod der Jungfrau nur einer gegnerischen Gruppe, bzw. Institution zur Last gelegt werden könnte. Jede gegnerische Partei der Armagnacs – seien es die Burgunder oder die Engländer – und auch jede Institution im Land, die das Wohl der katholischen Kirche fürchten musste – wie etwa die Pariser Universität, die somit um ihr eigenes Wohl fürchten musste -, lieferte ihren Anteil zur Gefangennahme, Verurteilung und Hinrichtung der Pucelle. Aus jeder einzelnen derer Perspektiven ist der Prozess und der Tod Jeannes nachvollziehbar, wenn nicht gar gerechtfertigt, allerdings bleibt es dem Betrachter immer selbst überlassen, ob er die Sichtweise der gegnerischen Parteien annimmt und sie tatsächlich für gerechtfertigt hält, oder ob er sie zwar toleriert, aber sich immer darüber im Klaren ist, dass für jede gegnerische Partei ein politisches oder ideologisches Kalkül dahinter steht, welches immer im Hinterkopf zu behalten ist und aufgrund dessen deutlich wird, warum Jeanne auf diese Art betrachtet wird.
In Anbetracht der Tatsache, dass jede gegnerische Partei ein eigenes Ziel verfolgte und die einzelnen Motivationen zwar sehr unterschiedlich waren, aber dennoch alle zusammen spielten und demnach alle auf die Verurteilung und den Tod der Jungfrau hinaus wollten, soll in dieser Arbeit zwar Jeanne d’Arc im Urteil der gegnerischen Parteien betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Briefe des Duke of Bedford und König Henry VI.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung Jeanne d'Arcs in den Augen ihrer Gegner während des Hundertjährigen Krieges. Sie analysiert die unterschiedlichen Motivationen und Perspektiven der gegnerischen Parteien – Burgunder, Engländer und die Pariser Universität – und wie diese ihre Beurteilung der Jungfrau von Orléans beeinflussten. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie die verschiedenen Akteure Jeanne d'Arc in ihren Berichten und Chroniken charakterisierten und welche politischen oder ideologischen Kalküle hinter diesen Darstellungen standen.
- Die unterschiedlichen Feindbilder Jeanne d'Arcs bei den gegnerischen Parteien
- Die politischen und ideologischen Motivationen der Gegner Jeannes
- Die Rolle von Religion und Aberglaube in der Darstellung Jeannes
- Analyse burgundischer Chroniken als Quelle zur Darstellung der gegnerischen Sichtweisen
- Vergleich der Perspektiven in englischen Briefen und burgundischen Chroniken
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt die Popularität Jeanne d'Arcs in der heutigen Zeit. Sie hebt hervor, dass das gängige Bild einer tugendhaften Heiligen oft von der historischen Realität abweicht. Die Arbeit konzentriert sich auf die Sichtweise der Gegner Jeannes, wobei die Pariser Universität und die Engländer nur begrenzt betrachtet werden, da ersteres nur eine Quelle untersucht wird und letztere wenig Quellenmaterial aufweisen. Der Fokus liegt auf burgundischen Chroniken, die als repräsentativ für die gegnerische Perspektive angesehen werden. Die Arbeit skizziert den methodischen Ansatz, der die Analyse von Briefen des Duke of Bedford und König Heinrichs VI. sowie burgundischer Chroniken umfasst, um die unterschiedlichen Feindbilder Jeanne d'Arcs zu beleuchten.
2. Die Briefe des Duke of Bedford und König Henry VI.: Dieses Kapitel analysiert zwei Briefe, einen von Herzog Bedford und einen von König Heinrich VI. Bedfords Brief an Karl VII. charakterisiert Jeanne als „une femme dèsordonnee et diffamee“, eine zügellose und unehrenhafte Frau, die Männerkleidung trägt und auf abergläubische Weise mit dem Feind in Verbindung steht. Heinrichs Brief, verfasst nach Jeannes Tod, zeichnet ein nüchterneres, aber immer noch negatives Bild. Er bezeichnet Jeanne als Betrügerin, die wider die göttliche Ordnung handelte, Männerkleidung trug und falsche Prophezeiungen machte. Beide Briefe zeigen die drei vorherrschenden Feindbilder: Jeanne als politische Gegnerin, als unehrenhaftes Mannweib und als Hexe. Der Unterschied liegt in dem Grad der Betonung des Aberglaubens; Bedford betont die Hexerei stärker als Heinrich VI., der sich mehr auf Fakten konzentriert.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse der gegnerischen Darstellung Jeanne d'Arcs
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert die Darstellung Jeanne d'Arcs aus der Perspektive ihrer Gegner während des Hundertjährigen Krieges. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der unterschiedlichen Motivationen und Perspektiven der gegnerischen Parteien (Burgunder, Engländer, Pariser Universität) und wie diese ihre Beurteilung der Jungfrau von Orléans beeinflussten. Die Arbeit untersucht, wie Jeanne d'Arc in Berichten und Chroniken charakterisiert wurde und welche politischen oder ideologischen Kalküle dahinter standen.
Welche Quellen werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit basiert auf der Analyse verschiedener Quellen, darunter Briefe des Duke of Bedford und König Heinrichs VI. sowie burgundische Chroniken. Die Pariser Universität und die englischen Quellen werden nur begrenzt betrachtet, da ersteres nur eine Quelle untersucht wird und letztere wenig Quellenmaterial aufweisen. Burgundische Chroniken werden als repräsentativ für die gegnerische Perspektive angesehen.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit befasst sich mit folgenden Themenschwerpunkten: die unterschiedlichen Feindbilder Jeanne d'Arcs bei den gegnerischen Parteien; die politischen und ideologischen Motivationen der Gegner Jeannes; die Rolle von Religion und Aberglaube in der Darstellung Jeannes; die Analyse burgundischer Chroniken als Quelle zur Darstellung der gegnerischen Sichtweisen; und der Vergleich der Perspektiven in englischen Briefen und burgundischen Chroniken.
Wie werden die Briefe des Duke of Bedford und König Heinrichs VI. interpretiert?
Der Brief Bedfords charakterisiert Jeanne als „une femme dèsordonnee et diffamee“ (zügellose und unehrenhafte Frau), die Männerkleidung trägt und abergläubisch mit dem Feind in Verbindung steht. Heinrichs Brief zeichnet ein nüchterneres, aber weiterhin negatives Bild, indem er Jeanne als Betrügerin bezeichnet, die gegen die göttliche Ordnung handelte, Männerkleidung trug und falsche Prophezeiungen machte. Beide Briefe zeigen die drei vorherrschenden Feindbilder: Jeanne als politische Gegnerin, als unehrenhaftes Mannweib und als Hexe. Der Unterschied liegt im Grad der Betonung des Aberglaubens; Bedford betont die Hexerei stärker als Heinrich VI., der sich mehr auf Fakten konzentriert.
Welche Zusammenfassung der Kapitel wird gegeben?
Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt die Diskrepanz zwischen dem heutigen Bild Jeanne d'Arcs und der historischen Realität. Sie erläutert den Fokus auf die gegnerische Perspektive und den methodischen Ansatz der Arbeit. Kapitel 2 analysiert die Briefe von Bedford und Heinrich VI. und deren unterschiedliche, aber übereinstimmende negative Charakterisierungen Jeannes.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit liefert detaillierte Informationen zu den unterschiedlichen Darstellungen Jeanne d'Arcs aus der Perspektive ihrer Gegner, beleuchtet die politischen und ideologischen Hintergründe und zeigt die Rolle von Religion und Aberglaube in der Konstruktion dieser negativen Feindbilder. Die genauen Schlussfolgerungen sind im vorliegenden Auszug nicht vollständig enthalten.
- Arbeit zitieren
- Janina Vahrenholt (Autor:in), 2009, Jeanne d' Arc im Urteil gegnerischer Parteien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212900