Anforderungen an Computerprogramme zur Förderung von Kindern mit phonetischen Entwicklungsstörungen


Examensarbeit, 2003

61 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Gegenstandstheoretische Überlegungen
2.1 Begriffsbestimmungen
2.1.1 Sprachheilpädagogik vs. Logopädie
2.1.2 Interdisziplinarität
2.1.3 Sprachstörung vs. Sprachbehinderung
2.1.4 Aussprachestörung vs. Artikulationsstörung
2.1.5 Abgrenzung phonologische und phonetische Entwicklungsstörung
2.1.6 Ursachen und Symptomatik phonetischer Entwicklungsstörungen
2.1.7 Das Prinzip der Koartikulation
2.2 Der kindliche Lauterwerb
2.3 Problemstellung
2.4 Zusammenfassung

3 Der Computer in der Sprachtherapie
3.1 Ausgewählte konzeptionelle Therapieansätze und Fördermöglichkeiten für Kinder mit phonetischen Entwicklungsstörungen
3.1.1 “Motokinästhetischer Ansatz” nach Strinchfied – Hawk und Young
3.1.2 „Phonetischer Ansatz“ nach Skripture & Jackson
3.1.3 „Hörtraining und progressive Lautannäherung“ nach Van Riper und Irwin
3.2 Der Einsatz von Medien
3.2.1 Der Begriff des Mediums
3.2.2 Medien in der Sprachtherapie
3.3 Der Computer in der Sprachtherapie
3.3.1 Erarbeitete Kriterien für den Einsatz von Computerprogrammen
3.3.1.1 Programmtechnik
3.3.1.2 Fachdidaktik
3.3.1.3 Interaktivität
3.3.2 Sonderpädagogische Software zur Förderung von Kindern mit phonetischen Enwicklungsstörungen
3.3.2.1 Hauptkriterien
3.3.2.2 Nebenkriterien Anschlussmöglichkeiten für Peripheriegeräte
3.4 Zusammenfassung

4 Das Programm „IBM Sprechspiegel III“
4.1 Vorbemerkung zum Einsatzbereich
4.2 Programminhalt und Funktionsweise
4.2.1 Systemvoraussetzungen
4.2.2 Kosten
4.2.3 Inhalt
4.2.4 Funktionsweise
4.3 Die Umsetzung der gewählten Kriterien im „Sprechspiegel III“
4.3.1 Hauptkriterien
4.3.1.1 Motivation
4.3.1.2 Feedback
4.3.1.3 Hörkontrolle / Hörerziehung
4.3.1.4 Übersichtlichkeit
4.3.1.5 Interaktivität
4.3.2 Nebenkriterien
4.3.2.1 Spracheingabe / Sprachverarbeitung
4.3.2.2 Layout
4.3.2.3 Anschlussmöglichkeiten für Peripheriegeräte
4.4 Beispiel für ein mögliches Förderkonzept mit dem “Sprechspiegel III”
4.5 Zusammenfassung

5 Resümee und Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Mitte der 90iger Jahre setzte ein rasanter Innovationsschub im Bereich der Computertechnik ein und veränderte zunehmend die Berufswelt und andere Lebensbereiche durch neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Auch auf das Bildungswesen hat dies maßgeblich Einfluss, denn die Aufgabe der Schulen besteht nun auch darin, die Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit den neuen Medien zu vermitteln.

Das gilt für Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen im besonderen Maße, denn sie müssen sich auch mit den neuen Techniken vertraut machen, um sich in der dadurch veränderten Lebens- und Arbeitswelt zurecht zu finden und möglichst eine Vielzahl der daraus resultierenden Erleichterungen für sich nutzbar zu machen. Ziel ist es, durch deren Einsatz „[...] das Beherrschen der Kulturtechniken, die Förderung aller kreativen, geistigen und praktischen Talente, die Befähigung zur Kommunikation [...] [1] zu fördern. Eine der sich bietenden Möglichkeit ist der Einsatz von Computern im Bereich der Förderung und Therapie benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Dadurch eröffnen sich völlig neue Wege der Hilfe und Unterstützung beim Erwerb elementarer Fähigkeiten. Die damit verbundene Erweiterung aber gleichermaßen auch Erleichterung im pädagogischen Handlungsspielraum gilt es nun in ihrer gesamten Vielfältigkeit zu nutzen.

Speziell in der Rehabilitation hat der Computer Einzug gehalten. Dennoch wird auch heute noch oft die Frage aufgeworfen, ob sich der Computer in der Sprachtherapie sinnvoll einsetzen lässt, zum Beispiel bei einer bestimmten Sprech- oder Sprachstörung, und die Diskussionen über die Wirksamkeit eines solchen Einsatzes werden recht kontrovers geführt. Mit steigendem Anteil der „privaten Nutzung“ im Sinne von Nutzbarkeit zur Bewältigung von Alltagsaufgaben und Lebensprozessen hat auch der „Grad der Selbstverständlichkeit einer solchen Haushaltsausstattung“[2] zugenommen. Daraus ergeben sich gewisse Vorerfahrungen, die den Abbau von Berührungsängsten gegenüber diesen neuen Medien begünstigen.

In meiner Arbeit werde ich einen Einblick zum Einsatz von Computern und Programmen in der Sprachtherapie geben und mich insbesondere mit den Möglichkeiten und Grenzen eines speziellen Computerprogramms beschäftigen – dem „IBM Sprechspiegel 3“. Das erste Kapitel dient zur Definition und Erklärung der in meiner Arbeit verwendeten Nomenklatur und der Problemstellung selbst. Im zweiten Kapitel werden dann ausgewählte konzeptionelle Therapieansätze vorgestellt und die Rolle, die neue Medien im Unterricht und bei der Therapie übernehmen sollen, sowie die Anforderungen, welchen sie für einen erfolgreichen Einsatz genügen müssen, betrachtet. Daraus resultierend werden allgemeingültige Kriterien abgeleitet, die sich auf Computerprogramme in der Sprachtherapie anwenden lassen. Das von mir für die Betrachtung ausgewählte Computerprogramm – der „IBM Sprechspiegel III“ – wird im dritten Kapitel vorgestellt, eingehender auf die abgeleiteten Kriterien untersucht und die Vor- und Nachteile dieser Anwendung bei der Therapie / Förderung phonetisch aussprachegestörter Kinder aufgezeigt.

Zugunsten der Lesbar- und Verständlichkeit wurde auf eine zweigeschlechtliche Schreibweise verzichtet und die männliche Sprachform verwendet. Grundsätzlich werden weibliche wie männliche Erzieher, Pädagoginnen und Pädagogen, Therapeutinnen und Therapeuten gleichermaßen angesprochen.

2 Gegenstandstheoretische Überlegungen

2.1 Begriffsbestimmungen

2.1.1 Sprachheilpädagogik vs. Logopädie

Die heutige Situation ist durch eine Annäherung von Sprachheilpädagogik und Logopädie gekennzeichnet. Kurz geben GROHNFELDT/RITTERFELD[3] geben einen kurzen Einblick in die historische Entwicklung beider Disziplinen. So zeigen sie, dass sich der Mensch bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit Sprachstörungen beschäftigt hat und Kurse für Hörgeschädigte sowie Sprachklassen eingerichtet worden sind. Die ersten Schulen entstanden um 1910, Lehramtsausbildungen folgten. Im Gegensatz dazu war die klassische Logopädie auf dem klinische Feld tätig (1910). Ab 1970 wurden Diplomstudiengänge für den außerschulischen Bereich der Sprachheilpädagogik eingerichtet.

Hinsichtlich ihres Klientel sind Sprachheilpädagogik und Logopädie gleichermaßen für Sprach-, Sprech-, Rede-, Stimm- und Schluckstörungen aller Altersgruppen zuständig, wodurch eine erheblichen Vielfalt von Erscheinungsformen und Störungsbildern auftritt, die zudem fließende Übergänge untereinander und hinsichtlich der Abgrenzung zur „Normalität“ beinhalten. Dazu kommen noch unterschiedliche Formen der Strukturen und Untergliederung.

GROHNFELDT/RITTERFELD betrachten in einem weiteren Abschnitt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Fachrichtungen. Dabei stellen sie fest, dass sich Logopädie und Sprachheilpädagogik wie kaum eine andere Berufsgruppe zwischen den wissenschaftlichen Welten hin und her bewegen, was sie auf medizinische wie auch psychologische Aspekte zurückführen. Dadurch besteht nach beiden Autoren die Gefahr, dass sich unterschiedliche bis widersprüchliche Antworten auf Fragen der Entstehung, Diagnose und Behandlung von Störungen finden lassen, insbesondere dort, wo das vorhandene Wissen noch lückenhaft ist.

Beide charakterisieren Logopädie und Sprachheilpädagogik nach folgenden Kriterien: gegenstandsspezifische, angewandte, normative, interdisziplinäre und empirische Kriterien.[4]

An anderer Stelle betrachten sie die Handlungsfelder und Organisationsformen in Logopädie und Sprachheilpädagogik und greifen darin nochmals die Ziele der jeweiligen Fachrichtungen auf.

Wichtig erscheint den Autoren, dass vorhandene Ressourcen als Therapieansatz gefunden werden müssen und nicht einzig und allein die Einordnung der Störungen vorzunehmen ist.

2.1.2 Interdisziplinarität

Zur Individualität des Erscheinungsbildes einer Behinderung/Störung stellen GROHNFELDT/RITTERFELD[5] folgende Merkmale heraus: Zum einen muss eine genaue Beschreibung der möglichen Störungsphänomene vorhanden sein bzw. erfolgen. Des weiteren sollten alle therapeutischen Maßnahmen nicht nur auf die Ausbildung individueller sondern auch sozialer Fähigkeiten abzielen. Das erfordert natürlich den Zugriff auf das Wissen verschiedener Fachdisziplinen und -bereiche.

In einem nächsten Abschnitt informieren uns die Autoren über die Interdisziplinarität des Aufgabenbereiches. Mit dem sprachgestörten Menschen beschäftigen sich verschiedene Teildisziplinen. Abb. 1 zeigt, dass sich jeder Bereich individuell mit Sprachstörungen und ihren Auswirkungen beschäftigt, ohne jedoch das Gesamtphänomen ausreichend beschreiben zu können. Linguistik, Psychologie und Medizin sind Hilfsmittel der Sprachheilpädagogik, genauso wie die Soziologie, die jedoch nur wenig Anwendungswissen liefert. Nach GROHNFELDT/RITTERFELD versteht sich die Sprachheilpädagogik als eine Integrationswissenschaft. Während sich der Diplomstudiengang mit der Diagnostik, Prävention, Evaluation, Therapie, Rehabilitation und Beratung beschäftigt, zählt für das Lehramtsstudium noch der Unterricht und die Erziehung. Die Logopädie dagegen versteht sich mehr als medizinischer Hilfs- und Heilberuf, was sich in der Behandlungen von Störungen ausdrückt, wobei die Erforschung der Störungen nicht als primär verstanden wird. Logopädische Behandlung ist Folge medizinisch

Diagnostik. Aber auch die Logopädie umfasst Teile der Linguistik, Medizin, Psychologie und Sonderpädagogik.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Interdisziplinarität des Aufgabengebietes

Quelle: Grohnfeldt / Ritterfeld, S. 25

2.1.3 Sprachstörung vs. Sprachbehinderung

Zunächst soll eine allgemeine Beschreibung des Begriffes „Behinderung“ gegeben werden, der auch heute noch sehr oft mit personalisierter Etikettierung und Stigmatisierung verbunden ist.

Die Weltgesundheitsorganisation schlägt drei Dimensionen für den Begriff vor:

1. Schädigung (impairment): Sie bezieht sich auf die Organe bzw. deren Funktion beim Menschen.[6]
2. Beeinträchtigung (disability): Darunter wird verstanden, dass die Person aufgrund ihrer Schädigung eingeschränkte Fähigkeiten gegenüber nichtgeschädigten Personen gleichen Alters hat.[7]
3. Benachteiligung (handicap): Bewusste und unbewusste Ausgrenzung in familiärer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, seinem körperlichen und psychosozialen Umfeld, aufgrund seiner Schädigung und Beeinträchtigung.[8]

Der Begriff Behinderung ist also als komplexer Zusammenhang von physiologisch/psychologischen Ursachen, deren Folgen, individueller Lebensgeschichte und sozialen Konsequenzen.

Auch im Bereich der Sprachstörung und Sprachbehinderung herrscht noch Unklarheit über den exakten Gebrauch der jeweiligen Begriffe. Basierend auf dem geschichtlichen Hintergrund, in dem Sprachstörungen als krankhafte Sprachanomalien (z.B. R. Coen, 1886, L. A. Kwint, 1928), als Sprachgebrechen (z.B. W. A. Fett 1889, O. Gottfring 1934) oder Sprachkrankheiten (Z.B. E. Fröschels 1913)[9] deklariert wurden, haben sich bis heute viele verschiedene Definitionen entwickelt.

Allgemein wird der Begriff „Sprechstörung“ aber verstanden als meist körperlich, oft auch psychisch bedingte Störungen des Sprechvermögens, verursacht durch die Sprachentwicklung (hängt u. a. mit dem Hörvermögen zusammen; angeborene Taubheit ist daher mit Stummheit verbunden), Schädigungen (z. B. der Sprachzentren des Gehirns führt zu Störungen des Sprechvorgangs, z. B. zum Ausfall bestimmter Laute (Stammeln, Sigmatismen), Näseln und Silbenstolpern) aber auch nervlichen Ursachen (z. B. Stottern und Sprachverlust als Angst- und Schreckreaktion auf nervös-seelischer Grundlage).

Ich möchte mich in diesem Punkt speziell auf die Definitionen von KNURA stützen. Knura definiert den Begriff Sprachstörung als

individuell unterschiedlich verursachte und ausgeprägte Unfähigkeit zum regelhaften, alters- und entwicklungsgerechten Gebrauch der Muttersprache, die sich auf eine, mehrere oder alle Strukturebenen und Teilfunktionen des Sprachsystems erstrecken und vorübergehend, langandauernd oder bleibend sein kann.[10]

Sprachbehinderung stellt für Knura eine durch Sprachstörung hervorgerufene Beeinträchtigung im Bereich der sozialen und psychischen Entwicklung aber auch der körperlichen Leistungsfähigkeit dar. Sprachstörung grenzt lediglich den sprachspezifischen Funktionsausfall ein, während die Sprachbehinderung die gesamte Komplexität des Problems umfasst.

In weiteren Abhandlungen, (vgl. Wiechmann, Hesse, Orthmann, etc), wird sich auch den Begriffen der Sprachschädigung sowie Sprachgeschädigtenpädagogik gewidmet, auf die ich aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingehen werde.

2.1.4 Aussprachestörung vs. Artikulationsstörung

Der Begriff der Aussprachestörungen beinhaltet nach GROHNFELDT[11] phonetisch und phonologische Störungen und wird in den Bereich der Sprachentwicklungsstörungen eingeordnet. Im Laufe der Entwicklung der Sprachheilpädagogik zeigte sich zunehmend die Schwierigkeit der Abgrenzungen. Zunächst beschränkte man sich auf die Störungen der Lautbildung. Im Zuge des Fortschritts der Handlungs- und Integrationswissenschaft und dem dadurch besseren Zugriff auf Erkenntnisse aus den Nachbarwissenschaften, wurde erkannt, dass diese Eingrenzung nicht ausreichte. Bei dem Unvermögen, Laute alters- und normgerecht zu bilden, spricht man heute vom Stammeln, Dyslalie oder Aussprachestörungen. Der letztere Begriff umreißt die meisten Störungsbilder, während die Dyslalie (synonym gebraucht mit dem Stammeln) in partielle, multiple und universelle Dyslalie unterteilt ist.

Auch der Begriff der Artikulationsstörung wird von vielen Autoren synonym mit Aussprachestörungen gebraucht. Zur Definition der Artikulation ziehe ich diesmal das logopädische Handlexikon heran, nach welchem die Artikulation als „alle im Ansatzrohr ablaufenden Bewegungsabläufe, die einen Laut hervorbringen“[12] beschrieben ist. Sind diese Bewegungsabläufe fehlerhaft, spricht man von Artikulationsstörungen.

2.1.5 Abgrenzung phonologische und phonetische Entwicklungsstörung

Allgemein unterscheiden sich Phonetik und Phonologie dadurch, dass sich die Phonetik mit der Lautbildung und deren Analyse beschäftigt und im Zentrum der Phonologie das Phonem und seine Verbindungsmöglichkeiten, Vorkommen und Funktion im Sprachsystem stehen.

Bei der phonetischen Entwicklung lernt das Kind, Sprachlaute mit Hilfe seiner zentral – nervös gesteuerter Motorik angemessen zu bilden. Bei phonetischen Entwicklungsstörungen hat das Kind Schwierigkeiten, einen Sprachlaut korrekt zu bilden (z.B. der s-Fehler beim Sigmatismus). Das heißt, es bestehen Probleme hinsichtlich der Artikulationsbewegungen bei der Produktion von Sprachlauten. Dabei spielt die Bedeutung keine Rolle. Deshalb wird die phonetische Störung auch als Sprechstörung und nach der Art des fehlgebildeten Lautes bezeichnet.

Bei der phonologischen Entwicklung erwirbt das Kind die Fähigkeit, die Sprachlaute zu unterscheiden und gemäß ihrer Bedeutungsfunktion angemessen zu verwenden. Bei phonologischen Entwicklungsstörungen gelingt es dem Kind nicht oder nur eingeschränkt, produzierbare Sprachlaute hinsichtlich ihrer bedeutungsunterscheidenden Funktion zu gebrauchen, feststellbar durch die Minimalpaar- und Distributionsanalyse (K anne – T anne, etc).

Bei spezifischen Sprachentwicklungsstörungen treten phonologische und syntaktisch-morphologische Störungen meist in Verbindung auf,

die am verspäteten Sprachbeginn zu erkennen sind; bei phonologischen und semantischen Störungen dauert es länger, bis ein nach außen hin unauffälliger Sprachentwicklungsstand erreicht ist. Dagegen stehen semantisch-lexikalische Störungen meist in enger Verbindung mit einem retardierten Entwicklungsstand. Hauptproblem stellen dabei die Wortfindung und –bedeutung dar. Verbindungen mit anderen Sprachebenen und mögliche kognitive Funktionsschwächen deuten auf die Komplexität der Störung hin.

Ein weiteres Problem stellen die beeinträchtigten pragmatischen Fähigkeiten dar, wobei Kinder ihre Bedürfnisse nicht durch Fragen ausdrücken können. Laut GROHNFELDT/RITTERFELD[13] gibt es Zusammenhänge zwischen Spracherwerbsstörung und des Schriftspracheerwerbs, Lernstörungen und kognitiven Beeinträchtigungen sowie sozio -emotionalen Auffälligkeiten. Deshalb wird die phonologische Störung auch als Sprachstörung bezeichnet.

2.1.6 Ursachen und Symptomatik phonetischer Entwicklungsstörungen

Nach GRAICHEN und AFFOLTER (nach Piaget) sind Artikulationsstörungen hauptsächlich durch Teilleistungsschwächen gekennzeichnet[14]. Zu nennen sind die Wahrnehmung (auditiv, visuell, kinästhetisch), Kognition (Verarbeitung, Verstehen), Expression.

Weiterhin möchte ich mich auf das Vierursachenbündel[15] von WENDTLAND beziehen. Die Ursachen für eine Sprachstörung können multifaktoriell sein und müssen deshalb für eine genaue Diagnostik in Vorbereitung auf eine Therapie in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Vier Ursachenbündel

Quelle: Wendlandt, S. 58

Beispiel für organisch bedingte Ursachen können Missbildungen oder postoperative Veränderungen der Artikulationsorgane sein. Auch Zahn- und Kieferanomalien schränken das Sprechvermögen ein. Des weiteren zählen Hörstörungen und neurologische Störungen zu organischen Ursachen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die soziokulturelle Entwicklung des Kindes. Hier sind zwischenmenschliche Beziehungen und Gespräche zu nennen. Vielfach kommen sie heute zu kurz. Weiterhin wächst der gesellschaftliche Druck, gut sprechen zu können – in der Schule wie auch im Berufsleben. Aber auch die mehrsprachige Erziehung eines Kindes kann Artikulationsstörungen hervorrufen, auch wenn diese nicht als unmittelbare Bedingung genannt werden kann. Das Problem hierbei ist das Lautsystem einer Sprache, welches nicht 1:1 auf eine andere übertragen werden kann.

Als psychische Faktoren sind die Beziehungen innerhalb der Familie zu nennen. Die Art, wie die Familienmitglieder – Eltern und Geschwister miteinander und untereinander – im Umgang miteinander sprechen und handeln, hat erheblichen, wenn nicht sogar Hauptanteil an der sprachlichen Entwicklung des Kindes. Auch das Erziehungsverhalten der Eltern haben maßgeblichen Einfluss auf die Sprachentwicklung (z.B. Ignoranz, Inkonsequenz oder Überbehütung).

Nicht zu vergessen sind die endogenen Ursachen. Gemeint sind die erblichen Anlagen. Damit sind vererbbare Krankheiten, die zu einer Sprach- und/oder Sprechstörung führen, gemeint.

Bei der Beschreibung phonetischer Aussprachestörungen müssen folgende Aspekte Beachtung finden: die Stellung eines Lautes innerhalb einer Silbe, die Betonung einer Silbe im Wort, die Länge eines Vokals einer Silbe eines Wortes und die Bedeutung von Silbengrenzen (Aus- und Anlaut)[16]. Folgende Störungsbilder im phonetischen Bereich treten unter anderem auf: Schetismus (Fehlbildung s-Laut), Kappa- / Gammazismus (Fehlbildung [k] und [g]), Rhotazismus ([r], [R]) und Sigmatismus.

2.1.7 Das Prinzip der Koartikulation

Sprachlaute werden nie isoliert produziert. Atmung, Stimmgebung und Artikulation gehen fließend ineinander über und bilden eine andauernde Bewegung. Der vorangegangene und der nachfolgende Laut bestimmen ebenfalls die Bildung eines Lautes mit (allgemeine Betrachtung). Dies ist ein wichtiger Aspekt, den bei der Diagnostik und in der Therapie beachtet werden muss.

Des weiteren liegt Koartikulation auch vor wenn unter anderem:

- Vokale regelhaft die Bildung von Konsonanten beeinflussen und zu Allophonen führen
- die wechselseitige Beeinflussung von der gleichen Artikulationsstelle, jedoch mit einem anderen Artikulationsmodus gebildeten Konsonanten im Wort vorliegt (Homorgane)
- Verwechslung von Sprachlauten gleicher Bildungsart vorliegt[17]

2.2 Der kindliche Lauterwerb

Aus Sicht der Lerntheorie wird Sprache „nach den allgemeinen Gesetzen des Lernens erworben“[18] Hierbei wird besonders dem operanten Konditionieren und dem Imitationslernen eine große Bedeutung zugewiesen. Die Aufgabe des Kindes besteht in der Lerntheorie darin, die notwendigen motorischen Fähigkeiten auszubilden, um zum einen den Wörtern bestimmte Bedeutungen zuweisen, aber auch Kombinationen von Wörtern hervorzubringen zu können, um sinnvolle Aussagen zu treffen und somit Sätze zu produzieren.

SKINNER hat versucht, Sprachphänomene und Spracherwerb lerntheoretisch zu erfassen. Dabei stößt er auf das Grundproblem, dass die Lerntheorie für das Verhalten konzipiert und empirisch festgehalten war, nicht aber für Sprache und Sprechen. SKINNER löst das Problem insofern, als er vermeidet, von Sprache oder auch Sprachverhalten zu sprechen. Für ihn ist Sprache eine spezielle Form des verbalen Verhaltens. Wie jedes andere Verhalten auch, entsteht Sprache durch Verstärkung oder Bestrafung einer spontanen Äußerung. Das Kind produziert spontane Laute und bekommt darauf eine Reaktion aus seiner Umwelt. Wird die Äußerung bekräftigt oder belohnt, so wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholt. Folgt hingegen keine Beachtung oder sogar Bestrafung, so wird das Kind dieses Lautmuster wahrscheinlich nicht mehr verwenden. Um dieses Verhalten zu erklären, genügen SKINNER die drei Grundelemente Reiz, Reaktion und Verstärkung, denn aus der stimulusspezifischen Verstärkungsgeschichte resultiert die Vorhersehbarkeit eines bestimmten Verhaltens. Der Umwelt kommt dabei nur „die Funktion der Verhaltenskontrolle zu.“[19] In der Theorie des Imitationslernens versteht man das Kind als Nachahmer der Umwelteindrücke, und somit auch als Nachahmer der Umweltsprache. Um allerdings die gehörte Sprache imitieren zu können, benötigt das Kind zum einen ein Interesse an Sprache, zum zweiten muss es fähig sein, das Gehörte in seiner Erinnerung zu speichern. Des weiteren müssen die notwendigen motorischen Fähigkeiten zur Verfügung stehen, um überhaupt sprechen zu können.

Damit sich die Sprache des Kindes an die der Erwachsenen angleichen kann, muss dem Kind ein Modell gegeben werden, an dem es lernen kann und es muss für gewollte Imitationen bestärkt werden, beziehungsweise muss das Kind erfahren, wie dieses Sprechverhalten bekräftigt wird. Es muss also eine direkte oder eine stellvertretende Bekräftigung erfolgen.[20] Wie auch schon im operanten Konditionieren wird hier ebenfalls diejenige sprachliche Äußerung wiederholt werden, die zuvor bestätigt wurde. Unbeachtete Äußerungen werden meist nicht mehr verwendet. Der Erwachsene hat bei dieser Lernmethode die Aufgabe des Modells, indem er die zur Imitation benötigten Ausdrücke verwendet, aber gleichzeitig die Kontrollfunktion ausübt. Er muss bestimmte Nachahmungen bekräftigen und dem Kind damit zeigen, dass diese gewollt sind.

Besonders wichtig sind für das Erfolgslernen die positive und negative Verstärkung nach einer zufällig erfolgreichen Aktion. Wird ein Verhalten durch Belohnung verstärkt, so wird es anschließend wahrscheinlich erneut auftreten.

Folgendes Beispiel soll diesen Prozess verdeutlichen.
Ein Kind spielt mit dem Ball und artikuliert die Lautkette ,,Balla". Der Erwachsene, der dies hört wird den Ball nehmen, das Kind streicheln und die Lautkette wiederholen. Durch das Streicheln kommt es zu einer positiven Verstärkung und das Kind wird die Lautkette wahrscheinlich wiederholen, um erneut zu dieser positiven Reaktion zu gelangen.

Im Gegensatz zu den positiven stehen sinngemäß die negativen Verstärker. Bei diesen wird ein unangenehmer Reiz bezogen auf eine konkrete Situation ausgeübt. Dieses nennt man auch operante Konditionierung. Im Gegensatz zum operanten Konditionieren gibt es auch noch die klassische Konditionierung. Diese geht auf Pawlow zurück (Pawlowscher Reflex).

Kognitivistische und interaktionistische Ansätze gehen davon aus, dass der Spracherwerb in engem Zusammenhang mit der kognitiven, sprechmotorischen und auditiven Entwicklung sowie der Individualität und Variation der sprachlichen Äußerungen des Kindes im Vordergrund steht. Thesauren wie z.B. Selektivität, Kreativität und die Fähigkeit zur Hypothesenbildung kennzeichnen diese Theorie, zu deren Vertreter u.a. Ferguson und Macken zählen. Das Kind setzt sich aktiv mit der Sprache auseinander und lernt, bestimmte Wörter zu benutzen oder zu vermeiden (Selektivität), individuelle, kindspezifische Lautmuster anzuwenden (Kreativität) sowie Sprachegeln über „Versuch und Irrtum“ zu übernehmen (Hypothesenbildung).

Daraus kann man schlussfolgern, dass der Spracherwerb ein aktiver Lernprozess ist, der nicht linear sondern in Annäherung an die Zielform verläuft. Kennzeichnend ist auch, dass die Lautäußerung des Kindes sowohl individuellen wie auch universellen Gesetzmäßigkeiten unterliegt und physiologischen und kognitiven Beschränkungen unterworfen ist.

Die Theorie der sprachlichen Universalien besagt, dass der kindliche Lauterwerb einer bestimmten Ordnung folgt. Als Vertreter ist unter anderem Jakobson zu nennen. Ihm zufolge verläuft die kindliche Lautentwicklung in zwei Phasen. Die vorsprachlichen Phase, die allgemein auch als Lallperiode bezeichnet wird, folgt noch keinen Regeln. Dem sich anschließenden Sprachlauterwerb liegen dagegen schon universelle Gesetzmäßigkeiten zugrunde. Die phonologische Entwicklung beginnt. Diese „[...] gehorcht dem Grundsatz des maximalen Kontrastes und schreitet vom Einfachen und Untergliederten zum Abgestuften und Differenzierten vor.“[21] Damit ist der Erwerb von Lautoppositionen gemeint. In Abb.3 wird dies anschaulich gezeigt. Nach Jakobson erfolgt der Lauterwerb nicht willkürlich, sondern folgt einer bestimmten Reihenfolge. Zunächst lernt das Kind die sog. Verschlusslaute (Plosive), gefolgt von den Engelauten (Frikative), ebenso erwirbt es die hinteren Konsonanten vor den vorderen. Des weiteren stellte Jakobson fest, dass der Erwerb von Affrikaten erst nach dem der Engelaute derselben Reihe erfolgt und dann auch nur, wenn es entsprechende Engelaute in einer Sprache gibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Erwerb distinktiver Merkmale

Quelle: Jahn, T., S. 58

Betrachtet man die Entwicklung der Vokale, so geht Jakobson davon aus, dass Kinder zunächst die gerundeten vor den ungerundeten erlernen, dass heißt, /i/ und /e/ werden vor /o/ und /u/ gelernt. Zwar können diese Annahmen zum Teil durch empirische Studien belegt werden, jedoch gibt es Kritik z.B. hinsichtlich der Berücksichtigung aller phonologischen Merkmale. Die Stimmgebung bezieht Jakobson nicht in seine Überlegungen mit ein. Auch sollte man die individuellen Voraussetzung des Kindes betrachten.

2.3 Problemstellung

In den letzten Jahren ist leider eine Zunahme der Sprachstörungen bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen. Jedes fünfte Kind in der Grundschule fällt durch Sprachstörungen auf.[22] Oft sprechen sie trotz normalem Gehör, normaler Intelligenz und keiner weiteren körperlichen Einschränkungen unverständlich oder gar nicht Eine Ursache ist unter anderem in der Situation vieler Familien zu suchen. Die Kommunikation untereinander nimmt vielfach ab und wird durch Fernsehen oder Computer ersetzt. Das Zwischenmenschliche kommt in vielen Familien zu kurz. Häufig verbessert sich das Sprachvermögen der Kinder schon, wenn die Eltern mehr mit ihrem Nachwuchs redeten oder den Kleineren vorlesen, anstatt sie vor den Fernseher oder den Computer zu setzen.

Viele Kinder mit Sprachstörungen ziehen sich zurück oder werden aggressiv. Bei zu später oder versäumter Diagnose und Therapie von Sprachstörungen drohen Schulprobleme, Schulversagen und bleibende psychologische Beeinträchtigungen. Ein weiteres Problem, denen sich Pädagogen und auch Ärzte gegenübersehen.

Da sich Sprache als ein komplexes System darstellt, ist es wichtig, das Kind als ganzheitlichen Menschen zu sehen. Nicht nur die spezifische Sprachstörung an sich soll die Therapie bestimmen, sondern das multifaktorielle Bedingungsgefüge. Die Lebensgeschichte des Kindes, die Lebensumwelt und auch die psychologische Verfassung muss in die Therapie einbezogen werden. Der Begriff Interdisziplinarität soll hier wieder aufgegriffen werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Wahl der Medien in der Therapie. Das ist nicht unerheblich, denn in der Einleitung wurde bereits erwähnt, dass sich die Innovation der Kommunikationstechnik auf alle Lebensbereiche auswirkt und auch vor Schule und Therapie nicht Halt gemacht hat. Sie sind effizient einsetzbare didaktische Arbeitsmittel. Zu beachten ist aber, dass sie zwar die Möglichkeiten zum Dialog bilden aber den Therapeuten oder Lehrer nicht ersetzen können. Im dritten Kapitel wird auf die Grenzen des Einsatzes speziell des Computers näher eingegangen.

2.4 Zusammenfassung

Sprachheilpädagogik und Logopädie sind zwei Fachbereiche, die sich im Laufe der letzten Jahre einander angenähert haben. Beide sind zuständig für Sprach-, Sprech-, Rede-, Stimm- und Schluckstörungen aller Altersgruppen.

Für die Sprachheilpädagogik steht neben der Diagnostik, Prävention und Therapie auch die Erziehung und Bildung im Vordergrund. Die Logopädie dagegen versteht sich als medizinischer Hilfs- und Heilberuf. Trotzdem ist es wichtig, dass auch die Nachbarwissenschaften wie Soziologie, Psychologie und Linguistik einbezogen werden, um eine ganzheitliche Förderung zu garantieren. Die Interdisziplinarität ist von großer Bedeutung.

Immer mehr Kinder sind heutzutage von Sprachstörungen betroffen. Die Gründe dafür sind häufig im sozialen Umfeld zu finden. Schaut man sich die heutige Situation in vielen Familien an, so stellt man fest, dass oft zu wenig Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern stattfindet. Viele Kinder können sich so verbal nicht weiterentwickeln und sind damit nicht in der Lage, Lautäußerungen zu verinnerlichen und zu artikulieren.

Die Ursachen phonetischer Entwicklungsstörungen sind vielfältig und müssen im Zusammenhang betrachtet werden. Um einen optimalen Therapieerfolg erzielen zu können, ist es unabdingbar, organische, soziokulturelle und auch psychische Ursachen zu analysieren.

Beim Aufstellen eines Förderkonzeptes ist es wichtig, die Phasen des Lauterwerbs beim Kind zu berücksichtigen. Da es mehrere Konzepte diesbezüglich gibt, ist es von der Ausbildung und den gesammelten Erfahrungen des jeweiligen behandelnden Therapeuten oder Sprachheilpädagogen sowie einer eingehenden Anamnese abhängig, wie er seinen Förderplan erstellt.

Das erste Kapitel sollte einen Einblick in die Grundlagen gewähren. Die Definitionen geben Aufschluss darüber, wo Ursachen für phonetische Entwicklungsstörungen zu suchen sind, inwieweit sich diese von phonologischen Störungen unterscheiden und welchen Beitrag Logopädie und Sprachheilpädagogik jeweils hierzu leisten können. Diese Betrachtungen sollen im zweiten Kapitel zu möglichen Therapieansätzen hinleiten und die Frage aufgeworfen werden, inwieweit sich diese Ansätze in eigenen Förderungskonzepten und insbesondere durch den Einsatz neuer Medien, umsetzen lassen.

3 Der Computer in der Sprachtherapie

3.1 Ausgewählte konzeptionelle Therapieansätze und Fördermöglichkeiten für Kinder mit phonetischen Entwicklungsstörungen

In der Therapie von Artikulationsstörungen sind zwei Gruppen zu unterscheiden: die artikulations- und auditionsphonetische[23] Vorgehensweise. Unter artikulationsphonetische Methoden werden Lautanbahnungsverfahren[24] verstanden, die betroffene Laute neu anzubilden oder eine Erstanbildung vorzunehmen. Als Grundlage liegen präzise phonetische Lautbeschreibungen nach dem Vokal- bzw. Konsonantensystem vor, auf deren Basis die Artikulationstherapie erfolgen kann. Lautkorrekturverfahren[25] zielen auf eine Berichtigung falscher Bildungskomponenten ab, nachdem diese identifiziert worden sind. Die Lautableitungsmethode[26] wird in der Sigmatismustherapie genutzt. Der betroffene Laut [s] wird aus einem phonetisch verwandten Laut abgeleitet. Beispiele hierfür sind die F-S-, T-S- sowie die K-S-Methode. Als phonetische Verwandtschaft ist die Übereinstimmung in Artikulationsmodus, der Artikulationsstelle oder des Stimmeinsatzes zu nennen.

3.1.1 “Motokinästhetischer Ansatz” nach Strinchfied – Hawk und Young

Ziel der Nachsprechmethode ist, die Wahrnehmung durch das Ablesen vom Mund und vom Spiegel zu verstärken. Sie wird deshalb auch als Hör – Seh – Methode bezeichnet. Strinchfield-Hawk und Young entwickelten den motokinästhetischen Ansatz[27]. Hiermit soll die Körperwahrnehmung, besonders die der Sprechbewegung im Mundraum gefördert werden. Dies geschieht unter anderem durch Fühlen und Tasten. Der Therapeut stellt sein Mundbild als visuelle Hilfe zur Verfügung, wenn er den Laut vorspricht. Ziel dieser Therapieform ist es, korrekte kinästhetische und taktile Empfindungsmuster durch Manipulation zu formen und so entsprechende Artikulationsmuster anzubahnen.[28] Hat das Kind ein Muster verinnerlicht, so kann es dieses in bereits bekannte Sprechbewegungsmuster einbetten. Diese Form der Behandlung erfordert allerdings vom Therapeuten genaue Kenntnis aller Lautbewegungsmuster und auch Erfahrung mit dieser Technik.

3.1.2 „Phonetischer Ansatz“ nach Skripture & Jackson

Über dem phonetischen Ansatz nach Skripture und Jackson soll das Kind lernen, Atmung und Stimme, wie auch Mund- und Zungenmuskulatur so einzusetzen, dass es die gewünschte Artikulationsstellung eines Lautes findet. Der Therapeut nutzt Hilfsmittel, wie Spiegel, Spachtel, Bilder, etc. Außerdem stehen zehn Sprechgebote zur Verfügung. Nachteil dieses Ansatzes ist, dass dem Therapeuten kaum Entfaltungsmöglichkeiten und die Einbringung eigenen Ideen geboten werden, weil diese Behandlungsmethode sehr durchstrukturiert ist. Des weiteren bleiben wichtige Aspekte, wie zum Beispiel auditive Wahrnehmungsprobleme und auch der Einsatz spielerischer Elemente, unberücksichtigt.

3.1.3 „Hörtraining und progressive Lautannäherung“ nach Van Riper und Irwin

Zur zweiten Gruppe der Therapieverfahren – den auditionsphonetischen oder auditiv-motorischen Verfahren – zählt das bisher differenzierteste Konzept für Kinder mit Artikulationsstörungen von Irwin und Van Riper (1958). Der Grundsatz ist die Nutzung der eigenen Hörkontrolle. Der Artikulationsvorgang erfolgt feedbacksystematisch orientiert, dass heißt, das Sprechen wird automatisch kontrolliert. Die wichtigsten Grundpfeiler in der Therapie sind die Abtast-, die Vergleichs- und die Kontrollfunktion. Nach Irwin und Van Riper sind Artikulationsstörungen hauptsächlich die Folge von Feedback - Störungen. Hier setzt die Therapie an. In fünf Stufen sind folgende Aufgaben zu bewältigen:

1. Aktivierung des interpersonellen Kreisprozesses oder Fremdhörens zur Bildung der Standardmuster
2. Aktivierung des intrapersonellen Kreisprozesses oder Eigenhörens zur Überprüfung der eigenproduzierten Laute durch
3. den Vergleich mit den Standartmustern der Laute,
4. den Berichtigungsvorgang durch Suche der Artikulationsstellungen und Bewegungsfolgen des Ziellautes (Zielsuche) und seine Fixierung sowie
5. Stabilisierung des neuen Lautes in phonetischen, semantischen und pragmatischen Kontexten.[29]

Auch der Ansatz nach P. Arnoldy (1978), der lernzielorientiert mit drei Stufen der differenzierten Wahrnehmung von Geräuschen, Wörtern und Lauten arbeitet, ist hier zu nennen, denn auch dieses auditiv – sprachliche Selbstinduktionsprogramm findet heute noch in Teilen Anwendung.

Zu den neueren überarbeiteten Modellen zählen u.a. das von Esser (1989), Günther und Günther (1991), F. Affolter (1987), J. Ayres (19984), H. A. Mc Ginnes (1963) oder auch A.A. Tomatis (1972).

3.2 Der Einsatz von Medien

3.2.1 Der Begriff des Mediums

Bevor ich den Gebrauch bestimmter Medien in der Sprachtherapie erläutere, möchte ich im Vorfeld auf Medien im Unterricht eingehen, da sich daraus auch für Therapiesituationen Richtlinien ergeben.

Der Begriff Medien wird definiert als Unterrichtsmittel, „[...] deren sich Lehrende und Lernende bedienen, um sich über Intentionen, Themen und Verfahren des Unterrichts zu verständigen“[30].

Im Unterricht werden sie zur Erreichung der Lernziele eingesetzt, weil sie Träger und/oder Vermittler von Informationen im didaktischen Zusammenhang sind.[31] Medien im Unterricht einzusetzen bedeutet, alle Sinneskanäle der Schüler anzusprechen, ihre Konzentration zu fördern und das Lernen abwechslungsreicher und interessanter zu gestalten.

[...]


[1] Hameyer, Uwe (Hrsg.): Computer in der Sonderschule – Einsatz neuer Informationstechnologien, Belz Verlag Weinheim Basel, 1987, S. 9.

[2] Süddeutsche 90, 16./17.4.1992, S. 62.

[3] Vgl. Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Bd. 1, Kohlhammer Verlag Stuttgart Köln Berlin 2000, S. 15.

[4] Vgl. Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Bd. 1, Kohlhammer Verlag Stuttgart Köln Berlin 2000, S.24.

[5] Vgl. ebd.

[6] Bleidick, U.: Einführung in die Behindertenpädagogik 1 6.Aufl., Kohlhammer Verlag Stuttgart Berlin Köln, 1998, S. 11-13

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. ebd.

[9] Vgl. Braun, O.: Sprachstörungen bei Kindern und Jugendlichen 2.Aufl. Kohlhammer Verlag Stuttgart 2002, S.32.

[10] Vgl. Knura 1980, S.11 In O. Braun

[11] Vgl. Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Handbuch der Sprachtherapie Bd. 2, 2. Aufl. Wiss. Verl. Spiess 1996, S. 9

[12] Vgl. Franke, U.: Logopädisches Handlexikon 6. Aufl. Reinhardt Verlag München Basel, 2001, S. 32.

[13] Vgl. Vgl. Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Bd. 1, Kohlhammer Verlag Stuttgart Köln Berlin 2000, S.24.

[14] J. Wendler, W.Seidner u.a. „Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie“, S. 232

[15] Wendlandt, W.: Sprachstörungen im Kindesalter 4. Aufl. Thieme Verlag 2000, S. 58

[16] Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Handbuch der Sprachtherapie Bd. 2, 2. Aufl. Wiss. Verl. Spiess 1996, S. 26

[17] Vgl. ebd. S, 38

[18] Lehrbuch der Entwicklungspsychologie / von Hanns Martin Trautner ; Bd. 2: Theorien und Befunde. - Goettingen [u.a.] : Hogrefe, 1991, S. 284.

[19] Lehrbuch der Entwicklungspsychologie / von Hanns Martin Trautner ; Bd. 2: Theorien und Befunde. - Goettingen [u.a.] : Hogrefe, 1991., S. 285

[20] vgl. ebd., S. 291

[21] Jakobson (1969 ) In: Jahn, T.: „Phonologische Störungen bei Kinder“ Thieme Verlag 2001, S. 15

[22] http://psychotherapie.de/report/2000/09/00091104.htm, März 2003

[23] Vgl. Braun, O.: Sprachstörungen bei Kindern und Jugendlichen 2.Aufl. Kohlhammer Verlag Stuttgart 2002, S.268.

[24] Vgl. ebd., S. 268.

[25] Ebd. S. 268.

[26] Ebd.

[27] Vgl. Franke,U.: Artikulationstherapie mit Vorschulkindern. 2.Aufl. Reinhardt Verlag, 1990, S. 20.

[28] Vgl. ebd., S. 21

[29] Vgl. Braun, O.: Sprachstörungen bei Kindern und Jugendlichen 2.Aufl. Kohlhammer Verlag Stuttgart 2002, S. 269.

[30] Heimann / Otto / Schulz 1972, 34 IN: Meixner,F. Didaktisch-methodische Fragen beim Einsatz von Materialien und Medien, S 193 In: Grohnfeld ,Bd. 2

[31] Meixner,F. Didaktisch-methodische Fragen beim Einsatz von Materialien und Medien In: Grohnfeld , Bd. 2

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Anforderungen an Computerprogramme zur Förderung von Kindern mit phonetischen Entwicklungsstörungen
Hochschule
Universität Rostock  (Institut für Entwicklungsförderung und Rehabilitation)
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
61
Katalognummer
V22169
ISBN (eBook)
9783638255851
ISBN (Buch)
9783638759595
Dateigröße
2221 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anforderungen, Computerprogramme, Förderung, Kindern, Entwicklungsstörungen
Arbeit zitieren
Katrin Niemann (Autor:in), 2003, Anforderungen an Computerprogramme zur Förderung von Kindern mit phonetischen Entwicklungsstörungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22169

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