[...] Die Andersartigkeit
afrikanischer Parteiensysteme ist bereits bei oberflächlicher Betrachtung offensichtlich: Das
politische Erbe der Kolonialzeit, die bis heute nicht vollständig realisierte Demokratisierung,
die wirtschaftliche Unterentwicklung, die Bedeutung von Klientelismus und „politisierter
Ethnizität“ (Bos/Schmidt 1997: 400-401) sowie die daraus resultierende Schwäche der
Parteien seien beispielhaft als Unterscheidungskriterien genannt.
Die bisherige Theorieanbindung der afrikanischen Parteienforschung ist sehr gering und somit
sind auch die Forschungsergebnisse systematischer Vergleiche von afrikanischen
Parteiensystemen mit denen anderer Kulturen äußerst dünn gestreut. Viele Autoren beklagen
dies ebenso wie das Fehlen verlässlicher Daten (Schmidt 1997: 252-253; Erdmann 1999: 375-
376). Erschwerend kommen die hohe Veränderungsdynamik und das Problem der
Datenaufnahme über informelle politische Aktivitäten, die in Afrika durchaus eine Rolle
spielen (Ebd.: 385), hinzu. Außerdem sind die betroffenen Parteiensysteme noch jung, so
dass die Forschung auf einen nur kurzen Zeitraum demokratischer Erfahrungen zurückblicken
kann.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Staaten südlich der Sahara, da
weitgehende Einigkeit über deren kulturelle Unterscheidung von Nordafrika besteht (Schmidt
1994: 230). Trotz dieser geographischen Einschränkung sind immer noch 48 Staaten
betroffen, die sich in ihrer sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung stark
unterscheiden. So könnte wohl jede verallgemeinerte Aussage durch ein Gegenbeispiel
widerlegt werden. Der vorliegende Beitrag möchte jedoch möglichst konzeptuelle Aussagen
machen und erhebt nicht den Anspruch eine detailgenaue Darstellung aller afrikanischen
Parteiensysteme zu sein.
Ich werde nun zunächst das Cleavage-Modell von Lipset und Rokkan vorstellen und seine
Anwendbarkeit auf außereuropäische Parteiensysteme prüfen. Danach folgt ein Überblick über die Entstehung afrikanischer Parteien sowie über ihre Belastung durch die Herrschaft der
Kolonialmächte und der autoritären Regime. Die Betrachtung historischer Entwicklungen ist
für das Verständnis heutiger Parteiensysteme in Afrika unerlässlich, da sie wesentlich durch
das geschichtliche Erbe bestimmt werden. Dem schließt sich der Versuch an, die
parteibildende Bedeutung der klassischen Cleavages in Afrika zu erklären und weitere
Konfliktlinien hinzuzufügen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Cleavage-Modell
- Entwicklung des Modells am westeuropäischen Kontext
- Das Cleavage-Modell als universales Analysekonzept?
- Afrikanische Parteien und Kontextprobleme
- Parteigründungen im Kolonialismus
- Einparteisysteme als Folge des kolonialen Erbes?
- Demokratische Öffnung
- Funktionen von Parteien im post-autokratischen Staat
- Probleme der Parteien
- Cleavages in Afrika
- Zentrum - Peripherie
- Staat - Kirche
- Stadt - Land
- Arbeit - Kapital
- Militär-zivile Politiker
- Ethnizität
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Anwendbarkeit des Cleavage-Modells von Lipset und Rokkan auf afrikanische Parteiensysteme. Sie analysiert, inwieweit das Modell, ursprünglich auf den westeuropäischen Kontext zugeschnitten, auf die spezifischen historischen und sozialen Gegebenheiten Afrikas übertragen werden kann. Der Fokus liegt auf den Herausforderungen und Besonderheiten afrikanischer Parteien angesichts des kolonialen Erbes und der Bedeutung von Ethnizität.
- Anwendbarkeit des Cleavage-Modells auf den afrikanischen Kontext
- Einfluss des Kolonialismus auf afrikanische Parteiensysteme
- Bedeutung von Ethnizität in der afrikanischen Politik
- Herausforderungen der Demokratisierung in Afrika
- Funktionen und Probleme afrikanischer Parteien
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach der Übertragbarkeit des Cleavage-Modells von Lipset und Rokkan auf den afrikanischen Kontext. Sie hebt die Besonderheiten afrikanischer Parteiensysteme hervor, wie das koloniale Erbe, die Demokratisierungsprozesse und die Rolle von Ethnizität und Klientelismus. Die Einleitung betont die begrenzte bisherige Forschung und die Schwierigkeiten bei der Datenbeschaffung in diesem Kontext. Die Arbeit konzentriert sich auf die Staaten südlich der Sahara und räumt ein, dass verallgemeinernde Aussagen aufgrund der Heterogenität der afrikanischen Staaten mit Vorsicht zu genießen sind. Die Struktur der Arbeit wird kurz skizziert.
Das Cleavage-Modell: Dieses Kapitel präsentiert das Cleavage-Modell von Lipset und Rokkan. Es beschreibt die Entwicklung des Modells im westeuropäischen Kontext, ausgehend von der Systemtheorie Parsons. Die vier zentralen Konflikte – Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land und Arbeit-Kapital – werden im Detail erläutert, inklusive ihrer Entstehung im Kontext der nationalen und industriellen Revolution. Das Kapitel diskutiert den Einfluss soziokultureller Konflikte auf die Bildung von Parteien und die vier Schwellen, die ein soziokultureller Konflikt überwinden muss, um zu einem Cleavage zu werden. Die Rolle von Eliten bei der Institutionalisierung gesellschaftlicher Konflikte wird ebenfalls thematisiert.1
Afrikanische Parteien und Kontextprobleme: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Entstehung afrikanischer Parteien und die Herausforderungen, die sich aus dem kolonialen Erbe und autoritären Regimen ergeben. Es wird untersucht, wie die Parteigründungen im Kontext des Kolonialismus stattfanden und wie Einparteisysteme als Folge des kolonialen Erbes entstanden sind. Die Kapitel analysieren die Demokratisierungsprozesse in Afrika und die Funktionen von Parteien im post-autokratischen Staat. Schließlich werden die spezifischen Probleme afrikanischer Parteien behandelt, die sich aus den genannten Faktoren ergeben.
Cleavages in Afrika: Dieses Kapitel untersucht die Relevanz der klassischen Cleavages (Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land, Arbeit-Kapital) im afrikanischen Kontext. Es analysiert, inwieweit diese Konfliktlinien in afrikanischen Parteiensystemen wirksam sind und welche zusätzlichen Konfliktlinien, insbesondere die Rolle der Ethnizität, berücksichtigt werden müssen, um ein umfassenderes Bild der afrikanischen Parteiensysteme zu erhalten. Für jeden Cleavage wird eine detaillierte Analyse seiner Bedeutung für die afrikanische Parteipolitik geboten.
Schlüsselwörter
Cleavage-Modell, Lipset und Rokkan, afrikanische Parteiensysteme, Kolonialismus, Ethnizität, Demokratisierung, post-autokratischer Staat, Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land, Arbeit-Kapital, Parteiensystematik.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Anwendbarkeit des Cleavage-Modells auf afrikanische Parteiensysteme"
Was ist der Gegenstand der Untersuchung?
Die Arbeit untersucht die Anwendbarkeit des Cleavage-Modells von Lipset und Rokkan auf afrikanische Parteiensysteme. Sie analysiert, inwieweit dieses Modell, ursprünglich für den westeuropäischen Kontext entwickelt, auf die spezifischen historischen und sozialen Gegebenheiten Afrikas übertragen werden kann. Besonderer Fokus liegt auf den Herausforderungen und Besonderheiten afrikanischer Parteien im Kontext des kolonialen Erbes und der Bedeutung von Ethnizität.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Anwendbarkeit des Cleavage-Modells auf Afrika, den Einfluss des Kolonialismus auf afrikanische Parteiensysteme, die Bedeutung von Ethnizität in der afrikanischen Politik, die Herausforderungen der Demokratisierung in Afrika sowie die Funktionen und Probleme afrikanischer Parteien. Es werden die klassischen Cleavages (Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land, Arbeit-Kapital) im afrikanischen Kontext untersucht und zusätzliche Konfliktlinien, insbesondere die Rolle der Ethnizität, analysiert.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zum Cleavage-Modell (inkl. dessen Entwicklung im westeuropäischen Kontext), ein Kapitel zu afrikanischen Parteien und Kontextproblemen (inkl. Kolonialismus und Demokratisierung), ein Kapitel zu Cleavages in Afrika und ein Fazit/Ausblick. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und die Besonderheiten afrikanischer Parteiensysteme vor. Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Analyse der jeweiligen Themen.
Was ist das Cleavage-Modell von Lipset und Rokkan?
Das Cleavage-Modell beschreibt zentrale gesellschaftliche Konfliktlinien (Cleavages), die die Entstehung von Parteien beeinflussen. Im westeuropäischen Kontext werden vier Hauptkonflikte betrachtet: Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land und Arbeit-Kapital. Das Modell erklärt, wie diese Konflikte durch historische Prozesse (nationale und industrielle Revolution) entstanden und zu politischen Parteien führten.
Wie wird das Cleavage-Modell auf den afrikanischen Kontext angewendet?
Die Arbeit untersucht, inwieweit die im westeuropäischen Kontext identifizierten Cleavages auch in Afrika relevant sind. Sie analysiert, ob und wie diese Konfliktlinien in afrikanischen Parteiensystemen wirksam sind und welche zusätzlichen Konfliktlinien (z.B. Ethnizität) berücksichtigt werden müssen. Die Arbeit berücksichtigt dabei die spezifischen Herausforderungen und Besonderheiten des afrikanischen Kontextes, insbesondere das koloniale Erbe und die post-autokratischen Entwicklungen.
Welche Rolle spielt der Kolonialismus?
Der Kolonialismus spielt eine zentrale Rolle in der Analyse. Die Arbeit untersucht, wie die Parteigründungen im Kontext des Kolonialismus stattfanden, wie Einparteisysteme als Folge des kolonialen Erbes entstanden sind und wie sich das koloniale Erbe auf die Demokratisierungsprozesse und die Funktionen von Parteien im post-autokratischen Staat auswirkt.
Welche Bedeutung hat Ethnizität?
Ethnizität wird als eine besonders wichtige Konfliktlinie in afrikanischen Parteiensystemen betrachtet. Die Arbeit analysiert detailliert die Rolle der Ethnizität in der afrikanischen Politik und ihren Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung von Parteien.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu Schlussfolgerungen bezüglich der Übertragbarkeit des Cleavage-Modells auf den afrikanischen Kontext, der Bedeutung des Kolonialerbes und der Rolle von Ethnizität für das Verständnis afrikanischer Parteiensysteme. Das Fazit/der Ausblick bietet einen Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Cleavage-Modell, Lipset und Rokkan, afrikanische Parteiensysteme, Kolonialismus, Ethnizität, Demokratisierung, post-autokratischer Staat, Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land, Arbeit-Kapital, Parteiensystematik.
- Arbeit zitieren
- Magistra Artium Eva Christensen (Autor:in), 2002, Anwendbarkeit des Cleavage-Modells vom Lipset und Rokkan auf Afrika angesichts historischer Belastungen und Ethnizität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22643