Diese Arbeit erörtert die Notwendigkeit des Einsatzes von Marketingstrategien für staatliche Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland.
Familienfreundlichkeit von Hochschulen und die damit einhergehende Vereinbarkeit von Studium und Kind können im Wettbewerb der Hochschulen als Marketinginstrument zur Anwerbung Studierender mit Kind eingesetzt und zur Unique Selling Proposition (USP) der Hochschule werden.
Nachdem einige theoretischen Grundzüge des Hochschulmarketings und den Begrifflichkeiten des modernen Internets erörtert werden, erhält man einen Einblick auf die spezielle Lebenssituation der Zielgruppe „Studierende mit Kind“. Da das Internet die meist genutzte Informationsquelle in Deutschland ist, wird im Anschluss die aktuelle Web-Kommunikation von Hochschulen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Studium und Kind untersucht. Eine Analyse ausgewählter Hochschulwebsites in Bezug auf neun verschiedene Kriterien zur Aufarbeitung und Darstellung von relevanten Informationen für studentische Eltern wird aufzeigen, inwiefern Hochschulen dieses Thema im Wettbewerb um Studierende einsetzen. Aus den sich daraus ergebenden Stärken und Schwächen der untersuchten Websites werden im Anschluss Empfehlungen für eine zielgruppengerechte Web-Kommunikation staatlicher Hochschulen in der Bundesrepublik ausgesprochen.
Inhalt
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Vereinbarkeit von Studium und Kind als Teil des Hochschulmarketings
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Abgrenzung der Themenstellung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Begri11liche und theoretische Grundlagen
2.1 Marketing im Hochschulbereich
2.1.1 Definition und Eingrenzung des Begriffs Hochschule
2.1.2 Ableitung und Definition des Begriffs Hochschulmarketing
2.1.3 Instrumente des Hochschulmarketings
2.2 Die Hochschulwebsite als Marketinginstrument
2.2.1 Definition des Begriffs Website
2.2.2 Bedeutung der Website im Hochschulmarketing
2.3 Die Zielgruppe: Studierende mit Kind
3 Untersuchung der Web-Kommunikation von Hochschulen
3.1 Auswahl der Hochschulen
3.2 Kriterien für die Untersuchung
4 Ergebnisse der Website-Untersuchung
4.1 Angebotsspektrum
4.2 Auffindbarkeit des Angebots
4.3 Bündelung der Informationen
4.4 Qualität der Informationsaufbereitung
4.5 Aktualität der Informationen
4.6 Verantwortlichkeit
4.7 Zielgruppe
4.8 Kommunikationsstrategie
4.9 Information vs. Marketing
4.10 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
5 Emp1ehlungen 1ür zielgruppengerechte Web-Kommunikation
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract
Diese Arbeit erörtert die Notwendigkeit des Einsatzes von Marketingstrategien für staatliche Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland.
Familienfreundlichkeit von Hochschulen und die damit einhergehende Vereinbarkeit von Studium und Kind können im Wettbewerb der Hochschulen als Marketinginstrument zur Anwerbung Studierender mit Kind eingesetzt und zur Unique Selling Proposition (USP) der Hochschule werden.
Nachdem einige theoretischen Grundzüge des Hochschulmarketings und den Begrifflichkeiten des modernen Internets erörtert werden, erhält man einen Einblick auf die spezielle Lebenssituation der Zielgruppe „Studierende mit Kind“. Da das Internet die meist genutzte Informationsquelle in Deutschland ist, wird im Anschluss die aktuelle Web-Kommunikation von Hochschulen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Studium und Kind untersucht. Eine Analyse ausgewählter Hochschulwebsites in Bezug auf neun verschiedene Kriterien zur Aufarbeitung und Darstellung von relevanten Informationen für studentische Eltern wird aufzeigen, inwiefern Hochschulen dieses Thema im Wettbewerb um Studierende einsetzen. Aus den sich daraus ergebenden Stärken und Schwächen der untersuchten Websites werden im Anschluss Empfehlungen für eine zielgruppengerechte Web-Kommunikation staatlicher Hochschulen in der Bundesrepublik ausgesprochen.
This bachelor thesis debates the necessity of adopting marketing strategies for public Universities in Germany. Family-friendly policies of Universities and the higher degree of reconcilability of child and studies that goes along with it, can be used to attract students with children and can even be utilized as a Unique Selling Proposition (USP) in the competition among Universities. After debating the basic theoretical features of University marketing and of concepts of the modern Internet, one gains insight into the unique situation the target group `students with children' find themselves in. Subsequently, the current web communication of Universities in regard to the reconcilability of child and studies will be examined, since the Internet is the number one source of information in Germany. An analysis of the websites of selected Universities, assessed by nine different criteria concerning the development and depiction of relevant information for collegiate parents, will illustrate to what extend this subject-matter is utilized by Universities in the competition to court students. On the basis of the resulting strengths and weaknesses of the analyzed websites, recommendations for a target-group-oriented web communication of public German Universities will be made.
1 Vereinbarkeit von Studium und Kind als Teil des Hochschulmarketings
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in aller Munde. Immer wieder werden neue Gesetze erlassen, die die Deutschen bei der Umsetzung ihrer Familienplanung unterstützen sollen (vgl. BMFSFJ 2010b, S. 7 ff.). Grund ist die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik. Die Deutschen werden immer älter und zeugen zu wenig Nachwuchs. Das derzeitige Durchschnittsalter der Frauen in Deutschland bei der Geburt ihres ersten Kindes ist 28,9 Jahre(vgl. Statistisches Bundesamt 2011b); in ihrem Leben werden sie 1,4 Kinder zur Welt bringen(vgl. Statistisches Bundesamt, 2011a). Akademikerinnen sind häufiger kinderlos als Frauen mit geringerem Bildungsabschluss (vgl. Statistisches Bundesamt 2011b).
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) geht davon aus, dass künftige Hochschulabsolventen primär in Rente gehende Akademiker ersetzen werden und nicht genügend Absolventen zur Verfügung stehen, um „den für Wachstumsprozesse erforderlichen Fachkräftebedarf zu decken“ (IW 2010). Kinder von Akademikern nehmen mit einer Wahrscheinlichkeit von 71 Prozent ein Hochschulstudium auf, während nur 24 Prozent der Kinder ohne akademischen Hintergrund eine Hochschule besuchen (vgl. Isserstedt, Middendorff, Kandulla, Borchert Leszczensky 2010, S. 104). Hochschulabsolventen sind seltener arbeitslos und durch ihr höheres Einkommen (vgl. IW 2010) zahlen sie mehr Steuern an den Staat. Daher ist es nachvollziehbar, dass diesem besonders daran gelegen ist (angehende) Akademiker und Akademikerinnen in ihrer Familienplanung zu unterstützen. Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geht noch weiter und sieht in der mangelnden Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft sogar einen Verstoß „gegen den Grundsatz der Gewährleistung der freien Entfaltung der Persönlichkeit“ (BMFSFJ 2010b, S. 8).
Die Hochschulen mit in die Verantwortung zu nehmen und sie gesetzlich zu mehr Familienfreundlichkeit zu zwingen ist logisch und konsequent. Zwar definiert das Hochschulrahmengesetz (HRG) die Aufgaben der Hochschulen als die Vermittlung fachlicher und methodischer Fähigkeiten zur Befähigung wissenschaftliche oder künstlerische Arbeit auszuüben, aber auch „die Förderung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern und […] die Beseitigung bestehender Nachteile“ (BMJ 1999, S. 4) gehören zu ihren Pflichten. Die soziale Förderung Studierender unter Berücksichtigung der „besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern“ (BMJ 1999, S. 4) ist Teil davon.
Durch die Umstrukturierung des europäischen Bildungssystems findet zwischen den deutschen Hochschulen ein nie dagewesener Wettbewerb statt. Mit der Bologna-Reform wurde der deutsche Bildungsmarkt für den europäischen Raum geöffnet und die Mobilität Studierender gefördert. Deutsche Hochschulen sehen sich plötzlich mit Rankings (vgl. CHE 2012b) und leistungsbezogener Mittelvergabe durch den Staat konfrontiert, während sie dem demographischen Wandel und somit rückläufigen Bewerberzahlen entgegensehen müssen (vgl. Kapitel 2.1.) Auch der Wegfall der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze (ZVS), die in der Vergangenheit die Verteilung der Studienbewerber auf die Hochschulen für die meisten Studiengänge übernahm, erhöht den Konkurrenzdruck für die Hochschulen erheblich.
1.2 Abgrenzung der Themenstellung
Um im Kampf um potenzielle Studienbewerber bestehen zu können, werden sich die Hochschulen im Bildungsmarkt behaupten müssen. An dieser Stelle kommt Marketing und somit die Wirtschaftskommunikation ins Spiel. Da private Hochschulen aufgrund ihrer Struktur und Finanzierung immer schon einem größeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt waren, gehört Marketing für sie zum Alltagsgeschäft. Staatliche Hochschulen müssen sich in diesem Bereich jedoch noch einfinden. War ihre Finanzierung bis in die 1990er Jahre staatlich gesichert und die Vergabe der Studienplätze durch die ZVS geregelt, müssen die meisten Hochschulen heute ihre Studierenden vollständig selbst akquirieren und Quoten erfüllen um ihre Finanzierung zu sichern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Hochschul- bzw. Bildungsmarketing in der deutschen Literatur ein noch recht junges Thema ist, welches vor allem in Dissertationen der letzten fünf Jahre aufgegriffen wird.
Zentrales Ziel des Hochschulmarketings ist, der Hochschule ein unverwechselbares Profil zu verleihen und dies nach außen zu kommunizieren. Angesichts des demographischen Wandels und dem drohenden Rückgang der Studierendenzahlen, wäre eine Profilierung als familienfreundliche Hochschule - neben vielen anderen Profilzielen - für einige wünschenswert und sinnvoll. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sagt dazu:
"Für die Hochschule der Zukunft wird Familienfreundlichkeit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Denn nur wer Studierenden, Forschenden und Beschäftigten auch ausreichend Zeit für familiäre Verantwortung gibt, kann im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen. […]. Familienfreundlichkeit ist eine Investition in die eigene Zukunftsfähigkeit."(BMFSFJ 2010a)
Dem kann unter Berücksichtigung der vorangegangenen Informationen nur zugestimmt werden.
Den Kosten für die Umstrukturierung und Planung familienfreundlicher Maßnahmen stehen die Anwerbung und Haltung qualifizierter Fachkräfte und Studierender entgegen. Trotz fehlender Kennzahlen und Messungen, lohnt sich die Investition in solche Maßnahmen für Hochschulen; darüber sind sich Politik und Wissenschaft einig. Der Best-Practice-Club Familie in der Hochschule sieht Familienfreundlichkeit als potenzielles „Markenzeichen von deutschen Hochschulen und die die [sic!] Sicherung des Fachkräftebedarfs durch attraktive und hilfreiche Rahmenbedingungen“ (CHE 2012c). Maßnahmen und Angebote zu schaffen, die die Organisation für Studierende mit Erziehungsverpflichtungen unterstützen, liegt in der Verantwortung und der Kreativität der einzelnen Hochschulen. Doch Familienfreundlichkeit ist nicht automatisch mit Marktpositionierung und Marketing gleichzusetzen. Einige Maß- nahmen zur Vereinbarung von Studium und Familie sind in den Hochschulgesetzen der einzelnen Bundesländer bereits verankert und müssen somit von allen regionalen Hochschulen umgesetzt werden, wie beispielsweise das Teilzeitstudium in Berlin (vgl. Senatsverwaltung für Justiz 2011). Die meisten anderen Angebote wie Familienbüros, Kinderbetreuungsangebote oder Sonderregelungen in Prüfungs- und Studienordnungen liegen jedoch in der Hand der jeweiligen Hochschulen. Als familiengerecht bezeichnet die berufundfamilie gGmbh , welche Organisationen in Deutschland, Österreich und Italien Familienfreundlichkeit zertifiziert, solche Hochschulen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, gesetzliche Forderungen nach Gleichstellung der Geschlechter erfüllen sowie Studierende und Beschäftigte mit Familienaufgaben fördern (vgl. berufundfamilie gGmbH 2011).
Deshalb wird hier untersucht inwiefern deutsche Hochschulen Angebote zur Unterstützung von Studierenden mit Kind zur Verfügung stellen und das Merkmal Familienfreundlichkeit gezielt als USP im Wettbewerb um potenzielle Studienbewerber einsetzen. Da das Internet nachweislich die zentrale Rolle für die Informationsbeschaffung Studierender und Studieninteressierter eingenommen hat (vgl. Hachmeister, Harde Langer 2007, S. 13 ff.), liegt der Fokus der Arbeit auf der Web-Kommunikation staatlicher Hochschulen in der Bundesrepublik.
1.3 Aufbau der Arbeit
Nach Begriffsdefinitionen und theoretischen Grundlagen zu den Themen Hochschulmarketing, Internet und der Bedeutung der Hochschulwebsite im Marketing sowie den Besonderheiten der Zielgruppe Studierender mit Kind, wird eine Untersuchung der Websites der staatlichen Hochschulen des Landes Berlin sowie der Mitglieder des Best-Practice-Clubs Familie in der Hochschule angestellt.
Bei der Analyse der 24 Hochschulwebsites wird unter anderem ermittelt, wie groß das Spektrum unterstützender Angebote für Studierende mit Kind in Deutschland ist und wie Hochschulen sie für Eigenwerbung einsetzen. Mit Hilfe der Untersuchungsergebnisse wird die Autorin den Status Quo familienorientierten Hochschulmarketings aufzeigen und Empfehlungen für eine bessere Web-Kommunikation zur
Herausstellung des Alleinstellungsmerkmals „Vereinbarkeit von Studium und Kind“ für staatliche Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland entwickeln.
2 Begriffliche und theoretische Grundlagen
Für das grundlegende Verständnis der vorliegenden Arbeit werden zunächst die zentralen Begriffe Hochschule, Hochschulmarketing und Website definiert. Dieses Kapitel zeigt auf, warum Marketing für Hochschulen künftig an Bedeutung gewinnen wird und diskutiert die möglichen Risiken einer marktorientierten Entwicklung im tertiären Bildungssektor.
Angelehnt an aktuelle Studien wird ein Einblick auf die besondere Lebenssituation der Zielgruppe Studierender mit Kind gegeben .
Für die bessere Lesbarkeit werden im Folgenden Studierende mit Kindern als Studierende mit Kind bezeichnet, auch wenn sie mehrere Kinder haben. Im Singular wird allgemein die männliche Variante gewählt, sofern nicht explizit Frauen gemeint sind.
2.1 Marketing im Hochschulbereich
Die Bologna-Reform und die damit einhergehende Internationalisierung des dritten Bildungssektors tragen entscheidend zum Wettbewerb deutscher Hochschulen bei (vgl. Heinrichs 2010, S. 57 ff.), ebenso wie der demographische Wandel, der nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zufolge ab 2014 die Hochschulen erreichen und für einen Rückgang der Studierendenzahlen sorgen wird (vgl. KMK 2012).
Siebenhaar (2007, S. 9) vermutet, dass der Bildungsmarkt sich in den nächsten Jahrzenten vom bisherigen Verkäufer- zu einem Käufer-Markt entwickeln wird, welcher die Hochschulen zwingt im Kampf um Studierende und Fachkräfte in direkten Wettbewerb zueinander zu treten. Vor diesem Hintergrund wird Marketing „integraler Bestandteil der universitären Entwicklungsstrategie sein müssen, um erfolgreich im nationalen und internationalen Bildungsmarkt bestehen zu können.“ (Siebenhaar 2007, S. 9). Diese Ansicht teilt auch Dr. Albert Spiegel in seiner Begrüßungsrede zur Fachtagung des Hochschulkonsortiums GATE Germany und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zum Thema „Hochschulmarketing im Aufschwung“. Dort sagt er: "Hochschulen „müssen gute […] Studierende haben wollen und ihnen eine gute Ausbildung bieten können, sonst hat alles Marketing und alle Werbung keinen Sinn. […]. Studienerfolg ist die beste Werbung für den Studienstandort. […]. Dazu gehört weiterhin gute fachliche und soziale Betreuung“ (Spiegel 2002, S. 17).
Deshalb werden an dieser Stelle die wichtigsten drei Argumente der Befürworter des Hochschulmarketings genauer beleuchtet.
Der demografische Wandel
Die erste Universität in der Bundesrepublik Deutschland wurde 1386 in Heidelberg gegründet (vgl. Heinrichs 2010, S. 17). Aktuell verzeichnet das Statistische Bundesamt (2011c) 2.384.530 Immatrikulierte an 415 staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen (vgl. Statistisches Bundesamt 2011d). Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Aufgrund der Umstrukturierungen im Schulsystem durch Verkürzung der Schulzeit und den Wegfall der Wehrpflicht rechnet das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Nachfrage bei den Hochschulen bis zum Jahr 2013. In den darauf folgenden Jahren wird eine Abnahme der Anzahl der Studienanfänger angenommen (vgl. KMK 2012).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Entwicklung der Studienan1ängerzahlen in Deutschland
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis der Berechnung der Kultusministerkonferenz (KMK 2012, S. 12).
Der Vergleich mit älteren Prognosen der Kultusministerkonferenz (vgl. KMK 2009, S. 13) zeigt, dass die tatsächliche Anzahl der Studienanfänger in den letzten Jahren höher lag als ursprünglich vermutet. Dies begründet sich unter anderem darin, dass zum Zeitpunkt der Berechnung durch die KMK der Wegfall der Wehrpflicht in Deutschland noch nicht berücksichtigt werden konnte. Dies erklärt auch zusammen mit der Verkürzung der Schullaufbahn und den daraus resultierenden doppelten Abschlussjahrgängen der Abiturienten, den starken Anstieg der Immatrikulationen im Jahr 2011. Da diese beiden Ereignisse jedoch einmalig sind, werden sie nur für einen kurzen Anstieg sorgen. Es ist davon auszugehen, dass die Prognosen der KMK so oder so ähnlich eintreffen werden.
Als Konsequenz für die Hochschulen bedeutet dies, dass sie es in Zukunft schwerer haben werden Kapazitäten voll auszulasten. Als Folge dessen wären Schließungen einzelner Fakultäten und Fachbereiche sowie im schlimmsten Fall sogar ganzer Hochschulen denkbar (vgl. Karpen 1989), wie im primären Bildungsbereich bereits geschehen. Nicht zuletzt hängt die staatliche Finanzierung von der Anzahl der Studierenden ab, wie folgt beschrieben wird.
Hochschul1inanzierung durch leistungsbezogene Mittelvergabe
Die Finanzierung staatlicher Hochschulen setzt sich aus drei Teilen zusammen: staatlichen Mitteln, so genannten Drittmitteln und sonstigen Einnahmen (vgl. Heinrichs 2010, S. 177).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Überblick über die Quellen der Hochschul1inanzierung
Quelle: Heinrichs (2010, S. 178); leicht modifiziert.
Die staatlichen Mittel, welche ca. 90 Prozent (vgl. Göbbels-Dreyling 2004) der Einnahmen ausmachen, werden den Hochschulen aus den jeweiligen Landeshaushältern zur Verfügung gestellt. Den Rahmen dafür steckt das Hochschulrahmengesetz (HRG) ab.
Laut §5 HRG ist die Finanzierung der deutschen Hochschulen leistungsabhängig zu gestalten. Ausschlaggebend sind dafür die Leistungen in Forschung und Lehre, die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses sowie Fortschritte bei der Erfüllung des Gleichstellungsauftrages (vgl. BMJ 1999, S. 4). Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung liegt in der Hand der Länder.
Berlin regelt dies z.B. in Hochschulverträgen, welche zwischen dem Senator für Wissenschaft, Bildung und Forschung und den einzelnen Hochschulen des Landes Berlin für jeweils vier Jahre geschlossen werden. Seit 2008 werden 30 Prozent (vgl. Jaeger In der Smitten 2009, S. 8) der dort festgeschriebenen Finanzierungszusage vom Senat einbehalten und unter Berücksichtigung der Leistungskriterien für Hochschulen zwischen ihnen umverteilt. Indikatoren für die Leistungsbeurteilung sind unter anderem die Regelstudienzeitquote, Auslastungsquote und Erfolgsquote. Mit dessen Hilfe können Aussagen darüber getroffen werden, wie viele Studierende ihren Hochschulabschluss schaffen, wie lange sie dafür brauchen und wie hoch der Anteil der Langzeitstudierenden an einer Hochschule ist. Auch der Frauenanteil eines Abschlussjahrgangs spielt bei der Leistungsbeurteilung eine Rolle (vgl. zu diesem Abschnitt Jaeger In der Smitten 2009, S. 10 ff.). Folglich ist für die Finanzierung der Hochschulen wichtig, studienfreundliche Bedingungen zu schaffen, um Überschreitungen der Regelstudienzeit oder gar Studienabbrüche zu minimieren und die Anzahl der Studierenden und Absolventen hoch zu halten.
Der richtige Einsatz von Marketingmaßnahmen kann bspw. dazu beitragen den Frauenanteil an der Hochschule und/oder in bestimmten Studiengängen zu erhöhen, internationale Studierende zu gewinnen und die Bewerberzahlen insgesamt hoch zu halten. Dies wird sich im Umkehrschluss positiv auf die Quoten der Hochschule und somit auch auf deren Finanzen auswirken.
Erhöhter Wettbewerbsdruck durch den Bologna-Prozess
Am 19. Juni 1999 unterzeichneten dreißig europäische Länder in Bologna eine Erklärung zur Reformierung und Vereinheitlichung ihrer Studiensysteme mit dem Ziel einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Mittlerweile sind „47 Staaten sowie die EU-Kommission und acht weitere Organisationen in Hochschulbereich“ (BMBF 2012) daran beteiligt. Folgende Ziele wurden vereinbart (vgl. BMBF 2012):
- Einführung eines Systems von verständlichen und vergleichbaren Abschlüssen (Bachelor und Master)
- Einführung einer gestuften Studienstruktur
- Transparenz über Studieninhalte durch Kreditpunkte und Diploma Supplement
- Anerkennung von Abschlüssen und Studienabschnitten
- Verbesserung der Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal
- Sicherung von Qualitätsstandards auf nationaler und europäischer Ebene
- Umsetzung eines Qualifikationsrahmens für den Europäischen Hochschulraum
- Steigerung der Attraktivität des Europäischen Hochschulraums auch für Drittstaaten
- Förderung des lebenslangen Lernens
- Verbindung des Europäischen Hochschulraums und des Europäischen Forschungsraums
Dies führte zu weitreichenden Veränderungen in der deutschen Hochschullandschaft und zu steigendem Wettbewerbsdruck. Durch die Abschaffung der deutschen Diplom- und Magister-Abschlüsse und der europaweiten Vereinheitlichung des Studiensystems in drei Stufen (Bachelor, Master und Promotion) werden Hochschulen nicht nur national, sondern auch International vergleichbar. In Deutschland werden Abschlüsse nicht länger formal nach ihrer Herkunft (Universität vs. Fachhochschule) unterschieden (vgl. Heinrichs 2010, S. 57), was die Attraktivität eines Fachhochschulabschlusses für viele Studienbewerber vermutlich steigern und somit den Wettbewerb zwischen diesen beiden Hochschulformen weiter steigern dürfte. Die externe Qualitätssicherung und Durchsetzung der Bologna-Ziele erfolgt durch die Verpflichtung der Hochschulen alle Bachelor- und Master-Studiengänge durch zertifizierte Agenturen akkreditieren zu lassen(vgl. Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland 2007).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt fest, dass „Die Mobilität deutscher Studierender ins Ausland und die Attraktivität deutscher Hochschulen für ausländische Studierende und Nachwuchswissenschaftler steigen.“ (BMBF 2012).
Ebenso merkt das BMBF an, dass „in Zukunft auch verstärkt den geänderten Rahmenbedingungen insbesondere in Bezug auf Demographie und Globalisierung Rechnung getragen werden [muss]. Chancengerechtigkeit und Durchlässigkeit des Hochschulsystems - die soziale Dimension des Bologna-Prozesses - müssen weiter verbessert werden.“ (BMBF 2012). Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Studium und Kind, sind ein Schritt in diese Richtung.
Trotz all dieser Argumente befürchten Kritiker einen „Ausverkauf“ von Bildung. Universitäten, die „Angebot und Nachfrage zu Einflussfaktoren ihres Handelns“ (Keller
Seyfarth 2008, S. 77) machen, wären ihrer Auffassung nach verdächtig und unseriös. Ebenfalls wird kritisiert, dass die üblichen Marketinginstrumente wie „Corporate Identity, Public Relations und Relationship Management“ (Keller Seyfarth 2008, S. 78) im Hochschulbereich nicht anwendbar seien und „Hochschulkommunikation auf im staatlichen Kontext etablierte Formen von Pressearbeit reduziert“ werden sollte (Keller Seyfarth 2008, S. 77).
Woher kommen jedoch diese Befürchtungen? Möglicherweise beruhen sie auf einem überholten Marketingverständnis, welches Absatzförderung und Gewinnmaximierung in den Mittelpunkt aller unternehmerischen Handlungen stellt. Staatliche Hochschulen sind jedoch nicht an Profit und Absatz interessiert. Ihr Ziel ist es durch Lehre und Forschung Wissen zu erlangen und weiterzugeben. Sie bilden die Führungskräfte der Zukunft aus und entwickeln neue Technologien, doch diesen Auftrag können sie nur erfüllen, wenn genug wissenschaftlicher Nachwuchs vorhanden ist.
Hochschulen, die vordergründig monetäre Ziele verfolgen, statt Qualität von Lehre und Forschung zu gewährleisten, wirken in der Tat unseriös. Und so stehen vor allem private Hochschulen häufig im Verdacht, aufgrund ihrer finanziellen Abhängigkeit von Studierenden (als zahlende Kundschaft) und Wirtschaft (als Sponsoren und Teilhaber) Studierende zu gut zu benoten oder zumindest nicht durchfallen zu lassen. Aus dem gleichen Grund entscheide der Kontostand des Studienbewerbers über seine Zulassung, statt seine tatsächliche Studierfähigkeit. Außerdem wird privaten Hochschulen gern vorgeworfen sich Lehrpläne von Wirtschaftsunternehmen diktieren zu lassen (vgl. Sperlich 2008, S. 26 f.). Doch schwarze Schafe gibt es überall und Ziel soll auch nicht sein, nach außen etwas zu präsentieren, was eigentlich nicht vorhanden ist. Denn nur Qualität kann nachhaltig überzeugen.
Um dieses Thema besser begreifen zu können werden die zentralen Begriffe im Folgenden genauer definiert und abgegrenzt.
2.1.1 De1inition und Eingrenzung des Begriffs Hochschule
„Die Hochschulen sind Teil des Schul- und Bildungssystems, das in Deutschland nach dem Hamburger Abkommen von 1964 und dem Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission von 1973 in drei Bereiche gegliedert wird.“ (Heinrichs 2010, S. 23). Diese sind:
- Primärbereich: Grundschulen
- Sekundarbereich: Oberschulen und Berufsfachschulen
- Tertiärbereich: Hochschulen und Berufsakademien
Ergänzt werden diese durch die Erwachsenenbildung als vierten Bereich und den Elementarbereich für Kinder ab 3 Jahren.
Hochschulen im Sinne des §1 HRG „sind die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Dieses Gesetz betrifft, soweit dies in § 70 bestimmt ist, auch die staatlich anerkannten Hochschulen“ (BMJ 1999, S. 3).
Die Aufgaben der Hochschulen sind unter anderem die Vermittlung fachlicher Fähigkeiten, Kenntnisse und Methoden an Studierende zur Befähigung dieser, wissenschaftliche oder künstlerische Arbeit auszuüben(vgl. BMJ 1999, S. 4).
Heinrichs (2010, S. 24) fasst die Merkmale einer Hochschule folgendermaßen zusammen:
- eigene Rechtspersönlichkeit
- eigenes Satzungsrecht
- Recht der Selbstverwaltung
- weitgehend eigenständige Auswahl der Mitglieder des akademischen Lehrkörpers
- Freiheit in Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG)
- in der Regel ein breites Fächerspektrum (vor allem an Universitäten)
- Recht zur Verleihung akademischer Grade
- staatliche Rechtsaufsicht und – soweit staatliche Aufgaben wahrgenommen werden (z.B. im Gesundheitswesen) – auch staatliche Fachaufsicht
Berechtigt ein Studium an einer deutschen Hochschule aufzunehmen ist jeder deutsche Staatsbürger und Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sofern ausreichend studienrelevante Sprachkenntnisse nachgewiesen werden
können. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten „Zugangshindernisse, die in der Person des Studienbewerbers liegen, ohne sich auf die Qualifikation zu beziehen, regelt das Landesrecht“ (BMJ 1999, S. 4). Die Qualifikation für ein Hochschulstudium erfolgt für gewöhnlich durch die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife oder entsprechende berufliche Qualifikation, welche in den Landesgesetzen festgeschrieben ist (vgl. BMJ 1999, S. 4).
Eine vollständige Erörterung des vorliegenden Themas für private als auch staatliche Hochschulen, die sich in ihren Strukturen, Finanzierungsquellen, Zielgruppen und bisherigen Kommunikationsstrategien deutlich voneinander unterscheiden, würde den festgelegten Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Daher werden sich die folgenden Untersuchungen und Erkenntnisse ausschließlich auf Hochschulen (Universitäten, Fach- und Kunsthochschulen) in staatlicher Trägerschaft beziehen, welche ihr Studienangebot in erster Linie als Präsenzstudium anbieten. Obgleich bekannt ist, dass private Hochschulen die Möglichkeit haben, sich unter Berufung auf den §70 HRG staatlich anerkennen zu lassen, und somit genauso an die Hochschulgesetze der Länder gebunden sind wie Hochschulen in staatlicher Trägerschaft. Ebenfalls ausgenommen werden Hochschulen, die im HRG als „sonstige“ bezeichnet werden wie beispielsweise Berufsakademien. Während sich die Untersuchung ausschließlich auf Hochschulen des Landes Berlin und der Mitglieder des Best-Practice- Clubs Familie in der Hochschule beschränken, sollen Rückschlüsse für staatliche Hochschulen im gesamten Bundesgebiet getroffen werden können.
[...]
- Arbeit zitieren
- Luisa Todisco (Autor:in), 2012, Vereinbarkeit von Studium und Kind als Teil des Hochschulmarketings, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214188