Der Begriff Kanzlerdemokratie wurde ursprünglich in der politischen Publizistik geprägt und hat sich mittlerweile als wissenschaftlicher Arbeitsbegriff etabliert ( Schmidtke 2001, S.12). Trotz breiter Akzeptanz des Begriffes „Kanzlerdemokratie“ in der Politikwissenschaft ist er weiterhin Gegenstand kontroverser Diskussionen (ebd. S.14). Ausgehend von der
Voraussetzung, dass es sich bei der „Kanzlerdemokratie“ um einen Regierungstyp der Bundesrepublik handelt, soll unter der Verwendung der von Niclauß aufgestellten Strukturmerkmale anhand zwei neuer Biographien sowie Zeitungsberichten über die
Regierungszeit Schröders von 1998 - 2002 untersucht werden, inwieweit diese Regierung Schröder ein Beispiel für eine „Kanzlerdemokratie“ ist. In der Politikwissenschaft gibt es
verschiedene Meinungen zum Thema „Kanzlerdemokratie“. Man ist sich nicht einig ob nur die Amtszeit Konrad Adenauers als „Kanzlerdemokratie“ zu werten sei, oder ob es sich bei
der Kanzlerdemokratie um ein Regierunsmodell handelt, welches zumindest bis in die Gegenwart hinein von Bedeutung ist (Niclauß 1990, S.134). In Wissenschaftlichen arbeiten wird zum Teil die Affassung vertreten, der Begriff „Kanzlerdemokratie“ Sei ausschließlich mit der Regierungszeit Adenauers verbunden.
So kommt Rüdiger Altmann zu dem Schluß, die absolute Mehrheit der CDU/CSU sei Voraussetzung dieses Regierunstyps (Niclauß 1990, S. 134). Anselm Doering – Manteuffel
hält die „Kanzlerdemokratie“ an die Ausgangssituation von 1949 gebunden und auf die Regierungszeit Adenauers beschränkt (ebd.). Nach Hans - Peter Schwarz ist die „ Kanzlerdemokratie“ als Zustand der schwerpunktmäßigen institutionellen Machtverteilung zu Gunsten des Bundeskanzleramtes auf die Jahre 1949 bis 1961 begrenzt (ebd.).Nach Karl Bracher ist die „Kanzlerdemokratie“ als Modifikation der Parlamentsdemokratie nicht nur ein Resultat einer zufälligen personellen Konstellation in den ersten Jahren der Bundesrepublik in Gestalt des Bundeskanzlers Adenauer, sondern auch in Reaktion auf verfassungspolitische Strukturfehler der Weimarer Verfassung eine bewußte. Die Kanzlerdemokratieberuht somit auf historischen Voraussetzungen und eine verfassungspolitischen Rahmen (Bracher 1976, S.120) Allerdings lebt das System der Kanzlerdemokratie „wesentlich von dem Politiker..., der seine großen Möglichkeiten entwickelt und handhabt“ (ebd. S. 130) und davon „ in welcher Weise die Nachfolger [Adenauers, Anm. d. Verf.] die Rolle des Kanzlers auszufüllen
vermögen“ (ebd.). [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Strukturmerkmale der Kanzlerdemokratie nach Niclauß
- Politische Führungskraft des Bundeskanzlers
- Das persönliche Prestige des Bundeskanzlers
- Führung der größten Regierungspartei
- Gegensatz zwischen Regierungslager und Opposition
- Regierungsstiel Gerhard Schröders in seiner ersten Amtszeit
- Die Außenpolitik Gerhard Schröders
- Das persönliche Ansehen Gerhard Schröders
- Schröder und die SPD
- Das Verhältnis zu Opposition
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die erste Schröder-Regierung als „Kanzlerdemokratie“ betrachtet werden kann. Es wird anhand von zwei Biographien und Zeitungsberichten aus der Regierungszeit Schröders von 1998-2002 untersucht, inwieweit die Strukturmerkmale der „Kanzlerdemokratie“ nach Niclauß erfüllt wurden. Dabei wird die politische Führungskraft des Bundeskanzlers im Fokus stehen, die sich unter anderem in der Nutzung institutioneller Möglichkeiten, der Richtlinienkompetenz und Kabinettsdisziplin sowie dem Umgang mit Koalitionspartnern und der Opposition zeigt.
- Politische Führungskraft des Bundeskanzlers
- Kanzlerdemokratie als Regierungstyp
- Strukturmerkmale der Kanzlerdemokratie nach Niclauß
- Vergleich mit anderen Kanzlerpersönlichkeiten
- Entwicklung der „Kanzlerdemokratie“ im Laufe der Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema „Kanzlerdemokratie“ ein und stellt die Problematik der Einordnung der ersten Schröder-Regierung in diesen Regierungstyp dar. Das zweite Kapitel beleuchtet die Strukturmerkmale der Kanzlerdemokratie nach Niclauß, wobei die politische Führungskraft des Bundeskanzlers, die sich in der Nutzung institutioneller Möglichkeiten, der Richtlinienkompetenz und Kabinettsdisziplin sowie dem Umgang mit Koalitionspartnern und der Opposition zeigt, im Vordergrund steht. Weitere Aspekte, die in diesem Kapitel untersucht werden, sind das persönliche Prestige des Bundeskanzlers, die Führung der größten Regierungspartei und der Gegensatz zwischen Regierungslager und Opposition.
Schlüsselwörter
Kanzlerdemokratie, Bundeskanzler, Gerhard Schröder, Niclauß, Richtlinienkompetenz, Kabinettsdisziplin, Koalitionspartner, Opposition, politische Führungskraft, Regierungstyp, Strukturmerkmale, politische Praxis, verfassungsrechtliches Postulat, institutionelle Möglichkeiten, politische Konzeption, Bundeskanzleramt, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, konstruktives Misstrauensvotum, Vertrauensfrage.
- Arbeit zitieren
- Ramin Wais (Autor:in), 2004, War die erste Schröderregierung eine Kanzlerdemokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22379