Die vorliegende Untersuchung versteht sich als Beitrag zur politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem noch relativ jungen Phänomen regionaler Interessenvertretung in der europäischen Arena.1 Aus der Perspektive des Landes Berlin als einem regionalen Akteur im Mehrebenensystem der Europäischen Union (EU) sollen Motive und Strategien der europapolitischen Interessenvermittlung eines Bundeslandes außerhalb der institutionalisierten Mechanismen der Länderbeteiligung an der bundesdeutschen Europapolitik herausgestellt werden.
Regionen als Akteure in der europäischen Politik erfahren erhöhte wissenschaftliche Aufmerksamkeit, seit eine Mobilisierung regionaler Akteure auf europäischer Ebene konstatiert worden ist (Marks 1993; Hooghe 1995; Mazey 1995). Diese wurde forciert durch die mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) eingeleiteten Integrationsfortschritte und fand ihren auffälligsten Ausdruck in einer geradezu inflationären Eröffnung von Regionalbüros in Brüssel während der späten 1980er Jahre, deren Zahl heute bei etwa 150 liegt (Hooghe/Marks 2001: 86; Marks [u.a.] 1996).2 Eine Debatte über Rolle und Einfluß regionaler Akteure im europäischen Politikprozeß hat sich entwickelt, in der von der einen Seite die Emanzipation der regionalen politischen Handlungsträger aus ihrem nationalstaatlichen Aktionsrahmen betont wird (Marks 1993; Hooghe 1995; Hooghe 1996), während die andere Seite zu der Einschätzung gelangt, daß nationale Regierungen nach wie vor die in jedem Fall letztlich dominierenden Politikakteure in der EU darstellen (Pollack 1995; Bache 1998; Allen 2000). Diese Diskussion zielt letztlich auf die Frage nach dem Charakter einer sich formenden polity EU, der im Zusammenhang mit Steuerungsmodi eines veränderten Regierens in Netzwerken (Kohler-Koch [u.a.] 1998; Heinelt/Smith 1996) und im weiteren Rahmen einer sich verändernden Staatlichkeit im Zuge all-gemein konstatierter Dezentralisierungstendenzen und globalisierter Wirtschaftsaktivitäten diskutiert wird (Benz 2001; Keating 1998).3
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erkenntnisinteresse
- Forschungsstand
- Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
- Regionale Interessenvermittlung im Lichte politikwissenschaftlicher Theoriebildung und empirischer Erkenntnisse
- Die begrifflichen Konstrukte „europäische Region“ und „regionaler Akteur“
- Die Systemperspektive: Die Europäische Union als variables Mehrebenensystem
- Das Konzept der multi-level governance und seine analytischen Grenzen
- Das Einflußpotential von Regionen auf europäische Politik
- Regionale Kompetenzen im nationalen System
- Das policy-making in der Europäischen Union
- Die Akteursperspektive: Lobbying im europäischen Mehrebenensystem
- Lobbying als Charakteristikum der Interessenmediation in der Europäischen Union
- Regionales Lobbying
- Endogene Ressourcen als Faktoren der regionalen Interessenwahrnehmung
- Die Bundesländer als regionale Akteure in der Europäischen Union
- Die „Third-Level Strategy“: Der Ausschuß der Regionen
- Die deutschen Länderbüros in Brüssel
- Grenzen des Konsens: Konfliktlinien in der Europapolitik
- Analyseinstrumentarium: Kategorien, Hypothesen, Methode
- Kanäle und Strategien direkter regionaler Interessenvertretung
- Motive direkter Interessenvertretung eines deutschen Landes
- Arbeitshypothesen
- Fallstudie: Methodisches Vorgehen
- Kategorien der Auswertung
- Qualitative Dokumentenanalyse
- Experteninterviews
- Endogene Ressourcen: Die „Europakompetenz“ des Landes Berlin
- Die „Europäisierung“ der Berliner Politik
- Politische Konzentration und administrative Diffusion der Europapolitik
- Konzeption und Koordinierung der Europapolitik
- Koordinierungs- und Effizienzprobleme
- Fachliche Ressourcen: die „Europafähigkeit“ der Verwaltung
- Das Lobbyinginstrument: Das Berliner Büro in Brüssel
- Aufgaben des Büros
- Das Kontaktnetz in Brüssel
- Personelle und finanzielle Ausstattung
- Strukturen horizontaler Kooperation und externer Vernetzung
- Kooperation mit anderen Bundesländern
- Die Arbeitskreise der Länderbüros
- Das Land Brandenburg
- Transnationale interregionale Kooperation
- Europäische Hauptstädte und Hauptstadtregionen
- Eurocities
- Das Land Berlin als regionaler Akteur in der europäischen Arena
- Motive und Ziele im Fokus der direkten Interessenvertretung des Landes
- Die europäische Strukturpolitik
- Die Osterweiterung der Europäischen Union
- Die europäische Beschäftigungspolitik
- Die Nutzung der Kanäle direkter Interessenvertretung
- Der Ausschuß der Regionen
- Informelle horizontale Kooperation
- Direktkontakte in europäische Organe
- Strategien der direkten Interessenvertretung des Landes
- Die Strukturfondsförderung: Einflußnahme auf Verteilungsentscheidungen
- Die Förderung des „Sechsten Neuen Bundeslandes“
- Politikgestaltende Dimensionen der Strukturpolitik: Die Förderung von Städten
- Im Zeichen der Erweiterung: Die Ausgestaltung von speziellen EU-Programmen
- Modifikationen in den Heranführungsintrumenten
- Berlin als Grenzregion zum Erweiterungsraum
- Die europäische Beschäftigungsstrategie: Politikgestaltung unter dem Vorzeichen einer europäischen Städtepolitik
- Die Verstetigung der europäischen Beschäftigungspolitik
- Lokale Beschäftigungsstrategien und städtische Dimensionen
- Die Bedeutung regionaler Akteure in der europäischen Politik
- Die Rolle des Landes Berlin in der europäischen Arena
- Die strategischen Ressourcen des Landes Berlin für die Interessenvertretung in der Europäischen Union
- Die Herausforderungen der regionalen Interessenvertretung in einem mehrstufigen Regierungssystem
- Die Möglichkeiten der direkten Interessenvertretung von Regionen in europäischen Institutionen
- Kapitel 1: Die Einleitung stellt das Erkenntnisinteresse der Arbeit vor und erläutert den aktuellen Forschungsstand zur regionalen Interessenvertretung in der Europäischen Union. Sie beschreibt die Vorgehensweise und den Aufbau der Arbeit.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel beleuchtet die theoretischen Grundlagen der regionalen Interessenvertretung in der Europäischen Union. Es analysiert die begrifflichen Konstrukte „europäische Region“ und „regionaler Akteur“ sowie das Konzept der multi-level governance. Darüber hinaus wird das Einfluss-Potential von Regionen auf europäische Politik untersucht.
- Kapitel 3: Hier werden die deutschen Länder als regionale Akteure in der Europäischen Union betrachtet. Es werden die „Third-Level Strategy“ des Ausschusses der Regionen und die deutschen Länderbüros in Brüssel analysiert. Des Weiteren werden Konfliktlinien in der Europapolitik der Bundesländer aufgezeigt.
- Kapitel 4: Dieses Kapitel stellt das Analyseinstrumentarium der Arbeit vor. Es erläutert die Kategorien, Hypothesen und die Methode, die zur Untersuchung der Interessenvertretung des Landes Berlin in der Europäischen Union verwendet werden.
- Kapitel 5: In diesem Kapitel werden die „Europakompetenz“ des Landes Berlin und die endogenen Ressourcen, die Berlin für die Interessenvertretung in der EU nutzt, analysiert. Es werden die „Europäisierung“ der Berliner Politik, die „Europafähigkeit“ der Berliner Verwaltung, das Berliner Büro in Brüssel und Strukturen horizontaler Kooperation und externer Vernetzung betrachtet.
- Kapitel 6: Dieses Kapitel analysiert die Interessenvertretung des Landes Berlin in der europäischen Arena. Es beleuchtet die Motive und Ziele des Landes, die Nutzung der Kanäle direkter Interessenvertretung und die Strategien, die Berlin zur Durchsetzung seiner Interessen verfolgt.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Interessenvertretung des Landes Berlin in der Europäischen Union. Sie beleuchtet die Motive, Ziele und Strategien der Berliner Politik, um auf europäischer Ebene Einfluss zu nehmen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche Ressourcen Berlin zur Verfügung stehen, um seine Interessen in der europäischen Arena zu vertreten. Die Arbeit beleuchtet auch die Herausforderungen, die Berlin in der europäischen Interessenvertretung bewältigen muss.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich dem Themenbereich der regionalen Interessenvertretung in der Europäischen Union. Sie untersucht die Möglichkeiten und Herausforderungen der Interessenwahrnehmung des Landes Berlin in einem mehrstufigen Regierungssystem. Schwerpunkte sind die „Europakompetenz“ des Landes Berlin, die Ressourcen für die Interessenvertretung in der Europäischen Union, die Nutzung der Kanäle direkter Interessenvertretung und die Strategien, die Berlin zur Durchsetzung seiner Interessen verfolgt. Zentrale Begriffe sind multi-level governance, Lobbying, Strukturfonds, europäische Beschäftigungspolitik, Osterweiterung und „Third-Level Strategy“.
- Arbeit zitieren
- Victoria Krummel (Autor:in), 2003, Das Land Berlin als europäische Region - Motive, Ziele und Strategien regionaler Interessenvertretung in der europäischen Arena, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22338