Die Begriffskonstruktion des „Hinduismus“ ist besonders faszinierend, da der Begriff des Hinduismus sehr irreführend ist. Dieser Begriff steht hierbei nicht für eine homogene Religion, sondern für eine Vielzahl von verschiedenen Religionen. Da die Briten die ersten waren, die sich als Europäer längerfristig auf dem indischen Subkontinent ansiedelten und die Geschichte des Landes über mehr als 300 Jahre entscheidend prägten und beeinflussten, stellte sich mir zwangsläufig die Frage, wie die Briten mit den vielen verschiedenen Religionen des Hinduismus umgingen und diese betrachtet haben. Wie gingen die Briten also mit dem Land und ihrer Religion um, als sie versuchten, einen Kolonialapparat zu installieren und die Bevölkerung Indiens bestimmten Religionen zuzuordnen, um einen Überblick über die religiöse Landschaft in Indien zu bekommen? Waren die Briten die „Erfinder“ des Hinduismus in religiöser Hinsicht? In dem folgenden Essay werde ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen und eine Antwort auf die Fragestellung „Indien und der Begriff des „Hinduismus“. Erfanden die Briten den Hinduismus?“ abwägen und die Bedeutung des christlichen Kulturkreises, besonders der Briten verdeutlichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mir persönlich ist der Hinduismus eine unbekannte Religion gewesen, mit der ich nie in Berührung kam. Umso mehr interessierte ich mich innerhalb des Studiums der Religionswissenschaft für etwas vollkommen Neues, was ich kennen lernen wollte, um meinen Horizont zu erweitern. Da mein 1. Fach, welches ich studiere, Geschichte ist, war für mich klar, dass ich mich mit der Geschichte des Hinduismus befasse, wobei die Begriffskonstruktion des „Hinduismus“ mich besonders faszinierte, da der Begriff des Hinduismus sehr irreführend ist. Dieser Begriff steht hierbei nicht für eine homogene Religion, sondern für eine Vielzahl von verschiedenen Religionen. Da die Briten die ersten waren, die sich als Europäer längerfristig auf dem indischen Subkontinent ansiedelten und die Geschichte des Landes über mehr als 300 Jahre entscheidend prägten und beeinflussten, stellte sich mir zwangsläufig die Frage, wie die Briten mit den vielen verschiedenen Religionen des Hinduismus umgingen und diese betrachtet haben. Wie gingen die Briten also mit dem Land und ihrer Religion um, als sie versuchten, einen Kolonialapparat zu installieren und die Bevölkerung Indiens bestimmten Religionen zuzuordnen, um einen Überblick über die religiöse Landschaft in Indien zu bekommen? Waren die Briten die „Erfinder“ des Hinduismus in religiöser Hinsicht? In dem folgenden Essay werde ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen und eine Antwort auf die Fragestellung „Indien und der Begriff des „Hinduismus“. Erfanden die Briten den Hinduismus?“ abwägen und die Bedeutung des christlichen Kulturkreises, besonders der Briten verdeutlichen.
2. Hauptteil
Entgegen dem Glauben, dass der Begriff des „Hinduismus/Hindu“ durch die Briten geschaffen wurde, waren die Briten nicht die ersten, die diesen Begriff benutzten um die Einwohner Indiens zu benennen. Der Begriff des „Hindus“ fand sich bereits vor dem Ankommen der Briten in Indien. So bezeichneten bereits die Perser um 500 v. Chr. die in Indien lebenden Menschen zu Verwaltungszwecken als „Hindus“. Zu dieser Zeit allerdings bezog sich der Begriff nicht auf die Religion, sondern auf die geographische Lage der Inder. Diese lebten vor allem im fruchtbaren Gebiet des Indus und wurden deshalb, der Lage ihres Lebensraums nach als „Hindus“ bezeichnet. Der Begriff des „Hindus“ ist somit kein vollkommen neuer, im Gegenteil, er ist bereits vor fast 2000 Jahren benutzt worden, lange bevor die Briten oder eine andere westliche Zivilisation einen Fuß auf den indischen Subkontinent setzte. Da die Perser im 6. Jahrhundert vor Christus das Wort „Hindu“ jedoch nicht mit Bezug auf die Religion benutzten, kann gesagt werden, dass die Ursprünge des Wortes als wertfrei zu bezeichnen sind, was die religiöse Konnotation betrifft, die vor allem in der westlichen Welt heutzutage vorherrscht.
Nach den Persern waren die muslimischen Herrscher die nächsten „Fremden“, die das Land der Inder besetzten und ebenfalls das Wort „Hindu“ benutzten. Wiederum war der Begriff des „Hindus“ kein Begriff, der sich mit der Religion verband. Dieser wurde wieder als Bezeichnung der ansässigen Bevölkerung benutzt und diente weiterhin als Abgrenzung zur herrschenden Volksgruppe der Muslime.
In früher Zeit wurde der Begriff des „Hindus“ also vollkommen wertfrei gegenüber der Religion der Inder benutzt, der „Hinduismus“ und was wir heute darunter verstehen, existierte in dieser Form nicht. Es war ein Wort, dass die Bevölkerung Indiens zu anderen abgrenzte, am ehesten kann der Begriff mit den Bezeichnungen „Deutscher“ oder „Franzose“ verglichen werden. Doch, wie kam es dazu, dass mit dem Wort des „Hinduismus“ auch die Religion bezeichnet wurde? In den Texten des Hinduismus, weder in der Bhagavadgita, noch das Ramayana oder andere vedische Texte beinhalten die Beschreibung ihrer Anhänger als „Hinduisten/Hindus“. David Lorenzen zitierte hierzu Harjot Oberoi, der folgendes sagte:
„It is most striking that people we now call Hindus never used this term to describe themselves. The Vedas, the Ramayana and the Bhagavad Gita, which today are seen by many as the religious texts of the Hindus, do not employ the word Hindu. [...]”[1]
Dass selbst die wichtigsten Werke der heutigen Religionsform des „Hinduismus“ keine Definition ihrer Anhänger abgeben, vor allem nicht das Wort „Hinduismus“ benutzen, legt den Schluss nahe, dass der Hinduismus-Begriff mit der Religion an sich vor dem Erscheinen der Briten nichts zu tun hat. Dieser war zwar eine Bezeichnung der in Indien lebenden Menschen, aber nicht der Religion, die in Indien praktiziert wurde. Der religiöse Kontext des Begriffes muss demnach später, mit der Kolonisation Indiens durch die Europäer und besonders der Briten entstanden sein, andernfalls würden sich bereits frühere Hinweise finden lassen, die auf eine solche Benutzung hinweisen, zum Beispiel in den bereits genannten Nationalepen oder in den Veden.
Die Briten waren jedoch nicht die ersten Europäer in Indien, bereits vor den britischen Kolonisten kamen christliche Missionare, um genauer zu sein Jesuiten, in das Land, die sich erstmals auch mit der Religion der Inder beschäftigt haben. Durch ihre Erfahrung mit religiösen Texten und Religion an sich waren sie in der Lage die verschiedenen Formen der Religionen im indischen Subkontinent klar und deutlich zu beschreiben, jedoch vermieden auch sie die Benutzung des Wortes „Hinduismus“ und nannten sie, wie zum Beispiel Marco della Tomba, „Gentili“. In den Arbeiten der christlichen Missionare, zeichnet sich das Bild ab, dass die Missionare die Religion der Inder, beziehungsweise die Religionen, nicht auf die in den westlichen Kreisen bekannten Religionen, wie das Christentum, das Judentum und den Islam, übertragen werden können. Da der „Hinduismus“ im Gegensatz zu den eben genannten Religionen keinen festgelegten Kanon hat, keine leitende Institution und in sich selbst sehr unterschiedlich ist, war es den Missionaren nicht möglich eine Definition der verschiedenen indischen Religionen zu finden und zeigt die, aus eurozentrischer Sichtweis, Nonkonformität der indischen Religionen.
[...]
[1] Zitiert nach: David N. Lorenzen: Who invented Hinduism?, in: Comparative Studies in Society and History, Vol. 41, No. 4, S. 633.
- Arbeit zitieren
- Christoph Kohls (Autor:in), 2011, Erfanden die Briten den "Hinduismus"?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213206