Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Politiker versus klassische Stars
2.1 Die Definition des Begriffes „Star“
2.2 Politiker als gesellschaftliche Elite
2.3 Die „Starisierung“ von Politikern
3. Der Politiker als Star
4. Die Verknüpfung von Inhalt und Inszenierung
5. Der Wahlkampf in den Medien
5.1 Symbolische oder rhetorische Politik
5.2 Pseudo events
5.3 Personalisierung
5.4 Entertainisierung
5.5 Voll- und teilmediatisierte Medienkampagnen
5.6 Der Bundestagswahlkampf 1998
6. Der Starpolitiker Gerhard Schröder
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Genau wie in allen anderen Berufsgruppen ändern sich die Rolle, Aufgaben und Funktionen von Politikern immer wieder im Laufe der Zeit und passen sich den Gegebenheiten ihrer Epoche an. Merkmale, durch die sich Politiker jedoch grundsätzlich definieren, sind zum Beispiel Macht und Einflussnahme auf das Leben der Menschen in der Gesellschaft, für die ihr politisches Handeln relevant ist. Durch diese Faktoren sind Politiker zu einem gewissen Teil zuständig für die Gestaltung der Gesellschaft. Auf welchem Wege sie diese Funktion ausüben, also auf welche Art und Weise sie mit ihrer Umwelt in Interaktion treten, hat sich besonders in der letzten Zeit deutlich geändert.
Im heutigen Zeitalter der Massenmedien, insbesondere des Fernsehens, muss erfolgreiche Politik, und damit auch erfolgreiche Politiker, vollkommen anderen Anforderungen gerecht werden als noch vor ein paar Jahrzehnten oder sogar Jahren. Politik findet in den Medien statt – und daraus ergibt sich die erste zentrale Frage dieser Hausarbeit: Findet sie auch für die Medien statt?
Mit dem Bundestagswahlkampf 1998 drängte sich immer deutlicher die Überlegung auf, inwieweit die politische Kommunikation, derer sich die Parteien im Wahlkampf und auch danach bedienten, gekennzeichnet war durch das Vermitteln politischer Botschaften auf der einen Seite oder doch vielleicht eher durch die mediengerechte Inszenierung der eigenen Partei und insbesondere des eigenen Kanzlerkandidaten auf der anderen Seite.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was einen Politiker dann in dieser „mediatisierten Politikwelt“ eigentlich dazu qualifiziert, sich als besonders geeignet für seine Rolle zu erweisen: Wenn es tatsächlich so ist, dass das politische Handeln heute absolut medienorientiert ist und zum Teil vielleicht sogar nur wegen der Medien überhaupt stattfindet (Stichwort „Pseudo-Ereignisse“), dann muss ein fähiger Politiker doch auch über vollkommen andere Kompetenzen verfügen als in der Vergangenheit. Ein Politiker von heute muss sich in den Medien präsentieren können. Die zweite zentrale Frage lautet: Ist er also ein Medienstar?
Die Fragen, die sich aus den bisher kurz angerissenen Zusammenhängen ergeben, sollen das Thema dieser Hausarbeit sein. Das zweite Kapitel widmet sich zunächst der Unterscheidung zwischen Politikern und anderen berühmten und / oder populären Menschen, den Stars im herkömmlichen Sinn. Dabei soll der Begriff des Stars definiert (Kapitel 2.1) und deutlich gemacht werden, weshalb Politiker nach dieser Definition eigentlich erst einmal keine wirklichen Stars sind (2.2). An dieser Stelle kristallisiert sich dann allerdings heraus, dass dennoch eine zunehmende „Starisierung“ der Politik zu beobachten ist und durch welche Entwicklungen sich diese erklären lässt (2.3). Im dritten Kapitel wird der Frage nachgegangen, was einen Politiker im Rahmen der heutigen medialen „Vermarktung“ der Politik überhaupt zu einem Star macht und warum es relevant ist, ob er ein Starpolitiker ist oder nicht. Mit den Erkenntnissen, die sich aus Kapitel 3 ergeben, soll darauf hin unter dem Stichwort „Selbstinszenierung“ ein Vergleich zwischen den Rollen eines Politikers von heute und eines Schauspielers, die sich beide präsentieren müssen, gezogen werden (4). Einzelne Strategien, die mit der häufig kritisierten Selbstinszenierung von Politikern in Wahlkämpfen einhergehen, werden in Kapitel 5 unter dem Stichwort „Amerikanisierung“ beleuchtet: Die symbolische Politik (5.1), sogenannte „Pseudo events“ (5.2), Personalisierung (5.3), Entertainisierung (5.4) und die unterschiedliche Formen von Medienkampagnen (5.5). Entwicklungen, die speziell im Bundestagswahlkampf 1998 aufgefallen sind (5.6) leiten über zu dem aktuellen Fallbeispiel des sich im Wahlkampf nahezu vollkommen als Starpolitiker gebärdenden SPD-Kanzler-kandidaten Gerhard Schröder (6). Letztendlich folgt das Fazit (7), das die im Verlaufe der Hausarbeit gefundenen Antworten auf die beiden grundsätzlichen Fragen dieser Arbeit, ob und wann ein Politiker ein Star ist und ob Politik in den Medien präsentiert oder für die Medien inszeniert wird, zusammenfasst.
2. Politiker versus klassische Stars
Wie in der Einleitung bereits angedeutet, zählen Politiker nicht zu der klassischen Gruppe der Stars. Dieses Kapitel geht darauf ein, welche Merkmale einen Star ausmachen, welche einen Politiker und an welchem Punkt sich Gemeinsamkeiten feststellen lassen.
2.1 Die Definition des Begriffes „Star“
Menschen, die sich durch besondere Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften auszeichnen, erhalten in einer Gesellschaft allgemeine Aufmerksamkeit und oft auch Zuneigung. Dies sind häufig Personen, die für die Gesellschaft eine besondere, gestalterische Rolle spielen und somit Einfluss auf das Geschehen in ihr nehmen: Politiker, Könige oder Personen in anderen mächtigen Regierungspositionen. Stars zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie in einer Gesellschaft das gleiche öffentliche Interesse erregen, ohne dass sie durch ihre eigentliche Position dazu prädestiniert sind. Das bedeutet, Stars sind Menschen, deren Entscheidungen für die Mitglieder der Gesellschaft nicht unmittelbar relevant sind, deren Handeln aber dennoch so beobachtet, verfolgt oder bewertet wird wie das von Menschen mit Regierungs- oder Herrscherstatus. Stars haben demnach keine institutionelle Macht (vgl. Alberoni 1962: 75).
Damit sich das Phänomen der Stars überhaupt etablieren kann, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Startum kann sich nur dann entwickeln, wenn die Gesellschaft bereits so gefestigt ist, dass sie über eine funktionierende Rechtsprechung verfügt. Die Entscheidungen, die Personen mit institutioneller Macht treffen und welche relevant für das Fortbestehen der Gesellschaft sind, müssen in einem gegebenen Rahmen stattfinden und aufgrund von Erfahrungswerten, die die Gesellschaft gesammelt hat, bis zu einem gewissen Grad einschätzbar sein. Erst dann gibt es genügend „Raum“ in der Gesellschaft, um die Aufmerksamkeit anderen Personen zu widmen, die dadurch zu Stars werden.
Eine weitere Voraussetzung für das Startum ist die Anonymität der Masse: Der Star tritt nicht in Interaktion mit dem Publikum oder den Fans im einzelnen. Der Star als Individuum steht dem Publikum als Kollektiv gegenüber. Natürlich kann es sein, dass an einigen Stellen persönliche Beziehungen, Gespräche oder ähnliches auftreten, diese machen das Startum aber nicht aus, sondern durchbrechen es. Darüber hinaus unterstützt materieller und finanzieller Wohlstand die Existenz von Startum. Wenn die Mitglieder der Gesellschaft sich nicht dauerhaft um ihre Versorgung mit existenziellen Lebensmitteln sorgen müssen, können sie ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen schenken (vgl. Alberoni 1962: 76/77).
2.2 Politiker als gesellschaftliche Elite
Nachdem im vorhergehenden Abschnitt deutlich wurde, was Stars auszeichnet, lässt sich feststellen, dass Politiker dieser Definition von Stars nicht entsprechen. Der Kernpunkt des Startums liegt darin, dass Stars über keine institutionelle Macht verfügen. Ihre Macht ist außerdem ein Ergebnis des Startums, nicht umgekehrt.
Es ist dagegen offensichtlich, dass die Funktion eines Politikers in erster Linie durch institutionelle Macht geprägt ist. Die Aufmerksamkeit, die Politikern und ihrem Handeln zuteil wird, ist durch die Relevanz des politischen Handelns für die Gesellschaft erklärbar. Es lässt sich also sagen, Politiker seien die klassische Elite der Gesellschaft, deren Entscheidungen wegen ihrer direkten oder indirekten Konsequenzen für die Organisation der Gesellschaft beobachtet und bewertet werden (vgl. Alberoni 1962: 75).
Politiker können also aufgrund ihrer Position nicht als Stars betrachtet werden. Vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Mediatisierung der Politik lassen sich jedoch eindeutige Tendenzen einer „Starisierung“ der Politik erkennen, auf die später noch eingegangen wird. Logischerweise muss Startum unter Politikern also durch andere Aspekte als die rein politische Funktion bedingt sein.
2.3 Die „Starisierung“ von Politikern
Eine Starisierung von Politikern ist in besonderem Maße in Ländern zu finden, in denen sich eine stabile, erprobte und gefestigte Demokratie etabliert hat. In solchen Ländern hat die Gesellschaft im Laufe der Zeit die Werte und Moralvorstellungen, auf denen das funktionierende Sozialsystem der Gesellschaft basiert, so verinnerlicht, dass diese auch relevant und obligatorisch für einen Politiker sind. Politiker werden nicht mehr nur aufgrund ihrer politischen Fähigkeiten und Verhaltensweisen bewertet: „[...] politicians are evaluated [...] with regard to activities which are not strictly or specifically political.“ (Alberoni 1962: 83). Ein erfolgreicher Politiker muss das Volk für sich gewinnen, indem er zeigt, dass er das repräsentiert, was das Volk ausmacht, inklusive der Werte, die in der Gesellschaft als positiv gelten. Dazu muss er sich samt seines Privatlebens dem Volk präsentieren. Das allein ist schon ein Schritt hin zum Startum, denn sein Status als mächtige politische Person hängt von einem außerpolitischen Faktor, seinem Privatleben, ab.
Nur wenn ein Politiker es schafft, das Volk davon zu überzeugen, dass er ein Idealbild der Gesellschaft verkörpert und auch nach außen hin repräsentiert, findet er Anerkennung. Er muss also neben den rein politischen Fähigkeiten Starqualitäten entwickeln: Zuneigung durch andere Aspekte als durch das politische Handeln zu gewinnen. Außerdem muss er omnipräsent sein, um für sich zu werben, er muss also genau wie Stars Talent im Umgang mit den Medien haben: „He crystallizes in himself many of the characteristics belonging to stardom.“ (Alberoni 1962: 83).
Im folgenden soll nun näher erläutert werden, welche „unpolitischen“ Eigenschaften einen Politiker zum Star machen.
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