Irrationalismus in der nationalsozialistischen Erziehungsphilosophie


Diplomarbeit, 2002

76 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Begriff des Irrationalen

2. Irrationalismus und der deutsche Sonderweg – eine Entwicklungslinie

Exkurs: Notizen zur Medizin im Nationalsozialismus

3. Radikaler Irrationalismus: Geheimwissenschaften und ihre pädagogischen Auswirkungen

4. Hitlers Erziehungsvorstellungen und ihre praktischen Folgen
4.1 Das pädagogische Denken Hitlers
4.2 Umsetzung in der NS- Erziehung

5. Propagandist der Erziehung zum Rassewahn: Alfred Rosenberg

6. Die Exponenten der nationalsozialistischen Erziehungsphilosophie: Alfred Baeumler und Ernst Krieck
6.1 Bedingungen des Aufstiegs zweitklassiger Pädagogen
6.2 Das Denken Alfred Baeumlers
6.3 Ernst Krieck

7. Baldur von Schirach und die HJ

8. Pars pro toto: Hans Schemm

9. Mythos, Irrationalismus und Heldentum im Nationalsozialismus und seiner Pädagogik: eine Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Irrationalismus und Esoterik boomen seit Anfang des 20ten Jahrhunderts, als Helena P. Blavatsky die Geheimwissenschaften für ein breites Publikum zugänglich machte, nahezu unverändert in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen. Selbst die nicht im esoterischen Sumpf feststecken, verhalten sich zumeist unkritisch zu Grenzwissenschaften und Übersinnlichem; Wissenschaftlichkeit bleibt dabei selbstverständlich auf der Strecke. Unterschiedliche Formen der Wissenschaftskritik haben zwar zweifellos etwas notwendig Fortschrittliches an sich (namentlich die der Antipositivisten), nicht aber die aus dem spirituellen Lager, denn wenn die Wissenschaft generell abgelehnt oder als zweitrangig angesehen wird – und mit ihr folgerichtig die Vernunft – ist der Rückfall hinter die allemal kritisch zu betrachtenden, aber tendenziell doch humanen Errungenschaften der Aufklärung vorprogrammiert.

Viele niveauvolle und wissenschaftlich ernst zu nehmende Denker und Schulen befassten sich mit einer Kritik der Vernunft. Die gesamte deutsche Romantik beispielsweise war antibonarpartistisch geprägt und damit vernunftfeindlich und reaktionär. Der populärste Irrationalismus kommt von auf höherem Niveau schreibenden Philosophen wie Arthur Schopenhauer oder Friedrich Nietzsche, deren Antiintellektualismus und Willenspriorität mehrere Generationen prägte. Später dann focht Oswald Spengler, noch etwas später Martin Heidegger gegen den Antagonisten irrationalistischen Idealismus: die materialistische Philosophie, die von einem progressiven Standpunkt aus als Vorläufer der bisher nur als Utopie denkbaren Emanzipation des Individuums von sozioökonomischen Zwängen angesehen werden kann, bzw. mit ihr gleichzusetzen ist. Die philosophischen und soziologischen Entwürfe der radikalidealistischen Denker sind in akademischen Kreisen bekannt, ihr akademischer Anspruch verhinderte zumeist allerdings eine breite Massenwirkung, für deren Etablierung zweitklassige Irrationalisten zuständig waren: Geisterseher und Mystiker, Spiritisten und Wunderheiler, Theosophen und Satanisten sorgten für einen Abbau kritischen Denkens in der Bevölkerung, die sich dann um so leichter in den jeweils vorherrschenden ökonomischen Apparat (heute in den Markt, früher in tradierte Standes- Hierarchien) integrieren lässt. Diese Wirkung der Geheimwissenschaften kann allerdings nicht immer als Absicht unterstellt werden, oftmals zählt zumindest für die Akteure schneller und ganz besonders leicht erarbeitbarer Profit mit dem okkultem Spuk oder der Reiz des Dümmlichen.

Im Laufe der kritischen Vertiefung des Themas Vernunftkritik und Reaktion treten zwangsläufig ideologisch- strukturelle Affinitäten von Nationalsozialismus und Geheimwissenschaften – nicht nur im Bereich der Erziehungsvorstellungen – , die in einem der folgenden Kapitel näher erläutert werden, immer deutlicher zu Tage. Da zudem schon seit einigen Jahren eine esoterische Welle nahezu sämtliche Lebensbereiche der Menschen in den so genannten Wohlstandsländern erreicht, die sich unter anderem bemerkbar macht in der großen Wertschätzung fernöstlich- mystischer Medizin, dem Glauben an ein Schicksal, der breiten Akzeptanz von alternativer Medizin, wie z.B. der Homöopathie, der Ablehnung rationaler Diskurse in den Medien, der Biologisierung sozialer Vorgänge usw., ist es gewinnbringend, zu untersuchen, wie dieses Denken sich – speziell in Deutschland – entwickelt hat. Besonders die Überschneidungen esoterischen Denkens und rassistisch- antisemitischer Ideologie (man betrachte nur einmal Phänomene wie esoterischen Hitlerismus[1], rechte Ökologie[2] und die im Folgenden auch kurz erwähnte Karmalehre, die antisemitisch wird an dem Punkt, wenn es heißt, die Juden hätten in Auschwitz eine Schuld aus früheren Leben abtragen müssen) legten es nahe, den Nationalsozialismus in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken, da von 1933 bis 1945 Irrationalismus, Mythologie und Wissenschaftsfeindlichkeit zur Staatsdoktrin erhoben wurden.

Bezug zur und Schwerpunkt auf die Pädagogik werden hier hergestellt, weil die Pädagogik – in aufgeklärter Tradition – als eine den Menschen wesentlich prägende Institution anzusehen ist: Erziehung ist ein die Jugend entscheidend tangierender Lebensbereich und Machtmissbrauch setzt oft zuerst an der Erziehung an. So erkannte auch Hitler, dass die Zukunft hat, wer die Jugend hinter sich versammeln kann. (Dies ist eine Phrase für deren Erfinder oft Hitler gehalten wird, die aber auf Napoleon zurückgeht.) Zudem könnte, bzw. etwas skeptischer: sollte Pädagogik durch Aufklärung und Abbau von überflüssiger, im Idealfall aller Autorität dazu beitragen, das Leid, das die Deutschen über die Welt gebracht haben, unwiederholbar zu machen. Allerdings verfällt ein Teil der heutigen Erziehungswissenschaft wieder in schon überwunden geglaubte Methoden, wie das Beispiel des Festhaltens des Kindes gegen seinen Widerstand nach Jirina Prekop[3] zeigt.

Antiintellektualismus als irrationales Moment ist in der Erziehung kein neues Phänomen, und es stellt sich die Frage, wie dieser sich auf historische Vorgänge ausgewirkt hat. So kann auch vermutet werden, dass die Minimalisierung der Bildungsinhalte an den heutigen Schulen, auch Hochschulen, mitverantwortlich ist für die Offenheit Erwachsener, wenn es um Erscheinungen wie Astrologie, Akupunktur, Bewunderung des tibetischen Buddhismus, indianischer Spiritualität etc. geht[4]. Die Vernunft wird systematisch abgebaut, um den Menschen für den Warenmarkt unkritisch und somit gefügig zu machen. Diesen aktuellen Themenkomplex zu bearbeiten überschreitet allerdings den Aufgabenbereich dieser Arbeit.

Nachdem im ersten Kapitel skizzenhaft aufzeigt wird, was unter Irrationalismus zu verstehen ist, wie Irrationalismus sich philosophiegeschichtlich entwickelt hat, werden darauf folgend kurz die Ursachen dafür, dass der Holocaust in Deutschland widerstandslos durchgeführt werden konnte, aufzuzeigen versucht. Dabei wird die These vertreten, dass Deutschland eine Entwicklung durchgemacht hat, die nahezu notwendig in einer Katastrophe enden musste, wobei damit nicht behauptet werden soll, dass ihre Form historisch determiniert war. Die Deutschen, die am exzessivsten den Wahn verfolgt haben, manche Völker seien minderwertig, traten – einem Gedanken Wolfgang Pohrts zufolge[5] – hocheffektiv die Verifizierung dieser These an, als sie sich mehr als nur minderwertig verhielten. Dass die Deutschen ein moralisch verkommenes Kollektiv waren und zu nicht geringen Teilen noch sind, selbst zum Teil die, die sich gegen dieses Kollektiv stellen, soll in diesem Kapitel historisch- methodologisch belegt werden.

Im Anschluss daran wird die Anthroposophie als irrationales Gedankengebäude vorgestellt und ihre Erziehungsmethode kritisiert, wobei schon an dem Punkt ansatzweise verglichen werden soll zwischen anthroposophischer und nationalsozialistischer Erziehung. Die Anthroposophie wird zurecht scharf kritisiert als okkulte Weltanschauung, die aufgrund mangelnder Transparenz in ihrer Theorie und Praxis einen Zulauf erfährt, der sich bei Offenlegung ihrer Weisheiten einstellen würde. Der Abschnitt über die Waldorfpädagogik beinhaltet neben historischen auch einige aktuelle Betrachtungen und weicht somit von der Methode der anderen Abschnitte leicht ab, was sich legitimieren lässt durch die nur sehr geringe ideologische und methodische Veränderung innerhalb von Anthroposophie und Waldorfpädagogik seit ihrer Gründung und wird notwendig dadurch, dass sich Kritik erst innerhalb der letzten Jahre merkbar artikuliert hat, in ihr aber aktuelle Ereignisse unmittelbar mit historischen Geschehnissen verknüpft sind.

Nach diesem Vorlauf, in den pädagogische Fragestellungen schon teilweise mit aufgenommen wurden, wird das pädagogische Denken Hitlers und anderer Vertreter der nationalsozialistischen Erziehungsvorstellung, wie Alfred Rosenberg, Alfred Baeumler, Ernst Krieck, Hans Schemm und Baldur von Schirach im einzelnen vorgestellt. Dabei werden deren Schriften zur Pädagogik zitiert, aber auch ihre praktischen Umsetzungen betrachtet. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, das Denken aller einflussreichen NS- Pädagogen zu untersuchen. So bleiben Nazis wie u.a. Wilhelm Frick, Wolfgang Schultz und Erich Weißer unerwähnt, ohne damit davon ausgehen zu wollen, dass ihr Denken für diese Thematik nicht relevant wäre.

Eine Schlussbetrachtung fasst die Problematik noch einmal kurz zusammen und entwirft einen Gesamtüberblick, der nicht nur an den einzelnen Pädagogen orientiert ist.

Die Aufteilung der Kapitel nach verschiedenen Persönlichkeiten des Nationalsozialismus soll nicht verstanden werden als Personifizierung der nationalsozialistischen Pädagogik. In diesen Menschen verdichten sich lediglich die sozioökonomischen Verhältnisse aus denen sie stammen. Das deutsche Denken, dass Männer Geschichte machen, wird im weiteren Text kritisiert.

Der Irrationalismus der Nationalsozialisten soll hier nicht behandelt werden, indem Fakten zusammengetragen werden, um einer positivistischen Objektivität gerecht zu werden, sondern die einzelnen Pädagogen werden bewertet und auch verurteilt. Denn eine rein empirische Darstellung ohne scharfe Ablehnung der Nationalsozialisten, wie sie in mancher Darstellung der NS- Pädagogen zu finden ist[6], erhöht die Gefahr des empathischen Verstehens und letztlich Gutheißens ihres Denkens.

Die Reformpädagogik, die in manchen Teilen als Vorläufer irrationalen Pädagogikverständnisses angesehen werden kann, wird aus Platzgründen nicht oder nur am Rande behandelt. Exemplarisch für sie soll die Anthroposophie/ Waldorfpädagogik Rudolf Steiners stehen, womit nicht behauptet werden soll, dass alle reformpädagogischen Projekte ein ähnlich problematisches Potenzial haben. Das Gegenteil ist der Fall, denn auch sozialistisch- fortschrittliche Pädagogikentwürfe wie z.B. die Freinetpädagogik lassen sich unter den Begriff der Reformpädagogik subsummieren.

Eine kurze Bemerkung ist noch wichtig zu Georg Lukács’ „Zerstörung der Vernunft“ als bedeutende Grundlage dieser Arbeit: Die meisten Autoren entschuldigen sich regelrecht, wenn sie Lukács zitieren. Eine Bearbeitung von Lukács scheint immer an die Betonung der in der Tat undemokratischen und zentralistischen Politik Stalins, den Lukács als großen Politiker ansah, gebunden zu sein. Selbst Leo Löwenthal nannte die „Zerstörung der Vernunft“ ein „schreckliches Buch“. Die Qualität des Buches wird selten unabhängig von der Parteinahme Lukács’ für die Politik Stalins aber auch seine Person beurteilt. Ich gehe allerdings davon aus, dass Vorzüge der „Zerstörung der Vernunft“ als in seinen Fundamenten nicht von seinem Stalinismus – ein Wort, das durch Instrumentalisierung (besonders durch die Totalitarismustheorie) kaum mehr seinem ursprünglichen Gehalt gerecht wird – negativ beeinflusst betrachtet werden kann. Auch stimmt es zwar, dass Lukács sich in „Zerstörung der Vernunft“ gegen seine früheren Werke wendet, aber es ist nicht einzusehen, wie sich dies auf die Gültigkeit der Urteile in diesem Buch negativ auswirken soll. Unangenehm an diesem Werk ist allerdings der oftmals dumpfe Antiamerikanismus Lukács’, der sich symptomatisch darin äußert, dass er das Wort Demokratie in Anführungszeichen setzt, wenn er über das amerikanische System schreibt. Dieser Antiamerikanismus kann aber bei aller Kritik aber nicht mit einem völkisch- reaktionären Ressentiment verglichen werden.

1. Der Begriff des Irrationalen

Zum Irrationalismus als philosophischem Phänomen lassen sich in der Literatur, wie auch zu jedem anderen inhaltlich stark aufgeladenen Begriff, selbstverständlich verschiedene Definitionen finden. Die jeweilige Bestimmung hängt u.a. ab von der politischen Position des Autors. Linke, sich als progressive Kräfte verstehende Autoren, die von einer materialistischen Weltanschauung ausgehen, sehen den Irrationalismus als eine Erscheinungsform der politischen Reaktion, als eine Denkrichtung, die durch das Ignorieren einer objektiven Realität und einer Vernunft in geschichtlichen Abläufen die historische Entwicklung hin zur klassenlosen Gesellschaft leugnet und zu verhindern versucht. Irrationalismus wird demnach in Verbindung gebracht mit bürgerlicher Philosophie und unmarxistischen Erkenntnisformen. So wird er z.B. in einem philosophischen Lexikon aus der DDR zurecht bezeichnet als „ein wesentliches Moment der bürgerlichen Philosophie und Ideologie überhaupt seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts (ideologischer Verfall der bürgerlichen Philosophie und Ideologie überhaupt mit der Entstehung und Entfaltung des Marxismus)“[8]. Die Nicht-Anerkennung der objektiven Bewegungsgesetze der Materie, die von Friedrich Engels in der „Dialektik der Natur“ grundlegend dargestellt wurden, wird angesehen als ein Instrument der Bourgeoisie im Klassenkampf. Ganz besonders Georg Lukács arbeitet heraus, dass jeglicher Irrationalismus eine politische Reaktion auf eine historische fortschrittliche Entwicklung bedeutet. Für ihn ist der moderne Irrationalismus erst „in ständigem Kampf mit dem Materialismus und der dialektischen Methode entstanden und wirksam geworden“[9].[7]

Materialistisch arbeitende Autoren gehen zudem oftmals davon aus, dass die Verbreitung irrationalen Denkens in der Bevölkerung gefördert wird von ökonomischen Krisen, bzw. eine direkte Reaktion darauf oder auf die Andeutung solcher Krisen sind – dies ist ein Standpunkt, dem als analytisches Instrumentarium der Begriff des „Primats der Ökonomie“ zugrunde liegt. Die Übergänge zum simplifizierenden Ökonomismus sind dabei aber fließend und eine tiefergehende Erklärung für das offensichtliche Bestehen eines von Linken bisher nicht näher bestimmten konstanten gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisses nach verschiedenen Formen der Mythenbildung kann mit diesem Ansatz nicht geliefert werden.

Der Standpunkt konservativer Autoren zum Irrationalismus ist – leicht generalisiert – , dass nicht alles Sein erklärbar ist und Nicht- Erklärbares nicht unbedingt als irrational zu gelten hat. Die Idee eines Gottes wird z.B. in einem Lexikon des katholischen Herder- Verlages nicht als irrational, sondern überrational bezeichnet. Dafür begreift man hier den marxistischen Materialismus als „ontologischen Irrationalismus“[10].

Einig scheint man sich darin zu sein, dass das zentrale Element des Irrationalismus in der Erkenntnismethode zu sehen ist. Der Irrationalismus versucht neben der Wissenschaft (bzw. oft auch gegen sie) Erkenntnis durch Intuition, Willen, Fühlen und Erleben zu etablieren. Die Vernunft wird zugunsten der Sinnlichkeit geopfert, also wird ein Element der Innerlichkeit in den Vordergrund gestellt, womit der Irrationalismus zu einem Subjektivismus wird und damit zwangsläufig die potenzielle Erkennbarkeit einer objektiven Welt leugnet.

Die zentralen Elemente des Irrationalismus sind nach Georg Lukacs:

„Herabsetzung von Verstand und Vernunft, kritiklose Verherrlichung der Intuition, aristokratische Erkenntnistheorie, Ablehnung des gesellschaftlich- geschichtlichen Fortschritts, Schaffen von Mythen usw. (...)“[11]

Nach Albert Camus entwickelt sich der Irrationalismus aus der „Gegenüberstellung des Menschen, der fragt, und der Welt, die vernunftwidrig schweigt.“[12] Hegel dagegen beurteilt diesen Dialog anders. Er meint, dass die Welt auch vernünftig zurückschaut, wenn man sie vernünftig anschaut.

Philosophische Irrationalisten müssen sich – wenn sie fundiert argumentieren wollen – mit dem großen Vernunftentwurf Georg Wilhelm Friedrich Hegels auseinandersetzen. Für ihn ist Wissenschaft keine Irrationalität, sondern das Erfassen der Wirklichkeit durch Bildung von Begriffen. Die dafür notwendige Methode wird von der Vernunft vorgegeben. Die Vernunft beherrscht die Welt, also ist die Welt auch vernünftig. Wenn aber die Welt vernünftig ist, so muss es auch ihre Geschichte sein und der Einzelne wird von keinem Schicksal gesteuert, hat vielmehr die Fähigkeit und Möglichkeit, über das Denken und Handeln die Welt zu verstehen und zu gestalten.

Karl Marx und Friedrich Engels haben diese Idee aufgenommen und die Erkennbarkeit der Welt an die menschliche Tätigkeit gebunden. Dadurch, dass man ein Ding nutzt, kann man das Wesen des Dinges erkennen: „Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit.“[13] ist eine Grundannahme der marxistischen Philosophie. Beispielsweise erkennt man das Wesen des Holzes, wenn man aus dem Holz einen Tisch baut. Somit kann die Welt vernünftig erkannt und gestaltet werden. Der Mensch bildet sich dann auch seinen Sinn selber; dieser liegt nicht außerhalb seiner selbst. Die Erosion der großen religiösen Sinnentwürfe im 18. u. 19. Jahrhundert war immerhin entscheidend mitverantwortlich für die Etablierung irrationaler Philosophie. Begründer marxistischer Schulen haben nach und nach diese Philosophie verfeinert. Der Arbeitsfetischist Mao Tse- Tung sieht die Grundlage des Erkenntnisprozesses in der Partizipation an Produktionsverhältnissen:

„Die Erkenntnis der Menschen hängt hauptsächlich von ihrer Tätigkeit in der materiellen Produktion ab, in deren Verlauf die Menschen allmählich die Erscheinungen, Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Natur und die Beziehungen zwischen den Menschen und der Natur begreifen; zugleich erkennen sie durch ihre Produktionstätigkeit auch allmählich in unterschiedlichem Maß bestimmte Beziehungen zwischen den Menschen.“[14]

Als die deutschen Hauptvertreter der irrationalen Philosophie, die zwar keine eigene philosophische Schule begründet hat, aber in viele, vor allem pessimistische Philosophien mit einfließt (z.B. in die Existenzphilosophie deutsch- reaktionärer und französisch- progressiver Prägung), können, wie oben schon erwähnt hauptsächlich Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer, Oswald Spengler und Martin Heidegger gelten.

Eng verwandt mit dem Irrationalismus ist der Agnostizismus, der von einer Nichterkennbarkeit der Welt ausgeht. So trennte beispielsweise Immanuel Kant Erscheinung und unerkennbares Wesen eines Seins; Letzteres ist in seiner Terminologie das „Ding an sich“. Hegel hat konsequenterweise den subjektiven Idealismus Kants, der sich in dieser Leugnung der Erkennbarkeit eines „Ding an sich“ zeigt, abgelehnt[15]. Zwar steht Kant in der Tradition der Aufklärung und ist bekannt als Philosoph der Vernunft, jedoch kommt auch er an Grenzen des Rationalen, an denen er sich in einen Irrationalismus zurückzieht:

„Even Kant, giant of the Enlightment, confessedly found it necessary to deny knowledge in order to make room for faith.“[16]

Nach Kant ist das Irrationale jeglicher Bereich der Erkenntnis, der weder durch die menschliche Vernunft, noch durch den menschlichen Verstand hinreichend verstanden erfasst werden kann.

Die erste Systematisierung irrationalen Denkens stammt von Friedrich Wilhelm Josef Schelling, der in seinen frühen Schriften durch die aufkommenden Naturwissenschaften geprägt wurde und einen stärker materialistischen Standpunkt einnahm, sich aber später gegen Hegel und die Aufklärung wandte und sich zu einer idealistischen Theologie bekannte. In seiner Philosophie verbinden sich zwischenzeitlich Mystik und Materialismus, letzterer wird aber im Laufe der Entwicklung von Schellings Denken zugunsten des Mystischen verdrängt. Schelling verfolgt nun einen geschichtsnihilistischen Ansatz; jegliche Vernunft muss sich den Plänen des christlichen Gottes unterordnen. Die jeweils gegebene Staatsordnung sieht er als unaufhebbar an.

Eine irrationale Philosophie ist auch der Nihilismus, das konsequente Verneinen und Nicht- Anerkennen von Werten und sozialen Normen, der sich progressiv – in Form anarchistischer Philosophien (Michail Bakunin, Pjotr Kropotkin, Max Stirner) – äußert, aber auch ein gegenaufklärerisches Denken transportieren kann, wie sich dies z.B. in dem Nihilismus Nietzsches oder auch der Nationalsozialisten zeigt. Irrationalismus und Nihilismus treten häufig gemeinsam auf. Irrationalismus kann aber auch zum Nihilismus hinführen, indem irrationales Denken die Vernunft als Orientierungspunkt menschlichen Denkens nicht mehr anerkennt und das Subjekt so keinen Sinn im Sein mehr erkennt[17].

Friedrich Nietzsche gilt vielen Autoren, auch und besonders Georg Lukács, als Vorläufer des Faschismus. Wenngleich Nietzsche den Irrationalismus der Nationalsozialisten mit beeinflusst hat, obwohl diese ihn rein instrumentalisierend rezipiert haben, und sich vor allem auf die Fälschungen seiner Schwester Elisabeth Förster- Nietzsches beriefen, ist diese These eine unzulässige Verkürzung:

„Nietzsche war der Stammvater der gesamten spätbürgerlichen dekadenten Philosophie. Als solcher hat er auch auf den Faschismus gewirkt. Aber eine vordergründig- flache Annäherung von Nietzsche an die Nazis ist unhistorisch.“[18]

Die Protagonisten der nationalsozialistischen „Konservativen Revolution“ sehen in Nietzsche den Begründer ihrer Kulturkritik, die im eigentlichen eine Zivilisationskritik und eine Überhöhung des Kulturbegriffs gegenüber der Zivilisationsidee war. Alfred Baeumler geht sogar soweit, Nietzsches Begriff des Übermenschen als schicksalhafte Bestimmung der Deutschen anzusehen. Baeumler sieht in Nietzsche und seinem Konzept des Übermenschen den Prototypen des Soldatischen. Nietzsche selber war im Gegensatz dazu sentimental und häufig krank. In seinen Schriften allerdings beschreibt er konträr zu seiner eigenen Person und möglicherweise als Kompensation der eigenen Schwäche die Überlegenheit der „Herren“, denen sich die Sklaven unterzuordnen haben und fordert die Abschaffung moralischer Normen, die nichts anderes seien als eine künstliche, widernatürliche Grenze für die Machtausübung durch die Starken. Über die weithin bekannten Schlagwörter vom „Übermenschen“ und der „blonden Bestie“ hinaus, offenbart sich das Problematische in Nietzsches Denken in einem Teil seiner privaten Briefe. 1871 beispielsweise schreibt er an den Freiherrn von Gersdorff:

„Wir dürfen wieder hoffen! Unsere deutsche Mission ist noch nicht vorbei! Ich bin mutiger als je: denn noch nicht alles ist unter französisch- jüdischer Verflachung und ‚Eleganz’ und unter dem gierigen Treiben der ‚Jetztzeit’ zugrunde gegangen. Es gibt noch Tapferkeit, und zwar deutsche Tapferkeit (...)“[19]

Nietzsches Denken ist zutiefst wissenschaftsfeindlich. Theorie und Empirismus – unter seine Kategorie des Apollonischen gefasst, die dem mystisch- dionysischen ein Widerspruch ist – sind für ihn Anzeichen der Dekadenz des zivilisierten Zeitalters. Er verwirft Hegel, und damit die Vorstellung einer Vernunft in der Geschichte. Der fortschreitenden historischen Entwicklung stellt er die Vorstellung von der Wiederkehr des ewig Gleichen in der Geschichte gegenüber. Triebkraft des menschlichen Handelns und damit der menschlichen Geschichte ist für Nietzsche nicht der Intellekt, sondern der Wille, genauer: der Wille zur Macht, also der Expansionsdrang des Individuums.

Die Betonung des Willens als Handlungsmotiv lässt sich schon bei Artur Schopenhauer finden. Für Schopenhauer sind Wille und Sein identisch. Michael Tanner fasst zusammen: „(…) in knowing what we will, or rather in willing itself, we have a direct line to what we really are.”[20] Für Schopenhauer ist der Irrationalismus fester Bestandteil des Philosophierens, denn selbst in der „vollkommenste(n) Philosophie (ist) stets noch ein unerklärliches Element enthalten“[21]. Das Wesen der Dinge ist für ihn ein unruhiger und unvernünftiger Wille, wobei mit Wille kein bewusstes Wollen gemeint ist, sondern ein mystisches, zielloses Streben.

Auch Hitler betont später die überragende Bedeutung des Willens in seiner Pädagogik. In „Mein Kampf“ schreibt er: „Unsere geistige Führung hat immer Blendendes geleistet, während unsere willensmäßige meist unter aller Kritik blieb.“[22] Diese Kritik ist Ansatzpunkt seiner pädagogischen Ideen.

Nimmt man den Aspekt der Leugnung einer objektiven Realität und der Möglichkeit einer Erkennbarkeit der Welt als Moment des Irrationalismus, so können auch der Positivismus, der auf Auguste Comte zurückgeht, und seine neueren Erscheinungen, wie der logische- oder Neopositivismus z.B. des Wiener Kreises, als irrational bezeichnet werden. Im sogenannten Positivismusstreit, der 1961 durch Referate auf der Tübinger Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ausgelöst wurde, in dem sich hauptsächlich der Kritische Rationalismus und die Kritische Theorie gegenüber standen, wirft Theodor W. Adorno Karl Popper, dem Begründer des Kritischen Rationalismus, vor, „daß die szientifische Askese (Adorno wirft den Positivisten zurecht Theorieverzicht vor,d.A.) dem Dezisionismus der Zwecke, dem Irrationalismus Vorschub leiste, der schon in der Weber’schen Wissenschaftslehre sich abzeichnete“[23].

Irrationale Theorien, nicht nur die Nietzsches, werden oft als Vorläufer des Faschismus angesehen. Diesen Gedanken in seiner Komplexität zu übernehmen hieße jedoch, die Analyse auf oberflächliche Affinitäten zu verkürzen. Zwar hat Nietzsches Denken die Nationalsozialisten beeinflusst, und Irrationalität fördert zumeist rückschrittliche Zustände, aber es ist wichtig, festzuhalten, dass der Irrationalismus ein Instrument zur Stützung jeglicher Ideologie sein kann, selbst sozialistischer, wie auch verschiedene Phasen der sowjetischen Geschichte gezeigt haben. Beispielsweise war der zu manchen Zeiten in der Sowjetunion sehr starke Personenkult zutiefst irrational und nicht der sozialistischen Gleichheitsidee, ohnehin eine Schwachstelle der Sowjetideologie, entsprechend.

Wichtiger Bestandteil irrationalen Denkens ist die pantheistische Versubjektivierung der Natur, was soweit führt, dass einzelne Esoteriker und „Grenzwissenschaftler“ daran glauben, mit Bäumen sprechen zu können. Weil allerdings die Natur selbstverständlich nicht denken kann und sich in ihr keine beseelten Gegenstände finden lassen, der Mensch jedoch als untrennbarer und unbedeutender Bestandteil der Natur angesehen wird, wird bei irrationalen Esoterikern die menschliche Denkfähigkeit als eine nur marginale Fähigkeit angesehen. Die Anthropologie eines Handelns aus Rationalität wird verworfen, woraus folgerichtig resultiert, dass soziale Zustände entweder nicht veränderbar sind oder aber als nicht veränderungswürdig angesehen werden.

2. Irrationalismus und der deutsche Sonderweg – eine Entwicklungslinie

Der Irrationalismus ist zwar kein originär deutsches Phänomen, ist aber in Deutschland in der aggressivsten Form aufgetreten und hat in der Katastrophe geendet: dem Nationalsozialismus als historisch einzigartiger Realisierung und Praktischwerdung irrational-romantischer Ausgrenzungs- und Zerstörungsphantasien. Auch für die Betrachtung der NS- Pädagogik ist der Versuch wichtig, zu erklären, wie die Deutschen, deren Selbstbild ihnen noch heute ein Volk von Denkern vorgaukelt, sich zum Faschismus hin entwickeln konnten:

„Im Faschismus müssen ‚Tugenden’ wachgerufen worden sein, die von der deutschen Geschichte lange vorbereitet, auf pädagogische Entfaltung gewartet hatten (...).“[24]

Der von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertriebene und in die USA emigrierte Sozialpädagoge Hans S. Falck macht darauf aufmerksam, dass die Deutschen sich aus der europäischen Tradition der (pädagogischen) Aufklärung, die einzelne Deutsche mitbegründeten, gelöst haben:

„...don’t overlook the fact, that german education has little to do with Kant. It was violent in the extreme for hundreds of years.”[25]

Der Grund für den Schauplatz Deutschland als Hochburg des Irrationalismus liegt in der Genese des deutschen Staates und Volkes. Deutschland gilt allgemein als verspätete Nation. So schreibt z.B. Georg Lukács, die „Tragödie des deutschen Volkes (bestehe,d.A.) darin, dass es in der modern- bürgerlichen Entwicklung zu spät gekommen ist“[26]. Max Horkheimer sieht dies ähnlich:

„Fragt man sich, warum der Nationalsozialismus so furchtbar war, dann lautet die Antwort: zum großen Teil deshalb, weil er ganz verspätet nachholte, was in anderen Ländern schon viel früher geschehen war, nämlich die Abschaffung der Standesunterschiede.“[27]

Die Nationenbildung in Deutschland ist im Vergleich zu anderen westlichen Ländern sehr spät erfolgt und war kein Produkt emanzipatorischer Kräfte, sondern wurde von gehobenen politischen Ebenen arrangiert, d.h. das Volk konnte sich nicht – wie beispielsweise die Franzosen seit 1789 – als ein Kollektiv von historischen Akteuren, als relevant handelnde Subjekte betrachten. Der deutsche Nationalcharakter[28], sah sich selbst nicht als geschichtlich geworden und abhängig von der historischen Entwicklung, sondern biologisierte soziale Vorgänge und Verschiedenheiten der Menschen, woraus Rassismus und Antisemitismus, zwei zutiefst irrationale Denkformen, entstanden. Antisemitismus gab es zwar auch immer in anderen europäischen Ländern (wie besonders die Dreyfuß- Affäre in Frankreich gezeigt hat), er unterschied sich jedoch wesentlich von dem eliminatorischen in Deutschland:

„In Polen gab es vor dem Krieg (gemeint ist der WKII,d.A.) einen widerlichen Antisemitismus, aber die Juden stellten auch einen nennenswerten Anteil an der Gesamtbevölkerung - der klassische Fall von modernem Tribalismus. Die Nation zerfällt in Religionsgemeinschaften oder ethnische Kollektive, die es in der bürgerlichen Gesellschaft ihrem Begriff nach gar nicht mehr geben dürfte, und der Mensch benimmt sich wie das liebe Vieh, d.h. ein Stamm will den anderen aus seinem Revier vertreiben. In Deutschland war das anders. Da betrug der Anteil der Juden an der Bevölkerung 1 Prozent, die meisten Deutschen dürften keinen Juden persönlich gekannt haben. Nur 10 Prozent der Juden, die von den Deutschen umgebracht worden sind, haben die Deutschen im eigenen Land gefunden, die anderen haben sie in ganz Europa aufsuchen müssen. In Polen also ein Antisemitismus, dessen Praxis nach dem Modell der Wirtshausschlägerei funktioniert, in Deutschland Spürtrupps und Suchkommandos.“[29]

Die Katastrophe war in der deutschen Geschichte angelegt[30]. Angefangen von den Bauernkriegen 1525, die von den Rebellen, angeführt von Thomas Müntzer, verloren wurden, nahm Deutschland eine Position des politischen Zurückbleibens hinter seinen geographischen Nachbarn ein, was sich damals philosophisch in der Vernunftfeindlichkeit Martin Luthers, der von der „heiligen Hure Vernunft“ sprach, ausdrückte. Nach dem 30-jährigen Krieg 1618- 1648 existierten in Deutschland für das Volk unüberschaubar viele verschiedene souveräne Territorien. Das Bürgertum und damit die kapitalistischen Produktionsverhältnisse konnten sich auf diese Weise nicht entfalten, wenn beispielsweise Exporte in entferntere Gegenden durch ständige Zollunterbrechung gehemmt wurden.

Als in Frankreich die Revolution von 1789 als Teil der Aufklärung erfolgreich war, wurden ihre Befürworter in Deutschland als innere Feinde behandelt und die Rückständigkeit Deutschlands wurde von seinen Bewohnern als das „Deutsche Wesen“ idealisiert. Mit der Idee der Französischen Revolution wurde zugleich die Gleichheit der Menschen und die Toleranzidee abgelehnt[31]. Napoleon hat zwar versucht, in Deutschland kapitalistische Strukturen und ein bürgerliches Recht (Code Civil oder Code Napoleon) zu etablieren, also die feudalen Kräfte zurückzudrängen und somit die Französische Revolution auf Deutschland auszudehnen. Die Deutschen aber reagierten darauf überwiegend mit einem starken Franzosenhass, der sich wie ein roter Faden durch die jüngere deutsche Geschichte zieht. Dabei hätte Napoleon den Deutschen genau das gebracht, was sie benötigten, um geschichtlich nicht überrollt zu werden, nämlich die nationale Einheit.

„Es waren die Armeen Napoleons, die einige der Hauptbarrieren, welche einer solchen Ordnung im Wege standen (gemeint ist die bürgerliche Ordnung, d.A.), wegräumten, die Vielzahl der Staaten auf drei Dutzend reduzierten, die feudalherrschaftliche Stellung der Kirche brachen, mit dem Code Napoléon bürgerliche Rechte verankerten und so insgesamt den Weg zur bürgerlich- kapitalistischen Entwicklung öffneten.“[32]

Infolge der Niederschlagung der Revolution von 1848 kam es zu einer weiteren Schwächung der bürgerlichen und fortschrittlichen Kräfte. 1871, als Deutschland territorial zusammengefasst wurde und ein Deutsches Reich sich durch einen gewonnenen Krieg gegen Frankreich formierte, war das Volk wieder nicht aktiv an diesem historischen Einschnitt beteiligt. Die psychologische Folge war ein starker Untertanengeist, ein extremes Obrigkeitsdenken[33] und der irrationale Glaube an ein Schicksal, das ihnen die Nation gebracht habe und das Volk leiten solle. Eine Vernunft in der geschichtlichen Entwicklung wurde bis Hegel nicht in breiteren Kreisen diskutiert und kurz nach ihm schon nicht mehr.

[...]


[1] Besonders die zum Hinduismus konvertierte Französin Savitri Devi und der chilenische Schriftsteller Miguel Serrano behaupteten in ihren Arbeiten die supranatürliche Göttlichkeit Adolf Hitlers. Von diesem Wahn aus ist es nicht mehr weit zur rechten Ufologie, nach der die Deutschen über Flugscheiben Kontakt zu Aliens haben sollen. (Diese These vertrat Jan van Helsing, in seinem Bestseller „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert“.) Sind die Hemmungen für okkulten Spuk erst einmal gefallen, wird alles möglich, es kursiert sogar die Vorstellung, die Erde wäre hohl und führende Nationalsozialisten würden unter der Antarktis gemeinsam mit Außerirdischen für einen Endkampf gegen alles „Undeutsche“ aufrüsten (vgl. Sünner, Rüdiger, Schwarze Sonne, Entfesselung und Missbrauch der Mythen im Nationalsozialismus und rechter Esoterik, Freiburg 1999, S. 164ff. Sünners Buch ist sehr materialreich, über weite Strecken aber wenig distanziert, so dass der Eindruck entsteht, Sünner selbst liebäugle mit irgendeiner esoterischen Ideologie).

[2] Eine sehr umfangreiche Materialsammlung zu diesem Phänomen hat Oliver Geden vorgelegt: Rechte Ökologie. Zwischen Emanzipation und Umweltschutz, Berlin 1996

[3] Vgl. Kierspe- Goldner, Claudia, „Und bist du nicht willig...“. Wiederkehr der „Schwarzen Pädagogik“ in: Goldner, Colin (Hrsg.), Der Wille zum Schicksal. Die Heilslehre des Bert Hellinger, Wien 2003

[4] Bemerkenswert ist, dass auch an den Universitäten Esoterik an Einfluss gewinnt (vgl. Horst, Christoph, Waldorf/ Schule. Nicht nur Kirchen versuchen Einfluss auf das staatliche Bildungswesen zu bekommen in: MIZ 1/02). Nicht nur gibt es immer mehr Vorlesungen und Seminare zu anthroposophischen Deutungen verschiedener Disziplinen. Dazu kommen noch besonders im Bereich der Sozialpädagogik Vorschläge und Anregungen, in der Arbeit mit Kindern meditative Entspannungstechniken durchzuführen und sogenannte Mandalas zu malen, um nur ein Beispiel zu nennen.

[5] Vgl. Pohrt, Wolfgang in: Gröndahl, Boris/ Schneider, Wolfgang (Hg.), Was tun? Über Bedingungen und Möglichkeiten linker Politik und Gesellschaftskritik, Hamburg 1994, S. 21

[6] Besonders in Giesecke, Hermann, Hitlers Pädagogen. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Erziehung, Weinheim 1993

[7] Ziel ist es hier nicht, den Irrationalismus in der Philosophiegeschichte auch nur annähernd umfassend darzustellen. Dieses Kapitel dient lediglich der Hinführung zu einem verwandten Thema und muss daher notwendigerweise stark fragmentarisch bleiben.

[8] Klaus, Georg/ Buhr, Manfred (Hrsg.), Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1969, S. 540 (Kursivsetzung im Original.)

[9] Lukács, Georg, Die Zerstörung der Vernunft, Berlin 1954, S. 8

[10] Brugger, Walter, Philosophisches Wörterbuch, Freiburg/ Basel/ Wien 1976, S.189

[11] Lukács, a.a.O., S. 10

[12] Camus, zit. nach Piecha, Detlev, Irrationalismus/ Nihilismus zum ideologischen Kontext nationalsozialistischer Pädagogik. Das Fundament: „Incipit Zarathustra“, Studienbrief der Fernuniversität Hagen, Hagen 1981, S.92

[13] Versch. Grundlagen des Marxismus- Leninismus. Lehrbuch, Berlin 1960

[14] Tse- Tung, Mao, Über Praxis und Widerspruch, Berlin 1968, S. 7f.

[15] vgl. Lukács, a.a.O., S.435

[16] Honderich, Ted (editor),The Oxford companion to philosophy, New York 1995, S.418

[17] vgl. Weier, Winfried, Nihilismus. Geschichte, System, Kritik, Paderborn 1980, S. 109

[18] Steigerwald, Robert, Sind wir Sklaven der Natur? Die Inanspruchnahme der Biologie durch den Konservatismus, Düsseldorf 1988, S. 55

[19] Nietzsche, zit. nach Lukács, a.a.O., S. 257 (Kursivsetzung bei Lukács)

[20] Tanner, Michael, Schopenhauer, London 1998, S.11

[21] Schopenhauer, zit. nach Gründer, Karlfried/ Ritter, Joachim, Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd.4, Darmstadt 1976, S.583

[22] Hitler, zit. nach Gamm, Hans Jochen, Führung und Verführung. Pädagogik des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M./ New York 1984, S.50

[23] Adorno, Theodor W. u.a., Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Darmstadt und Neuwied, 3. Auflage 1974, S.36

[24] Gamm, a.a.O., S.13

[25] Falck, zit. nach Schumann, Michael: Plädoyer für eine Sozialarbeitswissenschaft in: Wieler, Joachim/ Zeller, Susanne (Hrsg.), Emigrierte Sozialarbeit. Portraits verschiedener SozialarbeiterInnen, Freiburg i. Br. 1995

[26] Lukacs, a.a.O., S. 31

[27] Horkheimer, Max, Gesellschaft im Übergang. Aufsätze, Reden und Vorträge 1942- 1970, Frankfurt/ Main 1972, S. 130

[28] Von einem Nationalcharakter zu sprechen legitimiert sich durch die Betrachtung seiner Geschichtlichkeit. Reinhard Kühnl sieht ihn als Produkt der „je spezifischen Naturbedingungen, ökonomischen und kulturellen Beziehungen und geschichtlichen Erfahrungen“, die „unterschiedliche Mentalitäten und Lebensweisen in den verschiedenen Nationalstaaten“ (Kühnl, Reinhard, Deutschland seit der Französischen Revolution. Untersuchungen zum deutschen Sonderweg, Heilbronn 1996, S.10) hervorbringen.

[29] Pohrt, Wolfgang, Das Jahr danach. Ein Bericht über die Vorkriegszeit, Berlin 1992, S. 314

[30] vgl auch Marcuse, Herbert, Feindanalysen. Über die Deutschen, Lüneburg 1998, S.36: „In zahlreichen Untersuchungen ist der Versuch gemacht worden, die Wurzeln des Nationalsozialismus in der deutschen Philosophie und Literatur seit Luther, Herder oder Nietzsche zu entdecken. Begreift man den ‚Nationalsozialismus’ in seiner ganzen Tragweite und Bedeutung, können solche Untersuchungen eigentlich nur zeigen, daß die Wurzeln des Nationalsozialismus sich überall in der deutschen Geschichte seit der Reformation finden lassen.“

[31] Hitler hat später zur Ablehnung dieser Gleichheit der Menschen diese mit dem jüdischen Denken gleichgesetzt. (vgl. Gamm, a.a.O., S. 60)

[32] Kühnl (1996), S.16

[33] Der Psychologe Kurt Lewin schreibt 1943: „Daß deutsche Bürger es nie verstanden haben, ihre Häupter in geeigneter Weise zu kritisieren, ist häufig beobachtet worden. In der deutschen Kultur wird ‚Loyalität’ in typischer Weise mit ‚Gehorsam’ identifiziert.“ (Lewin, Kurt, Die Lösung sozialer Konflikte, Frankfurt/Main, 4. Auflage 1975, S.85). Lewin sieht in dieser Eigenschaft ein antidemokratisches Potenzial, das Hitler zu seinen Zwecken ausnutzen konnte. Dieser Untertanengeist war allerdings kein so entscheidendes Merkmal der Deutschen, die sich am NS- Völkermord an den Juden beteiligten, wie viele von ihnen auf der Anklagebank angaben. Vielmehr handelten die Deutschen überwiegend freiwillig, quälten die Juden teilweise auch gegen übergeordnete Befehle und auch, als klar war, dass sie den Krieg verlieren werden, trotz der Aussicht auf Bestrafung (vgl. Goldhagen, Daniel Jonah, Hitlers willige Vollstrecker. Ganz normale Deutsche und der Holocaust, Berlin 1998, S.439ff.).

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Irrationalismus in der nationalsozialistischen Erziehungsphilosophie
Hochschule
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
Note
1,3
Jahr
2002
Seiten
76
Katalognummer
V22851
ISBN (eBook)
9783638260961
Dateigröße
752 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Irrationalismus, Erziehungsphilosophie
Arbeit zitieren
Anonym, 2002, Irrationalismus in der nationalsozialistischen Erziehungsphilosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22851

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