Leipziger Ereignis und Belastungsinventar (LEBI)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

17 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Zielsetzung der Arbeit

Theoretische Fundierung
Das psychologisch-diagnostische Interview
Das psychologisch-diagnostische Interview im klinischen und psychotherapeutischen Kontext
Theoretische Grundlagen des Leipziger Ereignis- und Belastungsinventars (LEBI)

Praktischer Einsatz des Verfahrens einschließlich psychometrischer Gütekriterien
Mögliche Probleme bei der Durchführung
Auswertung
Psychometrische Gütekriterien
Objektivität
Reliabilität
Validität
Ökonomie
Akzeptanz
Normen

Einsatz des Verfahrens im Forschungskontext

Reflexion

Literaturverzeichnis

Einleitung und Zielsetzung der Arbeit

Die Gewinnung zielgerichteter Informationen über psychische Eigenschaften mithilfe verschiedener diagnostischer Verfahren, ist die Aufgabe psychologischen Diagnostizierens (Kubinger, 2006). Die Zielsetzung dieser Aufgabe besteht darin, innerhalb eines komplexen Informationsverarbeitungsprozesses, die Ursachen von Erlebens- und Verhaltensmustern bestimmter Merkmalsträger in einem Bedingungsgefüge zu beschreiben. Dies dient dazu Entscheidungen zum Zwecke einer diagnostischen Anwendung zu ermöglichen (Pospeschill & Spinath, 2009). Professionelle und fundierte Diagnostik stellt demnach keine Sammlung, Bewertung und Aufbereitung spezifischer Informationen zum reinen Selbstzweck dar, sondern ist immer auf eine Fragestellung bezogen, die durch den Einsatz diagnostischer Instrumente beantwortet werden soll (Röhrle, Caspar & Schlottke, 2008).

Die Wahl eines Erhebungsinstruments richtet sich nach dem psychologischen Anwendungsbereich und ist davon abhängig, welche Verfahrensmethode das zu erhebende Phänomen möglichst vollständig, nützlich und ethisch vertretbar abbildet (Röhrle et al., 2008). Gemäß dem breiten Anwendungsspektrum der psychologischen Wissenschaft, werden auch verschiedene Arten von Diagnostik eingesetzt. Im Gegensatz zur institutionellen Diagnostik der Arbeits- und Organisationspsychologie, deren Fragestellungen einzelne Personen sowie Organisationen und Prozesse betreffen, erstreckt sich die klinische Psychologie eher auf den Bereich der individuellen Diagnostik (Pospeschill & Spinath, 2009). Dabei werden einzelne Individuen nach den Ursachen und Bedingungen psychischer Beeinträchtigungen und Störungen befragt, um zweckmäßige therapeutische Interventionen ableiten zu können.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen vertieften Einblick in das Verfahren des diagnostischen Interviews im klinisch-psychotherapeutischen Kontext zu geben. Zu beachten sei, dass psychologisches Diagnostizieren in diesem Zusammenhang nicht nur einen klinischen, sondern auch einen gesundheitspsychologischen Bezug nehmen kann (Kubinger, 2006). Im Folgenden wird daher im Rahmen der Beurteilung und Reflexion des Interviewverfahrens, das Leipziger Ereignis- und Belastungsinventar (LEBI; Richter & Guthke, 1996) mit der Erfragung nach Belastungen, als spezifisches Anwendungsbeispiel vorgestellt. Im Anschluss werden differenziert die Stärken und Schwächen dieser diagnostischen Erhebungsmethode, ihrer Durchführung und der Auswertung analysiert.

Theoretische Fundierung

Das psychologisch-diagnostische Interview

Eine diagnostisch geplante Befragung hat die Erfassung der subjektiven Sicht einer Person hinsichtlich bestimmter Sachverhalte zum Ziel, wie zum Beispiel die Befragung nach persönlichen Belastungen. Die Messinstrumente stellen in diesem Zusammenhang schriftliche Fragebögen und die im Interview mündlich gestellten Fragen dar (Rentzsch & Schütz, 2009).

Das diagnostische Interview erfasst häufig in einer klassischen Face-to-Face-Situation, relevante Informationen mithilfe eines Gesprächs zwischen mindestens zwei Personen (Untersucher und Untersuchten) und zählt zu den am häufigsten verwendeten Verfahren der psychologisch-diagnostischen Befragung (Rentzsch & Schütz, 2009). Im Gegensatz zu einem symmetrischen Alltagsgespräch erfolgt eine systematische Interviewbefragung anhand einer bestimmten Strukturierung, die ebenso wie der Inhalt und die Richtung des Gesprächs vom diagnostizierenden Interviewer vorgegeben werden (Rentzsch & Schütz, 2009). Mithilfe eines Interviewleitfadens und spezifischen Anweisungen der jeweiligen Interview-Autoren, erhält der Untersucher wichtige Hinweise darüber, ob die Antworten des Befragten anhand standardisierter Protokollbögen oder in offener und individualisierter Form erfasst werden sollen. Interviews können demnach, je nach vorgegebenen Erfassungs- und Auswertungsprinzipien, der quantitativen (den Informationsangaben der Befragten werden numerische Werte zugeordnet) oder der qualitativen Datenerhebung dienen (die Informationsauswertung erfolgt interpretativ und im Nachhinein) (Rentzsch & Schütz, 2009).

Als zentrales Merkmal zur Unterscheidung unterschiedlicher Interviewformen dient der methodische Formalisierungsgrad (Röhrle et al., 2008) oder das Ausmaß der Freiheit bei der Durchführung. Demnach kann auf einem Kontinuum zwischen freien, halb- oder teilstrukturierten bis hin zur vollstrukturierten- und vollstandardisierten Interviews differenziert werden kann (Stieglitz, 1994). Beim strukturierten Interview sind Anzahl und Abfolge der Fragen, ebenso wie ihr Wortlaut genau festgelegt. Die Antworten des Befragten sind oft frei, wobei die Auswertung derer nach bestimmten Vorgaben folgen kann, aber nicht muss (Krohne & Hock, 2007). Dahingegen weisen standardisierte Interviewverfahren zusätzlich zur vollständigen Strukturierung, eine Festlegung aller Elemente des diagnostischen Prozesses, einschließlich der Auswertung auf (Stieglitz, 1994). Standardisierte Verfahren erfordern keine eigene diagnostische Entscheidung vom Untersuchungsdurchführenden und können daher auch von Personen mit geringer Erfahrung im Umgang mit diagnostischen Methoden angewandt werden. Offene Interviewformen ermöglich zwar eine flexible Gesprächsführung, sind jedoch im diagnostischen Kontext aufgrund ihrer mangelhaften psychometrischen Eigenschaften, nur nach sorgfältiger Abwägung hinsichtlich der jeweiligen Entscheidungsperspektive einzusetzen.

Die Qualität eines psychologisch-diagnostischen Interviews ist nicht nur abhängig von seinen formalen Kriterien, sondern auch davon wie Interviewer und Befragter miteinander agieren (Scholl, 2009). Der Stil eines Interviewers, womit einzelne seiner Verhaltensweisen, nonverbalen Zeichen und sein strategisch eingesetztes Verhaltensrepertoire gemeint ist, kann demnach weich (mit dem Befragten sympathisierend), neutral (ohne Einfluss auf den Befragten zu nehmen) oder hart (konfrontativ und fordernd) unterschieden werden (Scholl, 2009). In der aktuellen Interviewliteratur wird jedoch

überwiegend, natürlich in Abhängigkeit zum jeweiligen Untersuchungskontext, ein neutraler Interviewerstil empfohlen (Scholl, 2009).

Psychologisch-diagnostische Interviews können als Instrument zur Einzel- oder Gruppediagnostik eingesetzt werden, wobei ihr Einsatzbereich weit gefächert als klinisches Diagnoseinstrument zur Klassifikation von psychischen Störungen, als Methode zur Erfassung von gesundheitspsychologischen Aspekten in der Psychotherapie bis hin zur Anwendung als Auswahlinstrument in Betrieben reicht. Der Entschluss zu welchem Anlass, welche Art von Interviewmethode gewählt werden soll, darf jedoch erst dann getroffen werden wenn ökonomische, organisatorische und thematische Aspekte der Befragung berücksichtigt wurden. Zusätzlich bedarf es einer Abwägung hinsichtlich des Befragungszweckes, welcher zwischen vermittelnder und ermittelnder Funktion variieren kann, der Bewusstseinsfähigkeit und sprachlichen Erfassbarkeit der zu untersuchenden Sachverhalte.

Das psychologisch-diagnostische Interview im klinischen und psychotherapeutischen Kontext

Bezugnehmend auf das Themengebiet des Seminars möchte ich nochmals spezifisch auf den Bereich der psychologisch-klinischen und psychotherapeutischen Diagnostik eingehen. Das psychologisch-diagnostischen Interview genießt in diesem diagnostischen Anwendungsfeld besonders durch den hohen Grad der Zuverlässigkeit in der Erfassung psychologisch relevanter Phänomene eine besonders hohe Bedeutsamkeit (Röhrle et al., 2008).

Im Hinblick auf das im Folgenden näher vorgestellte Interviewverfahren LEBI, ist die Zuverlässigkeit der klinisch relevanten Informationen jedoch nur zu gewährleisten, wenn die befragte Person die erfragten Sachverhalte (persönliche Befindlichkeiten) selbst einschätzt. Es besteht also bei diesem Verfahren ein Unterschied zu anderen klinischen und psychotherapeutischen Interviewverfahren, die in der Literatur gewöhnlich auch als Spezialfall der Fremdbeurteilung bezeichnet werden (Röhrle et al., 2008). Fremdbeurteilungsverfahren, in denen unabhängig von der zu untersuchenden Person die Beobachtungen anderer Personen (Interviewer, Angehörige oder Bezugspersonen) zu einem bestimmten Merkmalsbereich diagnostisch berücksichtigt werden, sind beispielsweise zur Einschätzung des Suizidrisikos unerlässlich und dem Selbsteinschätzungsverfahren vorzuziehen.

Theoretische Grundlagen des Leipziger Ereignis- und Belastungsinventars (LEBI)

Als ökonomische Alternative zu den meist sehr zeitaufwändigen biographischen Interviews, entwickelten Richter und Guthke (1996) zur Erfassung biographisch relevanter diagnostischer Daten das Leipziger Ereignis- und Belastungsinventar (LEBI). Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein strukturiertes Interview zur psychologischen Diagnostik von kritischen Lebensereignissen und psychosozialen Belastungen, wobei dem Interviewer durch die Interviewform ein flexibler und individueller Gestaltungsfreiraum ermöglicht wird (Richter & Guthke, 1996). Durch die Bezugnahme zu den Lebenszielen einer Person erlaubt das Verfahren eine differenzierte Bewertung von Lebensereignissen.

Ausgangsbasis für die Entwicklung des Verfahrens, waren die Erkenntnisse der Life-event-Forschung, welche auf Zusammenhänge zwischen lebensverändernden Ereignissen und dem gesundheitlichen Entwicklung eines Individuums hinwiesen. Das LEBI stellt insofern eine konzeptionelle Erweiterung der bisherigen Annahmen zur Lebensereignisforschung dar, dass kritische Lebensereignisse nun systematisch und in Abhängigkeit zur individuellen Einschätzungen der Bedeutsamkeit des Belastungserlebens erfasst werden. Ein kritisches Lebensereignis wird in diesem Zusammenhang gemäß der zentralen Annahmen von Siegrist (1980) definiert, wobei diese unerwarteten und unbeeinflussbaren Ereignisse durch eine besonders erhöhte Anpassungsleistung des Individuum gekennzeichnet sind und zu kurzfristigen, mittel- oder langfristigen Belastungsreaktionen führen können. Richter & Guthke (1996) möchten mithilfe ihres Verfahrens somit retrospektiv potentielle Stressoren im Leben einer Person und deren Grad des situativen Einflusses auf das Individuum und seiner Gesundheit erfassen (Franke, Jagla, Salewski & Jäger, 2007).

Das Verfahren richtet sich an Erwachsene im Alter von 18-60 Jahren, die sich in Rehabilitationseinrichtungen oder in ambulanter/ stationärer Psychotherapie befinden bei denen das Verfahren zur psychologischen Diagnostik und Biographieforschung angewendet werden kann. Im Sinne einer Verlaufsdiagnostik eignet sich das Instrument auch zur erneuten Einschätzung bestimmter Lebensereignisse und deren Bewältigung im Anschluss an eine absolvierte Psychotherapie. Darüber hinaus kann es aufgrund einer zusätzlichen und spezifischen Ereignis- und Belastungsliste für Studierende auch in der psychologischen Studienberatung eingesetzt werden. Da Lebensereignisse bei allen Krankheiten einen auslösenden und verstärkenden Einflussfaktor darstellen können, kann das Verfahren in der gesamten medizinisch-psychologischen Diagnostik verwendet werden (Brähler, Schuhmacher & Strauß, 2002).

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Leipziger Ereignis und Belastungsinventar (LEBI)
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Seminar Interview und Beobachtung
Note
1.3
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V215279
ISBN (eBook)
9783656440130
ISBN (Buch)
9783656442264
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
leipziger, ereignis, belastungsinventar, lebi
Arbeit zitieren
Cand. M.Sc. Psych. Alexandra Schulz (Autor:in), 2011, Leipziger Ereignis und Belastungsinventar (LEBI), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215279

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