[...] Die außerordentlich bedrückende Lage, daß zunehmend Kinder und
Jugendliche sich zu Übergriffen auf Ausländer hinreißen lassen
und Gefahr laufen, rechtsextreme Konzepte zu übernehmen,
gebietet geradezu eine Veränderung des Blickwinkels. In der weiteren Betrachtung dürfen nicht nur die bisherigen
Opfer, sondern müssen vielmehr die Täter und Tatursachen im
Zentrum des Interesses stehen, und das gerade, weil es gilt, die
Opfer zu schützen und rechtsradikale Gewalt zu stoppen.
Das grundsätzliche Ignorieren und Ausgrenzen von Jugendlichen
mit derartigen Orientierungen ist ein sträflicher Fehler. Die
Ausgrenzung gerade der Jugendlichen, deren Einstellungen sich
noch nicht verfestigt haben und die noch für pädagogisches
Handeln erreichbar sind, würde die Situation unbedingt
verschärfen. Obwohl Gefahr im Verzuge ist, wäre an dieser Stelle
falscher Aktionismus, der vermeintliche Handlungsfähigkeit
signalisiert und doch nur planloses und unkoordiniertes
Reagieren darstellt, unangemessen.
Rufe nach verschärfter Heimerziehung und einer verschärfenden
Novellierung des Jugendgerichtsgesetzes werden laut und spiegeln
doch nur die Kurzsichtigkeit und Überforderung der Menschen
wieder. Gerade angesichts der derzeitigen Exzesse erfordert die
Situation eine genaue und zutreffende Problem- und
Ursachenanalyse, aus der adäquate Interventionsstrategien und
Präventionskonzepte gewonnen werden können.
Die wachsende Zahl involvierter Jugendlicher und gewaltbereiter
Kinder lenkt die Aufmerksamkeit der Wissenschaften auf die
ernstzunehmenden Probleme der Heranwachsenden.
Eine Einordnung des jugendlichen, rechtsextremistischen Handelns
als ein von der Norm abweichendes Verhalten führt zu den
Ergebnissen der Verwahrlosungsforschung, die sich schon seit
langem mit den verschiedenen Ursachen delinquenten Verhaltens
von Jugendlichen beschäftigt.
In dieser Arbeit werden Forschungsergebnisse der Verwahrlosungsund
der Extremismusforschung zusammengeführt, verglichen und
hinsichtlich der Entstehung und der Ausprägung von abweichendem
Verhalten Rückschlüsse auf mögliche Übereinstimmungen und
Zusammenhänge gezogen.
Mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse aus unterschiedlichen
Disziplinen sollen Wirkungs- und Entstehungszusammenhänge
transparent und nachvollziehbar gemacht werden, um so der
Kriminalisierung von Jugendlichen entgegenzuwirken und Zugänge
zu adäquaten Präventionskonzepten anzubieten.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1. BEGRIFFSKLÄRUNG
- 1.1 Begriffliche Grundlagen zum Thema Jugendverwahrlosung
- 1.1.1 Verwahrlosung im allgemeinen Sprachgebrauch
- 1.1.2 Juristische Begriffsbestimmung
- 1.1.3 Pädagogische Begriffsbestimmung
- 1.1.4 Psychologische Begriffsbestimmung
- 1.1.5 Soziologische Begriffsbestimmung
- 1.1.6 Verwahrlosung in Abgrenzung zu den Begriffen: "Handeln", "Dissozialität", "abweichendes Handeln", "Delinquenz", "Abnormität" und "Kriminalität"
- 1.2 Begriffliche Grundlagen zum Themenbereich Rechtsextremismus
- 1.2.1 Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus
- 1.2.2 Ideologische Kernelemente des Rechtextremismus: "Rassismus", "Nationalismus", "Faschismus" und "Antisemitismus"
- 1.2.3 Neonazismus und Neofaschismus
- 2. SYMPTOMATIK VON JUGENDVERWAHRLOSUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN RECHTSEXTREMISTISCHER ORIENTIERUNGEN BEI JUGENDLICHEN
- 2.1 Jugendkulturen mit Berührungspunkten zum Rechtsextremismus
- 2.1.1 Skinheads
- 2.1.2 Fußballfans und Hooligans
- 2.2 Organisierte rechtsextreme Jugendgruppen
- 2.2.1 Bund Heimattreuer Jugend (BHJ)
- 2.2.2 "Wiking-Jugend" (WJ)
- 2.3 Neonazistische Jugendorganisationen, Parteizugehörigkeit
- 2.4 Ein Vergleich der Symptome
- 2.5 Ein Geschlechtervergleich
- 3. THEORIEN ZUR ERKLÄRUNG VON ABWEICHENDEM VERHALTEN
- 3.1 Biologische Theorien
- 3.1.1 Der biologische Ansatz in der Verwahrlosungsforschung
- 3.1.2 Der biologische Ansatz in der Rechtsextremismusforschung
- 3.2 Psychologische Erklärungstheorien
- 3.2.1 Der psychoanalytische Ansatz
- 3.2.1.1 Der psychoanalytische Ansatz in der Verwahrlosungsforschung
- 3.2.1.2 Der psychoanalytische Ansatz in der Rechtsextremismusforschung
- 3.2.2 Das lerntheoretische Erklärungsmodell
- 3.2.2.1 Die Lerntheorie in der Verwahrlosungsforschung
- 3.2.2.2 Der lerntheoretische Ansatz in der Rechtsextremismusforschung
- 3.3 Soziologische und sozialpsychologische Erklärungsansätze
- 3.3.1 Das sozialisationstheoretische Konzept der Rechtsextremismusforschung
- 3.3.2 Die Anomietheorie
- 4. KRISENBEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN
- 4.1 Problembewältigungsversuche durch den Jugendlichen
- 4.1.1 Die Instrumentalisierungsthese
- 4.1.2 Das Phänomen der Gewaltakzeptanz
- 4.1.3 Die Theorie der Bandendelinquenz oder die besondere Bedeutung der Gruppe
- 4.2 Bewältigungsstrategien der Gesellschaft
- 4.2.1 Präventionsansätze in der Verwahrlosungsforschung
- 4.2.2 Therapie und Prävention im Kontext von Kriminaltätstheorien
- 4.2.3 Projekte und Konzeptionen zur Eindämmung rechtsextremistischer Orientierungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit dem Thema Rechtsextremismus und Jugendverwahrlosung und untersucht mögliche Zusammenhänge zwischen diesen beiden Phänomenen. Sie verfolgt das Ziel, die Ursachen und Erscheinungsformen von rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen im Kontext von Verwahrlosung zu erforschen und mögliche Präventionsansätze zu beleuchten.
- Begriffliche Klärung von Jugendverwahrlosung und Rechtsextremismus
- Symptome und Erscheinungsformen von Verwahrlosung und rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen
- Theorien zur Erklärung von abweichendem Verhalten im Kontext von Verwahrlosung und Rechtsextremismus
- Krisenbewältigungsstrategien von Jugendlichen mit rechtsextremistischen Orientierungen
- Präventionsansätze zur Eindämmung von rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema Rechtsextremismus und Jugendverwahrlosung ein und beschreibt die aktuelle gesellschaftliche Situation, die durch zunehmende rechtsextremistische Gewalt geprägt ist. Kapitel 1 klärt die Begriffe Jugendverwahrlosung und Rechtsextremismus und stellt die unterschiedlichen Perspektiven aus Jura, Pädagogik, Psychologie und Soziologie dar. Kapitel 2 beschreibt die Symptome und Erscheinungsformen von Jugendverwahrlosung und rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen, darunter Skinheads, Fußballfans, organisierte Jugendgruppen und Neonazistische Jugendorganisationen. Es wird ein Vergleich der Symptome und ein Geschlechtervergleich durchgeführt. In Kapitel 3 werden verschiedene Theorien zur Erklärung von abweichendem Verhalten im Kontext von Verwahrlosung und Rechtsextremismus vorgestellt. Die biologischen Theorien, psychologischen Erklärungstheorien (psychoanalytischer Ansatz und Lerntheorie) sowie soziologische und sozialpsychologische Erklärungsansätze (Sozialisationstheorie und Anomietheorie) werden diskutiert. Kapitel 4 beschäftigt sich mit Krisenbewältigungsstrategien von Jugendlichen mit rechtsextremistischen Orientierungen und stellt die Instrumentalisierungsthese, das Phänomen der Gewaltakzeptanz und die Theorie der Bandendelinquenz vor. Außerdem werden Bewältigungsstrategien der Gesellschaft und Präventionsansätze zur Eindämmung von rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen beleuchtet. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und Schlussbetrachtung.
Schlüsselwörter
Jugendverwahrlosung, Rechtsextremismus, Rechtsextreme Orientierungen, Jugendkulturen, Skinheads, Fußballfans, Hooligans, organisierte Jugendgruppen, Neonazistische Jugendorganisationen, biologische Theorien, psychoanalytischer Ansatz, Lerntheorie, Sozialisationstheorie, Anomietheorie, Gewaltakzeptanz, Bandendelinquenz, Präventionsansätze.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Haß (Autor:in), 1995, Mögliche Zusammenhänge zwischen Jugendverwahrlosung und Rechtsextremismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21414