Compliance-Management im Klima-Regime


Seminararbeit, 2003

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Regime-Theoretische Analyse des Kyoto-Protokolls
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Regime, Umwelt-Regime im Völkerrecht
2.1.2 Effektivität eines Regimes und die Bedeutung von Compliance
2.2 Das Klima-Regime
2.2.1 Spezifische Problemstrukturen
2.2.2 Rechtsverbindlichkeit der Verträge

3. Das Konzept der Rechtsdurchsetzung in Umwelt-Regimen
3.1 Die Notwendigkeit neuer, kooperativer Methoden der Rechtsdurchsetzung
3.1.1 Traditionelle, repressive Methoden: dem kooperativen Charakter unangemessen
3.1.2 Kooperative und flexible Methoden: erste Wahl in Umwelt-Regimen
3.2 Aktives Vertragsmanagement zur Verhinderung von Erfüllungsdefiziten
3.2.1 Erfüllungskontrolle und Verifikationsmechanismen
3.2.2 Erfüllungshilfe und Nichteinhaltungsprozedur

4. Compliance-Management im Kyoto-Protokoll
4.1 Geschichte und Grundlagen
4.2 Prozeduren und Mechanismen
4.2.1 Erfüllungsanreize: Nationale Reduktionsziele und Flexible Mechanismen
4.2.2 Berichtssysteme: Emissionsinventare, nationale Mitteilungen und Monitoring
4.2.3 Erfüllungskontrolle und Nichteinhaltungsverfahren (Enforcement Branch)
4.2.4 Erfüllungshilfe und Frühwarnmechanismus (Facilitative Branch)

5. Fazit

6. Anhang
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Internetquellen
6.3 Glossar

1. Einleitung

Zwei Jahre nach der Ausarbeitung des Compliance-Managements in Marrakesh steht das Kyoto-Protokoll heute kurz vor dem Inkrafttreten. Rechts- und Politikwissenschaftler sowie Nichtregierungsorganisationen bezeichnen dessen System der Rechtsdurchsetzung als das bislang weitestgehende und innovativste im Umweltvölkerrecht. Thema dieser Arbeit ist eine Betrachtung dieser Mechanismen und Institutionen im Umweltvölkerrecht am Beispiel des Kyoto-Protokolls. Aus einer regime-theoretischen Betrachtung der Klima-Abkommen soll die Notwendigkeit neuer, kooperativer Methoden der Rechtsdurchsetzung theoretisch begründet und deren Umsetzung im Kyoto-Protokoll untersucht werden. Ziel dieser Arbeit ist herauszuarbeiten, welche Theorie zur Verhinderung von Erfüllungsdefiziten den Methoden der Rechtsdurchsetzung im Klima-Regime zugrunde liegt und welche Innovationen im Kyoto-Protokoll enthalten sind.

Zunächst werden im zweiten Kapitel die Begrifflichkeiten der Regime-Theorie und relevante Aspekte des Klima-Regimes aufgezählt: Zur Sicherung des Klimas als globales Gemeinschaftsgut gibt es kein national spezifisches Interesse an der Normdurchsetzung, das gegeneinander abgewogen oder ausgehandelt werden könnte. Traditionelle repressive Methoden und Streitschlichtungsmechanismen sind daher für das Klima-Regime nicht geeignet. Im folgenden Kapitel soll deutlich werden, dass die Ursache für eine Nichteinhaltung des Kyoto-Protokolls nicht machiavellianischer Unwille wäre, sondern Unwissen, fehlendes Know-how oder fehlende finanzielle Ressourcen. Eine effektive Problemlösung funktioniert daher nur durch Konsultations-, Analyse- und Überzeugungsprozesse mittels eines aktiven Vertragsmanagements. Es bedarf einer formalisierten und institutionalisierten Kontrolle der Staaten bei der Erfüllung ihrer Vertragspflichten und der Unterstützung bedürftiger Staaten. Im vierten Kapitel werden sodann die Verfahren und Mechanismen des Vertragsmanagements im Kyoto-Protokoll im Einzelnen untersucht. Resümierend schließt das Fazit die Arbeit mit einer Bewertung der Chancen kooperativer Umwelt-Regime und des Kyoto-Protokolls im Speziellen ab.

Die vielfältigen Konzepte der Rechtsdurchsetzung und Aspekte der Effektivitätskontrolle völkerrechtlicher Umweltabkommen können aufgrund ihres Umfangs und ihrer Komplexität in diesem Rahmen nur angerissen und in Ausschnitten dargestellt werden. Die Arbeit erhebt deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit, verfolgt aber das Ziel, die wesentlichen Ideen des Compliance-Managements darzustellen und die Parallelen zwischen dem Konzept des partnerschaftlichen Vertragsmanagements und der Umsetzung im Klima-Regime herauszuarbeiten. Als Quellen dienen neben dem Archiv des Sekretariats der Klimarahmenkonvention vor allem Publikation von Mitarbeitern des Wuppertal-Instituts und anderer Institute, die die Entstehung des Kyoto-Protokolls wissenschaftlich begleiten, sowie die kritischen Betrachtungen von Nichtregierungsorganisationen.

2. Regime-Theoretische Analyse des Kyoto-Protokolls

2.1 Begriffsklärungen

2.1.1 Regime, Umwelt-Regime im Völkerrecht

Politikwissenschaftliche Untersuchungen internationaler Umweltverträge verwenden üblicherweise den Ansatz der Regime-Analyse bzw. gründen sich auf die Regime-Theorie. Der Begriff 'Regime' wird allerdings aufgrund seiner Dehnbarkeit in Politikwissenschaft und Völkerrechtswissenschaft unterschiedlich interpretiert und verwendet.1 In dem Versuch, die unterschiedlichen Konzepte zu verbinden, kann ein Regime verstanden werden als ein Zusammenhang von Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren, die den Rahmen bilden für die rechtlichen Antworten auf ein transnationales oder globales Problem und an denen sich die Erwartungen von den Akteuren in diesem Problemfeld ausrichten.2 Die Regime-Theorie verbindet die Idee der Anarchie des Völkerrechtsraumes mit einem institutionalistisch inspirierten Interdependenz-Ansatz auf der Grundlage konstruktivistisch inspirierter Annahmen.3 Im Blickfeld eines internationalen Regimes stehen Institutionen, die von rationalen, nutzenmaximierenden und in Problemkategorien handelnden Staaten vereinbart werden. Für eine rechtswissenschaftliche Analyse der Mittel und Methoden der Rechtsdurchsetzung böte sich zwar eine enger auf die völkerrechtlichen Verträge fokussierte Definition des Begriffs 'Regime' an. Diese würde der dynamischen Entwicklung der völkerrechtlichen Umweltverträge aber nicht gerecht werden. Zudem verschieben sich im Laufe der internationalen Verhandlungen die Grenzen zwischen hartem Völkerrecht und nicht bindendem soft law 4. Schließlich müsste eine Bewertung der Effektivität des Vertragswerkes ausbleiben, da diese dann nur über den juristischen Teil der Rechts um setzung eine Aussage machen könnte.

2.1.2 Effektivität eines Regimes und die Bedeutung von Compliance

Das Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität) ist neben dem Grundsatz von Treu und Glauben eine der zwei Säulen des Völkerrechts und Grund für dessen Effektivität als Recht genossenschaftlichen Charakters.5 Die Gegenseitigkeit spielt nicht nur beim Normenvollzug, sondern auch bei der Entstehung von Normen eine Rolle6 und ist so auch Grundlage für die Entstehung von Regimen. In der Regimetheorie tritt aber die Frage nach dem vertragsrechtlichen Handeln der Staaten gegenüber einer umfassenderen Problemsicht in den Hintergrund. Die Effektivität eines Regimes ist ein Maß für die Problemlösungskapazität der internationalen Regelung des Regimes. Den methodischen Nachweis dafür erbringt die Effektivitätsforschung, bspw. mittels kontrafaktischer Analyse.7 Die Effektivitätsanalyse umfasst also nicht nur die Untersuchung der Rechtsumsetzung bzw. Rechtskonformität der Vertragsstaaten sondern analysiert deren tatsächlichen Beitrag zur Problemlösung, also neben der Implementation auch die Entscheidungsfindung, Werteallokationen und ihren tatsächlichen Beitrag zur Problemlösung. Dabei spielen primär die Verhaltensweisen nationaler und subnationaler Akteure eine Rolle. Sie müssen in ihrem Verhalten beeinflusst werden, um eine Problemlösung zu ermöglichen.8 Neben bspw. dem Verbraucher- und Marktverhalten ist das institutionelle Design des Kyoto-Protokolls ein Faktor für die Effektivität des Klima-Regimes. Voraussetzung für die dynamische Entwicklung eines Regimes ist dabei die Institutionalisierung epistemischer Prozesse.9 Seit dem sichtbaren Erfolg von Umwelt-Regimen in der 80er Jahren, bspw. dem Ozon-Regime, gilt als anerkannt, dass Regime wirksam sind; seitdem geht es also um die qualitative Frage, wie wirksam bzw. effektiv ein Regime funktioniert. Neue Untersuchungsperspektiven sind dabei neben der nationalen Implementation und den Verhaltensänderungen der Akteure unter anderem die Attraktivität von Lösungsvorschlägen des Regimes für die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Systeme10 und die Effektivität regime-interner Entscheidungsfindung. Zur Herstellung von Effektivität in Umwelt-Regimen bedarf es also geeigneter Kontrollen und Mechanismen, die über die Frage der Rechtsumsetzung hinausgehen, also bedeutend in die Souveränität der Staaten eingreifen und dennoch gleichsam dem kooperativen Charakter der Regime gerecht werden. Dabei muss auf die Bedeutung rechtskonformen Handelns im regime-analytischen Sinne eingegangen werden: Traditionell erfassen Methoden der Rechtsdurchsetzung nur den Bereich der Implementation, also Adaption internationalen Rechts, z.B. durch nationale Gesetzgebungsverfahren. Bei der Evaluation der Effektivität eines Regimes wird jedoch die aktive Befolgung der Regelungen unter Berücksichtigung tatsächlicher Verhaltensänderungen von Problemverursachern, auch substaatlichen Akteuren betrachtet.11 Daher kontrollieren neuere Methoden der Rechtsdurchsetzung nicht die Implementation von Normen in nationales Recht, sondern prüfen die Regelbefolgung im Sinne eines vertragserfüllenden Beitrags. Für dieses Konzept wird der Begriff ' compliance ' international verwendet.12

2.2 Das Klima-Regime

2.2.1 Spezifische Problemstrukturen

Die Dynamik eines Umwelt-Regimes ist von der Trägheit und Masse seiner Probleme abhängig.13 Daher sind die Problemstrukturen wichtig für die Frage der Problemlösung. Gegenstand des Klima-Regimes ist als Gemeinschaftsgut der Menschheit die Bios- und Atmosphäre als planetare Senke für Treibhausgase (THG), zu deren Nutzungsregelung internationale Zusammenarbeit notwendig wird.14 Die Komplexität von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen bei Klimawandel und Klimaschutz führt so, anders als beim Ozon-Regime, in dem die wissenschaftlichen Zusammenhänge weitgehend geklärt schienen und technische Lösungsmodelle vorlagen,15 sowohl zu einer Verlangsamung des Verhandlungs- und Einigungsprozesses als auch zu Zielkonflikten zwischen den Vertragsstaaten hinsichtlich ihrer Strategien zur Bewältigung des Klimawandels. Dabei spielt die Ungleichverteilung der THG-Emissionsniveaus zwischen Nord und Süd, also den Industrie- und Entwicklungsländern eine besondere Rolle.16 Entsprechend fordern die Entwicklungsländer ihr Recht auf eine nachholende Entwicklung ein und beharren auf einer Befreiung von Verpflichtungen durch das Kyoto-Protokoll. Die Nordländer hingegen argumentieren, sie müssten die Hauptkosten für wirksamen Klimaschutz bezahlen um Folgen der Klimaveränderung abzumildern, die vor allem den Süden betreffen würden.17 Dazu kommt das grundsätzlich andere Verständnis von Völkerrecht der Neorealisten in der US-Administration, weshalb die USA sich aus prinzipiellen Gründen nicht am Klima-Regime beteiligen wollen, sondern es sogar offensiv zu zerstören versuchen.18 Hier zeigt sich auch die Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit, langfristig zu denken, einerseits und den an Wahlperioden gemessenen und auf kurzfristige Erfolge ausgerichteten Politiken andererseits. Schließlich ist die Messbarkeit von Vertragserfüllung oder Nichterfüllung ein technisches und normatives Problem.19

2.2.2 Rechtsverbindlichkeit der Verträge

Für die Schaffung eines internationalen Regimes wie das Klima-Regime bedarf es aus völkerrechtswissenschaftlicher Sicht dreier Kriterien: ein Völkerrechtlicher Vertrag, ein allgemeines Interesse und die Absicht der Vertragsparteien, dem allgemeinen Interesse durch die Schaffung des Regimes zu dienen.20 Die Klimarahmenkonvention (FCCC) und das Kyoto-Protokoll (KP) sowie die Entscheidungen der Vertragsstaatenkonferenzen (COP bzw. MOP) bilden die völkerrechtliche Vertragsgrundlage des Klima-Regimes. Die Rechtsverbindlichkeit der Verträge steigt zudem durch die Bezugnahme auf Normen des allgemeinen Völkerrechts:21 Obwohl durch die zunehmende Verregelung des Klimaregimes und anderer internationaler Umweltregime die Bedeutung von Gewohnheitsrecht im Umweltvölkerrecht abnimmt, stärkt dessen Anwendung im Klimaregime die Handlungsgrundlagen für die Rechtsdurchsetzung.22 Das Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigung kommt aufgrund seiner Abstraktheit allerdings nicht zur Geltung.23 Das gewohnheitsrechtlich neuere Konzept der 'common but differentiated responsibilities' wird dagegen durch die asymmetrischen Reduktionsverpflichtungen und die Erfüllungshilfe des Kyoto-Protokolls als allgemeine Rechtsnorm bestätigt und gestärkt.24 Schließlich ist das normative Prinzip 15 der Rio-Deklaration, das Vorsorgeprinzip, Grundlage des Klima-Regimes. Das Rahmenübereinkommen und Protokoll enthalten beide neben rechtlich verbindlichem Vertragstext auch soft-law.25 Solche Absichtserklärungen, die meist politischen Druck erzeugen sollen und die Richtung des Verhandlungsprozesses andeuten, enthalten auch die für das Klima-Regime notwendigen Werteallokationen.26 Sie sind auch Teil der Erklärungen von Rio und Jo'burg.27 Im Völkerrecht üben das Kyoto-Protokoll und seine Unterprotokolle28 als institutioneller Teil eines internationalen Regimes eine Form effektiver de-facto-Herrschaft aus, ohne aber über Staatsqualität oder Durchsetzungsmöglichkeiten von harten Sanktionsinstrumenten zu verfügen.29 Der einem Regime üblicherweise zugeschriebenen erga-omnes -Wirkung30 wurde entgegengewirkt durch entsprechende Vertrags-konstruktionen. Ein Konflikt scheint aber möglich bei der Ungleichbehandlung von Waren und Dienstleistungen nach ihrer produktionsmethodischen Energieintensität.31

3. Das Konzept der Rechtsdurchsetzung in Umwelt-Regimen

3.1 Die Notwendigkeit neuer, kooperativer Methoden der Rechtsdurchsetzung

3.1.1 Traditionelle, repressive Methoden: dem kooperativen Charakter unangemessen

Nicht erst seit dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 zeigt sich eine "Durchsetzungsmisere"32 im Umweltvölkerrecht: zwar werden immer mehr Normen und Institutionen geschaffen, umgesetzt werden sie in immer geringerem Maße. Die Ursache ist das Fehlen wirkungsvoller Methoden, völkerrechtliche Pflichten gegenüber den einzelnen Staaten durchzusetzen. Die Durchsetzung des koordinatorischen Völkerrecht erfolgt im Gegensatz zum subordinatorischen innerstaatlichen Recht traditionell durch eine gegenseitige, in der Praxis bilaterale Überwachung der – gleichberechtigten – Staaten und durch bilaterale oder kollektive Methoden zur Herstellung von Rechtsbefolgung: das Konzept der Staatenverantwortlichkeit und –haftung, Repressalie und Retorsion, die Streitbeilegung und sowie Gegenmaßnahmen und Sanktionen.33

[...]


1 Vgl. Fricke, 2001: 68ff; Ott, 1998: 37-46; Oberthür, 1997: 38f: Ursprünglich stammt der Begriff 'Regime' aus dem Völkerrecht der zwanziger Jahre und entwickelte sich in den 70er und 80er Jahren als Reaktion auf das Ende der hegemonialen Stellung der USA.

2 Vgl. ebd: Die "allgemein akzeptierte", systemtheoretische Definition Stephen Krasners sei, so Fricke, "um das Kriterium der Effektivität ... zu ergänzen". Nach der Interpretation Otts ist ein Regime "ein systematisch geplantes Produkt", das auch aus Sanktionsinstrumenten, Streitschlichtungsverfahren und dergleichen bestünde und daher die "effektive Behandlung eines Problemgebietes" erlaube.

3 Nach Fricke stellt die Regime-Theorie so eine Weiterentwicklung der sog. 'Neo-Neo-Synthese' dar, die Neo-Realismus und Neo-Institutionalismus zu verbinden versucht, um Antworten auf die geänderten Bedingungen im Völkerrecht zu finden. Die der Regime-Theorie zugrunde liegenden Denkmuster sind jedoch eher konstruktivistischer Natur: Akteure und Strukturen bedingen sich wechselseitig, Überzeugungsprozesse, Agenda-Setting und normgeleitetes Handeln spielen eine Rolle, kurz: es gilt: 'anarchy is what states make of it'.

4 Der Begriff 'soft-law', dt: weiches Recht, suggeriert eine Form rechtlicher Verbindlichkeit. Dies trifft nicht zu. Die Bezeichnung politischer Willensbekundungen als 'soft-law' ist viel mehr eine Würdigung dieser als konstruktive Beiträge für einen Verrechtlichungsprozess innerhalb eines internationalen Regimes (vgl. Beyerlin, 2000: 64f). Betrachtet man das 'soft law' allerdings als Gegensatz zum juristisch verbindlichen (Völker-)Recht, so werden dazu alle Vereinbarungen ohne rechtlich gesetzte Konsequenzen im Falle der Nichteinhaltung gezählt. Dem 'soft law' kommt in diesem Falle eher eine völkerrechtliche Verbindlichkeit mit Empfehlungscharakter zu. Diese Definition könnte die treffendere sein, wenn es sich um kooperative Regimes handelt wie z.B. das Klima-Regime, in der die Feststellung von Vertragsbruch ('non-compliance') dem kooperativen Charakter der Vereinbarung unter Umständen zuwider laufen würde. Hier hat 'soft law' die Rolle einer 'amicable solution'. Bestimmend für die Wahl von 'soft law' Formulierungen sind nach Beyerlin hauptsächlich das "Streben nach einer raschen und unkomplizierten Problemlösung" sowie die gemeinsame "Scheu vor den Konsequenzen einer völkerrechtlichen Bindung".

5 Der Grundsatz von Treu und Glauben (bona fides) findet sich in etlichen Einzelgrundsätzen wieder, bspw. der Vertragstreue und in Grundsätzen der Interpretation, vgl. dazu auch oben 'soft law'.

6 Vgl. Kimminich/Hobe, 2000: 299.

7 Vgl. Breitmeier, 2001: 50f; Oberthür, 1997: 63f. Die kontrafaktische Analyse stellt die Frage, "was wäre, wenn..." es ein entsprechendes Regime nicht gäbe. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl möglicher Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen bleibt ein Effektivitätsnachweis daher schwer. So könnten nicht Regime, sondern ganz andere Entwicklungen für eine Umweltveränderung verantwortlich sein.

8 Vgl. Oberthür, 1997.

9 Paradebeispiel ist die Institutionalisierung des Zwischenstaatlichen Forums über Klima-Wandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) als 'epistemic community', welches Wissenschaft, Akteursinteressen und politische Entscheidungsträger miteinander vernetzt und kontinuierlich den Stand der Forschung dokumentiert.

10 Nach Cornelia Ulbert, 2002/03, Folie für das Proseminar: Einführung in die Umweltpolitik, FU-Berlin.

11 Vgl. 2.1.2 und 3.1.2.

12 Beyerlin/Marauhn, 1997, Ehrmann, 2000, Oberthür, 1997, Victor, 1998. Vgl auch: Chayes/Handler-Chayes/Mitchell, 1998: "compliance goes beyond implementation". Das Compliance-Verhalten der Vertragsstaaten im Klima-Regime bezeichnet z.B.: die echte Minderung von THG Emissionen im Rahmen der Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls im Gegensatz zur bloßen Umsetzung der Reduktionsziele in nationales Recht.

13 Vgl. Breitmeier, 2001: 50ff.

14 Nach Ott, 1998: 201f. 'Senke' bezeichnet einen Prozess oder Mechanismus zur Speicherung von Stoffen, z.B. THG.

15 Vgl. Beyerlin, 2000, 167ff. Insbesondere gab es zum Zeitpunkt der Montreal-Verhandlungen bereits technisch ausgereifte Ersatzstoffe für die zu reduzierenden Ozonschädlichen Stoffe, insb. den FCKW. Dies führte zu einer ganz anderen Dynamik in der Entscheidungsfindung, da Unternehmen, die bereits auf die neuen Stoffe umgestellt hatten, positiven Druck auf den Verhandlungsverlauf ausübten.

16 Auch die Wissenschaft, namentlich das IPCC, ist bislang nicht in der Lage, konkrete Zielmarken für Emissionsreduktionen vorzugeben (obwohl ihre Prognosen in den letzten Jahren deutlicher und präziser geworden sind) oder Kostenschätzungen für alternative Anpassungsmaßnahmen an die Klimaerwärmung zu erstellen. Alternative technische Lösungen zur bedarfsdeckenden Energiegewinnung ohne THG-Emissionen sind zum jetzigen Wissensstand nicht zu verwirklichen, ohne neben der Ausschöpfung von Effizienzressourcen auch zumindest in den Industrieländern große wirtschaftliche Anpassungsleistungen für ein geringeres Energieverbrauchsniveau aufzuwenden.

17 Mit der Forderung an die Entwicklungsländer, im Gegenzug zu eigenen Reduktionsverpflichtungen zumindest eine THG-Emissionsneutrale Entwicklung zu garantieren, scheiterten die USA im Verhandlungsprozess. Dies sei mit ein Grund für den Ausstieg der US-Amerikaner aus dem Kyoto-Protokoll, so Konferenzbeobachter.

18 Vgl. Germanwatch, 2002. Die Auswirkungen dieser US-Politik sind kaum abzusehen. Möglich wäre, dass die USA auf Druck ihrer Wirtschaftsverbände einem erfolgreichen Kyoto-Protokoll zu einem späteren Zeitpunkt beitreten. Genauso denkbar ist aber, dass sie langfristig institutionalistische Ansätze schwächen wollen und dem Konzept internationaler Regime ihren neorealistischen und auf ihre hegemoniale Stellung bauenden Ansatz entgegensetzen um internationale Probleme bilateral oder durch wechselnde Koalitionen lösen zu können.

19 Es müssen Kontrollinstrumente entwickelt werden um THG-Emissionen und andere Faktoren für nationale Berichte zu erfassen und auszuwerten sowie international vergleichbar zu machen. Betrüger ('cheater') oder unrichtige Berichte sind schwer nachweisbar, da emittierte THG nicht auf einen Emittenten zurückführbar sind.

20 Vgl. Ott, 1998: 38.

21 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze nach IGH-Statut gelten selbstverständlich auch für die Verträge zum Klimaschutz, ihre Bedeutung ist aber im Umweltvölkerrecht gering (vgl. Beyerlin, 2000: 61).

22 Gilt diese Anwendung als "allgemeine, als Recht anerkannte Übung", wie nach IGH-Status die Entstehungsvoraussetzung für Völkergewohnheitsrecht lautet, so werden diese Konzepte wiederum als Völkergewohnheitsrechtssätze gefestigt.

23 Vgl. auch Beyerlin, 2000: 54f und Kap.4.1: Die Voraussetzung der 'Erheblichkeit' der Umweltbeeinträchtigung durch THG-Emissionen ist schwer feststellbar.

24 Vgl. dazu Beyerlin, 2000: 60.

25 Dazu gehören z.B. Beschlüsse der (Unter-)Arbeitsgruppen, Resolutionen der COP (die als Empfehlungen abgefasst werden), Zusatzerklärungen und Präambeln. Obwohl vor allem in den Klimaverhandlungen versucht wird, durch solche politische Willensbekundungen den Eindruck großer Verhandlungserfolge zu erwecken ohne dabei gleichzeitig kostspielige Verpflichtungen einzugehen, sollte die Wirkung des 'soft law' nicht unterschätzt werden: Unter Einbezug der nationalen politischen Willensbildungsprozesse und dem Einfluss der NGOs kommt dem 'soft-law' eine wichtige Rolle der Dynamisierung und des Antriebs weiterer Verhandlungen zu.

26 So war eine gerechte Regime-interne Werteallokation die Grundlage für die Teilnahme der Entwicklungsländer am Kyoto-Protokoll (vgl. Breitmeier, 2001: 50ff).

27 Die 1992 auf dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro verabschiedete Rio-Deklaration besitzt keine rechtliche Verbindlichkeit sondern ist politische Forderung und Willensbekundung (vgl. Ehrmann, 2000: 28). Entsprechend gilt dies für zentrale Vereinbarungen des Weltgipfels über Umwelt und Entwicklung in Jo'burg 2002, die als politische Willenserklärungen im "Plan of Action" bzw. "Plan of Implementation" beschlossen wurden.

28 Den Status eines Unterprotokolls haben in der Regel die Abkommen der COP, mit Hilfe derer das Kyoto-Protokoll ratifizierungsfähig gemacht wurde bzw. wird und in denen die genaue Ausgestaltung von Institutionen und Instrumenten geregelt ist. Ein Beispiel ist das 200-seitige Abkommen von Marrakesch (The Marrakesh Accords).

29 Vgl. zu Rechtsdurchsetzungsinstrumenten 3.1.

30 Vgl. Kornicker, 1997: 112ff und Ott, 1998: 38,41. Nach völkerrechtswissenschaftlicher Definition soll einem Regime eine sog. erga-omnes-Wirkung zukommen, nach der die rechtliche Wirkung der Vereinbarung auch für Drittstaaten gelten soll, wenn den Parteien entsprechende Kompetenzen zuerkannt werden. Es wird dann auch von einem 'objektiven Regime' gesprochen. Diese Wirkung kollidiert aber mit einem Grundsatz des Völkerrechts, nach dem ein Vertrag für einen Drittstaat weder Rechte noch Pflichten begründen kann.

31 Entsprechende Instrumente werden diskutiert. Zu ihnen gehört bspw. das Konzept der Grenzausgleichsabgaben ('border tax adjustment') zur Besteuerung von energieintensiven Importgütern im Rahmen einer Binnenenergiesteuer (Ökosteuer) als Klimaschutzmaßnahme. Solche Maßnahmen und Instrumente stehen derzeit allerdings möglicherweise im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz von Waren und Dienstleistungen der entsprechenden Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO): vgl. Oberthür/Ott, 2000: 360.

32 Ladenburger spricht von "einer 'Vollzugsmisere' im internationalen Umweltrecht"; vgl. Ladenburger, 1996: 4.

33 Vgl. Beyerlin/Marauhn, 1997: 76. Art. 33 der VN-Charta enthält eine Auflistung der gängigen Mittel an der sich die meisten völkerrechtlichen Verträge orientieren (vgl. Ott, 1998: 216).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Compliance-Management im Klima-Regime
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Weltumweltpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V22097
ISBN (eBook)
9783638255271
ISBN (Buch)
9783638759533
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Thema der Arbeit ist eine Betrachtung des Compliance-Managements im Kyoto-Protokolls. Aus einer regime-theoretischen Betrachtung der Klima-Abkommen soll die Notwendigkeit neuer, kooperativer Methoden der Rechtsdurchsetzung theoretisch begründet und deren Umsetzung im Kyoto-Protokoll untersucht werden. Ziel der Arbeit ist u. a. herauszuarbeiten, welche Theorie zur Verhinderung von Erfüllungsdefiziten den Methoden der Rechtsdurchsetzung im Klima-Regime zugrunde liegt.
Schlagworte
Compliance-Management, Klima-Regime, Proseminar, Weltumweltpolitik
Arbeit zitieren
Daniel Pentzlin (Autor:in), 2003, Compliance-Management im Klima-Regime, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22097

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