Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten in der Eurozone

Die Rolle von TARGET2-Salden


Bachelorarbeit, 2011

58 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Zahlungsbilanz
2.1 Leistungs-, Kapital- und Devisenbilanz
2.1.1 Leistungsbilanz
2.1.2 Kapitalbilanz im engeren Sinne
2.1.3 Devisenbilanz
2.2 Überschüsse und Defizit
2.3 Die intertemporale Zahlungsbilanztheorie
2.3.1 Das Modell der intertemporalen Zahlungsbilanztheorie
2.3.2 Schocks im Modell der intertemporalen Zahlungsbilanz

3. Das TARGET2-System
3.1 Aufbau und Funktion des TARGET2-Systems
3.2 Zusammenhang von Zahlungsbilanz und Geldschöpfung
3.3 Die Systematik von Target2-Salden

4. TARGET2-Salden im Kontext des Zusammenbruchs des Interbankenmarktes
4.1 Verlagerung der Kreditschöpfung
4.2 Asymmetrisches Liquiditätsmanagement
4.2.1 Marktbasierender Liquiditätsentzug
4.2.2 Nicht-marktbasierender Liquiditätsentzug

4.3 Liquiditätsabzug als Konstruktionsfehler des Euros

5. Die Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten durch das TARGET2-System
5.1 Auswirkungen der Kreditverdrängung durch Refinanzierungskredite
5.2 Harte Budgetbeschränkung und Kreditersatzpolitik
5.3 Die Bedienung von Auslandsschulden mittels TARGET2-Salden
5.4 Die realwirtschaftlichen Folgen einer fortgesetzten Kreditersatzpolitik
5.5 Lösungsansätze zur TARGET2-Problematik

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Veranschaulichung des intertemporalen Optimierungskalkül

Abbildung 2 Veranschaulichung des intertemporalem Optimierungskalkül mit Investitionen

Abbildung 3 Anpassung des Optimierungskalküls bei exogener, positiver Einkommenserhöhung in Periode 0

Abbildung 4 Anpassung des Optimierungskalküls bei exogener, positiver Einkommenserhöhung in Periode 1

Abbildung 5 Zinssenkung im intertemporalen Zahlungsbilanzmodell

Abbildung 6 Entwicklung der TARGET2-Salden im Euroraum seit 2007 (in Mrd. Euro)

Abbildung 7 Liquiditätsabfluss und Refinanzierungskreditschöpfung in den EZP

Abbildung 8 Kreditfinanzierte Geldbasis in Deutschland und EZP 2007-2011 (in Mrd. Euro)

Abbildung 9 Kapazitätsauslastung der verarbeitenden Industrie in Deutschland und EWU (in Prozent)

Abbildung 10 Aggregierte Leistungsbilanzdefizite und TARGET2-Verbindlichkeiten der EZP im Vergleich (in Mrd. Euro)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Stilisierte Zahlungsbilanz eines Mitgliedslandes in der Währungsunion

Tabelle 2 Konsolidierte Zahlungsbilanz der Währungsunion

Tabelle 3 Bilanz einer nationalen Zentralbank

Tabelle 4 Konsolidierte Bilanz des Eurosystems

Tabelle 5 Stilisierte Bilanzen des Eurozonen-Modells

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Quo vadis Europa – Wohin gehst du Europa? Stellte diese Frage eines deutschen Außenministers am Anfang dieses Jahrhunderts noch eine nach der Zukunft einer politischen Union dar, so könnte sie heute, knapp ein Jahrzehnt später, wohl eher als eine Frage nach einer Zukunft der europäischen Union in ihrer Gesamtheit verstanden werden. Doch wie ist es soweit gekommen? Die Finanzkrise und die darauf folgende Verschuldungskrise der europäischen Staaten haben die makroökonomischen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone schonungslos offengelegt und Portugal, Irland und Griechenland effektiv von den privaten Kapitalmärkten abgeschnitten, sowie Spaniens Kreditkonditionen wesentlich verschlechtert. Gigantische Rettungsschirme wurden über Europa aufgespannt um eine Insolvenz mit einer potentiell verheerenden Kettenreaktion zu verhindern. Durch die vom Internationalen Währungsfond und den Geberländern diktierten Sparprogramme perpetuierte sich die Ablehnung innerhalb der Nehmerländer gegen die EU und vor allem gegen Deutschland. In den Geberländern verstärkt sich der Unmut über den Bruch der europäischen Verträge und ein Unwillen gegenüber weiteren Bail-Outs und Rettungsprogrammen. Doch sind die politisch hoch umstrittenen Rettungsprogramme tatsächlich der einzige Bail-Out oder gibt es, wie von Hans-Werner Sinn konstatiert, einen von der EZB über das TARGET2-System vorangetriebenen Bail-Out, der die offiziellen Rettungsprogramme in Quantität und Qualität in den Schatten stellt? Welche Auswirkung hätte dies auf die in der Eurozone nach wie vor existierenden makroökonomischen Ungleichgewichte?

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit soll die Rolle des TARGET2-Systems bei der Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten, ihre Auswirkungen auf die Geldpolitik in der Eurozone und ihre realwirtschaftlichen Implikationen und Folgen im Rahmen der intertemporalen Zahlungsbilanztheorie genauer untersucht werden. Die Bachelorarbeit ist wie folgt konzipiert: Um eine Beurteilung der TARGET2-Salden zu ermöglichen wird zu Beginn die zugrundeliegende Theorie der Zahlungsbilanz erläutert, um dann die für die Schlussfolgerungen essenzielle intertemporale Zahlungsbilanztheorie zu beleuchten. Anschließend werden die institutionellen Eigenheiten des TARGET2-Systems näher betrachtet um eine Einordnung und die Bedeutung des Systems im innereuropäischen Finanzsystem zu ermöglichen und den Aufbau der TARGET2-Salden systematisch zu erklären. Im Folgenden soll dann die Entstehung der TARGET2-Salden im Kontext der Finanzkrise nachvollzogen und geprüft werden, ob es eine systembedingte Begrenzung der TARGET2-Salden gibt. Im letzten Kapitel wird die Wirkung der Verschiebung der Refinanzierungsgeschäfte auf die wirtschaftliche Entwicklung der Kernländer untersucht, und ob so die Möglichkeit einer Bedienung der Auslandsrechnung der Peripheriestaaten mittels des TARGET2-System möglich ist. Schlussendlich werden eventuelle realwirtschaftliche Folgen für die Eurozone betrachtet und mögliche Lösungsansätze diskutiert.

2. Die Zahlungsbilanz

Bei der Zahlungsbilanz handelt es sich um die systematische Aufzeichnung aller ökonomischen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern in einem bestimmten Zeitraum, welcher normalerweise ein Jahr beträgt (Jarchow, Rühmann 2000). In diesem Sinne handelt es sich bei Inländern um Privatpersonen, Unternehmen und öffentliche Institutionen die ihren festen Wohnsitz oder ihren Unternehmenssitz im Inland haben. Ausgenommen werden Reisende aus dem Ausland, diplomatische Vertreter und angehörige ausländischer Streitkräfte. Ökonomische Transaktionen werden als Übergang von Waren, Dienstleistungen und Faktorleistungen und Vermögenstitel verstanden (Rose, Sauernheimer 2006). Das Bilanzsystem selbst entspricht der doppelten Buchführung und besteht aus zwei Teilbilanzen: der Leistungsbilanz, sowie der Kapitalbilanz im weiteren Sinne, die aus der Kapitalbilanz im engeren Sinne und Devisenbilanz besteht, wobei jeder Buchung in einer der Teilbilanzen, auch eine Gegenbuchung in den anderen gegenübersteht (Woll 2011). Damit lässt sich die Leistungsbilanz (LB) und Kapitalbilanz (KB) in folgender Identität ausdrücken:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Damit geht ein Leistungsbilanzüberschuss immer mit einem Kapitalbilanzdefizit bzw. einem Kapitalexport einher (Homburg 2011). Im Folgenden werden die einzelnen Teilaspekte der Zahlungsbilanz näher erläutert und auf deren Inhalt näher eingegangen.

2.1 Leistungs-, Kapital- und Devisenbilanz

2.1.1 Leistungsbilanz

Die Leistungsbilanz ist der aggregierte Wert aller Einfuhren und Importe von Gütern aus einem Land, wobei diese in vier weitere Kategorien aufgeteilt werden kann. Die erste Kategorie sind die der Export und Import von Waren. Die Buchungen der Güterbewegungen erfolgen gegliedert nach Importen und Exporten in der Handelsbilanz (Jarchow, Rühmann 2000). Anders als bei der betriebswirtschaftlichen Bilanz handelt es sich allerdings um eine Stromgröße und nicht um eine Bestandsgröße zu einem bestimmten Zeitpunkt (Jarchow, Rühmann 2000). Eine Verbuchung innerhalb der Handelsbilanz als Credit- oder Debet-Posten geschieht anhand des Kriteriums, ob der Vorgang einem Zahlungseingang bzw. einem Zahlungsausgang entspricht oder entsprechen könnte (Rose, Sauernheimer 2006). Unerheblich ist dabei ob der Vorgang tatsächlich zahlungswirksam wird, sondern nur ob er zu einem Zahlungsvorgang führen müsste. Somit werden auch unentgeltliche Exporte ins Ausland als Credit-Posten und Importe als Debet-Posten verbucht.

Die zweite Kategorie ist der Dienstleistungsverkehr. Bei diesem handelt es sich um Einnahmen aus Tourismusverkehr, Frachtkosten, Einnahmen aus Patenten und Versicherungszahlungen, sowie Verkäufe an im Inland stationierte ausländische Streitkräfte.

In die dritte Kategorie finden sich Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Hierzu zählen im Ausland erzielte Lohneinkommen von Inländern als auch Gewinn- und Zinseinahmen aus Kapitaleinlagen, also alle Entlohnungen für die dem Ausland zur Verfügung gestellten Leistungen aus Kapital und Arbeit.

Die vierte und letzte Kategorie beinhaltet die Erfassung von unentgeltlichen Leistungen und laufenden Übertragungen. Dies sind Leistungen, welche kein ökonomisches Pedant besitzen (Rose, Sauernheimer 2006) und sind als Transfers oder Schenkung zu verstehen. Hierbei wird zwischen laufenden Übertragung und der Vermögensübertragung unterschieden. Bei der Vermögensübertragung handelt es sich um die Überlassung von Eigentum und Sachvermögen ohne Gegenleistung die einmalig geschieht. Ein ökonomisches Beispiel hierfür ist z.B. ein Schuldenerlass, also die Überlassung einer Forderung an den Schuldner (Rose, Sauernheimer 2006). Die laufende Übertragung hingegen geschieht regelmäßig und wird aus laufendem Einkommen finanziert. Ein Beispiel hierfür bieten die Übertragungen der Bundesrepublik Deutschland an die EU (Jarchow, Rühmann 2000). Diese Unterscheidung erhält Relevanz bei der gewünschten Funktion der Zahlungsbilanz: Soll die Zahlungsbilanz alle Leistungstransaktion erfassen, müssen alle Übertragungen in der Leistungsbilanz vorhanden sein, wodurch zusätzlich die Veränderung der Netto-Auslandsposition ersichtlich wird. Sollen jedoch nur die laufenden Leistungstransaktionen erfasst werden, müssen Vermögensübertragungen gesondert bewerten werden. Durch dieses Vorgehen stimmt der Saldo der Leistungsbilanz mit der Differenz aus Sparen und Investition überein (Rose, Sauernheimer 2006).

2.1.2 Kapitalbilanz im engeren Sinne

Die Kapitalbilanz im engeren Sinne erfasst den Kapitalverkehr, ohne Einbeziehung der Währungsreserven, zwischen Inländern und Ausländern, die Forderungen oder Verbindlichkeiten betreffen. Beim Entstehen einer Forderung erwirbt ein Inländer Anrechte auf das Vermögen einer anderen Volkswirtschaft, also eine Veränderung der Struktur der Netto-Auslandsposition, die zu Gunsten des Inlands stattfindet. Die hierbei entstehende Forderung wird als Debet-Posten verbucht, da egal was vom Inländer im Ausland erworben wird, immer eine auszahlungswirksame Transaktion stattfindet (Jarchow, Rühmann 2000). Beim Entstehen einer Verbindlichkeit ergeben sich dementsprechend Forderungen eines Ausländers am Vermögen der inländischen Volkswirtschaft erzeugt. Dadurch wird ein Credit-Posten geschaffen, da diese zum einen auszahlungswirksame Transaktionen an das Ausland bewirken und zum anderen gleichzeitig analog zum Export von Waren als Ausfuhr von Forderungsrechten zu verstehen sind (Rose, Sauernheimer 2006). Kapitalexporte und Kapitalimporte können in vielen verschiedenen Formen entstehen. Bei einem Kapitalexport können z.B. von einem Inländer Staatsanleihen eines anderen Staates gezeichnet werden. Möglich ist ein Kapitalexport aber auch in Form einer Erhöhung von Auslandsforderungen einer Geschäftsbank. Volkswirtschaftlich betrachtet entscheidet also die Frage, ob ein Kapitalexport bzw. Kapitalimport stattfindet darüber, ob Netto-Forderungen oder Netto-Verbindlichkeiten gegen das Ausland aufgebaut werden.

2.1.3 Devisenbilanz

Die Devisenbilanz bildet die Auslandsposition der Notenbank ab und enthält den Goldbestand, die Reserveposition im Internationalen Währungsfond (IWF), bestehend aus Ziehungs- und Sonderziehungsrechten, sowie liquide Forderungen in Fremdwährung gegenüber Wirtschaftssubjekten einer anderen Volkswirtschaft (Jarchow, Rühmann 2000). Verringerungen der Devisen, Goldbestände oder Ziehungsrechte werden als Credit-Posten ausgewiesen, Zunahmen als Debet-Posten (Rose, Sauernheimer 2006). Alle anderen Forderungen der Notenbank gegenüber dem Ausland, wie zum Beispiel Forderungen gegenüber anderen Notenbanken in der Eurozone bzw. gegenüber dem Eurosystem im Rahmen des TARGET2-Systems, werden in der Kapitalbilanz und nicht in der Devisenbilanz aufgelistet (Jarchow, Rühmann 2000). Da die Devisenbilanz alle Änderungen der Auslandsaktiva der Notenbank erfasst, lässt sich durch einen Vergleich der Differenz zwischen der Devisenbilanz und Kapital- und Leistungsbilanz ein sogenannter Restposten bilden (Woll 2011). Dieser Restposten trägt der Tatsache Rechnung, dass eine lückenlose Erfassung und periodengerechte Zuordnung bei der Komplexität der Außenhandelsbeziehungen einer Volkswirtschaft nicht immer möglich ist. Diese Fehlbeträge kommen u.U. bei geschätzten Positionen, wie zum Beispiel der Größe der von Gastarbeitern in die Heimat überwiesenen Geldmittel vor. Um die Gesamtbilanz dennoch ausgleichen zu können, werden alle statistisch nicht erfassbaren Zahlungsbilanztransaktionen im Restposten zusammengefasst. Ein als Credit-Posten geführter Restposten weist auf nicht-erfasste Netto-Zahlungsausgänge bei Leistungstransaktionen, Übertragungen und Kapitalleistungen hin, ein Debet-Posten auf nichterfasste Netto-Zahlungseingänge (Jarchow, Rühmann 2000). In einer Währungsunion verliert die Devisenbilanz allerdings an Relevanz für die Interpretation der Zahlungsbilanz, da alle Transaktionen im Währungsgebiet in gleicher Währung und nicht in Devisen bezahlt werden. Deutlich wird dies bei der Betrachtung der Größe des Restpostens, welcher sich bei Einführung der europäischen Währungsunion sehr stark vergrößert hat, da eine Kontrolle der Leistungs- und Kapitalbilanz mittels Vergleich mit der Devisenbilanz nicht mehr möglich ist (Rose, Sauernheimer 2006).

2.2 Überschüsse und Defizit

Für die folgende Betrachtung von Überschüssen und Defiziten wird die Diktion von Rose/Sauernheimer (2006) verwendet, welche auch als Hauptquelle für die genannten Zusammenhänge genutzt wird.

Beginn der Analyse ist die Verwendungsgleichung des Nationalprodukts einer Volkswirtschaft:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

C steht in diesem Zusammenhang für den privaten und staatlichen Konsum, I für private und staatliche Investitionen und der Term Ex-Im stellt den Außenbeitrag da. Wichtig ist bei dieser Betrachtung, dass sowohl beim Konsum als auch bei den Investitionen Importe eingeflossen sind. Die kann z.B. in Form der Verwendung von importierten Vorprodukten in der inländischen Produktion erfolgen. Y steht für das Volkseinkommen. Die Gleichung kann so interpretiert werden, dass das Realeinkommen einer Volkswirtschaft entweder investiert, konsumiert oder exportiert werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch einfache Umformung von (2.1) gelangt man zu (2.2), welche die Aussage erlaubt, dass alle investierten (I), konsumierten (C) Güter und Leistungen entweder selber erstellt (Y) oder importiert (Im) werden müssen, inklusive den Gütern und Leistungen die ins Ausland exportiert werden (Ex). Aus monetärer Sicht besagt (2.2)das, dass zu Marktpreisen bewertete Volkseinkommen (Y), dem inländischen Konsum (C) und inländischer Investition (I) abzüglich der Ausgaben, welche ins Ausland fließen (Im), entspricht. Die Gesamtausgaben für inländische Güter schaffen also inländisches Einkommen in gleicher Höhe. Die Gesamtausgaben des inländischen Konsums und der inländischen Investitionen entsprechen jedoch nur unter Autarkie dem Volkseinkommen zu Marktpreisen. Wie bereits aufgeführt entsprechen in einer offenen Volkswirtschaft der Konsum und die Investitionen nicht notwendigerweise dem inländischen Aufkommen von Volkseinkommen, da Teile der inländisch produzierten Güter möglicherweise durch Vorprodukte oder Vorleistungen geschaffen werden, welche im Prozess der Arbeitsteilung im Ausland produziert wurden. Aus diesem Grund ist die Differenzierung zwischen Absorption und Volkseinkommen nötig:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Aufspaltung des Konsums und der Investition in einen ausländischen und einen inländischen Anteil lässt nun Aussagen über den inländischen und den ausländischen Anteil an der Wertschöpfung zu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(2.5) beschreibt den Gesamtwert der importierten Waren und Leistungen, während (2.6) die Aussage erlaubt, dass das Volkseinkommen allen von Inländern getätigten Ausgaben für im Inland produzierten Güter und Leistungen zuzüglich allen aus dem Ausland geflossenen Ausgaben ins Inland entspricht. Die Höhe aller von Inländern getätigten Ausgaben ergibt sich aus der Absorption:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die führt durch Einsetzen von (2.3) und (2.4) zu:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Zusammenfassen von (2.6) und (2.8) bestimmt sich das Verhältnis von Volkseinkommen und Ausgaben von Inländern durch die Gleichung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Volkseinkommen und die Absorption entsprechen einander also nur, wenn der Außenbeitrag null beträgt. Ist Ex größer als Im, so wird auch Y größer als A sein. Dies bedeutet, dass nicht das gesamte Volkseinkommen an Inländer verteilt wird, sondern das Teile des VolksEinkommens im Ausland absorbiert, also genau der Betrag in Höhe des Außenbeitrags im Ausland konsumiert oder investiert wird. Das vergrößerte Volkseinkommen kann deshalb nicht ein zweites Mal im Inland konsumiert oder investiert werden. Es ist allerdings auch möglich, dass im Inland mehr konsumiert als produziert wird, indem mehr importiert als exportiert wird und damit die Absorption größer ist, als das Volkseinkommen. Je mehr also ins Ausland exportiert wird, desto kleiner ist der Verteilungsspielraum im Inland vice versa. Der Verteilungsspielraum wird demnach umso größer, je mehr importiert wird. Fraglich bleibt die Wirkung dieses Zusammenhangs auf Sparen und Investition.

Ausgehend von einer geschlossenen Volkswirtschaft wird das gesparte Volkseinkommen immer in Form von Investitionen wieder dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung gestellt. Dieser Grundsatz verliert jedoch in einer offenen Volkswirtschaft seine Gültigkeit. Um dies abzubilden wird Gleichung (2.1), die das Volkseinkommen zu Marktpreisen abbildet, um eine Gleichung erweitert, welche die Aufteilung des Einkommens darstellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(2.10) lässt den Schluss zu, dass nicht konsumiertes Volkseinkommen entweder gespart wird oder in Form eines Transfers unentgeltlich dem Ausland zur Verfügung gestellt wird. Diese Unterscheidung ist kritisch, da das Sparen die Bildung von Vermögen impliziert, ein Transfer jedoch nicht. Bei Subtraktion von (2.10) mit (2.1) erhält man:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Ausdruck in der Klammer stellt hier den Saldo der Leistungsbilanz dar. Dieser ergibt sich aus um die laufenden Transfers vom In- ins Ausland verringerten Außenbeitrag. Daraus leitet sich die Aussage ab, dass im Falle eines Leistungsbilanzüberschusses () die volkswirtschaftliche Ersparnis um den Wert des Überschusses größer und im Falle eines Leistungsbilanzdefizites () um den Wert des Defizits kleiner ist. Wie jedoch bereits erläutert muss bei notwendigerweise ausgeglichener Zahlungsbilanz dem Leistungsbilanzüberschuss bzw. –defizit eine saldierende Buchung in der Kapitalbilanz gegenüberstehen, jeweils bereinigt um die Netto-Vermögensübertragungen vom In- ins Ausland. Dieser Zusammenhang erlaubt folgende Zusammenfassung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Interpretiert man als Netto-Auslandsinvestition, impliziert dies, dass die Netto-Ersparnis einer Volkswirtschaft entweder im Inland oder im Ausland investiert wird. Durch diese Modifikation wird auch wieder in der offenen Volkswirtschaft der Zusammenhang gültig, dass Sparen der Summe der Investition entspricht. Ökonomisch betrachtet sagt (2.12) aus, dass nicht konsumiertes Volksvermögen, bereinigt um Schenkungen vom In- ins Ausland, in eine Vermögensposition umgewandelt wird, welche sich aus einem Sachvermögenszuwachs im Inland und einer Veränderung der Netto-Auslandsposition zusammensetzt.

2.3 Die intertemporale Zahlungsbilanztheorie

Da sich ein Überschuss oder ein Defizit in einer der Teilbilanzen der Zahlungsbilanz immer auf eine Differenz zwischen Sparen und Investieren zurückführen lässt, erhält die Zahlungsbilanz auch einen intertemporalen Charakter. Als verbindender Mechanismus agieren hier das Sparen als eine Verschiebung von Konsummöglichkeiten in die Zukunft und das Investieren als eine Verschiebung von Produktionsmöglichkeiten in die Zukunft. Die entstandenen Salden könnten also ein reiner Ausdruck des individuellen Optimierungskalküls sein und müssten nicht als Ausdruck fundamentaler Ungleichgewichte der Weltwirtschaft gedeutet werden. Besondere Bedeutung erhält dies bei einer wirtschaftspolitischen Reaktion auf Handelsbilanzungleichgewichte, welche bei Deutung der Salden als intertemporales Kalkül der Wirtschaftssubjekte den Kern ihrer Lösung schon in sich tragen und aus diesem Grund auch keinen Handlungsbedarf implizieren. Für die folgende Betrachtung dienen, wenn nicht anders genannt, Obstfeld, Rogoff (1998) und Frenkel, Razin (1992) als Hauptquellen.

2.3.1 Das Modell der intertemporalen Zahlungsbilanztheorie

Die Analyse setzt an bei einem kleinen Land an, für welches der Zinssatz auf den internationalen Geldmärkten exogen gegeben ist. Sowohl das Inland als auch das Ausland produzieren ein Güterbündel, das frei zwischen den Volkswirtschaften gehandelt wird. Das Inland verhält sich hier als Preisnehmer, der Weltmarktpreis ist exogen gegeben. Der Betrachtungshorizont beträgt zwei Perioden () und betrachtet ein optimierendes Individuum, welches repräsentativ für die gesamte Volkswirtschaft ist. Beträgt der Konsum und die Investitionen weniger als das Volkseinkommen, ist es der Volkswirtschaft möglich, die Überschussproduktion auf dem Weltmarkt gegen verzinste Wertpapiere einzutauschen und diese in der nächsten Periode wiederum gegen Konsum einzutauschen. Ebenso ist es der Volkswirtschaft möglich, über die Emission von Wertpapieren, zusätzlichen Konsum in Periode t=0 zu realisieren, welche dann in Periode t=1 zurückgezahlt wird. Die Gesamtproduktion ist gleich der Produktion aus Periode t=0 und dem Barwert der Produktion von t=1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ist hier der Marktdiskontfaktor und ist mit dem Zins über folgenden Mechanismus verknüpft:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dadurch ergibt sich bei hohem Zins ein niedriger Barwert und bei niedrigem Zins ein hoher Barwert. Der Nutzen der Volkswirtschaft ist abhängig von der Höhe des Konsums, somit lässt sich die Nutzenfunktion durch ausdrücken. Der angestrebte Konsum wird durch die Nutzenfunktion (2.15) dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Nutzenfunktion hat einen positiven, aber abnehmenden Grenznutzen, ist damit Konvex zum Ursprung und unterliegt der Annahme der Nichtsättigung. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei der subjektive Abzinsungsfaktor , der ein Maß für die marginale Rate der Substitution darstellt. Dieser ist mit der Zeitpräferenz verknüpft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Existiert eine Zeitpräferenz, so ist , was bei gegebener Konsumstruktur bedeutet, dass die Volkswirtschaft nur bereit wäre eine Einheit Konsum in t=0 aufzugeben, wenn dem in Periode t=1 mehr als eine Einheit Konsum gegenüber steht. Ist =1 gegeben, gibt es keine Zeitpräferenz. Konsum in t=0 und Konsum in t=1 hätten für die Volkswirtschaft den gleichen Wert. entspräche in diesem Fall genau . Die Konsummöglichkeiten werden durch Budgetrestriktion (2.17) gegeben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das maximale realisierbare Konsumniveau ist bestimmt durch die Annahme, dass über die Perioden t=0 und t=1 die gesamte Produktion konsumiert wird. Der Barwert des Konsums ergibt sich aus der Funktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Maximierung von (2.15) unter der Nebenbedingung der Budgetrestriktion (2.17) ergibt das Maximierungsproblem

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Ableitung erster Ordnung lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei Gleichung (2.20) handelt es sich um eine intertemporale Euler-Gleichung welche besagt, dass im Nutzenmaximum keine Erhöhung des Nutzens durch eine Verschiebung von Konsum in die Zukunft oder Gegenwart mehr erreicht werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch das Umstellen der Gleichung (2.20) in (2.21) wird eine ökonomische Analyse erleichtert. Die linke Seite der Gleichung beschreibt nun die Grenzrate der Substitution zwischen heutigem und zukünftigem Konsum, während die rechte Seite das Preisverhältnis des zukünftigen Konsums in Form von heutigem Konsum ausgibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Veranschaulichung des intertemporalen Optimierungskalkül

Quelle: Eigene Darstellung.

In Abbildung 1 wird das Optimierungskalkül grafisch dargestellt. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass der Diskontsatz kleiner als der subjektive Diskontsatz ist, was nach den Gleichungen (2.14) und (2.16) bedeutet, dass der Zins kleiner als die Zeitpräferenz. Durch die niedrigen Zinsen verliert die Verschiebung von Konsum im Heute in die Zukunft an Reiz, weil der Nutzen der dadurch entstehende Rendite kleiner ist, als der Nutzen einer weiteren Einheit Konsum in t=0. bezeichnet hier die Produktion in Periode t=0, während den Konsum in t=0 markiert. In dieser Periode fällt ein Leistungsbilanzdefizit in Höher der Strecke an. In Periode t=1 fällt dementsprechend der Konsum niedriger als die Produktion aus, wodurch ein Leistungsbilanzüberschuss in Höhe der Strecke entsteht. In Punkt B entspricht die Grenzrate der Substitution zwischen und genau der Steigung der Budgetrestriktion, welche dem Zinssatz entspricht. Die Leistungsbilanz LB, die in diesem Beispiel in Periode 0 entsteht, lässt sich wie folgt darstellen:

Die Zahlungsbilanz ist negativ, da im obigem Beispiel ist. Der Überschuss des Konsums wurde durch Tausch gegen verzinste Wertpapiere ( bezahlt. In Periode 1 stellt sich die Leistungsbilanz wie folgt dar:

Die Leistungsbilanz in Periode 1 ist demnach positiv, da ist, wobei die genaue Größe von formal beschrieben werden kann als:

Denkbar ist auch eine Adaption von Investitionen in das vorliegende Modell, um so die Einflüsse von Investitionen auf die Zahlungsbilanz zu modellieren. Grundgedanke ist hierbei, dass es möglich ist, mit den Produktionsmöglichkeiten den Kapitalstock zu vergrößern, um so in der nächsten Periode zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten in der Eurozone
Untertitel
Die Rolle von TARGET2-Salden
Hochschule
Universität Hohenheim
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
58
Katalognummer
V229925
ISBN (eBook)
9783656494508
ISBN (Buch)
9783656494010
Dateigröße
1096 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eurozone, target2-salden, Bail-out, TARGET2, Leistungsbilanzdefizite, Current account deficits
Arbeit zitieren
BSc, Alexander Kuchta (Autor:in), 2011, Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten in der Eurozone, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229925

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