Geschlecht und Kriminalität


Seminararbeit, 1999

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sozialisationsprozeß
2.1 Handlungskompetenzen und Selbstbildnis
2.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation
2.3 Ausgangsbedingungen für abweichendes Verhalten
2.3.1 Abweichendes Verhalten als Resultat familiärer Sozialisation
2.4 Kriminaelles Verhalten

3.Geschlechtsspezifische Kriminalität (Zahlen und Fakten)
3.1 Am häufigsten von Frauen und Männern begangene Straftaten
3.2 Vergleich von Frauen und Männern
3.2.1 Höherer Frauenprozentanteil
3.2.2 Höhrere Männerprozentanteil

4. Frauenkriminalität im Wandel

5. Das Verhältnis von Männern und Frauen im statistischen Prognoseverfahren
5.1 Indikator „Sex- ratio“

6. Soziale Sereotypievorstellungen hinsichtlich des Phänomens
„Mädchen- und Frauenkriminalität“

7. Frauenkriminalität
7.1 Erklärungsansätze zur Frauenkriminalität
7.2 Kriminalitäts- und Kriminalisierungstheorien
7.2.1 Zu den biologisch und anthropologischen Erklärungsversuchen
7.2.2 Zu den Erklärungsansätzen, die von der unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellung ausgehen
7.3 Drei Tendenzen zur Erklärung von Frauenkriminalität
7.4 Frauenkriminalität im Verborgenen
7.5 Konflikttaten

8. Frauenstrafvollzug
8.1 Offener Strafvollzug
8.2 Mutter- Kind- Einrichtungen

9. Fazit

1. Einleitung

In der folgenden Abhandlung soll der Zusammenhang von Geschlecht und Kriminalität aufgezeigt werden.

Zahlenmäßig ist durch statistische Auswertungen mehrfach belegt worden, daß die Frauenkriminalitätsrate bezogen auf unterschiedlichste Straftatbestände weit unter der der Männer liegt. Allgemein stellt sich daher die Frage, welche Faktoren ursächlich für dieses Phänomen sind. Erklärungsversuche entstanden durch den unterschiedlichen Sozialisationsprozeß (2.). Dabei wird die Bildung von Handlungskompetenzen und dem Selbstbildnis (2.1) näher erläutert, sowie die Unterschiede der geschlechtsspezifischen Sozialisation (2.2). Weiterhin beschäftigt sich die Arbeit mit den Ausgangsbedingungen für abweichendes Verhalten (2.3) und mit abweichendem Verhalten als Resultat familiärer Sozialisation (2.3.1). Als nächstes wird kriminelles Verhalten (2.4) näher erläutert.

Nach dem theoretischen Teil wird die geschlechtsspezifische Kriminalität (3.) untersucht. Dabei werden die am häufigsten von Männern und Frauen begangenen Straftaten aufgelistet (3.1) und verglichen (3.2), sowie die Straftaten, die einen höheren Frauenprozentanteil (3.2.1) bzw. einen höheren Männerprozentanteil (3.2.2) aufweisen. Als nächstes (4.) wird ‘Frauenkriminalität im Wandel’ behandelt. Dabei werden die von Frauen begangenen Straftaten in den 60er Jahren und von Mitte der 70er Jahre betrachtet und verglichen.

Im fünften Teil dieser Arbeit wird ein statistisches Prognoseverfahren von Sykes/Drabek vorgestellt (5.). Bei diesem Verfahren wird als Indikator die sog. „sex-ratio“ benutzt, um Aussagen über das Verhältnis ‘Kriminalität von Frauen und Männern’ zu erhalten. Der nächste Punkt behandelt die Stereotypievorstellung in Bezug auf

„den Kriminellen“ (6.). Es wird dargestellt, welche Vorurteile gegenüber kriminellen Männern und kriminellen Frauen vorhanden sind.

Des weiteren wird verstärkt auf die Frauenkriminalität (7.) eingegangen, es werden verschiedene Erklärungsansätze zur Frauenkriminalität (7.1) geliefert, wie die Kriminalitätstheorien (7.2) mit den biologisch- anthropologischen (7.2.1) sowie den gesellschaftlichen Erklärungsansätzen (7.2.2.).

Es werden daraufhin die ‘drei Tendenzen zur Erklärung von Frauenkriminalität` nach Dagmar Oberlies (7.3) vorgestellt und die Theorien zur Frauenkriminalität im Verborgenen (7.4). Im letzten Ansatz der Theorien geht es um Konflikttaten (7.5).

Die frauenspezifischen Lebensumstände, aus denen weibliche Kriminalität resultiert, spiegeln sich auch im Strafvollzug wieder. Aus diesem Grund wird gesondert auf den Frauenstrafvollzug eingegangen (8.).Dabei geht es um Unterschiede zum Männerstrafvollzug, um den offenen Strafvollzug (8.1) bei Frauen und um die Mutter- Kind- Einrichtungen (8.2).

Noch einmal reflektiert und zusammengefaßt wird die Arbeit dann im Fazit (9.).

2. Sozialisationsprozeß

Für die Identitätsbildung und vor allem für das soziale Handeln ist der Aufbau von Handlungkompetenzen und Selbstdefinitionen von großer Bedeutung.

2.1 Handlungskompetenzen und Selbstbildnis

Handlungskompetenzen sollen den Zustand der persönlichen Verfügbarkeit und der angemessenen Anwendung von Fertigkeiten und Fähigkeiten darstellen, die zur Auseinandersetzung mit der Umwelt dienlich sind. Somit ist der Begriff Handlungskompetenz auch als „Zustand der individuellen Verfügbarkeit von Verhaltens-, Interaktions- und Kommunikationsstrategien“ (Hurrelmann 1986, S.161) zu verstehen. Diese Strategien ermöglichen ein angemessenes Verhalten in bestimmten Situationen. Demnach kann von Handlungskompetenzen gesprochen werden, wenn die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten unterschieden, Möglichkeiten erkannt und reflektiert werden können, so daß der Mensch selbständig interagieren und kommunizieren kann. (vgl. Hurrelmann 1986, S.161)

Dabei wird auf das Bestreben des Menschen, angelegte Fertigkeiten und Fähigkeiten zu entfalten, zu entdecken, zu entwickeln und zu festigen, aufgebaut. (vgl. Hurrelmann 1986, S.158f)

Grundlegende Fertigkeiten und Fähigkeiten sind zum Beispiel sensorische, motorische, interaktive, intellektuelle und gefühlsbetonte Fertigkeiten, die sich in der Regel grundlegend in den ersten Lebensjahren entwickeln. (vgl. Hurrelmann 1986, S.161)

Handlungskompetenzen sind deshalb so wichtig, da mit deren Entwicklung Formen der Bewältigung von Problemsituationen, die Erschließung der Umwelt, die damit verbundenen Entfaltungsmöglichkeiten, etc., also insgesamt die Identitätsbildung verbunden ist und sogar von dieser Entwicklung abhängt. (vgl. Hurrelmann 1986, S.166)

Ein weiterer wichtiger Punkt für das soziale Handeln ist das Selbstbildnis. Durch die Verarbeitung selbstbezogener Informationen, durch Wahrnehmung und Beobachtung während Auseinandersetzungsprozessen mit der Umwelt und mit eigenen Bedürfnissen, kann das Selbstbild gewonnen werden. Dieses Selbstbild entwickelt sich während der Sozialisation, durch die Interaktion mit anderen Menschen, wie Eltern, Geschwistern, Mitschülern etc. und setzt sich somit aus den Ergebnissen der Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstreflexion zusammen. (vgl. Hurrelmann 1986, S.167ff)

2.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation

Wiederfinden kann man diese Entwicklung bei den Erziehungsstrategien, die bei Mädchen und Jungen sehr verschieden sind.

Zum Beispiel werden weibliche Säuglinge weniger lange in den Armen gehalten, erhalten weniger berührungsbezogene Anregungen und entbehren dadurch mehr den positiven gefühlsbetonten Bezug zur Mutter. Männlichen Säuglingen wird im Gegensatz zu weiblichen eine gewisse Autonomie zugesprochen, z.B. bestimmen männliche Säuglinge ihre Stillzeit weitestgehend selbst und auch bei der Sauberkeitserziehung, dem Selbständig-Essen und dem Sich-selbst-Anziehen zeigen sich diese Tendenzen. Mädchen werden in ihrer autonomen Entwicklung früher und stärker eingeschränkt.(vgl. Gipser in: Schneider 1983, S.436)

Geschlechtsspezifische Erziehung wird dazu noch durch Medien, wie Literatur, Funk und Fernsehen unterstützt. Auch hier werden männliche Personen als aktiv und dominant dargestellt und in bedeutenden und interessanten Rollen gezeigt. Zwar gibt es Veränderungstendenzen, doch stereotype Geschlechterrollen sind weiterhin vorhanden.

Außerdem werden Mädchen im allgemeinen mit mehr Nachsicht behandelt und psychologische Erziehungsmethoden ( wie Liebesentzug ) als Strafe überwiegen gegenüber körperlicher Züchtigung. Daraus läßt sich folgern, daß Aktivität, Aggressivität und Selbständigkeit bei Mädchen eher unterbunden und bei Jungen eher gefördert werden, und daß Mädchen bei Fehlverhalten eher mit Liebesentzug bestraft werden, wodurch sie abhängiger von der Zuwendung der Eltern sein können und eher Angstbereitschaft und Abhängigkeit entwickeln. (vgl. Gipser in: Schneider 1983, S. 436f)

Z.B. ergibt sich durch die geschlechtsspezifische Sozialisation, daß Frauen sich im allgemeinen anpassen, den ihnen zugedachten Part übernehmen und damit verbundene Konflikte so bewältigen, daß sie als soziale Problemgruppe nach außen hin wenig in Erscheinung treten. Frauen bewältigen ihre Probleme auf eine andere Art und Weise als Männer, wobei sie nicht so offen und/oder aggressiv reagieren und sich somit seltener Kriminalität als Möglichkeit der Problembewältigung zeigt. (vgl. Gipser in: Schneider 1983, S. 437f)

Gelungene Sozialisation entscheidet sich danach, wie angemessen entwickelt individuelle Handlungskompetenzen, das Selbstbild und die Identitätsbildung sind. Sind diese in ihrer Struktur unzureichend entfaltet, können Voraussetzungen und Grundlagen für den Vollzug autonomen Handelns fehlen. Das Risiko besteht, daß auffällige und abweichende Formen von Verhalten, die weitere Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigen. (vgl. Gipser in: Schneider 1983, S.437)

2.3 Ausgangsbedingungen für abweichendes Verhalten

Definition: Abweichendes Verhalten sei zum einen definiert als ein Verhalten, welches das gesellschaftliche Zusammenleben beeinträchtigt und/oder die eigene Entwicklung der Persönlichkeit stört, und zum anderen allgemeinen Übereinkünften widersprechend, sozial unerwünscht oder gesetzlich verboten ist. (vgl. Hurrelmann 1986, S.179)

Für die Entstehung von abweichendem Verhalten muß im wesentlichen die „ Nichtübereinstimmung zwischen individuellen Handlungkompetenzen und organisations- und institutionsspezifisch geprägten situativen Handlungsanforderungen gesehen werden.“ (Hurrelmann 1986, S.182/183)

Ein Risikofaktor für das Entstehen abweichenden Verhaltens besteht, wenn einer Person in bestimmten Handlungsbereichen dauerhaft unzureichende Handlungskompetenzen zur Verfügung stehen, die die von der sozialen Umwelt erwarteten Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht erbringen können. Sind die Ausprägungen der Kompetenzen nicht mit den gesellschaftlichen Anforderungen in Einklang zu bringen, ist die Situation gegeben, die als „belastend“ klassifiziert werden muß, der sogenannte Streß. ( vgl. Hurrelmann 1986, S.182f)

„ Streß tritt dann auf, wenn eine Person ein Mißverhältnis zwischen einerseits Anforderungen und Ansprüchen und andererseits Handlungsmöglichkeiten erfährt, und zugleich die Folgen dieses Mißverhältnisses als bedrohlich erfährt“(Ulich in: Hurrelmann 1986, S.183)

Zum anderen kann man von der „psychosozialen Krise“ sprechen, bei der, anders als beim Streß mehr Bereiche der jeweiligen Person angesprochen werden; das ganze Gerüst von Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstreflexion , also insgesamt das Selbstbild ist betroffen. Auch hier hängt es von den spezifisch individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten ab, ob sich belastende Situationen und Ereignisse, wie zum Beispiel Defizite in Schule und Beruf, Partnerprobleme oder Probleme mit den Eltern, in abweichendem und auffallendem Verhalten äußern oder nicht. (vgl. Hurrelmann 1986, S.183f)

Wichtig hierbei sind die sogenannten Bewältigungsstrategien, die Strategien der Korrektur und Steuerung darstellen. Dabei müssen eigene Handlungsdefizite wahrgenommen und bewertet werden, um zu klären, in welchen Bereichen eine „Nichtübereinstimmung mit den situativen Handlungsanforderungen auftritt“ (Hurrelmann 1986, S.184)

und diese Nichtübereinstimmungen müssen nach der erfolgreichen Erkennung abgebaut werden .Diese Strategien sind sozusagen auf die Lösung und Bewältigung von belastenden Situationen und Ereignissen gerichtet. Durch ein hohes „Bewältigungspotenzial“ um Belastungen und Streß abzubauen, ist das Risiko sehr gering, daß sich Symptome der Belastung als auffälliges und abweichendes Verhalten zeigen.

Offensichtlich ist also, daß das Zurechtkommen oder die Bewältigung von belastenden Situationen und Ereignissen abhängig von der Persönlichkeitsentwicklung und der Lebensgeschichte, sozusagen abhängig von der Sozialisation ist. (vgl. Hurrelmann 1986, S.184ff)

2.3.1 Abweichendes Verhalten als Resultat familiärer Sozialisation

Weitere Annahmen für die Entwicklung abweichenden Verhaltens sind konkret im Zusammenhang mit der familiären Sozialisation zu sehen. Es lassen sich heute folgende Thesen zu der Verbindung von Kriminalität und Familie aufstellen:

Erstens kann Kriminalität als wesentliche Folge gerechtfertigter Spannungen gesehen werden, die die Sozialisationsmöglichkeiten in bestimmten Familien beeinträchtigen und damit die Kriminalität des Heranwachsenden verursachen kann. Zweitens ist Kriminalität die Folge von Sozialisationsdefiziten, die zum Beispiel aus der Unvollständigkeit der Familie oder mangelhafter Interaktion in der Familie resultieren. (vgl. Peters 1989, S.590)

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Geschlecht und Kriminalität
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Soziologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
28
Katalognummer
V22378
ISBN (eBook)
9783638257343
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit handelt vom Geschlechterverhälnis in Bezug auf Kriminalität. Weibliche Kriminalität wird dabei als &quot,etwas besonderes&quot, untersucht.
Schlagworte
Geschlecht, Kriminalität
Arbeit zitieren
Matthias Rischer (Autor:in), 1999, Geschlecht und Kriminalität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22378

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