„Mittels der Verdichtung der Poesie und der Sachlichkeit der Prosa zeichnet Herta Müller Landschaften der Heimatlosigkeit.“ Mit dieser knappen, aber treffenden Begründung bekam die rumäniendeutsche Autorin Herta Müller 2009 den Nobelpreis für Literatur für ihren Roman „Atemschaukel“ verliehen.[...]
Herta Müller, eigentlich bekannt als Regimekritikerin des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu, hat mit „Atemschaukel“ ein Werk geschaffen, das sich als teilfiktionale Autobiografie beschreiben lassen kann, wobei diese Bezeichnung nicht ganz treffend ist.[...]Es handelt sich also um einen autodiegetischen Erzähler, den die Autorin Müller jedoch auf der Folie des Dichters Oskar Pastior geschaffen hat, mit dem sie, als sie beschloss, einen Roman über die Arbeitslager zu schreiben, Gespräche führte und seine Erlebnisse aufzeichnete. Insofern handelt es sich um seine Biografie – in Kombination mit dem autodiegetischen Erzähler Leopold Auberg, der sozusagen als Pastiors „Alter Ego“ fungiert, könnte man durchaus von einer Autobiografie sprechen - jedoch aus der Feder Herta Müllers. Sie ist es, die den Roman verfasst hat, und zwar nicht nur auf der Basis der Gespräche mit Pastior, sondern auch mit anderen Gulag-Überlebenden.[...].
Inwiefern ihre Arbeit mit Oskar Pastior und dessen Erleben Grundlage des Romans ist, ob man die wahren Erlebnisse Pastiors von Müllers Fiktion trennen kann und wie sich Müllers eigener Stil aufgrund ihrer Erlebnisse ausgeprägt hat, soll in einem ersten Schritt in dieser Arbeit geklärt werden. [...]
In einem nächsten Schritt soll untersucht werden, wie sich die ihr eigene Sprache in „Atemschaukel“ niederschlägt und welche werkimmanenten Besonderheiten auszumachen sind. Auf die zentralen Themen des Werkes und ihre Ausarbeitung soll dabei ein sich durchaus lohnender Blick geworfen werden und anschließend geklärt werden, was in der Begründung des Nobelpreiskomitees mit „Verdichtung“ gemeint sein könnte und wo in Müllers Werk explizite Beispiele dafür zu finden sind. In einem letzten Kapitel soll noch darauf eingegangen werden, ob - ganz im Sinne des Testaments Alfred Nobels – der Literaturnobelpreis berechtigterweise an Herta Müller ging, da im Vermächtnis Nobels durchaus klar festgelegt worden war, welchen Autoren der Preis zukommen sollte. [...] Des Weiteren sollen auch nur deutsche Pressestimmen angeführt werden (Der Spiegel [ebenso Spiegel Online], Die Zeit, Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Rundschau).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fakten und Fiktionen: Oskar Pastior, Herta Müller und wie das Erlebte die Sprache beeinflusst
- Werkimmanente Besonderheiten in Herta Müllers „Atemschaukel"
- Die Konstruktion des erzählten, jedoch unbeschreibbaren Schreckens
- Zentrale Themen
- Hunger
- Arbeit
- Gegenstände
- Heimat und Heimweh
- Verknüpfung und „Verdichtung"
- Nobels Vermächtnis und Erinnerungsdiskurs
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Herta Müllers Roman „Atemschaukel" und der Verleihung des Literaturnobelpreises 2009 an die Autorin. Die Arbeit analysiert die Entstehung des Romans und beleuchtet die Rolle von Oskar Pastior als Inspirationsquelle und die Auswirkungen von Müllers eigener Biografie auf die Sprache und den Stil des Werkes. Zudem wird untersucht, wie die zentralen Themen des Romans, wie Hunger, Arbeit, Gegenstände und Heimat, in der Sprache und der Konstruktion des „Irrlaufs im Kopf" zum Ausdruck kommen. Schließlich werden die Rezeption des Romans im Kontext des Erinnerungsdiskurses und die Berechtigung der Verleihung des Nobelpreises im Lichte von Alfred Nobels Testament diskutiert.
- Die Rolle von Oskar Pastior und Herta Müllers eigener Biografie in der Entstehung des Romans
- Die Analyse der Sprache und des Stils in „Atemschaukel" und die Konstruktion des „Irrlaufs im Kopf"
- Die zentralen Themen des Romans: Hunger, Arbeit, Gegenstände und Heimat
- Die Rezeption des Romans im Kontext des Erinnerungsdiskurses
- Die Berechtigung der Verleihung des Nobelpreises im Lichte von Alfred Nobels Testament
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Roman „Atemschaukel" und die Verleihung des Literaturnobelpreises 2009 an Herta Müller vor. Sie skizziert die Thematik des Romans, die sich mit den Erlebnissen des siebzehnjährigen Leopold Auberg in einem russischen Arbeitslager während des Zweiten Weltkriegs beschäftigt. Die Einleitung erläutert zudem die teilfiktionale Autobiografie des Romans, die auf den Gesprächen der Autorin mit Oskar Pastior und anderen Gulag-Überlebenden basiert.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Fakten und Fiktionen in „Atemschaukel". Es untersucht die Beziehung zwischen Oskar Pastior und Herta Müller und die Auswirkungen ihrer jeweiligen Erfahrungen auf die Sprache des Romans. Das Kapitel analysiert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erlebnissen von Pastior und Müller und zeigt auf, wie diese ihre jeweilige Sprache und ihren Stil prägten.
Das dritte Kapitel widmet sich den werkimmanenten Besonderheiten in „Atemschaukel". Es untersucht die Konstruktion des erzählten, jedoch unbeschreibbaren Schreckens im Roman. Das Kapitel analysiert die Sprache Müllers und die Mittel, die sie einsetzt, um den Schrecken der Lagererfahrungen zu vermitteln. Es geht dabei insbesondere auf die Naivität in den Beschreibungen, die Präzision in der Beobachtung und die besonderen Wortkonstruktionen ein, die den „Irrlauf im Kopf" beim Leser erzeugen.
Das vierte Kapitel beleuchtet die Rezeption des Romans im Kontext des Erinnerungsdiskurses und die Berechtigung der Verleihung des Nobelpreises an Herta Müller. Es analysiert die Kritik am Roman, die insbesondere die Authentizität der Erinnerung und die Darstellbarkeit des Schreckens in Frage stellt. Das Kapitel setzt sich mit den Vorwürfen auseinander, dass Müller sich selbst zur „Aktivistin des Leidens" mache und die wahre Berechtigung dafür nicht habe, da sie keine Gulag-Überlebende sei. Es verteidigt jedoch Müllers „Poetik der erfundenen Erinnerung" und die Bedeutung ihrer Arbeit für das Gedenken an die Vergangenheit und die Bewältigung der Gegenwart.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Roman „Atemschaukel", Herta Müller, Oskar Pastior, die Sprache, den Schrecken, den „Irrlauf im Kopf", den Hunger, die Arbeit, die Gegenstände, die Heimat, den Erinnerungsdiskurs, den Literaturnobelpreis und Alfred Nobels Testament. Die Arbeit untersucht die Entstehung des Romans, die Rolle von Pastior und Müllers eigener Biografie, die zentrale Thematik des Romans, die Rezeption im Kontext des Erinnerungsdiskurses und die Berechtigung der Verleihung des Nobelpreises.
- Quote paper
- Janina Vahrenholt (Author), 2013, Herta Müllers „Atemschaukel“ und der Literaturnobelpreis 2009, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212908