13 Jahre nach der Beendigung des „Kalten Krieges“ wird nach wie vor von einem Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus gesprochen. Eine wirkliche Alternative zu dem aus diesem „Wettstreit der Systeme“ als siegreich hervorgegangenen westlichen Demokratiemodell wird heutzutage in der Öffentlichkeit weder diskutiert noch herbeigesehnt. Was ist mit den sogenannten „Dritten Wegen“ passiert, die einst als Möglichkeiten zwischen den beiden erwähnten Systemen in Betracht gezogen wurden? Konzepte mit der Bezeichnung eines „Dritten Weges“ hatten nach Aussage ihrer Initiatoren zum Ziel, die Wirtschaft und Gesellschaft innerhalb des „real existierenden Sozialismus“ beziehungsweise des Kapitalismus zu reformieren. Es sollte ein bisher nie da gewesener Sozialismus entstehen, der einerseits die wirtschaftliche Dynamik und die bürgerlichen Freiheiten des kapitalistischen Systems beinhalten und auf der anderen Seite für die soziale Gerechtigkeit und Gleichheit sorgen sollte, die der Sozialismus verspricht. Obwohl die Reformer um Dubcek mit dem „Prager Frühling“, die italienischen Kommunisten um Berlinguer mit ihrem „Historischen Kompromiss“ und Gorbatschow mit seiner Perestroika gescheitert sind, stellt sich doch die Frage, ob es wirklich zu einer Niederlage des Sozialismus hätte kommen müssen, wenn es gelungen wäre, diese „Dritten Wege“ zu verwirklichen und warum diese „Dritten Wege“ zwischen Sozialismus und Kapitalismus nur ansatzweise beschritten wurden.
Diejenigen, die aufgrund des Scheiterns des Staatssozialismus die Ideen zur Reform des sozialistischen Systems nicht scharf vom „real existierenden Sozialismus“ trennen, verwerfen von vornherein die Möglichkeit einer humanen Alternative zur momentanen „Ellenbogengesellschaft“. Sie sehen ebenso wie die Vertreter der „orthodoxen“ marxistisch-leninistischen Linie den Sozialismus als unveränderbares System an.
Die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit beschäftigt sich damit, ob es sich bei den drei „sozialistischen Reformbewegungen“ wirklich um solche mit einer neuartigen sozialistischen und nicht vielmehr einer sozialdemokratischen oder einer „orthodox-kommunistischen“ Zielsetzung handelte und ob man sie in diesem Sinne überhaupt als „Dritte Wege“ zu einem „Demokratischen Sozialismus“ bezeichnen kann und falls ja, welches der drei Beispiele die besten Voraussetzungen hatte, um in der Praxis bestehen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Angaben zur Quellen- und Literatursituation
- Darstellung der „Dritten Wege“
- Der Versuch der Reformierung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in der ČSSR. Der „Prager Frühling“
- Der „Prager Frühling“ und seine historischen Voraussetzungen
- Der Machtwechsel in der Staats- und Parteiführung. Beginn des Reformversuchs
- Das Aktionsprogramm der KPČ
- Der Reformdruck von „unten“ und die Zuspitzung des Konflikts mit den sozialistischen Verbündeten
- Der italienische Weg zum Sozialismus. Der „Historische Kompromiss“
- Die Entstehungsgeschichte des „Historischen Kompromiss“
- Die Strategie des „Historischen Kompromiss“
- Das Bündnis der KPI mit den Christdemokraten
- Die Ursachen des politischen Aufstiegs der KPI in den 70er Jahren und des Scheiterns ihrer Bündniskonzeption
- Die Reformpolitik der italienischen Kommunisten
- Perestroika und Glasnost in der UdSSR
- Die Ursachen der Perestroika
- Die Perestroika begann durch Beschleunigung
- Umgestaltung statt Beschleunigung
- Demokratisierung der Gesellschaft und des politischen Systems
- Von der Misch- zur Marktwirtschaft
- Die Außenpolitik der Perestroika
- Exkurs: Definition des Begriffs Mischsystem
- Der Versuch der Reformierung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in der ČSSR. Der „Prager Frühling“
- Hinderliches und Förderliches auf den Wegen zu einem neuen Sozialismus
- Beeinträchtigungen der Gestaltung eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“
- Vorteilhafte Aspekte für die Umsetzung von Reformen während des „Prager Frühlings“
- Hindernisse auf dem italienischen Weg zum Sozialismus
- Günstige Aspekte für den „Historischen Kompromiss“ der KPI
- Negative Einflüsse auf die Perestroika
- Positive Einflüsse auf den Reformprozess in der Sowjetunion
- Die drei Wege zum Sozialismus im Vergleich
- Gemeinsamkeiten der drei Reformversuche
- Unterschiedliches auf den Wegen zum „Demokratischen Sozialismus“
- Diskussion
- Argumente für und gegen das Prädikat eines „Dritten Weges\" zu einem „Demokratischen Sozialismus“
- Der,,Prager Frühling“
- Der,,Historische Kompromiss“
- Die Perestroika
- Zusammenfassung der Diskussion um „Dritte Wege“
- Bewertung der Erfolgsaussichten
- Systembedingte und nationale Voraussetzungen
- Die Reform des gesellschaftlichen und politischen Systems
- Die Wirtschaftsreformen
- Zusammenfassung der Diskussion der Erfolgsperspektiven
- Argumente für und gegen das Prädikat eines „Dritten Weges\" zu einem „Demokratischen Sozialismus“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit den sogenannten „Dritten Wegen“ im Sozialismus und in sozialistischen Parteien im 20. Jahrhundert. Das Ziel der Arbeit ist es, die Reformversuche im „real existierenden Sozialismus“ und im Kapitalismus, die sich als alternative Modelle zum bestehenden System verstanden, zu analysieren und zu bewerten. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf drei konkrete Beispiele: den „Prager Frühling“ in der ČSSR, den „Historischen Kompromiss“ der italienischen Kommunisten und die Perestroika in der UdSSR.
- Die historischen Voraussetzungen und Ursachen der Reformversuche
- Die Inhalte und Ziele der Reformkonzepte
- Die Hindernisse und Herausforderungen, denen die Reformer gegenüberstanden
- Die Folgen der Reformversuche für die Entwicklung des Sozialismus
- Die Bewertung der Erfolgsaussichten der „Dritten Wege“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz der Thematik im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten dar. Kapitel 2 bietet einen Überblick über die Quellen- und Literatursituation. Kapitel 3 präsentiert die drei „Dritten Wege“ im Detail: den „Prager Frühling“ (3.1), den „Historischen Kompromiss“ (3.2) und die Perestroika (3.3). Kapitel 4 befasst sich mit den hindernis- und förderlichen Faktoren, die die Reformversuche beeinflusst haben. In Kapitel 5 werden die Argumente für und gegen das Prädikat eines „Dritten Weges“ diskutiert und die Erfolgsaussichten der Reformkonzepte bewertet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen und Themenbereichen des Sozialismus, wie „Dritter Weg“, „Reform“, „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, „Prager Frühling“, „Historischer Kompromiss“, „Perestroika“, „Mischsystem“, „Marktwirtschaft“, „Demokratisierung“ und „Erfolgsaussichten“.
- Quote paper
- Holger Lehmann (Author), 2003, Die Diskussion um "Dritte Wege" im Sozialismus und in sozialistischen Parteien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22708