Rosemarie Trockel auf der documenta X: Ausstieg aus dem Bild?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Über das Konzept der dX

3. Überblick über Rosemarie Trockels Werk
3.1 Tierbehausungen
3.2 Haus für Schweine und Menschen auf der dX

4. Deutung des Hauses
4.1 Formale Ebene: Bild, Performance, Happening
4.2 Inhaltliche Ebene: Mensch und Tier

5. Fazit

6. Quellenangabe

7. Anhang

1.Einleitung

Das Erscheinungsbild von Kunstwerken hat sich grundlegend verändert. Seit Beginn der Moderne haben sich die künstlerischen Darstellungsformen immer mehr vervielfältigt, „was ein abgegrenztes, komponiertes und auf sich selbst konzentriertes Bild war“[1], findet sich seitdem oftmals als Installation oder Performance wieder.

In der vorliegenden Arbeit steht Rosemarie Trockels Beitrag zur documenta X (kurz dX) im Mittelpunkt der Analyse. Es soll in diesem Zusammenhang die Frage beantwortet werden, in wie fern es sich bei ihrem Haus für Schweine und Menschen um einen Ausstieg aus dem Bild handelt.

Die documenta X unter der Leitung von Catherine David hat Anlass zu intensiver Auseinandersetzung über das Kunstverständnis und Möglichkeiten der Ausstellung in der heutigen Zeit gegeben. Die dX bezog in einem viel stärkeren Maße, als es sonst der Fall gewesen war, bewegte Bilder mit ein. Wo bleibt die Malerei? Diese Frage stellten sich unzählige Besucher während der Veranstaltung. In Kapitel 2 soll in dieser Hinsicht auf die Konzeption der dX sowie die Intentionen der künstlerischen Leiterin näher eingegangen werden, um zunächst den äußeren Rahmen abzustecken, in dem Rosemarie Trockel ihre Arbeit präsentiert hat.

Danach folgt eine kurze Beschreibung von Rosemarie Trockels Werkgruppe der Tierbehausungen, der sich eine konkrete Beschreibung des Aufbaus des Hauses auf der 10. Documenta anschließen wird.

Im vierten Kapitel wird es schließlich um eine Interpretation ihres künstlerischen und sehr vielschichtigen dX-Beitrages gehen. Essentieller Natur ist hierbei, auch in Bezugnahme auf verschiedene Problemstellungen des Seminars „Körper, Bild, Performance“, die Frage nach dem Ausstieg aus dem Bild. Einer formalen Deutung wird sich eine inhaltliche Analyse anschließen, bei der es um den spezifischen Umgang Rosemarie Trockels hinsichtlich der Beziehung zwischen Mensch und Tier gehen soll. Die Differenz zum Anderen, das Fremde, bietet immer wieder Reiz und Anlass zur Auseinandersetzung. Sowohl die formale als auch die inhaltliche Deutung berühren den Begriff der Gattung auf ihre eigene Art und Weise, was in dieser Arbeit herausgearbeitet werden soll.

2. Über das Konzept der dX

Die Documenta in Kassel gilt als eine weltweit bekannte Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst. In dieser Arbeit steht die 10. Documenta (kurz dX) im Mittelpunkt des Interesses. Diese fand von Juni bis September 1997 unter der künstlerischen Leitung von Catherine David statt.[2] Wie bei jeder Documenta, versuchte sich in diesem Fall David mit ihrem Konzept von den Ansätzen ihrer Vorgänger zu distanzieren.

Als Motto wählte sie das Schlagwort Retroperspektive, da es sich einerseits um die letzte Documenta des Jahrtausends handelte und somit die wichtigsten künstlerischen Positionen seit den 60er Jahren kritisch gesichtet werden sollten. Darüber hinaus galt es, diese auf ihre Brauchbarkeit im aktuellen ästhetischen Diskurs zu prüfen. Damit wollte David gleichermaßen eine intellektuell anspruchsvolle Ausrichtung der dX wahren.

Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Jan Hoet verfolgte David hinsichtlich der Anordnung der einzelnen Ausstellungsorte ein strenges Konzept und brachte die einzelnen Orte in eine Reihe. Der dadurch entstandene Parcours sollte Rationalität, einen logischen Aufbau und die Ausschaltung von Beliebigkeit signalisieren. Damit einhergehend standen drei Fragestellungen im Zentrum der Planung der dX: „die nach dem Raum, nach dem Bild und nach dem Diskurs in der Gegenwartskunst […], die zugleich die historische Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre aktuellen Tendenzen aufgreifen sollen.“[3]

Das Logogramm dX ist dabei lesbar wie eine mathematische Formel. Das X als gegebene Unbekannte ist in dieser Hinsicht mehrdeutig zu verstehen: Einerseits erinnert es an die „Figur des Chiasmus“[4] aufgrund der diversen Überkreuzungen sozialgeschichtlicher und künstlerischer Diskurse sowie der Präsentationsbedingungen im Vorfeld, bevor der öffentliche Raum mit den Ausstellungsgegenständen gefüllt wurde. Daneben kann das X als Geste des Durchstreichens verstanden werden, womit das Dokumentarische aufgehoben wurde und somit gleichermaßen der „Akt des Ausstellens als performativ, als Ereignis, mehr im Sinne von Exposition“[5], also als ein „Sich-Exponieren, ein Sich-Ausliefern der Kunst“[6] zu verstehen ist. Folglich fungiert die dX als eine Art „Zweiwegspiegel“[7] als rückwärts gewandte Reflexion über die vergangenen Entwicklungen; gleichzeitig zeigte sie sich transparent für die sich ankündigenden Tendenzen.

In ihrer eigens für die dX entwickelten manifestation culturelle unterstrich David, dass sie Kunst primär als Ausdruck des sozialen und politischen Umfeldes begreife, was wiederum zu einer klaren Schwerpunktsetzung auf eine eher konzeptuell ausgerichtete Kunst geführt hat.

„In einer Zeit, die von einer enormen Verwirrung geprägt ist – in der Kunst, aber auch in der Gesellschaft und Politik – gilt es, das ästhetische Denken und die künstlerischen Vorstellungen neu zu befragen, und zwar nicht nur in der bildenden Kunst.“(Catherine David, April 1997)[8]

Der künstlerischen Leiterin ging es prinzipiell um die Suche nach neuen Parametern in der Kunst. David zeigte in diesem Zusammenhang vor allem Interesse für Künstler, „denen es nicht auf verkäufliche Werke, sondern auf direkte gesellschaftliche Wirkung ankommt“[9], womit die Künstler hinter ihrem Projekt zurücktreten sollten.[10]

Weiterhin ist hervorzuheben, dass auf der dX auffallend wenig Malerei präsentiert wurde.

„Und wo bleibt die Malerei? Hunderte Male wurde diese Frage an die documenta X und deren künstlerische Leitung gerichtet. Hatte die klassische Form der Bildkunst wirklich so sehr ausgedient, wie die Ausstellung von Catherine David glaubend machte?“[11]

Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass sich David der Kunst aus einer anderen Blickrichtung genähert hat. An ihre Stelle wurden insbesondere technisch produzierte Bilder gesetzt (Video-Projektionen, Fotografie udglm.). Ihre Vorstellung von Malerei ist demnach nicht an Öl, Acrylfarben oder andere Malmittel gebunden. Ergo gilt beispielsweise Jeff Wall mit seinen großen Diapositiven in Leuchtkästen aufgrund seiner Kompositionsweise für David als Maler.[12]

Michael Wetzels Studie „Die Wahrheit nach der Malerei“ entstand in direkter Korrespondenz mit den Werken der dX. Wie Catherine David lehnt er das Bild nicht prinzipiell ab, aber „geheuer“[13] war es sowohl Wetzel als auch David „erst dort, wo es im Sinne Derridas der festgefügten Repräsentation durch stete Aufschiebung sich entreißen, wo es >Passage< würde.“[14]

„Viele zeitgenössische Praktiken kaprizieren sich weniger auf die reale Präsenz, als vielmehr auf alles, was mit Bewegung, Energie, Dynamik, Durchgang zu tun hat. […] Zur Zeit favorisiere ich störende, unpassende Haltungen, fast an der Grenze zur Konfusion, anstatt irgendeinen Konformismus zu verstärken.“[15]

Hinsichtlich des Durchgangs, der Passage des Bildes, sei an dieser Stelle auf Jacques Derrida verwiesen, der sich intensiv mit Gattungsgrenzen auseinandergesetzt hat und diese als künstliche, von Menschen gemachte Konstruktionen herausgestellt hat.[16] Ähnlich wie David, den Konformismus kritisierend, unterstreicht Derrida, dass man eine Norm respektieren muss, sobald sich eine Gattung ankündigt, „man darf eine Grenzlinie nicht überschreiten, man darf das Risiko einer Unreinheit, Anomalie oder Mißbildung nicht eingehen.“[17] Gleichermaßen betonte Derrida in Bezug auf Gattungen in der Literaturwissenschaft, dass ein Text „zu keiner Gattung gehören “ könne. Jeder Text habe vielmehr Teil an einer oder mehreren Gattungen, ohne dieser oder jener Gattung vollends zugehörig zu sein: „Indem der Text seine Gattung markiert, entledigt er sich dieser Markierung zugleich.“[18]

Was heißt das im Konkreten für die Kunstgattungen? Im Rahmen der Intertextualität hat Kristeva einen erweiterten Textbegriff eingeführt, wodurch nicht nur der gedruckte Text als Text gilt, sondern prinzipiell jede kulturelle Handlung als eine Stellungnahme in einem System auszuzeichnen ist.[19] In der Interpikturalitätsforschung wird nun der Versuch unternommen, dieses Konzept auf die Kunstgeschichte auszuweiten.

[...]


[1] Boehm: Die Wiederkehr der Bilder. In: Boehm (Hrsg.): Was ist ein Bild, S.36-37.

[2] Kimpel: documenta. Die Überschau, S.127-136.

[3] Wetzel: Die Wahrheit nach der Malerei, S. 19.

[4] Ebd., S.183.

[5] Ebd., S.188.

[6] Wetzel: Die Wahrheit nach der Malerei, S.188.

[7] Ebd., S.184.

[8] Nemeczek: documenta, S.54.

[9] Ebd., S. 69.

[10] Ebd.

[11] Schwarze: Meilensteine. 50 Jahre documenta, S.167.

[12] Vgl. ebd.

[13] Jane>

[14] Ebd.

[15] David/Chevrier (u.a. Hrsg.):Politics - Poetics, S.643.

[16] Vgl. Engelmann: Jacques Derrida. Gestade, S. 253.

[17] Vgl. ebd., S.249.

[18] Derrida: Das Gesetz der Gattung, S.260.

[19] Bossinade: Poststrukturalistische Literaturtheorie, S. 101.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Rosemarie Trockel auf der documenta X: Ausstieg aus dem Bild?
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Kunst und Kunstwissenschaft)
Veranstaltung
Körper, Bild, Performance
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
20
Katalognummer
V214464
ISBN (eBook)
9783656427742
Dateigröße
862 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rosemarie, trockel, ausstieg, bild
Arbeit zitieren
Katrin Klein (Autor:in), 2011, Rosemarie Trockel auf der documenta X: Ausstieg aus dem Bild?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214464

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