Rauchen ist nicht nur schädlich, sondern macht süchtig, also unfrei und bedeutet millionenfachen Tod unter schrecklichsten Schmerzen, die Krebskranke durchleiden. Nach Angaben der WHO starben im Jahr 2002 weltweit 4,9 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, jedes Jahr werden 1,2 Millionen neue Lungenkrebsfälle diagnostiziert1. Die EG hat, so scheint es, den Kampf für ein „tabakfreies Europa“ aufgenommen2: Seit der Rat 1986 sein Programm „Europa gegen Krebs“ startete, wurde eine Vielzahl von Richtlinie erlassen, die darauf abzielen, den Tabakkonsum durch Werbebeschränkungen in der Gemeinschaft zu verringern. Fast schon klassisch rechtfertigt die Kommission die Gesundheitsmaßnahmen, für deren Ziele sie eigentlich keine Kompetenz beanspruchen kann, mit der Notwendigkeit des Binnenmarktes3 – ein Vorgang, der sich auf eine Vielzahl anderer Bereiche übertragen ließe. Art. 95 Abs. I EG4 begründet damit eine funktional bestimmte Querschnittskompetenz der Gemeinschaft, von der nur wenige Bereiche ausgeschlossen sind5 und die daher vom Gemeinschaftsgesetzgeber am häufigsten in Anspruch genommen wird6. Und während die Bedeutung einer klaren Abgrenzung nationaler Kompetenzen von europäischen heute nicht mehr bestritten wird, scheint gerade die unzureichend geklärte Art und Weise beim Thema Tabak entschieden zu werden. Die zweite Frage, die sich stellt, ist die der grundrechtlichen Konformität. Einschränkungen in der Werbung werden vor allem als Angriff auf die Meinungs- und Berufsfreiheit von Presse und Tabakindustrie gesehen, zumal das Produkt in allen Mitgliedsstaaten legal vertrieben werden darf und mächtige privat-wirtschaftliche und staatliche Interessen dahinter stehen. Diese Arbeit wird die Frage nach den Kompetenzen der EG zum Erlass werbepolitischer Tabakrichtlinien und nach deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten der EG zu klären versuchen. Dabei soll keinesfalls die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens in Frage gestellt werden. Es soll lediglich dargelegt werden, wer den aufgrund der Gesundheitsschädlichkeit gegebenen Regelungsbedarf ausfüllen darf und welchen Umfang die Normierungen aufweisen dürfen. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf die vom EuGH zum Thema Tabakwerbung entwickelten Prüfungsmaßstäbe gelegt werden. Um die Entwicklung der Prüfungskriterien auch aufzuzeigen, wird die genannte Rechtsprechung chronologisch betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- A Einleitung
- B Hauptteil
- 1. Verbot der Fernsehwerbung für Tabakerzeugnisse
- 2. Etikettierungsvorschriften für Tabakerzeugnisse
- 2.1. Kompetenzrechtliche Betrachtung
- 2.2. Grundrechtliche Betrachtung
- 2.2.1. Meinungsfreiheit
- 2.2.2. Berufsfreiheit
- 3. Verbot von Werbung und Sponsoring von Tabakerzeugnissen - erster Versuch
- 3.1. Kompetenzrechtliche Betrachtung
- 3.1.1. Anwendung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung für den Binnenmarkt
- 3.1.2. Zweck der tatsächliche Verbesserung des Binnenmarktes
- 3.1.3. Spürbarkeit der Wettbewerbsverzerrungen
- 3.1.4. Verbot der Umgehung des Harmonisierungsverbots im Gesundheitswesen
- 3.2. Nichtigkeit der Richtlinie
- 4. Strengere Etikettierungsvorschriften für Tabakerzeugnisse und Verbot bestimmter Bezeichnungen
- 4.1. Kompetenzrechtliche Betrachtung
- 4.1.1. Anwendung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung für den Binnenmarkt
- 4.1.2. Zweck der tatsächliche Verbesserung des Binnenmarktes
- 4.1.3. Spürbarkeit der Wettbewerbsverzerrungen
- 4.1.4. Verbot der Umgehung des Harmonisierungsverbots im Gesundheitswesen
- 4.2. Grundrechtliche Betrachtung
- 4.2.1. Eigentumsfreiheit
- 4.2.2. Meinungsfreiheit
- 4.2.3. Verhältnismäßigkeit des Verbots bestimmter Produktbezeichnungen
- 4.2.4. Verhältnismäßigkeit der Warnhinweise
- 5. Verbot von Werbung und Sponsoring von Tabakerzeugnissen – zweiter Versuch
- 5.1. Kompetenzrechtliche Betrachtung
- 5.1.1. Anwendung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung für den Binnenmarkt
- 5.1.2. Zweck der tatsächliche Verbesserung des Binnenmarktes
- 5.1.3. Spürbarkeit der Wettbewerbsverzerrungen
- 5.1.4. Verbot der Umgehung des Harmonisierungsverbots im Gesundheitswesen
- 5.2. Grundrechtliche Betrachtung
- 5.2.1. Meinungsfreiheit
- 5.2.2. Eigentumsfreiheit
- 5.2.3. Verhältnismäßigkeit des Werbeverbots
- Kompetenzrechtliche Zulässigkeit von Maßnahmen der EG im Bereich der Tabakwerbung
- Grundrechtliche Vereinbarkeit von Tabakrichtlinien mit den Grundrechten der EG
- Prüfungsmaßstäbe des EuGH zur Beurteilung von Tabakwerbungsmaßnahmen
- Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Tabakwerbung in der EG
- Gesundheitsgefahren des Tabakkonsums und die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen
- Kapitel 1: Verbot der Fernsehwerbung für Tabakerzeugnisse: Dieses Kapitel analysiert das Verbot der Fernsehwerbung für Tabakprodukte, das in der Richtlinie über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (Fernsehrichtlinie) verankert ist. Es werden die rechtlichen Grundlagen, die Zielsetzung und die Auswirkungen des Verbots auf den Binnenmarkt und die Grundrechte beleuchtet.
- Kapitel 2: Etikettierungsvorschriften für Tabakerzeugnisse: In diesem Kapitel werden die Etikettierungsrichtlinien für Tabakerzeugnisse untersucht. Die rechtliche Grundlage, die Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers und die grundrechtliche Konformität der Richtlinien werden beleuchtet. Insbesondere wird auf die Meinungs- und Berufsfreiheit der Tabakindustrie sowie auf die Informationsfreiheit des Verbrauchers eingegangen.
- Kapitel 3: Verbot von Werbung und Sponsoring von Tabakerzeugnissen - erster Versuch: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem ersten Versuch der EG, Werbung und Sponsoring für Tabakerzeugnisse zu verbieten. Es werden die rechtlichen Grundlagen des Verbots sowie die Begründungen für die Nichtigkeit der Richtlinie durch den EuGH analysiert.
- Kapitel 4: Strengere Etikettierungsvorschriften für Tabakerzeugnisse und Verbot bestimmter Bezeichnungen: Dieses Kapitel befasst sich mit den strengeren Etikettierungsvorschriften für Tabakerzeugnisse und dem Verbot bestimmter Produktbezeichnungen. Es werden die rechtlichen und grundrechtlichen Aspekte der Maßnahmen beleuchtet, insbesondere die Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers und die Verhältnismäßigkeit der Vorschriften.
- Kapitel 5: Verbot von Werbung und Sponsoring von Tabakerzeugnissen – zweiter Versuch: In diesem Kapitel wird der zweite Versuch der EG, Werbung und Sponsoring für Tabakerzeugnisse zu verbieten, analysiert. Es werden die rechtlichen Grundlagen des Verbots und die Prüfungsmaßstäbe des EuGH im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit und die Vereinbarkeit mit den Grundrechten der EG beleuchtet.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Zulässigkeit und dem Umfang von Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaften (EG) im Bereich der Tabakwerbung. Die Arbeit analysiert die rechtlichen Grundlagen und die Vereinbarkeit von Tabakrichtlinien mit den Grundrechten der EG. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entwickelten Prüfungsmaßstäbe gelegt.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Tabakwerbung, Tabakrichtlinien, Europäische Gemeinschaft, Europäischer Gerichtshof, Binnenmarkt, Grundrechte, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit, Gesundheitsvorsorge, Verbraucherschutz, Etikettierung, Produktbezeichnung, Werbeverbot, Sponsoring, Verhältnismäßigkeit.
- Arbeit zitieren
- Martin Köhler (Autor:in), 2004, Tabakwerbung - Zulässigkeit und Umfang von Maßnahmen der EG, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22110