Multikulturalimus ist in den letzten 10 Jahren zu einem Schlagwort geworden und zunehmend für Furore gesorgt hat. Meistens im Sinne einer Forderung scheint der Begriff im Zusammenhang mit dem Tatbestand der anwachsenden Migration in der ganzen Welt ( besonders nach den USA und Europa ) nach Antworten zu suchen. Die jüngste Diskussion wurde vorwiegend in den USA geführt, obwohl die ideengeschichtlichen Wurzeln eigentlich aus Europa stammen. Der Multikulturalismus stellt sich als ein verwirrendes Phänomen dar. Jeder versteht etwas anderes unter diesem Begriff und seiner Bedeutungeinheit. Er widersetzt sich herkömmlichen Zuordnungen und Mustern, er gehört weder der Rechten noch der Linken. Daher habe ich versucht Licht ins Dunkle zu bringen und bestehende Unkenntnis aufzulösen, indem ich bewußt an den Wurzeln, den Anfängen dieses Denkens ansetze.
Die inhaltliche Strukturierung der Arbeit gestaltet sich wie folgend. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Begriffsgeschichte und mit der Frage, wie es zum jüngsten Ausbruch der Multikulturalismus-Debatte in den Vereinigten Staaten kam. Anschließend untersuche ich die ideengeschichtlichen Ursprünge dieses Denkens anhand eines Essays von Charles Taylor, der das Bedürfnis nach Anerkennung mit dem Multikulturalismus in Verbindung setzt. Er versteht es verschiedene ideengeschichtliche, philosophische und politische Komponenten in
Einklang zu bringen und er stellt sich den aktuellen Fragen der Zeit: der Gleichbehandlung der Individuen bei Achtung ihrer kulturellen und ethnischen Identität in den liberalen Demokratien. In den nachfolgenden Abschnitten konzentriere ich mich ganz auf die Politik des Multikulturalismus in den USA, um nicht den Rahmen der Ausarbeitung zu sprengen. Die demographischen und wirtschaftlichen Ursachen, die politischen Umsetzungen der Theorie und aktuellen Auseinandersetzungen, die Repräsentanten und Schauplätze der Debatte werden Gegenstand der Untersuchung sein. Im Abschnitt 4.1. wird die Kontroverse an den Universitäten am Beispiel des Curriculums dargestellt. Abschließend werden Chancen und Risiken des Multikulturalismus diskutiert und mit Europa und Deutschland in Zusammenhang gebracht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Begriffsgeschichte
2. Ideengeschichtliches
2.1. Universalismus vs. Politik der Differenz
3. Soziale und wirtschaftliche Ursachen des Multikulturalismus
4. Die Multikulturalismus-Debatte in den USA
4.1. Die Kontroversen an den amerikanischen Colleges und Universitäten
5. Ausblick
Literaturverzeichnis
Einleitung
Multikulturalimus istin den letzten 10 Jahren zueinemSchlagwort geworden und zunehmend für Furore gesorgt hat. Meistens im Sinne einer Forderung scheint der Begriff im Zusammenhang mit dem Tatbestand der anwachsenden Migration in der ganzen Welt ( besonders nach den USA und Europa ) nach Antworten zu suchen. Die jüngste Diskussion wurde vorwiegend in den USA geführt, obwohl die ideengeschichtlichen Wurzeln eigentlich aus Europa stammen. Der Multikulturalismus stellt sich als ein verwirrendes Phänomen dar. Jeder versteht etwas anderes unter diesem Begriff und seiner Bedeutungeinheit. Er widersetzt sich herkömmlichen Zuordnungen und Mustern, er gehört weder der Rechten noch der Linken. Daher habe ich versucht Licht ins Dunkle zu bringen und bestehende Unkenntnis aufzulösen, indem ich bewußt an den Wurzeln, den Anfängen dieses Denkens ansetze.
Die inhaltliche Strukturierung der Arbeit gestaltet sich wie folgend. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Begriffsgeschichte und mit der Frage, wie es zum jüngsten Ausbruch der Multikulturalismus-Debatte in den Vereinigten Staaten kam. Anschließend untersuche ich die ideengeschichtlichen Ursprünge dieses Denkens anhand eines Essays von Charles Taylor, der das Bedürfnis nach Anerkennung mit dem Multikulturalismus in Verbindung setzt. Er versteht es verschiedene ideengeschichtliche, philosophische und politische Komponenten in
Einklang zu bringen und er stellt sich den aktuellen Fragen der Zeit: der Gleichbehandlung der Individuen bei Achtung ihrer kulturellen und ethnischen Identität in den liberalen Demokratien. In den nachfolgenden Abschnitten konzentriere ich mich ganz auf die Politik des Multikulturalismus in den USA, um nicht den Rahmen der Ausarbeitung zu sprengen. Die demographischen und wirtschaftlichen Ursachen, die politischen Umsetzungen der Theorie und aktuellen Auseinandersetzungen, die Repräsentanten und Schauplätze der Debatte werden Gegenstand der Untersuchung sein. Im Abschnitt 4.1. wird die Kontroverse an den Universitäten am Beispiel des Curriculums dargestellt. Abschließend werden Chancen und Risiken des Multikulturalismus diskutiert und mit Europa und Deutschland in Zusammenhang gebracht.
1. Begriffsgeschichte
Der Begriff Multikulturalismus ist ein politisches Lehnwort. Trotz seiner heutigen Allgegenwart taucht das Wort erst seit kurzem im allgemeinen Sprachgebrauch auf. Es war zunächst die offizielle Bezeichnung für die Minderheitenpolitik der kanadischen Regierung unter Pierre Trudeau aus dem Jahre 1971. In den 70er Jahren wird Multikulturalismus vorwiegend in Diskussionen über Australien und Kanada verwendet. In den USA spielte er zunächst keine große Rolle im öffentlichen Diskurs. Seine rapide Verbreitung und ideologisch zwiespältige Besetzung später in den 80er Jahren geht zurück auf eine in der amerikanischen Universitätswelt tobende Debatte um die Gewichtung der Lehrpläne ( Kanon ), um Minderheitendidaktik ( Diskriminierung & Pflege der ethnischen Identität ), um die Zusammensetzung des Lehrkörpers ( Quoten ), um die Beziehungen zwischen Professoren, Studenten und ethnischen Gruppen ( political correctness ) sowie um Quotenregelungen für Minderheitenstudenten ( affirmative action & Zulassungsstandards ).[1]
Die Debatte entspringt der Krise, in der die general education steckt. Diese Krise hat ihrerseits wirtschaftliche, politische und ideologische Ursachen, die mit den langfristigen Konsequenzen der Einwanderung und Arbeitsmigration einher gehen.
Die Grabenkämpfe und Schlachtlinien verlaufen zwischen den Vertretern einer von weißen, angelsächsischen Männern geprägten normativen Kultur mit den dazugehörigen institutionellen und ideologischen Besitzständen und den Vertretern der „Neuen Linken“ , die in sich stark fragmentiert sind in „radikale“, „ethnische“, „schwule“ und „feministische“ Gruppen.
Die Multikulturalismus-Debatte wurde zu einem Medienereignis ersten Ranges in den USA, weil es um den Erhalt des american creed, also um den Glauben an die Nation und die Sozialisation junger Bürger, geht.[2]
Wenn in der deutschen Multikulturalismus-Diskussion das Beispiel USA herangezogen wird, meint der Begriff eher die Erfahrungen als Einwanderungsland und nicht die heutige Debatte. Den aktuellen Diskurs kennzeichnet der Unterschied, daß er im Bereich der Erziehung und der Sozial - und Kulturwissenschaften entstanden ist.
2. Ideengeschichtliches
Das Bedürfnis nach Anerkennung ist für Taylor eines der Triebkräfte für emanzipatorische Bewegungen in der Geschichte der Menschheit. Die Forderung nach Anerkennung wird heute aus den verschiedensten Richtungen gestellt, im Namen von Minderheiten oder benachteiligten sozialen und ethnischen Gruppen, im Feminismus und im Zusammenhang mit der Politik des Multikulturalismus. Unsere Identität wird teilweise bestimmt von der Anerkennung oder Nicht-Anerkennung, so daß eine Gruppe von Menschen eine wirkliche Deformation ihrer selbst erleiden kann, wenn die Gesellschaft ein einschränkendes, minderwertiges und verächtliches Abbild von ihnen wiedergibt.[3] Es ist eine Form von Unterdrückung, welche die Verachtung des eigenen Selbst nach sich zieht. Die Identität, ergo das Selbstverständnis des Menschen, nimmt Schaden, denn Anerkennung ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Wie kommt es, daß uns die Wechselbeziehung von Anerkennung und Identität so geläufig erscheint ? Woher stammen die Ursprünge dieses Denkens? Wer hat die geistigen Grundpfeiler für dieses moralische Gedankengebäude in das menschliche Bewußtsein eingepflanzt? Welcher Wertewandel hat sich im Laufe der Geschichte vollzogen?
Ansetzen kann man an dem historischen Zeitpunkt, wo sich der Zusammenbruch des Zentralismus vollzog und ein neuer gesellschaftlicher Stand sich seiner Macht bewußt wurde. Bestimmend für diese Zeit war der Begriff der Ehre, der hier gleichbedeutend mit Ungleichheit einher gehen kann. In dieser Bedeutung hat auch Montesquieu den Begriff beschrieben: „Es liegt in der Natur der Ehre, daß sie ein Bevorzugen und Besserstellen verlangt ... “.[4] Im klaren Gegensatz dazu erwächst der neue Begriff der Würde, der mit dem Aufkommen der modernen Demokratien an Bedeutung gewann und in einem egalitären und universalistischen Sinne zur Anwendung kam.[5] Jeder sollte an dieser Würde teilhaben! Die Demokratie ist eine Voraussetzung für die Politik der gleichberechtigten Anerkennung, die in den folgenden Epochen unterschiedliche Formen annahm und heute in Gestalt von Multikulturalismus und Feminismus ihre Renaissance erlebt.
Einen Meilenstein in der ideengeschichtlichen Evolution dieses Denkens nimmt die am Ende des 18. Jahrhunderts sich entfaltende Auffassung von individueller Identität ein. Die Entdeckung des eigenen Seins, einer Identität, die allein einem selbst gehört, hat die Wichtigkeit der Anerkennung nur noch mehr hervorgehoben und verstärkt. Jean-Jacques Rousseau artikulierte diesen Wandel als „le sentiment de l’existence“ – das Gefühl des Daseins.[6] Der Authentizitätsbegriff gewinnt hier an entscheidender Bedeutung dank einer Entwicklung, die bei Rousseau einsetzt und mit Herder weitergeführt wird. Herder spinnt den Faden weiter, er behauptet, daß jeder von uns unverwechselbar ist: „ ... jeder Mensch hat ein eigenes Maß, gleichsam eine eigene Stimmung aller seiner sinnlichen Gefühle zu einander.“[7] Dieser Gedanke war neu und prägte sich dem modernen Bewußtsein tief ein. Es verlieh den Unterschieden zwischen den einzelnen Menschen ein moralisches Gewicht gegenüber dem äußeren Konformitätsdruck. Herder verstand die Idee in zweierlei Ausformung, zum einen in Anwendung auf den individuellen Menschen inmitten anderer Menschen und zum anderen auf das Volk als Träger einer eigenen Kultur inmitten anderer Völker. Auch ein Volk sollte sich selbst, das heißt seiner Kultur treu sein.
Wichtig für das Selbstverständnis eines Volkes und damit auch für das enge Zusammenspiel von Identität und Anerkennung ist für Taylor folgender Aspekt: der dialogische Charakter menschlicher Existenz. Die Fähigkeit des Menschen ist es, sich Vielfalt anzueignen, sei es in Sprachen, Kultur, Kunst, Ethik, Liebe, Gestik usw. Diese Ausdrucksweisen erlernen wir im Austausch mit anderen. Identität wird stets im Dialog entwickelt. Der Trend zur Vereinheitlichung der Welt heute bedeutet ein Sterben der Vielfalt der Kulturen. Wo bleibt dann die Möglichkeit des Dialogs?
2.1. Universalismus vs. Politik der Differenz
Der Diskurs der Anerkennung beeinflußt uns in doppelter Hinsicht, erstens in der Privatsphäre, wo wir unsere Identität und unser Selbst im dauernden „Kampf“ und im Dialog mit dem signifikanten Anderen bestimmen und formen sowie zweitens auf gesellschaftlicher Ebene, wo die Politik der gleichheitlichen Anerkennung eine zunehmend größere Bedeutung bekommt. Diese wiederum beinhaltet zwei verschiedene Ansätze, die jeweils mit einer der beiden zuvor beschriebenen Wandlungen verbunden ist.
[...]
[1] Ostendorf 1994, S.8.
[2] Ebenda
[3] Taylor 1992, S.13.
[4] Montesquieu, De l’esprit des lois. Buch 3, Kap.7; dt. Vom Geist der Gesetze. Stuttgart 1965, S.124.
[5] Taylor 1992, S.16.
[6] Taylor 1992, S.19.
[7] Ebenda
- Arbeit zitieren
- Olaf Kunde (Autor:in), 1999, Multikulturalismus - strukturelle und ideengeschichtliche Ursprünge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21571
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