Der spanische Jakobsweg im Spiegel der Selbst- und Fremdwahrnehmung Spaniens


Magisterarbeit, 2011

89 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

A.Die Entwicklung des Jacobuskultes und seine Funktionen in Spanien und Europa von der Geschichte bis zur Gegenwart – Ein theoretischer Abriss
1.0 Die Ursprünge des Jacobuskults
1.1 Jacobus in der Bibel
2 Die Jacobuslegende
2.0 Die Ausbreitung des Jacobuskults in Europa durch das LiberSancti Jacobiund dieLegenda Aurea
2.1 Das Jakobsbuch (LiberSancti Jacobi)
2.2 Das 13. Jahrhundert und dieLegenda Aurea
2.2.1 Die ikonographische Darstellung des Hl. Jacobus als Pilger im 13. Jahrhundert
2.3 Zusammenfassung
3.0 Der Ausbau des Hl. Jacobus zu einem „Politischen Heiligen“ : Die politische und ökonomische Instrumentalisierung des Jacobuskults (von der Reconquista bis zum Franco-Regime)
3.1 Die politische Funktion des Hl. Jacobus in der Reconquista (711-1492)
3.2 Die Bedeutung Compostelas für die Kirchenpolitik Diego Gelmírez
3.3 Zwischen Sinnsuche und Kommerz – Das Geschäft der Katholischen Kirche mit dem Jacobuskult
3.3.1 DieVotos de Santiago
3.3.2 Die Patronatsstellung des Hl. Jacobus im 17. Jahrhundert
3.4 Die Funktion des Hl. Jacobus und des Jakobsweges im Franco-Regime (1939-75)
4.0 Postfranquistische Versuche der Integration Spaniens in Europa
4.1 Der Jakobsweg als erste Europäische Kulturstrasse und UNESCO-Weltkulturerbe
4.2 Gegenwärtige Tendenzen einer Säkularisierung und Kommerzialisierung des Jakobsweges
4.3 Touristische Vermarktungsstrategien des Jakobsweges am Beispiel desXacobeos
4.3.1 DerPlan Xacobeo
4.4 Überlegungen zum Jakobsweg als kulturtouristisches Produkt

B.Analyseder Selbstdarstellung Spaniens am Beispiel der Berichterstattung über denXacobeo2010 inEl PaísundEl Mundo
1.0 Zielsetzung
2.0 Besonderheiten der spanischen Printmedien
3.0 El País
3.1 PRISA
3.2 Allgmeine Aspekte der Berichterstattung inEl País
3.3 Der Jakobsweg als Element der spanischen Tradition
3.4 Fortschreitende Kommerzialisierungstendenzen
3.5 Der Jakobsweg als europäisches Kulturgut
3.6 Die religiöse Bedeutung desXacobeosin Europa
3.7 Zusammenfassung : Das Spanienbild inEl País
4.0 El Mundo
4.1 Unidad Editorial
4.2 Allgemeine Aspekte der Berichterstattung inEl Mundo
4.3 Spanien und derXacobeoim Fokus Europas
4.4 DerXacobeo- Eine galicische oder spanische Angelegenheit?
4.5Campaña de sensibilación
4.6 Der Jakobsweg -Un lugar de Encuentro
4.7 Verlust der religiösen Wurzeln in Spanien
4.8 Zusammenfassung : Das Spanienbild inEl Mundo

C.Ergebnisse/ Kritik
1.0 Die Selbstdarstellung Spaniens über den Jakobsweg im Vergleich
1.1 Parallelen zwischen den historischen und gegenwärtigen Funktionen des Jacobuskults
1.2 Der Hl. Jacobus als Patron Spaniens
2.0 Der Jakobsweg als Versuch der Stiftung einer Europäischen Identiät

Abschließende Betrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

In der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2007 beschäftigte den Autor eines Artikels die Frage:

„Hat Hape Kerkeling den Jakobsweg ruiniert?“1

Es geht um das Unverständnis, welches der spanische Gemischtwarenhändler Javier den deutschen Pilgern entgegenbringt. Javiers Geschäft liegt in der Stadt Santo Domingo de la Calzada, welche tagtägich von Jakobspilgern auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela durchquert wird. Der Händler berichtet, dass die meisten deutschen Pilger in seinem Geschäft nichts kaufen sondern lediglich die Decke anstarren würden. Schließlich klärte man ihn darüber auf, dass der Grund dafür in dem Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling liegen würde. In diesem erzählt Kerkeling nicht nur von seinen Erlebnissen auf dem Jakobsweg sondern beschreibt auch detailliert Land- und Ortschaften. So vermuten die deutschen Pilger anscheinend, dass es sich bei Javiers Laden um ein bestimmtes Geschäft handelt, welches Kerkeling un seinem Buch beschreibt. Mit 2,2 Mio. verkauften Exemplaren zählt „Ich bin dann mal weg“ zu den erfolgreichsten deutschen Sachbüchern. Kurze Zeit nachdem das Buch 2007 erschien, strahlte ein deutscher TV-Sender eine Serie aus, in welcher Prominente bei ihrer 12-tägigen Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg von Fernsehkameras begleitet wurden. Das Format ähnelte sehr dem „Big Brother“- Prinzip und gestaltete den Jakobsweg regelrecht zu einer Art Theaterkulisse um.2 Der historische Pilgerweg, dessen Pfade zur Heiligen Grabstätte des Apostels Jacobus in die Kathedrale von Santiago de Compostela führen, scheint in Deutschland unlängst zum Schauplatz von Anekdoten und menschlichen Dramen zweckentfremdet zu werden.

Innerhalb der Forschungsliteratur hat sich der Camino de Santiago zu einem interdisziplinären Thema entwickelt. Verschiedene Wissenschaften wie etwa die Soziologie, Ökonomie, Theologie, Kunstgeschichte, Ethnographie, Geographie, Literatur- und Musikwissenschaft oder die Politik unterziehen sowohl den Camino als auch den mit ihm verbundenen Kult um den Hl. Jacobus ihren jeweils eigenen Betrachtungen.

Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe den Jakobsweg als eine Art politisches und kulturelles Medium zwischen Spanien und Europa in den Blick zu nehmen. Im Speziellen ist zu fragen, welche Rolle der Jakobsweg für die Selbstdarstellung- und wahrnehmung Spaniens in Europa spielt. Da der Camino de Santiago lediglich ein Phänomen des europaumgreifenden Jacobuskults darstellt, wird es nicht ausschließlich um den Camino de Santiago (als Pilgerweg) gehen. Auch andere Aspekte wie etwa der Heilige Apostel Jacobus, die Stadt Santiago de Compostela oder der Xacobeo verbinden sich zu Elementen, welche sowohl innerhalb der Geschichte Spaniens als auch in der Gegenwart eine bedeutende Rolle spielen.

Die Arbeit gliedert sich in drei große Themenkomplexe:

Der erste Teil (A) konzentriert sich auf die Entwicklungen des Jacobuskults in Spanien. Dabei wird nicht nur die Ausbreitung des Kults in Europa in den Blick genommen, welche vornehmlich durch schriftliche Zeugnisse vorangetrieben wurde. Überdies wird auch die systematische politische Instrumentalisierung und Kommerzialisierung Jakobsweges verfolgt, wobei sich die Betrachtungen auf die drei historischen Epochen der Reconquista, des Franco-Regimes und der Postfranquistischen Epoche konzentrieren.

Im zweiten Teil (B) erfolgt eine Analyse der gegenwärtigen Darstellung des Jacobuskults und des Jakobsweges in den spanischen Printmedien. Exemplarisch sollen dabei die Berichterstattungen der El País und der El Mundo über den Xacobeo 2010 untersucht werden.

Der dritte Teil (C) fasst das gewonnene Bild des Jakobsweges und Spaniens, welche sich aus den Untersuchungen ergibt zusammen und zieht Parallelen zur

Geschichte des Jacobuskults. Zudem wird eine Diskussion über den Gewinn einer kollektiven europäischen Identität mithilfe des Caminos eröffnet. Aufgezeigt werden soll ferner, wie der Kult um den Hl. Jacobus seit seinen Anfängen im Mittelalter aufgrund politischer Motive sukzessiv säkularisiert und zu einem europaweiten Phänomen ausgebaut wurde. Da „[d]ie Verehrung des Hl. Jacobus und seiner vermeintlichen Grabesstätte in Santiago de Compostela seit den Anfängen im neunten Jahrhunderts niemals eine ausschließlich spanische Angelegenheit blieb, sondern [...] darüber hinaus auf die weiteren europäischen

Länder [wirkte]“3, kann man im eigentlichen Sinne nicht von einer

Fremdwahrnehmung Spaniens durch Europa sprechen. Spanien bezog Europa von Anfang an in den Kult um den Hl. Jacobus ein. Insofern galt auch der Jakobsweg innerhalb der europäischen Wahrnehmung zu keiner Zeit als etwas

„Fremdes“ sondern es verband sich mit ihm immer auch ein Teil der europäischen Geschichte. Als solcher wird er gegenwärtig vornehmlich innerhalb der Europäischen Union dargestellt mit dem Ziel der Schaffung einer kollektiven europäischen Identität. Der Hl. Jacobus entwickelt sich vom spanischen Landespatron sukzessiv zur Identifikationsfigur Europas.

A. Die Entwicklung des Jacobuskultes und seine Funktionen in Spanien und Europa von der Geschichte bis zur Gegenwart – Ein theoretischer Abriss

1.0 Die Ursprünge des Jacobuskults

Wo Gott, angerufen oder unangerufen, durch besondere Gnaden sich offenbarte, oder wo Christus der Herr vorzüglich weilte und wirkte, oder eine ausgezeichneter Freund Gottes lebte oder ruht, dorthin trieb die Verehrung und das Zutrauen das gläubige Volk zu inbrünstigem Gebete.4

Der Kult um den Apostel Jacobus entwickelte sich auf religiöser Grundlage, da man seinen Ursprung bereits in Bibel ausmachen kann. Die weltweite Rezeption der Bibel kann jedoch die Ausbreitung des Kultes nicht allein gefördert haben. Jeder Kult braucht Umstände, die ihn bedingen. Im Folgenden sollen verschiedene Faktoren dargestellt werden, welche die Ausbreitung des Jacobuskults in Europa gefördert haben. Dazu gehören etwa die biblischen Darstellungen des Apostels, die Verbeitung der jakobinischen Legenden durch das Liber Sancti Jacobi und die Legenda Aurea, aber auch die politische Funktion des Hl. Jacobus zur Zeit der Reconquista, im und nach dem Franco- Regime.

1.1 Jacobus in der Bibel

Um Missverständnisse im Vorfeld zu vermeiden, gilt es festzuhalten, dass in den neutestamentlichen Schriften zwei verschiedene Personen mit dem Namen Jacobus erwähnt werden: Jacobus - der Zebedaide und Jacobus – der

Herrenbruder. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Zebedaiden Jacobus.

Eine erste Erwähnung Jacobi findet sich bei Mt 4,18-22. Dabei wird Jacobus, Sohn des Zebedäus und der Salome, zusammen mit seinem Bruder Johannes als einer der ersten Jünger genannt, welche von Jesus berufen wurden. Auch das zweite Evangelium kennt Jacobus, neben Petrus und Johannes zum Kern des Zwölferkreises Jesu (Mk 1,16-20) zugehörig. Als Zeuge der Epiphanie (Mk 9,2-10) und der Auferstehung (Mt 28) stand er Jesus am nächsten. Im Evangelium nach Lukas gehörte Jacobus zum Kreis der 70 Jünger. Diese erhielten wie auch bei den matthäischen und markinischen Zwölf durch Jesus die Macht Dämonen auszutreiben und wurden ausgesandt um alle Kanken und Besessenen zu heilen. Obwohl die Jüngerzahlen abweichen, weisen sie beide eine symbolische Bedeutung auf. Der Zwölferkreis repräsentiert die zwölf Stämme Israels. Der Siebzigerkreis erinnert an die 70 Völker der Welt. Die Aussendung der Jünger symbolisierte die Verbreitung des Evangeliums in der ganzen Welt. Erst nach ihrer Rückkehr wurden die Jünger als Apostel bezeichnet (Mk 6,30). Jacobus zeigt sich wie auch die anderen Apostel als vorbildlich im Glauben und in der Nachfolge Jesu. Er verlässt seine Eltern und Alle, die er kennt, trennt sich von all seinem Besitz und folgt Jesus bedingungslos nach (Mk 1,20). Er gilt somit als Modelljünger und Vorbild für die Glaubenden. Vom weiteren Wirken des Apostels erfährt man an anderen Stellen des Neuen Testaments nichts Genaueres. Lediglich in der Apostelgeschichte wird er an zwei Stellen nochmals erwähnt. Im Rahmen der Himmelfahrtsgeschichte erhält er zusammen mit den verbliebenen zehn Jüngern von Jesus den Auftrag das Evangelium in alle Welt hinaus zu verkünden (Apg 1,9-11). Die letzte Erwähnung des Jacobus findet sich im Zusammenhang mit seinem Tod. Apg 12,1-5 berichtet von der Enthauptung des Apostels auf Befehl des Königs Herodes Agrippa I. im Jahr 44 n.Chr. Vom missionarischen Wirken des Jacobus zwischen Himmelfahrt und Tod fehlt im Neuen Testament jegliche Spur.

1.2 Die Jacobuslegende

Außerbiblische Informationen zur Mission und Passion des Apostels finden sich erst ab dem siebten Jahrhundert im Rahmen der Jacobuslegende. Dieser nach soll der Hl. Jacobus nach Jesu Himmelfahrt auch im heutigen Spanien gepredigt und missioniert haben. Nach seinem Tod sei sein Leichnam von den Jüngern nach El Padrón gebracht und in Compostela beigesetzt worden. Nachdem jedoch mehr und mehr Galicier zum Heidentum rekonvertierten, geriet das Grab lange Zeit in Vergessenheit.5 Erst Karl der Große erhielt zu Beginn des neunten Jahrhunderts „[...] im Traum den Auftrag [...] das Grab wiederzuentdecken und die Sarazenen aus Spanien zu vertreiben, um den Weg zum Hl. Jacobus zu befreien.“6 Den Ursprung der Legende sieht H. Röckelein in der lateinischen Übersetzung der griechisch-byzantinischen Apostelakten aus dem siebten Jahrhundert - dem Breviarum Apostolorum.7 In diesen sei erstmals die Rede von einer missionarischen Tätigkeit des Apostels auf der Iberischen Halbinsel. Die Nachricht über das apostolische Wirken breitete sich von Nordafrika über ein Jahrhundert lang nach Europa aus. In Spanien selbst wird die Missionstätigkeit des Apostels auf der Iberischen Halbinsel erstmals im achten Jahrhundert von Beatus von Liébana schriftlich fixiert.8 Die Translation des Leichnams nach Compostela findet hingegen erstmals um 1000 n. Chr. in einer Handschrift aus St. Martial in Limoges Erwähnung.9 Bis ins 12. Jahrhundert hinein wurde die Jacobuslegende um die Entdeckung des Apostelgrabes durch Karl den Großen erweitert, wozu das Liber Sancti Jacobi maßgeblich beitrug. Mit diesem und der Legenda Aurea wurde der Jacobuskult ab dem 12. Jahrhundert erstmals in ein europaweites Stadium transferiert.

2.0 Die Ausbreitung des Jacobuskults in Europa durch das Liber Sancti Jacobi und die Legenda Aurea

2.1 Das Jakobsbuch (Liber Sancti Jacobi) – der erste Pilgerführer

Das Jakobsbuch gilt als die bedeutendste Handschriftensammlung des 12. Jahrhunderts und befindet sich derzeit im Kathedralarchiv von Santiago de Compostela. In Spanien ist sie auch unter der Bezeichnung „Códice Calixtino“ bekannt, da Papst Calixtus II. als Autor des Werkes angenommen wurde. Heute sind sich Historiker hingegen sicher, dass es sich dabei um ein

pseudepigraphisches Schreiben10 handelt. Anstelle des Papstes gilt der französische Romanist Joseph Bediér als Autor und Kompilator des Werkes, welches er Liber Sancti Jacobi nannte.11 K. Herbers setzt die Entstehungszeit des Jakobsbuches in der Compostelaner Fassung zwischen 1140 und 1150 an und verweist auf Frankreich als Verfassungsort.12 Obwohl man heute um die Pseudepigraphie des Schreibens weiß, soll die päpstliche Autorenschaft im Jakobsbuch bereits auf der ersten Seite mit einer Miniatur Calixto und einem folgenden Papstbrief bezeugt werden. Dieser Brief gibt vornehmlich die Entstehungsgeschichte des Werkes wieder. Darin erläutert Calixtus, dass er bereits als Schüler den Hl. Jacobus verehrte und es sich zur Aufgabe machte, alles über den Hl. Apostel zu sammeln. Dafür begab er sich auf zahlreiche Reisen, welche von vielen Gefahren überschattet wurden. Es gelang ihm jedoch sich stets mitsamt seinem Buch zu retten.13 Das Liber Sancti Jacobi enthält insgesamt fünf Bücher, die allesamt in direkter oder indirekter Verbindung zum Apostel Jacobus und seiner Grabesstätte in Santiago stehen: Neben dem päpstlichen Schreiben umfasst das erste Buch eine Sammlung von Predigten und liturgischen Texten.

Das zweite Buch stellt eine Art Mirakelsammlung dar und berichtet von diversen Wundern, welche der Apostel vollbracht haben soll. K. Herbers misst diesem Buch eine funktionale Bedeutung bei:

Mit einer solchen Mirakelsammlung beabsichtigte man nicht nur, die Ehre und das Lob des Heiligen allgemein zu mehren, sondern auch zum Besuch seines Heiligtums anzuregen.14

Im zweiten Buch finden sich erstmals schriftliche Hinweise auf eine europaweite Ausbreitung des Jacobuskults, denn „[i]m Prolog werden Galicien, Deutschland, Italien, Ungarn und Dazien als Fundorte für die aufgezeichneten Wunder erwähnt; aus den Geschichten selbst ergeben sich freilich Italien, Deutschland und Frankreich, insbesondere Südfrankreich als Zentren der Jacobusverehrung.“15

Das dritte Buch stellt sowohl strukturell als auch inhaltlich die Mitte der jakobinischen Sammlung dar. Es berichtet hauptsächlich von der Überführung des Leichnams nach Santiago de Compostela mit dem Ziel die leibliche Präsenz des Apostels an diesem Ort zu beweisen.16

Das vierte Buch ist auch unter dem Namen „ Pseudo-Turpin “ bekannt und nimmt eine Sonderstellung innerhalb des Sammelwerkes ein, da es nicht Calixtus II sondern dem Erzbischof Turpin von Reims (748-94) zugeschrieben wird. Es beschreibt ausführlich, wie der Apostel dem fränkischen König Karl dem Großen im Traum erschienen sei und ihn aufforderte „[...] der Sternenstrasse nach Galizien, von der er zuvor schon mehrmals geträumt habe, zu folgen und die heidnischen Sarazenen in Nordspanien zu bekämpfen um so den Weg zu seinem Grab zu befreien.“17 Im Gegenzug wolle der Heilige Apostel Karl für seine zukünftigen Untenehmungen göttlichen Beistand anfordern. Auf diese Vision hin begab sich der Herrscher unverzüglich auf den Weg nach Spanien. In der weiteren Erzählung wird von einem Wunder bei der Eroberung Pamplonas (778 n.Chr) berichtet. Nachdem die Stadt vom karlinischen Heer über drei Monate hin belagert wurde, kamen die Mauern Pamplonas erst auf ein Gebet Karls hin im wahrsten Sinne des Wortes zum Einsturz. Karl sah den Sieg nur aufgrund des apostolischen Beistandes errungen. Nachdem ihm sein weiterer Weg bis nach Santiago de Compostela führte, fand er das Grab des Apostels auf.18 Der Hl.

Jacobus wird in diesem Buch erstmals als geistesgegenwärtiger Schlachtenhelfer dargestellt. Dieses Bild des Apostels resultierte, wie sich noch zeigen wird, vorrangig aus der Reconquista.

Das fünfte und letzte Buch des Liber Sancti Jacobi stellt eine Anleitung für die Wallfahrt zum Grab des Apostels dar und wird daher auch als (erster) Pilgerführer bezeichnet.19 Es enthält Beschreibungen von Ortschaften und Kirchen, Ratschläge und Vorschriften, wie etwa das Aufstellen eines Kreuzes in Roncesvalles. Obwohl die genauen Motive der Handschriftensammlung unklar bleiben, lässt sich vermuten, dass der Autor und Kompilator des Liber Sancti Jacobi das Ziel einer Neugestaltung der Jacobsliturgie verfolgte.20 Das Liber Sancti Jacobi scheint aus mehreren Gründen bedeutend für die Entwicklung des Jacobuskults zu sein: Zum einen wird in ihm erstmals in schriftlicher Form die religiös-sakrale Bedeutung des Hl. Jacobus mit einer Pilgerfahrt zum Grab des Apostels vereint. Zum Anderen ist die Entstehung des Jakobsweges und der spätere Ausbau des Streckennetzes vor Allem auf die Beschreibungen des fünften Buches zurückzuführen. Zudem ermöglichte es die volkstümliche Popularität des Jakobsbuches, dass der Kult um den Apostel im gesamten westlichen Europa verbreitet wurde. Zu einem regelrechten Pilgerboom in Europa führte neben diesem Umstand auch die von Papst Kalixtus III.

[...]


1 Reng, R. Unter: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/4245/

2 Ebd.

3 Herbers, K.; 1991 : 8

4 Grün, A.; 1845 : 3

5 Herbers, K.; 1995: 11

6 Ebd.

7 Claqué, B; 2005 : 180

8 Siehe im Folgenden: A Kap. 3.0

9 Claqué, B.; 2005 180

10 Unter einem pseudepigraphischen Schreiben versteht man ein Dokument, welches vorgeben soll von einer bekannten Persönlichkeit verfasst worden zu sein. Als ein Beispiel dafür lassen sich die Deuteropaulinen (unechte Paulusbriefe) anführen (Erkenntnisse aus dem theologischen Seminar „Bibelkunde“ MLU Halle-Wittenberg; SoSe 2010)

11 Herbers, K.; 1995 : 29

12 Ebd.

13 Ebd. 19f.

14 Herbers, K.; 1995 : 22

15 Ebd.

16 Ebd. : 23

17 Swinarski, U.; 1991: 329

18 Swinarski, U.; 1991 : 330

19 Herbers, K.; 1995: 23

20 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Der spanische Jakobsweg im Spiegel der Selbst- und Fremdwahrnehmung Spaniens
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Hispanistik
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
89
Katalognummer
V213140
ISBN (eBook)
9783656410492
ISBN (Buch)
9783656412458
Dateigröße
710 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
jakobsweg, spiegel, selbst-, fremdwahrnehmung, spaniens
Arbeit zitieren
Dominique Behlau (Autor:in), 2011, Der spanische Jakobsweg im Spiegel der Selbst- und Fremdwahrnehmung Spaniens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213140

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