Familienerziehung in der sizilianischen Mafia - Gegebenheiten und pädagogische Gegenwirkung


Diplomarbeit, 2002

119 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung und Fragestellung

2 Klärung der zentralen Begriffe „sizilianische Mafia“,
„Familie“ und „Mafiaerziehung“
2.1 Die sizilianische Mafia
2.2 Die Familie
2.2.1 Familismus
2.2.2 Die Mafiafamilie
2.2.3 Die rituelle Verwandtschaft
2.3 Mafiaerziehung

3 Die „idealtypische“ sizilianische Familie: geschlechts-spezifische Rollenteilung und Sozialisation
3.1 Die Aufgaben und die Rolle des Vaters
3.2 Die Aufgaben und die Rolle der Mutter
3.3 Geschlechtsspezifische Sozialisation

4 Die geschlechtsspezifische Rollenaufteilung und Sozialisation in der mafiosen Familie
4.1 Die Aufgaben und die Rolle des mafiosen Vaters
4.2 Die Aufgaben und die Rolle der mafiosen Mutter
4.3 Die Sozialisation der Kinder zu mafiosi und mafiose
4.4 Exkurs: Die Ehre

5 Die Erziehung innerhalb der „ehrenwerten Gesell-schaft“
5.1 Warum ist es überhaupt notwendig, über Mafiaer- ziehung zu sprechen?
5.2 Subkulturelles Milieu und die Ausbildung mafioser Werte
5.3 Die Erziehungsziele der Cosa Nostra
5.4 Geschlechtsspezifische Erziehung

6 Antimafia difficile: Der Kampf gegen die Cosa Nostra
6.1 Definition des Begriffes „Antimafia“
6.2 Die Entstehung und der Verlauf der Antimafiabewe- gung in Sizilien
6.3 Die Trägergruppen der Antimafiabewegung

7 „Wehret den Anfängen” - Kinder- und Jugendarbeit der Antimafiabewegung
7.1 Aufklärungsarbeit in den Schulen
7.1.1 Cartello Palermo Anno Uno
7.1.2 Associazione donne siciliane per la lotta contro la mafia
7.1.3 Centro Siciliano di DocumentazioneGiuseppe Impastato
7.2 Stadtteilarbeit
7.2.1 Dipingi la Pace
7.2.2 Centro DiaconaleLa NoceInstituto Valdese
7.2.3 Centro Padre Nostro
7.3 Zusammenfassung von Punkt

8 Zusammenfassung und abschließende Stellungnahme
8.1 Zusammenfassung
8.2 Abschließende Stellungnahme

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Spielende Kinder auf den Straßen Palermos[1]

Vorwort

In erster Linie gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Ernst Prokop, der trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen freundlicherweise diese Diplomarbeit betreut hat.

Ein großer Teil dieser Arbeit konnte nur geschrieben werden, weil die Soziologin Frau Dr. Anita Bestler viel Zeit und Mühe in die Vor-bereitungen und Literaturrecherchen zu dieser Arbeit investiert hat. Sie hat auch die Kontakte in Palermo zu den Institutionen Dipingi la pace und Centro DiaconaleLa NoceInstituto Valdese hergestellt und meine Fragen stets mit sehr viel Geduld beantwortet. Für ihr Engagement möchte ich mich ganz herzlich bei ihr bedanken.

Ebenfalls Dank sagen möchte ich Herrn Gerhard Nölle vom Centro DiaconaleLa NoceInstituto Valdese. Er hat trotz seiner vielen Arbeit stets Zeit für ein Gespräch gefunden.

1 Einleitung und Fragestellung

Cu è surdu, orbu e taci, campa cent’ anni ’mpaci ist ein sizilianisches Sprichwort und heißt auf deutsch „Wer taub, blind und stumm ist, lebt hundert Jahre in Frieden“.[2] Hier werden drei Grundprinzipien der Cosa Nostra[3] vereinigt. Wer taub ist hört keine Schüsse bei einem Mord. Ein Blinder sieht nicht wie von einem Geschäftsmann der pizzo, das Schutzgeld, verlangt wird. Wer stumm ist hält die omertá[4] ein und geht somit nicht zur Polizei, um zu reden.

Die Mafia kann nur fortbestehen, indem diese Regeln von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Welche Eltern geben diese Werte an ihre Kinder weiter? Wie werden diese Kinder erzogen und welche Möglichkeiten gibt es außerhalb der Familie, „hörende“, „sehende“ und „sprechende“ Menschen aus ihnen zu machen?

Diese Diplomarbeit beschäftigt sich in erster Linie mit der blutsver-wandten famiglia[5] und mit der Mafiafamilie, ohne welche die sizilianische Mafia nicht existieren kann. Sie versucht, anhand der Rollenaufteilung innerhalb der Familie und der Aufgaben der einzelnen Mitglieder, die Erziehung der Söhne zu mafiosi und die der Töchter zu „schweigsamen duldenden Frauen“ zu erklären.

Doch auf die Kinder wirken nicht nur die Herkunftsfamilien und die Cosa Nostra ein. Die Antimafia versucht, sowohl auf institutioneller Ebene als auch durch Kinder- und Jugendarbeit, der Erziehung der mafiosi entgegenzuwirken.

Am Anfang steht die Klärung der Begriffe „sizilianische Mafia“, „Familie“ und „Erziehung“, wie sie in dieser Arbeit verwendet werden. Es folgt die Beschreibung der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung und Sozialisation innerhalb der blutsverwandten famiglia. Dabei wird zunächst die geschlechtsspezifische Rollenaufteilung und Sozialisation der „idealtypischen“ sizilianischen Familie angesprochen, um sie von der Mafiafamilie abgrenzen zu können. Im ersten Teil wird außerdem auf die Erziehung der Kinder und Jugendlichen der sizilianischen Mafia eingegangen. Hier werden zunächst die Erziehungsziele der sizilianischen Mafia vorgestellt und danach wird die Erziehung der Jungen zu mafiosi und die Erziehung der Mädchen zu „schweigsamen Frauen“ unter Berücksichtigung subkultureller Aspekte beschrieben.

Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit Antimafia. Zunächst wird der Begriff „Antimafia“ definiert und dann kurz der Verlauf der Antimafiabewegung in Sizilien geschildert. Hier werden außerdem zentrale Antimafiaaktivitäten auf institutioneller Ebene (Antimafiagesetz, -richter und –politik) exemplarisch vorgestellt, bevor kurz auf die wichtigsten Trägergruppen eingegangen wird.

Danach folgt eine Beschreibung der Kinder- und Jugendarbeit der Antimafia, die hauptsächlich in Form von Aufklärungsarbeit in den Schulen und Stadtteilarbeit abläuft. Aufklärungsarbeit in den Schulen wird anhand der Arbeit des Antimafiadachverbandes Cartello Palermo Anno Uno mit seiner Initiative Palermo apre le porte, der Frauenvereinigung Associazione donne siciliane per la lotta contro la mafia und des sizilianischen Forschungs- und Dokumentationszentrums Centro Siciliano di DocumentazioneGiuseppe Impastato “ beschrieben. Stadtteilarbeit betreiben in erster Linie die Sozialzentren in Palermo. Hier werden die Projekte Dipingi la Pace von Pater Paolo Turturro, die Einrichtungen der evangelischen Kirchengemeinde der Waldenser im Centro DiaconaleLa NoceInstituto Valdese und das Sozialzentrum Centro Padre Nostro vorgestellt. Meine Recherchetätigkeit in Palermo konzentrierte sich auf das Centro DiaconaleLa NoceInstituto Valdese und auf das Projekt Dipingi la Pace. Aufgrund des in Sizilien vorherrschenden Mißtrauens gegenüber Fremden und wegen des „heiklen“ Themas „Mafia“ konnten die in den Einrichtungen geführten Gespräche weder aufgezeichnet noch mitgeschrieben werden. Die Befragung der Vertreter der einzelnen Institutionen fand in Form eines Expertengespräches statt.

Eine Zusammenfassung und abschließende Stellungnahme beenden diese Arbeit.

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen die Gegebenheiten der Familienerziehung in der sizilianischen Mafia und deren pädagogische Gegenwirkung.

Dabei standen folgende Fragen im Vordergrund:

- Wie ist eine Mafiafamilie aufgebaut und wie verteilen sich im Gegensatz dazu die Rollen innerhalb einer mafiosen Familie in der sizilianischen Mafia?
- Nach welchen Idealen werden Kinder erzogen, damit sie ein anerkanntes Mitglied in der „ehrenwerten Gesellschaft“ sein können?
- Mit welchen Mitteln und Maßnahmen will die Antimafia die „ehrenwerte Gesellschaft“ bekämpfen?
- Welche Erziehungsziele haben Einrichtungen, die versuchen, die Kinder und Jugendlichen vor den Fängen der sizilianischen Mafia zu bewahren?

Es werden außerdem bedeutende Persönlichkeiten und ihre jeweiligen Ziele vorgestellt sowie die Erfolge und Niederlagen im Kampf gegen die sizilianische Mafia angesprochen.

2 Klärung der zentralen Begriffe „sizilianische Mafia“, „Familie“ und „Mafiaerziehung“

Um über die sizilianische Mafia, die Cosa Nostra, sprechen zu können, müssen zunächst die zentralen Begriffe „sizilianische Mafia“, „Familie“ und „Erziehung“, wie sie in der vorliegenden Arbeit verstanden werden, geklärt werden:

a) Wie ist der Begriff „Mafia“ entstanden? Was ist die sizilianische Mafia und was macht sie überhaupt?
b) Was versteht die Cosa Nostra unter einer Familie und wie ist diese aufgebaut? Welches Phänomen ist der Familismus? Und wie kommt es innerhalb der Mafiafamilie zur rituellen Verwandtschaft?
c) Was ist kennzeichnend für die Mafiaerziehung?

2.1 Die sizilianische Mafia

„Die Mafia? Ich weiß nicht, ob es sie gibt. Ich kann mit Sicherheit nichts über sie sagen“, äußerte der mutmaßliche neue Mafiaboß von San Giuseppe Jato, Salvatore Genovese, nach seiner Festnahme im Oktober 2000.[6] Ähnlich antwortete auch Palermos ehemaliger, mafioser Bürgermeister Vito Ciancimin, als er während eines Interview gebeten wurde, den Begriff „Mafia“ zu definieren. Er behauptete, nicht zu wissen, um was es sich bei der Mafia handeln könne.[7]

Wenn mafiosi bei polizeilichen Vernehmungen erklären, sie wüßten nicht, um was es bei der Mafia ginge, dann ist das durchaus nicht nur Polemik. Sie sagen insofern die Wahrheit, als der Terminus „Mafia“ nie zur Eigenbezeichnung der Organisation verwendet wurde und es in diesem Sinne die Mafia tatsächlich nie gab. Wie konnte nun dieser Begriff zum „Label“ der sizilianischen und später auch anderer Formen von organisierter Kriminalität avancieren?

Ethymologie:

Es wurden im Laufe der Geschichte viele Erklärungsversuche über die Herkunft des Wortes „Mafia“ gemacht. Tatsächlich ist die Herkunft nach wie vor unklar. Vielfach wird vermutet, „Mafia“ entstamme dem Arabischen und leite sich aus mahias oder mahyias ab, was Prahlerei oder Dreistigkeit bedeutet. Es könnte sich aber auch von ma’afir, dem Namen eines einstmals Palermo beherrschenden arabischen beziehungsweise berberischen Stammes ableiten. Einige Autoren halten es für möglich, daß „Mafia“ auf das arabische maha, also Grotte oder Steinhöhle, zurückgeht. Es gab tatsächlich in der Gegend von Trapani und Marsala Höhlen, die als mafie bezeichnet wurden.[8] Weitere Möglichkeiten sind die arabischen Wörter mahfil, was Versammlung oder Versammlungsort heißt oder múafa, was Verborgenheit oder Schutz bedeutet. „Mafia“ könnte sich aber auch von marfid, der Vergangenheitsform des arabischen Verbs „verweigern“, ableiten.[9] Gelegentlich wird der Begriff auch auf das piemontesische mafi, mafio oder mafiun zurückgeführt, wo sich besagte Wörter in der Bedeutung von „unzivilisierter Mensch, der nicht redet und antwortet“, schon seit 1815 nachweisen lassen.[10] „Mafia“ könnte aber auch dem toskanischen Dialekt entstammen. Dort war das vom arabischen marfid abgeleitete Wort malfusso schon im 15. Jahrhundert gebräuchlich und bedeutete „untreu“, „ungläubig“, aber auch „Schurke“ und „Verbrecher“.[11] Im Florentiner Dialekt bezeichnete malfusso darüber hinaus Armut.[12]

Es gibt im sizilianischen Dialekt eine Reihe Wörter, die ähnlich wie „Mafia“ klingen und „Kühnheit“, „Anmaßung“, oder auch „schönes Mädchen“ bedeuten.[13]

Im Jahre 1862 wurden in der sizilianischen Dialektkomödie „ I mafiusi della Vicaria[14] besonders angesehene Häftlinge mafiusi genannt. Drei Jahre später fand das Wort „Mafia“ Eingang in die Sprache der italienischen Strafverfolgungsbehörde. Inzwischen ist der Begriff „Mafia“ international und wird mit Gefängnisaufständen, Polizistenmorden oder Bildung von Banden in Verbindung gebracht. Mit „Mafia“ bezeichnen die italienischen Juristen mittlerweile fast ausschließlich kriminelle Vereinigungen beziehungsweise allumfassende Geheimorganisationen.[15]

Aktivitäten:

Das Ziel der Cosa Nostra besteht vornehmlich in der ökonomischen Bereicherung ihrer Mitglieder. Daneben streben die uomini d’onore, wie sie sich selbst nennen, auch Ehre, also persönliches Ansehen, an. Zentral ist aber ohne Zweifel die wirtschaftliche Bereicherung, weshalb der Soziologe Diego Gambetta[16] die „ehrenwerte Firma“ auch als „(...) eine Industrie, die privaten Schutz schafft, fördert und verkauft“ definiert.

Zu den traditionellen Aktivitäten der Mafia, die seit etwa 150 Jahren in Sizilien existiert und sich von den westlichen Provinzen (Palermo, Trapani, Agrigent) inzwischen auf fast der gesamten Insel ausgebreitet hat, zählen Viehraub, illegales Schlachten und Verkaufen von Vieh, die Kontrolle von Wasserstellen und Märkten (Obst-, Gemüse-, Fleisch- und Fischmärkte), Entführungen und schließlich Schutzgelderpressungen. Eine Verlagerung des Akzents der ökonomischen Tätigkeiten der Onorata Societa[17] setzte erst in den 50er und 60er Jahren ein, als sich die „ehrenwerte Gesellschaft“ von einer „ruralen“ zur „urbanen“ Mafia entwickelte. Zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend: Einmal die Landflucht vieler Sizilianer vor allem in die Hauptstadt Palermo, wodurch dort ein ungeheurer Bedarf nach Wohnungen entstand, der durch die Aktivitäten mafioser Baufirmen gedeckt wurde, und zum anderen die Entscheidung der italienischen Regierung, die unterentwickelten Regionen des Südens durch große Infrastrukturprojekte ökonomisch zu fördern. Zu diesem Zweck wurde Ende der 50er Jahre die „Südkasse“, die sogenannte Cassa per il mezzogiorno gegründet, durch die enorme Geldbeträge nach Sizilien flossen, mit deren Hilfe viele öffentliche Bauprojekte realisiert wurden (zum Beispiel Autobahnen, Straßen, Schulen, Krankenhäuser etc.). Die Mafia hatte natürlich größtes Interesse daran, sich diese Gelder anzueignen, was ihr mit Hilfe ihr nahestehender Politiker auch gelang. Die Mafia hatte zwar ihre traditionellen Aktivitäten nicht aufgegeben, war aber jetzt stark in die Bauindustrie eingestiegen. Ab den 70er Jahren eröffneten sich der ehrenwerten Gesellschaft mit dem internationalen Drogenhandel neue ökonomische Perspektiven, die sie nicht ungenutzt ließ. Der Drogenhandel machte die mafiosi reich wie nie zuvor und bildet bis heute ihre Haupteinnahmequelle. Später kamen dann noch der illegale Waffenhandel und in jüngster Zeit das lukrative Geschäft mit Giftmüll hinzu. Des weiteren bereichert sich die Mafia durch Drogen- und Waffengeschäfte, oft in Kooperation mit der amerikanischen Cosa Nostra. Vor allem wird mit Heroin gehandelt und Handfeuerwaffen oder Plutonium verschoben, was zur zunehmenden Illegalisierung der Mafia führt. Ein weiterer Geschäftsbereich der „ehrenwerten Firma“ ist der Handel mit gefälschten Markenartikeln und die Schutzgelderpressung. Die ambulanten Händler oder Geschäftsleute sind in der Regel nicht Mitglied der Mafia, sondern bezahlen den pizzo, um Schutz zu erhalten. Lange Zeit waren Entführungen die Haupteinnahmequelle der Mafia, bei denen sie sich durch Lösegelderpressungen bereichern konnte. Die Zahl der Entführungen hat in den letzten Jahren abgenommen, da die Mafia mit ihren Methoden – soweit wie möglich - nicht in die Öffentlichkeit geraten will. Durch Spekulations- und Immobiliengeschäfte wurde Geldwäscherei nötig, was der sizilianischen Mafia derzeit durch die Globalisierung und die weltweite Vernetzung der Computer wesentlich erleichtert wird.[18]

Henner Hess beschränkt seine Definition von „Mafia“ nicht nur auf die Aktivitäten, sondern machte mit seiner Klärung des Begriffs „Mafia“ den Weg frei zu einer sozialpsychologischen Deutung.[19] Er sagt „Mafia ist keine Organisation, sondern eine Verhaltensweise, eine Methode, das, was die ´ mafiosi` tun; sie ist die von ´starken Männern‘ ausgeübte und angedrohte private Gewalt, ausgeübt und angedroht in allen sozialen Konflikten“.[20]

Der Zusammenhang zwischen Mafia und Politik ist nicht von der Hand zu weisen, denn politischer Einfluß bringt der Organisation Vorteile in Bezug auf die Möglichkeiten ihrer Machtausübung und vor allem ökonomische Bereicherung. Die Cosa Nostra kann somit die cassa[21], das heißt die Verteilung der Gelder unter anderem vom reichen Norden in den ärmeren Süden, kontrollieren oder sich öffentliche Aufträge beschaffen. Im Gegenzug verhilft die Mafia den Politikern beispielsweise zu Wählerstimmen.[22]

Juristische Definition:

Bis Anfang der 80er Jahre stellten mafiose Verbrechen keinen eigenen Strafbestand im italienischen Recht dar. Erst im Jahre 1982, nach einer Serie von Morden an „Männern des Staates“ wie Richtern (Terranova, Costa), Politikern (Mattarella, La Torre) und dem Polizeipräfekten Carlo Alberto Dalla Chiesa, sah sich der Staat veranlaßt, das erste Antimafiagesetz (LaTorre-Gesetz, benannt nach dem ermordeten, kommunistischen Politiker Pio La Torre) seiner Geschichte zu verabschieden.[23] Artikel 1 dieses Gesetzes vom 13. September 1982 besagt folgendes: „Eine Vereinigung ist mafiosen Typs, wenn diejenigen, die ihr angehören, der Einschüchterungskraft der Vereinsbande, der Unterdrückung und der sich daraus ergebenden omertá bedienen, um Verbrechen zu begehen, um di-
rekt oder indirekt die Ausführung oder zumindest die Kontrolle über Wirtschaftsaktivitäten, Konzessionen, Genehmigungen, Arbeitsaufträge und öffentliche Dienstleistungen zu erlangen, oder um für sich oder andere ungerechte Profite oder Vorteile zu realisieren“.[24]

Neben der Cosa Nostra in Sizilien finden sich in Italien noch folgende mafiaähnliche Organisationen, die jedoch in dieser Arbeit außen vor gelassen werden:

Die „Camorra“ beherrscht Kampanien, vor allem Neapel. Kalabrien wird von der Organisation „‘Ndrangheta“ kontrolliert. „Stidda“[25] nennt sich die Mafia-Organisation in Agrigento und Caltanissetta und die Vereinigung „Sacra Corona Unita“ reagiert in Apulien.[26]

In der vorliegenden Arbeit werden für den Begriff „sizilianische Mafia“ auch die Synonyme „Cosa Nostra“, „Organisation“, „ehrenwerte Gesellschaft“ und „ehrenwerte Firma“ (in Bezug auf ihre ökonomischen Aktivitäten) verwendet.

2.2 Die Familie

Das italienische Wort famiglia bedeutet auf deutsch zunächst Familie. Unter einer famiglia wird aber keineswegs nur die Gemeinschaft blutsverwandter Personen, in der Regel also Eltern und Kinder, verstanden. Mit famiglie[27] werden auch die – laut offizieller Polizeiberichte – etwa 160 mafiosen Gruppen in ganz Sizilien bezeichnet. Solche Gruppen bildet eine famiglia oder cosca.

Die (blutsverwandte) Familie ist nun in Sizilien von einer ungeheuren Bedeutung. Nur gegenüber Familienmitgliedern besteht Vertrauen und das Wohl der eigenen Familie stellt den höchsten Wert dar. Die übersteigerte Betonung der Familie wird von Ethnologen
als „Familismus“ bezeichnet und als Phänomen im gesamten mediterranen Raum festgestellt. Ergänzt wird der Familismus von der „rituellen Verwandtschaft“, womit der Umstand bezeichnet wird, daß nicht blutsverwandte Personen in die eigene Familie (etwa durch die Übernahme von einer Patenschaft) aufgenommen werden und ihr in gewisser Weise damit angehören.

2.2.1 Familismus

Cumpari semu, cumpari ristamu, Veni la morti e nni spartemu. “ ist eine sizilianische Redewendung und heißt auf deutsch: Wir sind Gevattern, wir bleiben Gevattern, erst wenn der Tod kommt, trennen wir uns.[28] Dieser Spruch beschreibt Familismus, der aus einer Art Blutsbrüderschaft besteht und nur durch den Tod beendet wird.

Edward Banfield[29] führte eine Studie in dem kleinen Dorf Montegrano in Süditalien durch. Dabei berücksichtigte er kulturelle, psychologische und moralische Aspekte von politischen und anderen Organisationen. Er spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten „amoralischen Familismus“.

Ein „ amoral familist “ folgt dieser Regel:

Maximiere den schnellen materiellen Vorteil für die Kernfamilie und gehe davon aus, daß alle anderen es genauso tun!

Jemand, der nach diesem Prinzip lebt, verhält sich gegenüber Personen, die nicht seiner Familie angehören, ohne Moral. Innerhalb seiner Familie jedoch herrscht ein bestimmtes Normensystem, bei dem sehr wohl zwischen Recht und Unrecht unterschieden wird. Einer, der keine Familie hat, ist nach Banfield ein „amoralischer Individualist“.

Teresa Principato[30], Staatsanwältin in Palermo und ehemalige Kollegin der 1992 ermordete Antimafiarichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, beschreibt Familismus folgendermaßen:

Es ist schwierig zu verstehen, welche Rolle die Frau in der Mafia spielt, weil eine Frau eigentlich kein direktes Mitglied der Cosa Nostra sein kann. Sie sagt, die Frauen seien in Sizilien so stark in die Familie eingebunden, daß die Familienbande die Oberhand über die Kontakte nach draußen haben. Die Familie bildet eine isolierte, antigesellschaftliche Gruppe, in der die weiblichen und männlichen Rollen durch die Familienbande genau festgelegt sind. Vertrauen herrscht nur unter den Blutsverwandten.

Genau auf diesem System basiert die Mafia. Nur so können negative Werte entstehen und übertragen werden.

Mit eigenen Worten:

Familismus wird in der vorliegenden Arbeit als ein System und Gefühl verstanden, das im gesamten mediterranen Raum und somit auch innerhalb der sizilianischen Mafia vorherrscht. Die famiglia wird als heilig und als höchstes Gut des Mannes empfunden.

Von der Familie gehen bestimmte Vorschriften mafiosen Verhaltens aus, denn hier werden die Normen und Werte festgelegt. Vertrauen hat ein mafiosi nur zu seiner eigenen Familie. Er orientiert sich ausschließlich an der famiglia, was auf die Hochhaltung der Blutsverwandtschaft und auch der rituellen Verwandtschaft im mediterranen Raum zurückzuführen ist.

2.2.2 Die Mafiafamilie

Die Familie ist der Kern der Mafia, die im Gegensatz zur „idealtypischen“ sizilianischen Familie nicht aus Vater, Mutter und den Kindern besteht, sondern nur aus Männern, die einer bestimmten hierarchischen Gliederung unterstehen.

Rolf Uesseler beschreibt den Aufbau einer Mafiafamilie so:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aufbau einer Mafiafamilie[31]

Eine Mafiafamilie ist pyramidenförmig aufgebaut. An der Spitze steht der capo famiglia[32], das Familienoberhaupt. Er ist dazu berechtigt, Entscheidungen zu treffen. Ein capo famiglia ist der Repräsentant der Familie und ernennt einen Stellvertreter für sich selbst, den vice-capo[33]. Umgeben sind der capo famiglia und sein Stellvertreter von einem consigliere[34], der sie bei wichtigen Entscheidungen berät. Es gibt aber auch Mafiafamilien ohne einen Berater.[35] Diese drei Einheiten bilden die oberste Stufe einer Familie.

Von hier aus wird der capodecina[36] ernannt, der etwa zehn soldati[37] beziehungsweise Ehrenmännern vorsteht. Je nach Größe der Mafiafamilie gibt es mehrere capidecine oder auch gar keine. Die soldati, auch piciotti[38] genannt, erhalten ihre Befehle von oben, also auch von der obersten Ebene. Nur die „Ehrenmänner“, wie sich die Handlanger auch nennen, wählen die oberste Stufe mit den Beratern und dem Familienoberhaupt.

Eine Mafiafamilie kann aus fünf bis hin zu 200 Mitgliedern bestehen.[39]

Der Begriff „mafiose Familie“ bezeichnet in der vorliegenden Arbeit in Abgrenzung zur Mafiafamilie die Vater-Mutter-Kind-Konstellation innerhalb der Mafiafamilie.

2.2.3 Die rituelle Verwandtschaft

Um Mitglied der Cosa Nostra werden zu können, muß man mehrere Voraussetzungen mitbringen: Man muß männlichen Geschlechts und Sizilianer sein und darüber hinaus klare familiäre Strukturen nachweisen können. Das bedeutet, in der Familie dürfen keine Scheidungen vorgekommen sein und es dürfen keine Verwandtschaftsverhältnisse mit Polizisten oder Richtern bestehen. Das wichtigste Kriterium für die Aufnahme ist allerdings Mut und Erbarmungslosigkeit, was der Neuling in der Regel noch vor der Aufnahme unter Beweis zu stellen hat. Eine verbreitete Mutprobe ist das Töten eines Tieres, eines Menschen oder die Teilnahme an einem Raubüberfall.

Niemals kann ein junger Mann von sich aus Mitglied der Mafia werden, immer wird er über einen mehr oder weniger langen Zeitraum von den uomini di rispetto[40] beobachtet und dann gegebenenfalls auserwählt. Von Vorteil ist, wenn bereits ein Verwandter ein mafioso ist.

Stellt sich der Neuling als geeignet heraus, wird er durch den Initiationsritus aufgenommen. Es gibt kleine Unterschiede in den Aufnahmeritualen zwischen den einzelnen Provinzen, aber das Prinzip ist immer dasselbe:

Der potentielle picciotto wird zunächst an einen entlegenen Ort geführt, an dem die Vertreter der Familie, alle, die ein Amt bekleiden, und einige uomini d’onore, bereits warten. Der Vertreter der Familie erklärt zunächst die Regeln der Mafia und betont, daß das, was die Öffentlichkeit als Mafia bezeichnet in Wahrheit Cosa Nostra heißt.

Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Neuling noch zurücktreten.

Als nächstes folgt die Aufklärung über die Pflichten eines picciotto: Er darf auf keinen Fall um die Frau eines anderen Ehrenmannes werben, nicht stehlen, er darf sich nicht an Prostitution bereichern, Streit innerhalb der Familie muß er vermeiden und unter keinen Umständen darf er einen uomo d’onore töten. Einem mafioso ist es verboten, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus muß die omertá, die Schweigepflicht, eingehalten werden.

Bekräftigt der Neuling nun seinen Willen Mitglied der Cosa Nostra zu werden, darf er sich unter den anwesenden Ehrenmännern einen Paten aussuchen.

Der nächste Schritt ist der Schwur. Dabei wird dem picciotto mit einer Nadel in den Zeigefinger der Hand gestochen, mit der er schießt, und ein Heiligenbild mit seinem Blut betropft. Dieses Bild wird nun angezündet und der Initiand wechselt das brennende Bild von einer Hand in die andere. Er schwört dabei, die Regeln der Cosa Nostra nicht zu verraten, selbst wenn er ebenso wie das Bild verbrennen würde.

Das Blut hat bei der Zeremonie Symbolcharakter, denn durch das
Blut tritt man in die Mafia ein und mit dem Blut tritt man auch wieder aus, falls man getötet wird. Im Anschluß wird dem Neuling die Familienhierarchie erklärt und ihm „sein“capodecina vorgestellt.[41]

Viele picciotti glauben, daß die Zeremonie ein Versprechen ist, aber in Wirklichkeit ist sie eine Drohung.[42]

Man kann den Beitritt in die Mafia mit einem Religionsbeitritt vergleichen, denn Falcone sagt: „Ein Priester hört nie auf, Priester zu sein. Ein Mafioso ist immer ein Mafioso.“[43]

2.3 Mafiaerziehung

Bedeutet Mutter zu sein automatisch, die Kinder dahingehend zu erziehen, sich selbst und andere zu achten? In der Mafiafamilie nicht wirklich. Es gibt viele Beispiele in Sizilien, in denen Kinder als Drogenkuriere mißbraucht werden und nicht selten schnüren die Mütter selbst die Päckchen.

Die Kinder werden zu Gewaltbereitschaft erzogen, denn schon seit langer Zeit vollziehen die Frauen der Familien die vendetta[44]. Zum Teil werden auch hier die Kinder zu Hilfe genommen, um die Ehre der Familie wiederherzustellen.

Antonina Brusca, die Ehefrau des Mafiabosses Giovanni Brusca, wegen seiner Grausamkeit u verru, zu deutsch „das Schwein“, genannt, sagte in einem Interview kurz nach der Verhaftung ihrer Söhne, daß sie ihre Kinder dazu erzogen habe, Gott zu fürchten. Ihr Sohn Giovanni gestand hingegen, daß seine Mutter für 60 bis 100 Morde verantwortlich war. Antonina Brusca verstand es nicht, warum ihre Kinder die Kleineren in der Schule ausbeuten und warum sie als wilde Tiere bezeichnet werden.[45]

Die Erziehung zur Gewaltbereitschaft in der mafiosen Subkultur läßt sich aus mütterlicher Sicht so beschreiben:

Eine Mutter verteidigt ihre Kinder mit allen Mitteln, wenn diese ungerecht behandelt werden. Dabei empfindet sie kein Mitleid mit den Familien, denen sie dadurch Schaden zufügt. Die Verbrecher oder sogar Mörder in ihrer Familie hält sie in der Regel für unschuldig.

Mafiafrauen erklären, daß sie ihre Söhne dazu erziehen, die famiglia zu achten, mit ihren Mitmenschen bestimmte Kompromisse zu bilden und die „ehrenwerte Gesellschaft“ zu respektieren.[46]

Der sizilianische Lehrer Augusto Cavadi[47] sagt, daß sich die Mafia dank ihrer Erziehung selbst verewigt, denn sie setzt das Mittel der Erziehung gezielt ein, um bestimmte Ziele zu erreichen.

Damit vor allem die Antimafiaaktivisten der Mafiaerziehung (pädagogisch) entgegenwirken können muß man zunächst wissen, welches ihre Ziele sind.

Mafiaerziehung beinhaltet nach Augusto Cavadi[48] unter anderem diese Elemente:

iamoralischer Familismus (siehe Punkt 2.2.1)

iväterlicher männlicher Chauvinismus beziehungsweise Machismus als Vorbildfunktion

iRespektieren der omertá

iErhaltung und Verteidigung der eigenen Ehre und der Ehre der gesamten Familie

iVerzicht auf Schule und somit auch auf eine Ausbildung, was sich durch die Abwertung der Arbeit in Italien erklären läßt

idogmatische Mentalität

ikeine klärenden Diskussionen, sondern Gewalt (dient auch schon zwischen den Kindern als Sprache)

i„falscher Heiligenkult“: die heilige Maria ist die selbsternannte Schutzpatronin der Cosa Nostra; sie wird am 25. März gefeiert und es gibt noch andere verwerfliche katholische Riten wie zum Beispel das Aufnahmeritual

idie Interessen der ehrhaften Verstorbenen werden teilweise in Form der vendetta in Ehren gehalten

iGewinn an Geld und Macht als absoluter Wert

iErziehung zu Konkurrenzdenken in einer Welt der beschränkten Ressourcen, um zu überleben

iAusbeutung der sozial schwachen Schicht

Wenn man diese Erziehungsziele kennt, kann man versuchen, ihnen gezielt pädagogisch entgegenzuwirken.

3 Die „idealtypische“ sizilianische Familie: geschlechtsspezifische Rollenteilung und Sozialisation

Zunächst soll die „idealtypische“ sizilianische Familie dargestellt werden, da mafiosi in vieler Hinsicht wie ganz normale sizilianische Familien leben. Sie teilen vor allem die traditionellen Vorstellungen darüber, wie sich ein Vater und wie sich eine Mutter verhalten sollten, welche Aufgaben ihnen in der Familie zukommen und wie sie ihre Kinder erziehen sollten. Typisch für die meisten sizilianischen Familien ist eine klare Rollenteilung nach Geschlechtern und der bereits erwähnte „Familismus“, das heißt das unbedingte Vertrauen gegenüber der Familie und das Mißtrauen gegenüber dem „öffentlichen Raum“, sei dies nun die piazza[49], die Dorfgemeinschaft, oder die Institutionen des Staates. Dieses Mißtrauen gegenüber allem außerhalb der Familie leitet sich aus Siziliens Überlagerungsgeschichte her, also der ständigen Präsenz von Fremdherrschern, welche die Sizilianer über Jahrhunderte in politischer und ökonomischer Hinsicht ausgebeutet haben. Aus diesem Grund ist die Kohäsion und Stabilität der Familie für quasi alle Sizilianer der höchste Wert überhaupt.[50]

3.1 Die Aufgaben und die Rolle des Vaters

Dem Vater kommt in erster Linie die Rolle des Ernährers der Familie zu. Er ist auch derjenige, der die Familie nach außen hin vertritt. Innerhalb der Familie haben ihm alle Mitglieder Respekt zu erweisen, da er das Familienoberhaupt ist. Bei Tisch wird er von den weiblichen Mitgliedern der Familie bedient. Prinzipiell hat er immer das letzte Wort und er erfährt keinen Widerspruch.[51]

Nach Gilmore[52] kommen dem Mann und somit auch dem sizilianischen Familienvater diese drei Hauptaufgaben zu: die Schwängerung seiner Ehefrau und somit die Zeugung möglichst vieler Nachkommen, die Versorgung seiner Abhängigen und schließlich das Beschützen der Familie. Zunächst einmal muß ein Mann der Gesellschaft beweisen, daß er ein „richtiger“ Mann ist. Und das geschieht durch die Zeugung möglichst vieler (vorzugsweise männlicher) Nachkommen. Daraus ergibt sich seine zweite wesentliche Aufgabe, nämlich die Versorgung seiner Abhängigen. Dazu zählen seine Frau und seine Kinder. Arbeit generell wird im mediterranen Raum abgewertet, aber der Mann opfert sich für die Familie und so legitimiert sich die Arbeit. Die dritte wichtige Aufgabe des „idealtypischen“ sizilianischen Vaters ist das Beschützen seiner Familie. Dazu muß er vor allem seine eigene Ehre sowie die Ehre der gesamten Familie nach außen hin verteidigen.

3.2 Die Aufgaben und die Rolle der Mutter

Die Mutter ist das „Herz“ jeder sizilianischen Familie. Ihr kommt in erster Linie die Führung des Haushalts und die Erziehung der Kinder zu. In aller Regel ist sie nicht erwerbstätig und verläßt nach Möglichkeit nur mit männlicher Begleitung das Haus. Auch wenn die Mutter sich dem „Herrn des Hauses“ offiziell in allen Belangen unterordnet, verfügt sie doch über eine nicht unerhebliche informelle Macht, da sich die Kinder ihr eher als dem Vater anvertrauen und sie den Ehemann geschickt lenkt. Vor allem die Söhne werden auf jede erdenkliche Art und Weise verwöhnt. Nicht umsonst bleiben die Mütter die wichtigsten Frauen im Leben ihrer Söhne, die deshalb auch ironisch als mammoni[53] bezeichnet werden.

Sizilianische Männer und Frauen leben in getrennten Welten und damit ist auch eine räumliche Trennung gemeint. Männer verbringen den größten Teil des Tages unter Männern und somit außer Haus, das ja der Frau vorbehalten ist. Eine sizilianische Frau zeigt sich nach außen hin passiv, da sie am gesellschaftlichen Leben kaum teilnimmt. Sie scheint auf den ersten Blick introvertiert, um der Extroversion ihres Ehemannes mehr Ausdruck verleihen zu können. Daneben gibt sie sich abhängig von ihrem Mann, fast schon unterwürfig, um sein Ansehen in der Gesellschaft auf gar keinen Fall in Frage zu stellen.[54]

[...]


[1] QUELLE: CITY OF PALERMO & TUSCAN REGION 1999

[2] BONAVITA 1993: S. 106

[3] „Cosa Nostra“ bedeutet übersetzt „Unsere Sache“

[4] Italienisch: Schweigepflicht, Schweigegebot

[5] Italienisch: Familie

[6] GIORNALE DI SICILIA vom 17.Oktober.2000, S. 26

[7] vgl. CORRENTI 1987: S. 14f

[8] vgl. CORRENTI 1987: S. 31; GAMBETTA 1992: S. 363; HESS 1970: S. 2

[9] vgl. CORRENTI 1987: S. 32; GAMBETTA 1992: S. 363f

[10] vgl. GAMBETTA 1992: S. 363f; MESSINA 1990: S. 29; RENDA 1998: S. 45

[11] vgl. GAMBETTA 1992: S. 364; MESSINA 1990: S. 20

[12] vgl. GAMBETTA 1992: S. 363f; MESSINA 1990: S. 29

[13] vgl. HESS 1970: S. 1

[14] Sizilianisch: Die Mafiosi der Vicaria; vgl. MESSINA 1990: S. 18f

[15] vgl. RAITH 1986: S. 54

[16] GAMBETTA 1994: S. 9

[17] Italienisch: Ehrenwerte Gesellschaft; präziser wäre jedoch die Übersetzung „Geehrte Gesellschaft“

[18] vgl. DEHM 2001

[19] vgl. RAITH 1986: S. 54

[20] HESS 1990: S. 113

[21] Italienisch: Kasse

[22] vgl. BESTLER 2001c

[23] vgl. ders.

[24] UESSELER 1987: S. 169f

[25] Sizilianisches Dialektwort für Stern

[26] vgl. FLEIG 2001

[27] Pluralform von famiglia

[28] HESS 1988: S. 38f

[29] vgl. BANFIELD 1967: S. 9; 83

[30] vgl. PRINCIPATO, o.J.

[31] QUELLE: UESSELER 1987: S.105

[32] Italienisch: Familienoberhaupt

[33] Italienisch: stellvertretender Führer

[34] Italienisch: Berater

[35] In Anlehnung an das Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt Dr. Ignazio De Francisci in seinem Büro in Agrigent am 11. Oktober 2001.

[36] Italienisch: Zehnergruppenführer

[37] Italienisch: Soldat

[38] Sizilianisch: Jüngelchen

[39] In Anlehnung an das Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt Dr. Ignazio De Francisci in seinem Büro in Agrigent am 11. Oktober 2001.

[40] Italienisch: Männer, vor denen man Respekt hat; gemeint sind die Ehrenmän-ner

[41] vgl. FALCONE & PADOVANI 1992: S. 91ff

[42] vgl. ANONYMUS 1989: S. 111

[43] FALCONE & PADOVANI 1992: S. 91

[44] Italienisch: Racheakt, Blutrache

[45] vgl. PUGLISI 1996

[46] vgl. ders., o.J.

[47] vgl. CAVADI, o.J.

[48] ders., o.J.

[49] Italienisch: Platz; gemeint ist der Dorfplatz oder ein Platz in der Stadt, auf dem sich das öffentliche Leben abspielt

[50] vgl. BESTLER 2001a

[51] vgl. ders.

[52] vgl. GILMORE 1993: S. 45-53

[53] Italienisch: Muttersöhnchen

[54] vgl. GILMORE 1993: S. 56f

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Familienerziehung in der sizilianischen Mafia - Gegebenheiten und pädagogische Gegenwirkung
Hochschule
Universität Regensburg  (Pädagogik)
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
119
Katalognummer
V22599
ISBN (eBook)
9783638258883
ISBN (Buch)
9783656066910
Dateigröße
1038 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familienerziehung, Mafia, Gegebenheiten, Gegenwirkung
Arbeit zitieren
Sonja Deml (Autor:in), 2002, Familienerziehung in der sizilianischen Mafia - Gegebenheiten und pädagogische Gegenwirkung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22599

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