Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung (Begriffsdefinition „Körpersprache“)
2. Die Stufen der Entwicklung (einige Besonderheiten der einzelnen Entwicklungsstufen)
2.1 Im Mutterleib. (Die pränatale Phase (Vor der Geburt))
2.1.1 Rhythmische Bewegung am Beispiel der: Schaukelbewegung
2.2 Die Geburt
2.2.1 Nach der Geburt
2.3 Das Säuglingsalter 10
2.3.1 Das Gehirn und seine beiden Gehirnhemisphären
2.3.2 Angenehme und Unangenehme Empfindungen
2.3.3 Frühkindliche Bewegung als Ausdruck von Körpersprache (Beschreibung einzelner Körperteile)
2.4 Das Kleinkindalter
2.4.1 Entfernung auf Blickweite
2.4.2 Erwünschte und Unerwünschte Hilfestellungen
2.4.3 Die angeborene Angst
2.4.4 Territorialverhalten
2.4.5 Der Einzelgänger und die Gruppe (Spielregeln reagieren die Gruppe)
2.5 Die Schulzeit
2.5.1 Die gemalten Buchstaben und die Geschriebenen
2.5.2 Achtung: Körpersprache
2.5.3 Zuviel verlangt (Zu schwer für junge Schultern
2.6 Sechs Gesichtsausdrücke des Menschen
2.7 Zusammenfassung
2.8 Literatur und Materialien
1. Einleitung
Was ist Körpersprache?
„So wie einer ist, so bewegt er sich.
So wie einer sich beweg, so ist er.“ 1
Körpersprache ist eine angeborene (genetisch übernommene) und anerzogene (Sozialisationsbedingte), sowie erlernte (ganzheitliche) Bewegung
Sie ist eine ganzheitliche Augenblicksleistung mit unwiderlegbarem und unwiederholbarem analogen Zeichenmaterial. (Sie ist immer Gegenwart, nicht Zukunft oder Vergangenheit)
Körpersprache ist Metakommunikation. (Kommunikation über Kommunikation). Sie kann Informationen unmittelbar betonen und verstärken, abschwächen, verändern oder aufheben. 2
Körpersprache ist das bedeutendste nonverbale Kommunikationssystem
Sie ist das wichtigste Ausdrucksmittel des Menschen. Das älteste Codesystem der Menschheit. (Der menschliche Körper hat sich seit ca. 400.000 Jahren kaum mehr verändert.)
Es hatte immer die Funktion, menschliche Beziehungen zu regulieren und Machtstrukturen und soziale Ordnung zu festigen. Die Körpersprache ist für die soziale Repräsentanz und Interpretation eines Menschen bedeutender als die Sprache. Körpersprache „übersetzt“ Gedanken und Gefühle zeitgleich
Ein Beispiel: Noch bevor der Mund sagt: “Mir geht es gut“, drückt dies der Körper schon aus. Daher kann Körpersprache nicht lügen
Körpersprache ist mit der Persönlichkeit eines Menschen verbunden. 3
Der Unterschied zwischen der Körpersprache von Erwachsenen und der kindlichen, liegt darin, dass der Körper der erwachsenen Menschen, ihnen als voll ausgebildetes Instrument zur Verfügung steht, dem Kind jedoch nicht
Der Erwachsene ist in der Lage, damit umzugehen, hat gelernt, mit dem Körper zu agieren
Einem Neugeborenem steht sein Körper natürlich nicht zur Verfügung
Es lassen sich verschiedene Entwicklungsstufen ausmachen, über die der Weg zur Beherrschung des Körpers geht. Diese kindliche Ausdrucksfähigkeit und Körpersprache entwickelt sich in deutlich erkennbaren Stufen
Dieser Weg beginnt bereits vor der Geburt
Die erste, pränatale Stufe, bedeutet: Das Kind ist schon da, aber noch nicht draußen
Die zweite Stufe wird mit der Geburt des Kindes erreicht. Das Kind wird von seiner Mutter getrennt
Mit dem Babyalter (Säuglingsalter), der dritten Stufe, ist dann jenes Stadium erreicht, indem der Körper zur Verfügung zu stehen scheint, jedoch nicht verfügbar für den kleinen Menschen ist
Noch kann er nicht viel damit anfangen, er kann seinen Körper nicht als Instrument nutzen
Viele Lernvorgänge stehen dem Kind bevor
Die vierte Stufe ist das Kleinkindalter. Zwei- bis dreijährige Kinder, die zu stehen und gehen gelernt haben, entwickeln eine neue Beziehung zu ihrer Umwelt und sind von neuen Bedürfnissen geprägt – und das drückt sich auch in einer veränderten Körpersprache aus
Vier- bis fünfjährige Kinder entwickeln noch einmal eine erweiterte Körpersprache, denn die veränderten Beziehungen zur Außenwelt, schaffen die Notwendigkeit zu neuen Signalen
In der nächsten Stufe, der Schulzeit (oder Sechs- oder besser Sieben- bis Zehnjährigen Phase), ergeben sich neue Möglichkeiten für das Kind. Das soziale Bewusstsein stärkt sich. Die Welt wird detaillierter aufgenommen und differenzierter aufgefasst. Und die Körpersprache, ähnelt sich in einem Alter von etwa zehn, immer mehr der von Erwachsenen
Diese verschiedenen Stufen der Entwicklung werde ich nun in meiner vorliegenden Arbeit schildern
2. Die Stufen der Entwicklung
2.1 Im Mutterleib „Die Pränatale Stufe“ (Vor der Geburt)
Man weiß nur wenig über die Körpersprache des ungeborenen Kindes
Außer begründeten und weniger begründeten Vermutungen gibt es aber auch Erkenntnisse, die auf Forschung und Experiment beruhen
Eines steht jedoch fest: „Das Kind ist da. Es entwickelt sich und vom vierten Monat an, kann man von vollständiger Existenz sprechen.“
Spätestens vom fünften/sechsten Monat an, ist der gesamte Organismus ausgebildet
Er funktioniert, ist wahrnehmungsfähig und empfindet
Der Organismus ist umgeben von Geräuschen und Vibrationen, die aus der Welt tief drinnen in der Gebärmutter und von draußen an ihn dringen
Das ungeborene Kind spürt eines jedoch nicht, das Hungergefühl. Es ist direkt durch eine Nahrungsleitung mit der Mutter verbunden
Zum Beispiel Kälte und Wärme, der Reiz einer trockenen Haut oder andere äußere Reize,
rufen ebenfalls keine Bedürfnisse hervor, denn das Kind ist umhüllt von der Gebärmutterhöhle im Fruchtwasser
Es gibt aber auch Bewegungen, die das Kind im Mutterleib wahrnimmt
Zum Beispiel das Schaukeln, durch das es selbst in der Gebärmutter bewegt wird
Diese Bewegung, wird von der Mutter bestimmt
Ob sie sich im Ruhestand befindet oder sich bewegt, ob sie geht oder sich bückt
Nur sie, bestimmt die unterschiedliche Stärke dieser Bewegungen
Das ungeborene Kind, empfindet den Wechsel dieser Bewegungen vielleicht als Signal dafür, dass alles in Ordnung ist, dass die Mutter lebt und das ungeborene Kind die Chance hat, auch zu leben, da es an den Organismus der Mutter gebunden ist, mit ihr zusammenhängt
Das Schaukeln und der Stillstand sind für die Kinder ganz wichtig, denn die Schaukelbewegung hat auch nach der Geburt eine wichtige Bedeutung
Diese Bedeutung der Schaukelbewegung, werde ich nun schildern:
2.1.1 Rhythmische Bewegungen
(am Beispiel der Schaukelbewegung)
Unregelmäßige Rhythmen und Hektik sind nicht typisch für eine schwangere Frau, sondern ruhige, gleichmäßige Bewegungsabläufe
Ist jedoch die Ausgeglichenheit durch den Rhythmus der Hektik gebrochen, kann man davon ausgehen, dass sich diese Unruhe auf irgendwelche Weise auf das Kind überträgt, wahrscheinlich eine unangenehme Empfindung auslöst
Bedeutung der Schaukelbewegung
Nach der Geburt übernimmt oder –nahm die Wiege die Schaukelbewegung, an die das Kind im Mutterleib gewöhnt war
Das Kind hat den Mutterleib verlassen, in dem es bewegt wurde
Es erlebt nicht mehr das Schaukelgefühl, das durch den Gang der Mutter hervorgerufen wurde
Abbildung in dieser Leseprobe nicht
Es kann sich noch nicht nach seinem Wunsch bewegen, denn sein Zustand ist statisch, an einen Platz gebunden
Das Kind kann jedoch in Panik geraten, wenn es niemand schaukelt. „Etwas stimmt nicht!“
Die Mutter muss ihm anzeigen, dass es lebt und gesund ist
Das Schaukeln ist ein vertrautes Signal und hat eine beruhigende Wirkung auf das Kind
Das Schaukeln begleitet uns das ganze Leben, von der Kinderschaukel im Garten bis zum Schaukelstuhl unserer gesetzten Jahre
Aber: Schaukeln ist nicht gleich schaukeln!!!
Die beruhigende Wirkung bleibt aus, wenn das Schaukeln nicht seiner normalen Schrittbewegung gleicht. Also dem Rhythmus, in dem die Mutter geht
Die zweite Stufe
2.2 „Die Geburt“
Während der Geburt hat das Kind eine Aufgabe, die genetisch programmiert ist
Diese entspricht einer Erwartung der Mutter gegenüber ihrem Kind
„Es muss mithelfen, aus dem Mutterleib herauszukommen.“
Es findet ein Signalaustausch von Mutter und Kind statt. Das erste Signal empfängt es von der Mutter, erteilt durch die ersten Wehen. Das Kind empfängt dieses Signal und beginnt sogleich (wenn es nicht besonders faul ist), die ihm zugewiesene Aufgabe zu übernehmen
Das Kind unterstützt die Mutter, bewegt sich langsam zum Gebärmutterhals und beantwortet so die Signale der Mutter durch die Tat
Zu Anfang ist der Rhythmus, in dem die Wehen aufeinander folgen langsam, dann beschleunigt er sich
Der Appell an das Kind wird immer eindringlicher: Du musst die Höhle verlassen, du musst herauskommen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht
Quelle: Molcho, Samy; Körpersprache der Kinder; 1996: Mosaik Verlag bei G
In dieser Phase scheinen sich Charaktereigenschaften des Neugeborenen zu enthüllen
Es gibt zum Beispiel Aktive und Bequeme Neugeborene
Dazu ein Experiment:
Samy Molcho hat die Geburt seiner 4 Söhne gefilmt. Er hat Vergleiche aufgestellt und damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es Aktive als auch Bequeme Neugeborene gibt:
Sein erstes Kind, kam schnell, wie von einer Kanone geschossen. Es scheint ihm wichtig, schnell ans Licht zu kommen. Er war groß und kräftig
Auch heute ist er, genauso wie bei seiner Geburt, ein „Blitz“. Er ist schnell, dynamisch, alles muss bei ihm ohne Verzögerung geschehen
Der zweite Sohn war etwas ruhiger, es ging bei der Geburt etwas langsamer, aber er erwies sich als selbstständig. Er hat sich selbst geholfen, er war aktiv
Auch heute ist er so, viel selbstständiger als seine Brüder. Braucht wenig Hilfe von anderen und arrangiert sich selbst mit der Welt
Der Dritte. Ihm musste auf die Welt geholfen werden. Er hat sich bedienen lassen
Heute ist er ein liebes, braves Kind. Aber was im Prozess der Geburt zum Ausdruck kam, macht sich auch nach wie vor bemerkbar: Er lässt sich gerne helfen, lässt sich nicht ungern bedienen
Der vierte Sohn war sanft bei der Geburt, fügte sich umstandslos in das Geschehen
Zu seiner Entwicklung konnte Samy Molcho noch nichts sagen, weil er zu jung ist
↓
Es lässt sich nach den Erfahrungen feststellen, dass der Prozess der Geburt, für den das Kind von Natur aus programmiert ist, als aussagekräftig angesehen werden kann, für die Grundzüge der sich nun herausbildenden Charakters; denn ein Kind gibt durch sein Verhalten, ob aktiv, selbstständig, passiv, sanft, schnell, usw., Antworten auf die ersten Anforderungen, die an es gestellt werden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht
Quelle: Molcho, Samy; Körpersprache der Kinder; 1996: Mosaik Verlag bei G
2.2.1 Nach der Geburt
Die Geburt ist vollzogen. Es ist von seiner Mutter getrennt
Die Lungentätigkeit setzt ein. Die Dehnung der Lungen verursacht Schmerzen, und diese bringen den berühmten ersten Schrei hervor
Das Neugeborene erlebt völlig neue Reize, die es zuvor nicht kannte
(z.B. Kälte; Wärme; die Berührung mit fremdem Stoff, der die Hautoberfläche kratzt)
Es ist ihnen zum ersten Mal ausgesetzt
Eine Menge neue Reize stürmt während und nach der Geburt auf das Kind ein
Ein Chaos zunächst, das erst von dem Neugeborenen organisiert und zugeordnet werden muss. Licht, Geräusche, Berührungen, Empfindungen,…
Zum ersten Mal spürt das Kind Hunger. Der Hunger wird aber nicht wie im Mutterleib durch eine spende Leitung gestillt, sondern es werden Signale notwendig. Das Kind muss nach Nahrung verlangen, muss oft warten, bis sein Verlangen gestillt wird
[...]
1 BUYTENDUK, F.J.J (1887-1947)
2 Vgl. Studienbrief „Pflege“, Seite 14 – 20
3 Rebel, Günther, 1999, Bewegungspädagogik im Sozialwesen, Berlin: Waxmann, S. 93-94
Vgl. Molcho, Samy; Körpersprache der Kinder; 1996: Mosaik Verlag bei Goldmann, Vorwort
Vgl. Molcho, Samy; Körpersprache der Kinder; 1996: Mosaik Verlag bei Goldmann, S. 17 - 22