"(...) Film ist das Medium des 20. Jahrhunderts. Er spiegelt die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und in einem sehr hohe Maße die technischen Errungenschaften dieses Jahrhunderts wider. Tatsächlich nahm er in den genannten Bereichen vieles vorweg, was dann real wurde. Film ist also nicht nur eine Illusion, sondern oft auch Vision. Im Verlauf seiner knapp hundertjährigen Geschichte hat er alle Themen seiner Zeit aufgegriffen. Was vor ihm Malerei, Literatur und Theater als Einzelkünste leisteten, verbindet er, zusammen mit einer anderen modernen Erfindung, dem Radio, in jeweils einem audiovisuellen Werk. Die bewegten Bilder haben dieses
Jahrhundert entscheidend geprägt."(1)
Im Rahmen des Seminars Filme und Filmtheorien, in dem es um die
Untersuchung unterschiedlicher Filmgenres ging, möchte ich anhand des Filmes "M - eine Stadt sucht einen Mörder" noch einmal genauer untersuchen, um was für ein Thema es in ihm geht, welchen Zeitgeist dieser Film aufgreift und was genau es ist, das ihn so besonders macht.
[...]
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1 Data Becker Lexikon, 1999
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Aufgabenstellung
2. Der Film
2.1 Kurzer Exkurs zur Bedeutung des Filmes Anfang 1900
2.2 Daten und Fakten zu 'M – eine Stadt sucht einen Mörder'
2.3 Kurze Inhaltsangabe
2.4 Filmanalyse
2.4.1 Analyse technischer Mittel
2.4.1.1 visuelles System: Kamera/Bild
2.4.1.2 auditives System: Ton
2.4.1.3 Filmischer Aufbau
2.4.2 Inhaltsanalyse
2.4.2.1 Charaktere/Rollenverteilung
2.4.2.2 Sprache (als Text)
2.4.2.3 'Botschaft'/Aussage des Filmes
2.4.3 Sozial-kulturelle Deutung des Filmes
3. Über den Autor
4. Zusammenfassung
5. Anhang: Tabellarischer Lebenslauf Fritz Lang
1. Einleitung und Aufgabenstellung
"M – eine Stadt sucht einen Mörder"
"(...) Film ist das Medium des 20. Jahrhunderts. Er spiegelt die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und in einem sehr hohe Maße die technischen Errungenschaften dieses Jahrhunderts wider. Tatsächlich nahm er in den genannten Bereichen vieles vorweg, was dann real wurde. Film ist also nicht nur eine Illusion, sondern oft auch Vision.
Im Verlauf seiner knapp hundertjährigen Geschichte hat er alle Themen seiner Zeit aufgegriffen. Was vor ihm Malerei, Literatur und Theater als Einzelkünste leisteten, verbindet er, zusammen mit einer anderen modernen Erfindung, dem Radio, in jeweils einem audiovisuellen Werk. Die bewegten Bilder haben dieses Jahrhundert entscheidend geprägt."[1]
Im Rahmen des Seminars Filme und Filmtheorien, in dem es um die Untersuchung unterschiedlicher Filmgenres ging, möchte ich anhand des Filmes "M - eine Stadt sucht einen Mörder" noch einmal genauer untersuchen, um was für ein Thema es in ihm geht, welchen Zeitgeist dieser Film aufgreift und was genau es ist, das ihn so besonders macht.
Dabei gilt für mich, herauszufinden, welche inhaltlichen Faktoren eine Rolle spielen, die diesem Film seinen Reiz und seine Qualität verleihen, wie auch, wie mit filmischen Mitteln umgegangen wurde. Worauf legte sein Autor und Regisseur Fritz Lang besonderen Fokus und was ist die Botschaft des Filmes? Aus was für einer Zeit stammt er, wie waren die Menschen geprägt, und wie aktuell ist die Aussage des Filmes in unseren Tagen?
Zu diesem Zweck werde ich noch einmal genauer auf den Inhalt und die Zeit, in die der Film eingebettet ist, eingehen. Ebenso werde ich die filmischen Mittel auf deren (wahrscheinliche) Wirkung beim Zuschauer untersuchen, die eingesetzt wurden, und auch noch einmal kurz auf den Filmemacher Fritz Lang und seine Arbeiten zu sprechen kommen.
Handelt es sich bei diesem Film um einen 'klassischen' Thriller der 30er Jahre oder um einen Aufklärungsfilm? Oder ist es am Ende eine Mischung aus beidem?
Diese und weitere Blickpunkte sollen auf den nachfolgenden Seiten behandelt werden, um den Ansatz einer aussagekräftigen und belegbaren Filmanalyse zu erarbeiten.
2. Der Film
2.1 Kurzer Exkurs zur Bedeutung des Filmes Anfang 1900
Was für eine Zeit war das, in der Filme geschrieben und gedreht wurden? Auf welchem Stand befand sich die Kultur in den USA und in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Welche Stilrichtungen herrschten in Künsten wie Malerei und Literatur vor, die ja gewissermaßen die Vorboten des heutigen Filmes waren. Wohin tendierten die Geschmäcker?
In kaum einem Jahrhundert gab es so viele kurzfristig aufeinander folgende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen, wie es insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war.
In der Malerei herrschten in Europa die Kunstrichtungen Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus vor, die die grundsätzliche Zerstörung traditioneller Formen mit sich brachten. Sie entsprachen dem Zeitgefühl der Menschen von ca. 1911 - 1920. Die Welt mit ihrer Technik und dem damit einhergehenden Konsum war zu kompliziert geworden. Die Gesellschaft wurde als verlogen, sinnlos und morbide betrachtet. Im Expressionismus drückte sich die Sehnsucht nach dem "neuen" Menschen aus. Gesellschaftlich drückte sich dies in geplanten Umstürzen bestehender Ordnungen aus.[2]
Um 1920 wurde der Expressionismus von der Gegenbewegung, der sog. "neuen Sachlichkeit", abgelöst, in der wieder das reale Erscheinungsbild der Wirklichkeit dargestellt werden sollte. Ein Abzweig dieser Kunstform war der sog. 'Verismus', der in besonders krassen Darstellungen gesellschaftliche Missstände und/oder Kriegserfahrungen kritisierte.
Es herrschten weltweite Krisensituationen vor, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gipfelten und die weitverbreitete Armut, Arbeitslosigkeit und Hungersnöte mit sich brachten.
Sigmund Freud erreichte im Jahr 1914 den Zenit seiner psychoanalytischen Laufbahn. Eine bis dahin in den Mittelschichten weit verbreitete viktorianische Lebensauffassung, die sich u. a. auf moralische Strenge, Ansichten über körperliche Züchtigung, Erotik, der Darstellung der Frau in der Kunst, Geschmack in der Architektur und anderen kulturellen Charakteristika erstreckte, geriet ins Wanken.[3]
Auf welchem Stand befand sich infolgedessen der Film in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts? Welche Genres beherrschten die Filmlandschaft?
1913 – 1927: Einführung längerer Spielfilme, Tonfilm
Film war und ist natürlich auch immer ein Spiegel seiner Zeit. Dies zeigt sich u. a. in seiner rasanten technischen Entwicklung, die für das 20. Jahrhundert bezeichnend ist. Die Zeit der ersten kurzen Stummfilme endet ca. 1913. Abgelöst wird er vom längeren Spielfilm. Nun ist der Film keine Jahrmarktsattraktion mehr, wie es beim Stummfilm noch der Fall war, sondern entwickelt sich zu einem gesellschaftlich anerkannten Medium von wachsender Bedeutung. Der Ton läuft jetzt parallel mit den Bildern mit, wodurch der Film insgesamt realistischer wird.
In den USA und dem Europa dieser Tage werden immer häufiger historische, gesellschaftsrelevante und politische Themen (z. B. der Erste Weltkrieg) relevant und sowohl in fiktiver als auch dokumentarischer Form für das Kino aufbereitet.
1928 – 1932: Übergangsperiode, technische Neuerungen, Film wird zum Wirtschaftsfaktor
Ökonomisch betrachtet gewinnt der Film weltweit an immer stärkerer Bedeutung, seine Technik wird immer besser. Die amerikanischen Ingenieure Bell und Mitchell konstruieren eine sogenannte "3-Streifen-Technicolor-Kamera", in der drei verschiedene Negative in den Primärfarben rot, gelb und blau belichtet werden, wodurch nun jede beliebige Farbe dargestellt werden kann (beim 2-Farben-Film hatte die Farbe blau noch gefehlt).
Inhaltlich erlebt der Film allerdings eine leichte Stagnation; man beschäftigt sich mit der Weltwirtschaftskrise, dem Kommunismus und dem Kapitalismus. Um die Menschen jedoch ein wenig von den (u. a. wirtschaftlich) krisenreichen Zeiten abzulenken, kommen auch viele Unterhaltungsfilme auf den Markt (s. unten aufgeführte Beispiele).
1932 – 1946: Hollywood begründet wirtschaftliche Vormachtstellung, der Farbfilm etabliert sich
Dieser Zeitraum gilt als Hollywoods "goldene Ära". Wirtschaftlich begründet der amerikanische Film dieser Zeit bis heute eine andauernde Vormachtstellung. 1935 wird der Farbfilm so gut, dass er jetzt zum Standard wird. Dadurch wird Film wieder ein Stück lebensnäher. Die europäische Filmwirtschaft wird jedoch aufgrund des Naziregimes in Deutschland und durch den Zweiten Weltkrieg weitgehend von den internationalen Märkten abgeschnitten.[4]
Beispiele deutscher Unterhaltungsfilme aus den 30er Jahren[5]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2 Daten und Fakten zu 'M – eine Stadt sucht einen Mörder'
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mitwirkende Schauspieler sind u. a. Peter Lorre (Hans Beckert, Kindermörder), Gustaf Gründgens (Schränker, Gangsterboss), Otto Wernicke (Inspektor Lohmann) sowie Paul Kemp (Taschendieb), Theo Lingen (Bauernfänger), Theodor Loos (Polizeichef Gröber), Inge Landgut (Elsie), Georg John (blinder Bettler), Ellen Widmann (Frau Beckmann, Elsies Mutter), Hertha von Walter (Straßendirne).[6]
Am 27. April 1931 wurde Langs Film von der Berliner Prüfstelle zugelassen und am 11. Mai selbigen Jahres uraufgeführt. Die Bandlänge betrug zu dieser Zeit 3.208 m.
Im März 1960 wurde er unter dem abgeänderten Titel "M – Dein Mörder sieht Dich an" in einer auf 2.693 m Bandlänge heruntergekürzten Version erneut herausgebracht.
Im Bundesarchiv-Filmarchiv in Berlin[7] existiert noch heute ein Originalnegativ von 2.636 m Länge. Fehlende Szenen wurden aus zeitgenössischen Kopien ergänzt, die in der Cinématique Suisse und im Nederlands Filmmuseum aufbewahrt werden. Der Film hat gegenwärtig eine Länge von 3.024 m.
Die Restaurierung entstand im Jahr 2000 im Nederlands Filmmuseum in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv, dem Nederlands Filmmuseum, der Cinématique Suisse, KirchMedia und ZDF/Arte und wurde von der Mondrian Stichting finanziell unterstützt.[8]
[...]
[1] Data Becker Lexikon, 1999
[2] vgl. www.amor.rz.hu-berlin.de
[3] vgl. Peter Gay, Erziehung der Sinne, Taschenbuchausgabe Oktober 2000
[4] aus: Data Becker Lexikon, 1999
[5] von links nach rechts: 'Hokuspokus – der Prozess der Kity Kellermann', 1930, Gustav Ucicky
(Unterhaltungskomödie)/www.deutscher-tonfilm.de, 'Ich und die Kaiserin', 1933, Friedrich
Holländer/www.deutsches-filminstitut.de, 'Das indische Grabmal', 1937, schwülstig-pathetische Verfilmung
von Richard Eichberg (urspr. Idee: Fritz Lang!)/www.dvdclassics.de/tiger-grabmal/tiger-review/body-tiger-
review..html, 'Das Lied ist aus', 1930, Geza von Bolvary (Musical)
[6] vgl. www.dem.de/entertainment/kino/100/100290.html
[7] vgl. www.goethe.de/z/wwfilm/kinema/dekoblz.htm
[8] Quelle: Vorspann der Videoaufzeichnung "M – eine Stadt sucht einen Mörder",
Mediothek der UdK Berlin, Grunewaldstraße
- Arbeit zitieren
- Tanja Stojanovic (Autor:in), 2002, Über Fritz Langs "M - eine Stadt sucht einen Mörder" von 1931, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2215