Die Hinrichtung als Strafe erfreute sich seit der Antike großer Beliebtheit und erreichte im Mittelalter die Blüte eines unerschöpflichen Straftriebes, was sich in der Häufigkeit der Anwendung und in der – zum Teil grotesken – Differenzierung ihrer Handhabung zeigt. Hierzu gehört eben nicht die schlichte Hinrichtung als Solches, sondern die Bestrafung in effigie, also die Hinrichtung eines nicht habhaft zu werdenden Straftäters, sei es aus einfacher Abwesenheit, oder weil der Delinquent einfach vor der Umsetzung des Strafmaßes verstorben war. Aber nicht nur die Hinrichtung als Höchstmaß der Strafe wurde in effigie angewandt, auch andere Bestrafungen wurden auf diesem Wege vollstreckt. Es überrascht vielleicht, aber erst im späten 19. Jahrhundert, mit Inkrafttreten des Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (1872), verschwindet die Scheinbestrafung aus dem Strafrecht Preußens. Heute sind solche Scheinbestrafungen in keinem westeuropäischen strafrechtlichen Regelwerk nachweisbar, obgleich Strafen am Bildnis sehr wohl in Ländern außerhalb Europas und darüber hinaus im deutschen Brauchtum noch heute Anwendung finden.
Eine geistes- und rechtsgeschichtliche Auseinandersetzung mit diesem Thema fand hauptsächlich Anfang des 20. Jahrhunderts statt und wird heute vor allem für rechtstheoretische Überlegungen des Verhältnisses zwischen Verbrechen und Strafe untersucht. An dieser Stelle seien die Schriften des Rechtshistorikers Karl von Amira erwähnt. Insbesondere seine Publikation zu den germanischen Todesstrafen bildet die Grundlage vieler aktueller rechts- und kunsthistorischer Arbeiten. In diverser Hinsicht unterliegen die Interpretationen und Schlussfolgerungen Amiras jedoch einer Neubewertung, weshalb als Zentrum der für diese Arbeit zugrundeliegenden Literatur das umfassende Werk des Volkskundlers und Kunsthistorikers Wolfgang Brückners dient: Ausnehmend detailliert und informativ ist seine Publikation „Bildnis und Brauch“ aus dem Jahre 1966.
Um die Komplexität dieser Form der Bestrafung zu verstehen, wird sie im 4. Kapitel geistesgeschichtlich dargestellt, jedoch sind einleitend einige Ausführungen zum Begriff Effigies nötig. Ebenso muss in diesem Zusammenhang die Macht des Bildes und mithin ihr Ursprung in Form des Bildzaubers erläutert werden – zusammen mit dem Begriff Effigies bilden sie die zentralen Begrifflichkeiten, die für das Verständnis unabdingbare Voraussetzung sind.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Effigies
- 3. Die Macht der Bilder und der Bildzauber
- 4. Bildnisstrafen
- 4.1 Das altrömische Bildnisrecht
- 4.2 Schandbilder und Schandfresken
- 4.3 Namensanschlag am Galgen
- 4.4 Bildnisanschlag am Schandpfahl
- 4.5 Bestrafung an Leichen
- 4.6 Der Strafvollzug in effigie
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Ursprünge und Anwendung von Bildnisstrafen in der Geschichte, beginnend mit der Antike bis hin zur Gegenwart. Sie analysiert den Wandel dieser Praxis und die Bedeutung der Effigie im Strafrecht und in der Kulturgeschichte.
- Die Entwicklung der Bildnisstrafe von der Antike bis zur Neuzeit
- Die Rolle der Effigie im Strafvollzug und ihre Bedeutung für die Rechtsordnung
- Die Verbindung von Bild und Macht im Kontext der Strafjustiz
- Die Bedeutung der Bildnisstrafe für das Verständnis der kulturellen Vorstellungen über Strafe und Recht
- Die Rezeption des Bildzaubers in der Anwendung von Bildnisstrafen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Dieses Kapitel stellt den historischen Kontext und die Bedeutung der Bildnisstrafe im Strafrecht vor. Es wird die Entwicklung dieser Praxis von der Antike bis zur Moderne dargestellt.
- Kapitel 2: Effigies: Dieses Kapitel analysiert den Begriff der Effigie und seine Bedeutung in verschiedenen Kulturen und Epochen.
- Kapitel 3: Die Macht der Bilder und der Bildzauber: Dieser Abschnitt beleuchtet die Beziehung zwischen Bild und Macht im Kontext der Bildnisstrafe. Der Einfluss des Bildzaubers auf die Vorstellungen über Strafe und Recht wird untersucht.
- Kapitel 4: Bildnisstrafen: Dieses Kapitel untersucht verschiedene Formen der Bildnisstrafe in der Antike, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit.
Schlüsselwörter
Bildnisstrafe, Effigie, Bildzauber, Strafe, Recht, Geschichte, Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, Rechtsgeschichte.
- Quote paper
- Kay Usenbinz (Author), 2012, Die Bildnisstrafen. Eine geistesgeschichtliche Untersuchung ihrer Ursprünge und Anwendung von der Antike bis zur Gegenwart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214625