Politisches Handeln im Spannungsverhältnis zwischen Wille und Vernunft

Wille und Vernunft im Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR


Seminararbeit, 2013

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Problemrahmen
2.1 Spannungsverhältnis zwischen Wille und Vernunft
2.1.1 Vernunft
2.1.1.1 Affirmative Vernunft
2.1.1.2 Kritische Vernunft
2.1.1.3 Reflexivität
2.1.2 Wille
2.2 Wille und Vernunft im politischen Handeln

3 Subjektivität als Störfaktor
3.1 Platon: Höhlengleichnis
3.2 Francis Bacon: Die Idolenlehre
3.3 Le Chevalier de Jaucourt: Vorurteil

4 Subjektivität als Unauflösbares
4.1 Mensch-Sein
4.2 Innere und äußere Wirklichkeit
4.3 Identität und Individualität
4.4 Andersheit und Urteil

5 Vernunft und Wille im Grundvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
5.1 Rahmenbedingungen des Grundlagenvertrages
5.2 Unvereinbarer Wille
5.3 Bewältigung des Zusammenstoßes der verschiedenen Positionen- Verhandeln als Lernprozess

6 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Ich bin vernünftig.“ Das denken wir doch alle irgendwie von uns selbst, jedoch ohne zu wissen, was das überhaupt bedeutet. Ich will. Auch das ist ein Satz mit dem zahlreiche Gedanken und gesprochene, sowie geschriebene Sätze beginnen. Aber bin ich auch vernünftig, wenn ich will? Oder will ich vernünftig sein? Was wir wollen, wie wir handeln, unsere Wünsche und Träume und Ziele, bleiben jedoch nicht nur Konsequenz in unserem eigenen Universum. Nein. Ab einem gewissen Punkt schwappt alles wie aus einer vollen Tasse unserer, jedermanns eigener, kreierter Welt, in das Meer der kollektiven Welt. Fürs Kollektiv bindende Entscheidungen, das ist zentral für die Politik. Und wir alle gestalten die Politik mehr oder minder mit. Demnach ist unser Verhalten, unser politisches Verhalten geprägt von unseren Auffassungen von Vernunft aber auch von Willen. In dieser Hausarbeit möchte ich nun erörtern, in welchem Verhältnis- Spannungsverhältnis- Vernunft und Wille stehen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und was diese beiden Instanzen im Einzelnen eigentlich bedeuten. Darauf möchte ich nun im ersten Abschnitt eingehen. Aus welchen Perspektiven wird Vernunft gesehen und was sind ihre potentiellen Mosaikteilchen. Folgend, wie es im Verhältnis zu Wille steht und wie Wille definiert wird und welche Rolle Subjektivität in diesem Konzept spielt. Im dritten und vierten Abschnitt möchte ich dann die Gegenüberstellung von zwei verschiedenen Denkansätzen skizzieren. Zum einen wird die Subjektivität, also die Schwächen und Defizite in unserem Verhalten durchsichtig gemacht und erkannt, mit dem Ziel die Dynamiken der Vorurteile und anderen Schwächen zu überwinden. Im Grunde wird Subjektivität also als Störfaktor im Menschen gesehen, welche es zu bereinigen gilt. Dem gegenüber steht die Annahme, dass die Subjektivität, die Individualität, mit all ihren vielleicht auch hässlichen Facetten im Mensch-sein angelegt sind. Viel weiter: nicht nur angelegt, sondern notwendig für den Lebenswillen und dem Willen zum ICH, da dadurch Stabilisierung und Selbstdefinition erreicht werden. All dies möchte ich dann im letzten Abschnitt im Spannungsverhältnis zwischen Vernunft und Wille, an den Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik anwenden. Wie haben sie Vernunft und Wille geäußert? Was genau waren die unterschiedlichen Willen der beiden Staaten und wie wurde der Zusammenstoß der verschiedenen Positionen gelöst.

In dieser Arbeit geht es also um die Frage wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Willen und Vernunft im politischen Handeln äußert angewendet am Beispiel des Grundlagenvertrages zwischen der BRD und der DDR.

2 Problemrahmen

2.1 Spannungsverhältnis zwischen Wille und Vernunft

Vernunft und Wille sind wie zwei allgegenwärtige Instanzen, welche natürlich nicht mit dem bloßen Auge erfasst werden können, sehr wohl jedoch, davon wird ausgegangen, können sie erfasst werden. Sie werden erfasst als des Menschen, des existierenden Subjekts- ICH- stetige und um Stetigkeit bemühte Begleiter.[1] In der Politikwissenschaft interessiert und das Weltverhalten, das Verhalten in der Welt, besonders, denn so können wir analysieren, auf welcher Basis politisches Handeln stattfindet, wodurch es sich beeinflussen und formen lässt. Nun, was bedeutet „Spannungsverhältnis zwischen Vernunft und Wille“ überhaupt? Bedeutet es, dass Vernunft und Wille unvereinbar oder gar gegenteilig sind? Au contraire, wie die Franzosen sagen, es bedeutet, dass Vernunft und Wille in einer ständigen Spannung zu einander stehen. Sie beeinflussen sich nicht nur, sondern sind gleichermaßen voneinander abhängig.[2] Die Instanzen begegnen sich auf der Ebene der „Sowohl-als-auch-Gegebenheit“[3] und teilen sich Gemeinsamkeiten.[4] Vernunft und Wille gehören zum Mensch-Sein, ebenso wie Spannungsverhältnisse:

„ICH-Du, Identität-Alterität, Begreifen-Eingreifen, Denken-Handeln, Mann-Frau, Herr-Knecht, Freund-Feind, Liebe-Hass und so auch Vernunft und Wille“[5]

All diese Dynamiken sind bekannt, gar anerkannt. Würden wir das eine ohne das andere erfahren? Das ließe die Wirklichkeit vermutlich nicht zu. Wenn auch nicht von Transparenz getragen, führen diese verbundenen Verhältnisse zu Bewegung, essentiell für das Leben.[6] Das Verhältnis zwischen Vernunft und Wille und nun worauf ich mich in den kommenden Seiten konzentriere. Dazu werden diese beiden Instanzen einzeln definiert und gleichermaßen einzeln in Ihrer eigenständigen Dynamik betrachtet.

2.1.1 Vernunft

Ein sicheres Geschenk, welches Vernunft großzügig bietet, ist Distanz. Distanz zu uns selbst, Distanz zu dem, was uns in der Wirklichkeit begegnet. Vernunft gibt dem Menschen die Fähigkeit, aus der Distanz heraus in Geschehen und Objekten Zusammenhänge und Wirkungen zu erkennen und zu relativieren.

„Erkennen ist Einordnung des ICH in Ordnungszusammenhänge“[7]

Vernunft ist jedoch nichts ohne den Willen zur Vernunft. An dieser Stelle wirkt also der Wille mit ein, denn das Erkennen führt nicht zu diesem, sofern es nicht vom ICH gewollt ist. Die Einordnung, die Vorstellung, die Zusammenhänge, welche das denkende ICH der Vernunft wegen schafft, führt uns zu einer Prämisse des Gebotes „ principium rationis sufficientis “. Nichts also geschieht oder ist ohne hinreichenden Grund. Diese erstgenannte Prämisse geht über in das Gebot zum Lebens willen, Willen zum Leben und dem Verhältnis zwischen innerer und äußerer Wirklichkeit. Eine der drei Gangarten der Vernunft, die affirmative, findet in genau diesem Verhältnis zwischen innerer und äußerer Wirklichkeit ihren Ursprung.

2.1.1.1 Affirmative Vernunft

Der Begriff der affirmativen Vernunft wird von mir nun wie folgt übersetzt. Das existierende, denkende ICH schafft mit großzügiger Hilfe der Vernunft Zusammenhänge und Wirkungsweisen. All das geschieht natürlich in der eigenen Welt des ICH, dementsprechend schafft sich das ICH die Zusammenhänge im Konzept der Selbstsicherung. Folglich ist es, wenn man so möchte, Vernunft zur Selbstsicherung, bei der das ICH nach bestätigenden Wechselwirkungen und Erklärungen des schon Vorgeprägten sucht, um sich und seine Welt einfacher zu begreifen. Doch widerspricht das nicht dem bereits genannten Konzept der Vernunft? Wenn auch mit intrinsischem Beigeschmack findet dennoch eine Art Distanzierung statt, um Spannungs- und Wirkungsverhältnisse zu erkennen.

2.1.1.2 Kritische Vernunft

Gesetz den Fall, dass man gefangen ist in dem affirmativen Teufelskreis, verweigert sich das ICH jedoch allen Begreifens, welches über das eigene Interesse hinaus geht und dem Aspekt des hinreichenden Grundes nicht gerecht wird. Denkmuster werden nach Bestätigung ausgerechnet, der Geist geht nicht über bereits Eingefangenes, bewusst Gemachtes hinaus. Dennoch, die affirmative Vernunft kann sich als Brücke weiterer Denkbewegungen opfern und zur kritischen Vernunft führen - die zweite Gangart der Vernunft. In dem Meer der kritischen Vernunft wird nicht nur die Oberfläche angekratzt, wie meiner Meinung nach im affirmativen Konzept, sondern es wird tiefgängig nach dem Grund geforscht,[8] welches zu den Bildern und Wahrnehmungen der inneren Wirklichkeit geleitet. Wie man sieht, zeigt sich auch hier ein faszinierendes Zusammenspiel, indem das eine das andere voranbringt, beeinflusst, stabilisiert als Selbstbild und Weltbild.[9]

2.1.1.3 Reflexivität

Die dritte Gangart der Vernunft führt uns im Reich der Zusammenhänge und Wechselwirkungen noch etwas weiter. Der affirmativ-vernünftig handelnde Geist wird beschenkt mit dem bemühten Verständnis, Spannungsverhältnisse zu erkennen. Doch nur mit seiner kritischen Vernunfts-Schwester sieht dieser Handelnde ebenfalls die begründete Wirkung eines Geschehens. Bei der Reflexivität spielt jedoch nicht nur der Zusammenhang eine Rolle, sondern der

Zusammenhang von ‚Ursachen uns Folgen‘, Zusammenhang von Gründen und darin Ordnungszusammenhang:“[10]

Was bedeutet dies nun konkret? Durch die reflexive Vernunft wird also eine Erweiterung der Perspektive erreicht: Aus der Vernunft entstehende Erkenntnisse werden hinterfragt, aber noch viel wichtiger: das Selbst wird hinterfragt und daraus folgend das erschaffene Bild der Welt.

2.1.2 Wille

Unter den Begriff Wille setzen wir nun unsere Definition: das ICH hat ein konkretes Ziel, auf welches es sich konzentriert, fokussiert. Diesem Ziel schenkt das existierende Subjekt totale Hingabe.[11] Also eine Bereitschaft für und auf sich selbst. In der genannten Hingabe stecken nun ebenfalls verschieden ausgeprägte Kräfte und Antriebe, welche dem ICH und dem Willen selbst zur Verwirklichung verhelfen. Folglich wird die innere sowie die äußere Wirklichkeit davon intentional beeinflusst. Vergessen werden darf jedoch an dieser Stelle nicht, dass die erkennende Vernunft als Instrument für die Verwirklichung genutzt werden soll, gar muss. Ohne die Willens stärke schwimmt auch der Wille nicht weit. Denn beschränkt sich die Hingabe einzig auf das Wollen um des Wollens willen, so findet diese keinen Antrieb. Die Willensstärke ist also wie ein Motor, welche Geschehnisse in Gang bringt und zum Ziel führt. Das Entscheiden für ein bestimmtes Ziel ist es also, nicht das bloße Wollen des Ziels. Dies erscheint mehr als schlüssig.

[...]


[1] Reader: S. 9.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Ebd.

[8] Ebd. S. 28.

[9] Ebd. S. 29.

[10] Ebd.

[11] Ebd. S. 10.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Politisches Handeln im Spannungsverhältnis zwischen Wille und Vernunft
Untertitel
Wille und Vernunft im Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Politikwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
20
Katalognummer
V214475
ISBN (eBook)
9783656427704
ISBN (Buch)
9783656434030
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
politisches, handeln, spannungsverhältnis, wille, vernunft, grundlagenvertrag
Arbeit zitieren
Kristianna Gasparjan (Autor:in), 2013, Politisches Handeln im Spannungsverhältnis zwischen Wille und Vernunft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214475

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