Das apokalyptische Denken und seine Bedeutung für die Gegenwart


Magisterarbeit, 2012

128 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung
1.1 Begriff der Apokalypse
1.2 Spannungsfeld und Autoren der Apokalypse
1.3 Die apokalyptische Gattung
1.4 Eschatologie und Chiliasmus
1.5 Eingrenzung des Apokalypsebegriffes
1.6 Thematische Felder
1.7 Ästhetik der Apokalypse

2. Kulturgeschichtliche Entfaltung
2.1 Vom Ursprung
2.2 Die Entstehung der jüdischen Apokalyptik
2.3 Die Entstehung der christlichen Apokalyptik

3. Die thymotische Deutung der Apokalypse
3.1 Thymoskonzepte bei Platon, Fukuyama und Sloterdijk
3.2 Thymos, Kultur und Politik
3.3 Apokalypse als thymotische Gattung
3.3.1 Der göttliche Zorn
3.3.2 Thymos und Naherwartung
3.3.3 Gewinn des Schreibers

4. Die Weiterentwicklungen der Apokalyptik
4.1 Das christliche Abrücken von der Apokalypse
4.2 Herrschaftskonforme Pseudoapokalyptik
4.3 Konservativ-kulturpessimistische Untergangszenarien
4.4 Apokalyptische Sekten und Reformation
4.5 Aufklärung und bürgerliches Zeitalter

5. Das apokalyptische Geschichtsdenken
5.1 Zorn und Zeit
5.2 Der Heilsplan
5.3 Zwei verschiedene Eschatologien der Zeit
5.4 Restgeschichte und Messianische Zeit
5.5 Das Böse

6. Säkulare Apokalyptik und politische Religionen
6.1 Der Marxismus
6.2 Der deutsche Nationalsozialismus
6.3 Was kann 'säkular' für die Apokalypse bedeuten?
6.4 Metaphysische Revolte

7. Der kommende Aufstand
7.1 Das Buch
7.2 Rezeption
7.3 Historischer Hintergrund
7.4 Struktur
7.5 Fight Club als ergänzendes Beispiel

8. Der Erste Kreis: Identität. Apokalyptische Offenbarung und Psychose
8.1 Die Diagnose des Unsichtbaren Komitees
8.2 Die Hypothese des Ichs
8.3 Innere Apokalypse und die Psyche des Heroen

9. Zweiter Kreis: Eine Gesellschaft ohne Gemeinschaft
9.1 Diagnose des Unsichtbaren Komitees
9.2 Die apokalyptische Gemeinschaft
9.3 Auseinandersetzung mit dem marxistischen Gesellschaftsmodell
9.4 Anschluss an den Anarchismus
9.5 Die thymotische Gemeinschaft
9.6 Eros versus Thymos

10. Dritter Kreis: Arbeit – das thymotische Surrogat
10.1 Die Diagnose des Unsichtbaren Komitees
10.2 Die thymotische Verheißung
10.3 Vom Ende der Arbeit

11. Vierter Kreis: Die Metropole
11.1 Rückblick: Die Stadt in der Apokalypse
11.2 Die Heraufkunft der 'Metropole'
11.3 Die Diagnose des Unsichtbaren Komitees
11.4 Angriff auf die Metropole
11.5 In den Ruinen

12. Fünfter Kreis: Der falsche Glaube an die Ökonomie
12.1 Die Diagnose des Unsichtbaren Komitees
12.2 Ökonomie in der Apokalypse
12.3 Die ökonomischen Empfehlungen des Unsichtbaren Komitees
12.4 Der eigentliche Apokalyptiker

13. Sechster Kreis: Lieber ein tödliches Verhältnis zur Natur als keines
13.1 Die Diagnose des Unsichtbaren Komitees
13.2 Die Lösungen sind das Problem
13.3 Naturmächte in der Apokalypse
13.4 Zurück zur Natur?

14. Siebter Kreis: Das Ende von Staat, Kultur und Zivilisation
14.1 Die Diagnose des Unsichtbaren Komitees
14.2 Für eine Re-Thymotisierung der Politik
14.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit dem Denken der konservativen Revolution
14.4 Endlich! – Das Ende

15. Auf der Suche nach dem spezifisch Apokalyptischen
15.1 Das apokalyptische Imaginäre
15.2 Der apokalyptische Ton
15.3 Die Dialektik von Offenbarung und Geheimnis
15.4 Gegenaufklärung?
15.5 Das thymotische Wahrheitskonzept
15.6 Apokalypse und magisches Denken
15.7 Mystik und Autorenschaft

16. Umrisse einer Kritik des apokalyptischen Denkens
16.1 Die Dialektik zwischen Aufklärung und Apokalyptik
16.2 Fiktionalität der apokalyptischen Utopie
16.3 Der Abgrund der Apokalypse
16.4 Apokalypse und reale Gewalt
16.5 Autoritär und kritisch zugleich
16.6 Jenseits des apokalyptischen Denkens?
16.7 Schlusswort

Anhang

Quellenverzeichnis

Anmerkungen zur Zitation und zu Fußnoten

Wissenschaftliche Quellen

Nichtwissenschaftliche Quellen

Zitate auf der Anfangsseite

Vorwort

Apokalypsen, religiöse Visionen vom Ende und von der Neuschöpfung der Welt, sind nicht bloß von theologischem Interesse. In poetischen Bildern und mit spannungsreicher Dramaturgie transportieren sie eine revolutionäre Botschaft. Könnte, ja müsste unsere Welt nicht ganz anders sein als sie ist? Apokalypsen üben Kritik und versprechen Erneuerung, nicht bloß in spiritueller Hinsicht. Sie markieren einen Kreuzungspunkt zwischen Politik, Kulturkritik und religiöser Sinnsuche. Apokalypsen sind gewalttätig. Gerechtigkeit scheint ihnen auf friedlichem Wege nicht mehr herstellbar. Sie sind Narrative der Rache und stellen die realen Machtverhältnisse auf den Kopf. Glaubt man dem englischen Philosophen John Gray, ist das Zeitalter der Apokalypse noch lange nicht vorüber.[1] Für ihn verbirgt sie sich in der Mehrzahl moderner Politiken; hier vermutet er den Schlüssel zu dem Rätsel, warum theoretische Utopien so oft in praktische Dystopien münden. Damit ist Gray in der Forschung eher ein Außenseiter. Die politische und soziale Bedeutung und Wirksamkeit von Apokalypsen wird nicht selten ignoriert, gerade wenn es um die Gegenwart geht.[2]

Es scheint, als sei die Entstehung von Apokalypsen kulturhistorisch mit drei Randbedingungen verknüpft gewesen: 1. Der Vorstellung von einer linear und sinnhaft verlaufenden Geschichte. 2. Einem starken 'Kulturwillen', einer Überzeugung von der prinzipiellen Machbarkeit und Gestaltbarkeit der Welt. 3. Monotheismus, der Glaube an den einen Gott. Ebenfalls bedeutsam waren diese Bedingungen auch für die Herausbildung einer anderen geistesgeschichtlichen Strömung, die wir heute als 'Aufklärung' bezeichnen und mit der sich bei näherem Hinsehen Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen zeigen. Das ist insofern erstaunlich, als das apokalyptisches Denken ab der Neuzeit gerade als Gegenspieler der Aufklärung in der Erscheinung trat. Während die Aufklärer Optimismus, wissenschaftliche Rationalität und Säkularisierung 'predigten', standen apokalyptische Propheten für einen fatalistischen Blick auf die Gegenwart, für mystische Eingebungen und eine Respiritualisierung der Welt. Doch diese Gegensätze, so werden wir noch zeigen, sind nur scheinbar.

Durch diesen kurzen Vorgriff auf das Kommende ist vielleicht schon deutlich geworden, dass eine angemessene Würdigung der Apokalypse nicht bloß das Feld der Theologie sondern auch das der Politik überschreitet und nach einem holistischen Blick ruft. Was ist der Kern des apokalyptische Denkens und welche kulturellen Erscheinungsformen zeigt es? Woher kommt es und welche Bedeutung hat es für die Gegenwart? Um mich den Antworten auf diese Fragen anzunähern, erlaube ich mir, weite Bögen zu spannen, und Texte unterschiedlicher Zeitalter schroff nebeneinander zu stellen. Dieses Vorgehen wird manchmal zu Lasten kontextueller Genauigkeit gehen, dafür bietet es die Chance, kulturgeschichtliche Kontinuitäten, Variationen und Wandlungen auszumachen und der beinah zeitlosen Faszination der Apokalypse auf die Spur zu kommen. Zu Beginn der Arbeit wird vor allem jene Phase des Altertums von Interesse sein, als die wichtigsten jüdischen und frühchristlichen Apokalypsen entstanden. Im Mittelteil wende ich mich der Gegenwart und der Säkularisierung der Apokalypse zu. Als zentrales Beispiel fungiert dabei ein radikal kulturkritisches Buch, das seinerzeit auch in den bürgerlichen Feuilletons Beachtung fand: der französischen Essay[3] Der kommende Aufstand (2005). Die thematische Breite, die sich das schmale Bändchen für seine Abrechnung mit der westlichen Moderne zutraut, ist so enorm, dass es unmöglich und wahrscheinlich auch müßig wäre, hier alle dabei aufgegriffenen Denktraditionen herauszuarbeiten oder die Vereinbarkeit der jeweiligen Argumente prüfen zu wollen. Stattdessen werde ich die sieben zentralen Kapitel des Kommenden Aufstands daraufhin betrachten, inwieweit sie neue und alte Formen apokalyptischen Denkens transportieren, welche Funktion sie im apokalyptischen Gesamtentwurf einnehmen und wie bekannte politische und kulturkritische Denkfiguren ins Apokalyptische gewendet werden. Der Schlussteil der Arbeit sucht die bisherigen Erkenntnisse dann zu einer Gesamtcharakteristik des apokalyptischen Denkens zu verdichten und sie in kritischer Perspektive noch einmal Revue passieren zu lassen.

1. Einleitung

1.1 Begriff der Apokalypse

Eine Apokalypse in der hier untersuchten Bedeutung ist kein Ereignis sondern eine Textgattung oder auch ein künstlerisches Genre. In dem seit dem neunzehnten Jahrhunderten gebräuchlichen Wortsinne, handelt es sich um Visionsberichte, in denen das nahe Weltende, das Endgericht und das kommende Reich Gottes verkündet werden.[4] Das Ende der Zeiten ist ein Punkt maximalen Verderbens, an dem es wortwörtlich nicht mehr schlimmer werden kann. Zugleich bringt es den Einsturz aller Illusionen, von denen die alte Welt geblendet war und mit denen sie sich legitimierte. Erst im Zerbrechen der alten Ordnung wird ihr trügerischer Charakter völlig offenbar. Apokalypse ist die griechische Übersetzung des hebräischen 'gala' und meint nicht etwa Zerstörung, sondern Enthüllung oder Offenbarung. Im theologischen Kontext war ein Werk gemeint, in dem Gott den Menschen letzte und tiefste Geheimnisse enthüllt.[5]

Das Ende ist nahe, sagen uns die Apokalypsen. Es wird kommen und es soll kommen, denn hernach beginnt eine Ära des Heils und des Glücks. Welt und Mensch werden neu erstehen, erst dann wird es Frieden und Gerechtigkeit geben:

„Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“[6] (Offenbarung des Johannes)

1.2 Spannungsfeld und Autoren der Apokalypse

Woher rührt dieses Denken, die Idee, dass alles vollkommen werden wird – nach dem alles untergegangen ist? Zunächst einmal reagiert es auf eine dramatische Differenz: der Unterschied zwischen den Vorstellungen, wie das menschliche Leben allgemein und die soziale Stellung der eigenen Gruppe nach Meinung des Apokalyptikers sein sollte und wie all dies tatsächlich ist. Das Wunschbild ist derart weit von der Wirklichkeit entfernt, dass es als mit der existierenden Welt inkompatibel erscheinen muss. Der Apokalypseforscher Klaus Vondung beschreibt die Sehnsucht nach der finalen Katastrophe deshalb als Ergebnis einer Spannungserfahrung zwischen Wertvorstellungen und Lebenswelt an ihrem Zerreißpunkt. Dies käme „in der Tendenz zum Ausdruck, die Spannung zwischen Defizienz und Fülle dualistisch und zugleich zeitlich auszulegen.“[7] Heute, sagen die Apokalyptiker, herrscht das Böse über die Welt, aber morgen wird das Heute enden und das Gute wird siegen. Lasst uns durchhalten, bis es soweit ist.

Propheten des Endes tauchten häufig in Zeiten der Verfolgung und andauernden Kränkung religiöser Minderheiten auf.[8] Zu ihrem Zorn gesellte sich das Gefühl der Hilflosigkeit trotz besserer Einsicht. Der Philosoph Peter Sloterdijk: „Apokalyptik ist die religiöse Form der Weltpreisgabe, wie sie allein in einer Lage entstehen konnte, in der sich die Einzelnen und Gruppen nur als ohnmächtige Zuschauer von Machtkämpfen zwischen überlegenen Gewalten empfanden.“[9] Typische Autoren von Apokalypsen sind gebildete und literarisch begabte Männer mit enttäuschten Aufstiegs- und Partizipationswünschen und mehr oder minder direkten Erfahrungen mit sozialen Verwerfungen.[10] Oft waren es Kleriker niederen Ranges, manchmal aber auch Lehrer, Wissenschaftler oder sonstige Stadtbürger. Sie universalisierten das von ihnen beobachtet Unrecht und setzte es als universell.[11]

1.3 Die apokalyptische Gattung

Die wichtigsten klassischen Apokalypsen sind im alten Testament das Buch Daniel und im neuen Testament die Offenbarung des Johannes. Daneben sind einige apokryphe Texte von größerer Bedeutung sowie die synoptischen Evangelien und die apokalyptischen Passagen bei Paulus und Petrus. Der Zeitraum, indem sich die jüdische und christliche Apokalyptik herausbildete reicht vom zweiten vorchristlichen bis ans Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. Im Mittelalter wurden die Prophezeiungen dann zur Grundlage zahlreicher neuer Geschichtstheologien und fanden reiche Rezeption in religiös motivierter (Programm-)Kunst. Die sieben Siegel, die apokalyptischen Reiter, Sterne, die vom Himmel fallen oder der blutrote Mond gehören bis heute zum Bilderreservoir jüdisch-christlich geprägter Kulturen.[12]

Formen und Medien kennt die Apokalypse viele. Sie kann als Predigt, Erzählung, Dichtung, Drama, Manifest, Essay oder pseudowissenschaftliches Pamphlet daherkommen. Sie zeigt sich in Büchern, Bildern und Filmen.[13] Nicht alle Apokalypsen verstehen sich selbst als religiös. In der Neuzeit treten säkulare Formen hinzu: Philosophien und politische Ideologien, aus denen der Untergang durch nichtgöttliche Instanzen folgt – durch ein Volk, eine Klasse oder ein allgemeines Bewegungsgesetz der Geschichte. Zudem löst sich die Motivik der Apokalypse aus ihren Entstehungskontexten und erfährt in Alltagssprache, Kunst und Populärkultur neue und erweiterte Verwendung.[14] Um auch Werke einzubeziehen, die zwar analoges Gedankengut hervorbringen, ohne dabei aber allen Kriterien zu genügen, ist der erweiterte Begriff 'Apokalyptik' vorgeschlagen worden.

1.4 Eschatologie und Chiliasmus

Zwei Begriffe begegnen uns im Zusammenhang mit dem Endzeitglauben häufig: 'Chiliasmus' und 'Eschatologie'. Beide werden uneinheitlich verwendet. Unter Chiliasmus wird meist eine teleologische Geschichtsspekulation verstanden, welche die Herausbildung einer göttlichen, perfekten Welt vorhersagt. Damit sind jedoch auch Modelle eingeschlossen, die diese Welt als Ergebnis einer kontinuierlichen oder stufenweisen Höherentwicklung denken – also ohne Untergang.

Mit dem Begriff Eschatologie hingegen wird in der systematischen Theologie die Lehre von den 'letzten Dingen' bezeichnet[15]: Darunter kann die Beschäftigung mit den Fragen des Jenseits und der Endzeit ebenso fallen, wie die mit der inneren, göttlichen Ordnung der Welt.[16] Der Begriff stammt vom griechischen Eschaton (altgr. és-chata), was 'das Letzte' oder auch 'Grenze' bedeutet. So ordnet Jaques Derrida die Apokalypse allgemeine unter die Diskurse vom Letzten.[17] Zwar wird 'Eschatologie' ebenfalls in Verbindung mit Prophezeiungen über das Kommen des göttlichen Reiches gebraucht, doch handelt es sich im Vergleich mit 'Chiliasmus' oder 'Apokalypse' um den weiteren Begriff. Und während alle Chialiasmen eschatologisch sind, sind nicht alle Eschatologien chiliastisch. Wo steht die Apokalypse? Wir könnten sagen, sie ist eine katastrophisch-chiliastische Eschatologie.[18]

1.5 Eingrenzung des Apokalypsebegriffes

Nicht jede Untergangsphantasie ist eine Apokalypse. Klagen über den allgemeinen kulturellen Niedergang beispielweise sind wohl so alt wie die Meschenheit selbst und oft im Tonfall der schlechten Laune und der Lästerei verfasst worden – auch ohne damit utopische Hoffnungen zu verbinden. Das bittere Ende von allem, was uns lieb und teuer ist, kann auch in erzieherischer Absicht ausgemalt werden: So und so wird es kommen, wenn ihr nicht dieses oder jenes an Eurem Verhalten ändert![19] Natur- und Sozialwissenschaftler können auf der Basis rationaler Argumentation davon überzeugt sein, dass unsere Welt nicht ewig währt. Populäre Sachbücher mögen ihre kritischen Thesen zur Untergangsprophezeihung aufblähen, in der Hoffnung, die Auflage zu steigern. Doch all diesen Beispielen fehlt etwas spezifisch Apokalyptisches: die Erwünschtheit des Untergangs, die Gewissheit der Naherwartung oder die Verheißung eines strahlenden Neuanfangs hernach.

1.6 Thematische Felder

Zwar sind die Apokalyptiker stets bemüht, zu zeigen, dass es ihnen bei ihrer Kritik nicht um isolierte Teilaspekte zu tun ist, sondern um das große Ganze, doch bei genauerem Hinsehen fallen Problemfelder auf, an denen sie sich besonders häufig abarbeiten.[20]

Als erstes wäre etwas zu nennen, das man in der Sprache des Marxismus 'falsches Bewusstsein' nennen würde: Die Verblendung der Menschen, die es ihnen bisher ermöglichte, den Untergang zu übersehen, weiterzumachen als wäre nichts, das eigene Leiden und das Leiden der Anderen zu verdrängen oder ideologisch umzuinterpretieren. Für die klassischen Apokalyptiker zeigte sich solcher Trug im religiösen Unglauben, in Materialismus und Hybris, im Heidentum und Götzendienst.[21] Zudem ging es den Apokalyptikern immer auch um die realen Besitzverhält-nisse. Obwohl sie oft aus gebildeten und wohlhabenden Schichten stammten, nahmen sie in ihren Verlautbarungen die Perspektive der Randständigen und sozial Benachteiligten ein. Das Nebeneinander von Gier, Überfluss und Armut galt ihnen als Zeichen der Vorherrschaft des Bösen auf der Welt. Einige apokalyptische Bewegungen wie die Münsteraner Wiedertäufer predigten gar die Abschaffung des Privateigentums und praktizierten Gütergemeinschaft.

Ein weiteres Spannungsfeld sind die Familien – und Liebesverhältnisse. Sie wurden nicht immer, aber doch meistens, konservativ kritisiert: Sündhaftigkeit, Promiskuität, Prostitution, Perversion, Verfall der Sitten und der Familienbande galten vielen Apokalyptikern als Begleiterscheinung endzeitlicher Gottlosigkeit. So schrieb zum Beispiel der Apostel Petrus, nachdem er erkannt hatte: „Das Ende aller Dinge ist nahe.“[22], der Herr werde besonders jene am Tag des Gerichts bestrafen, „die sich von der schmutzigen Begierde ihres Körper beherrschen lassen und die Macht des Herrn verachten.“[23] Der deutsche Literat Gerhard Henschel gibt deshalb mit Blick auf Paulus und Petrus in polemischer Absicht zu bedenken: „Es wirkt verblüffend, wenn nicht beschämend, wie inbrünstig diese beiden frommen Apostel des Christentums noch unmittelbar vor der Apokalypse an schändliche Lüste dachten, an Wollust, Wohlleben und Ehebruch.“[24]

Allerdings: Die Apostelbriefe waren nur teilweise apokalyptisch. Für die radikal Endzeit-gläubigen verloren Sexualität, Ehe und Familie schlicht an Bedeutung. Es gab jetzt Wichtigeres.[25] Im kommenden Reich würden alle Arten von Begeheren ihren Sinn verloren haben, da Not und Mangel abgeschafft wären. Zudem war es meist gewiss, dass die Überlebenden keine Kinder mehr zeugen und nicht mehr altern werden.[26] Zusammen mit Unglauben, sozialer Ungleichheit und Wollust wäre in der perfekten Welt des Göttlichen Reiches auch der Tod abgeschafft.

1.7 Ästhetik der Apokalypse

Apokalyptiker sind Propheten, die sich als Medien höherer Ordnungen und Mächte begreifen. Ihre Einsichten empfangen sie in Visionen, geheimen Schriftrollen, von Sendboten Gottes. Was sie erfahren haben, geben sie in poetischer Form wieder, in einer oft magischen Sprache, die durch formelhafte Wiederholungen, sinnlich-visuelle Beschreibungen, Metaphernreichtum und komplexe Symboliken auffällt. Das Kommende wird von ihnen nicht einfach nur beschrieben, sondern verkündet und beschworen; manches bleibt rätselhaft, und wer es nicht glaubt, gehört noch zu den Verblendeten. Vernünftigen Argumentationen und Belegen aus der Erfahrung kann stützende Funktion zukommen – sie sind aber weder notwendig noch hinreichend.

Die Apokalypse ist ein hoch emotionales, atmosphärisches und dramatisches, ja auch ästhetisch beeindruckendes Genre, was dessen Anziehungskraft mit ausmacht. Doch was sind das für Emotionen und Stimmungen? Man könnte meinen, die sichere Aussicht einer furchtbaren Katastrophe, sollte ängstlich, verzagt oder passiv machen. Das Gegenteil ist der Fall. Die apokalyptische Prophetie berauscht und erheitert. Die Ungeheuerlichkeit des kommenden Spektakels erregt. Dass die Eingeweihten es als einzige kommen sehen, schmeichelt ihrem Ehrgefühl. Das unaufhörliche Deuten der Zeichen macht sie wach und konzentriert. Nichts kann sie jetzt mehr erschüttern. Fortan werden alle schlechten Nachrichten gute Nachrichten sein.

Diese sogenannte apokalyptische Heiterkeit beschrieb treffend der US-amerikanische Prediger David Wilkerson (1931-2011), Gründer der Times Square Church in New York City: „Christen freuen sich, weil all die schlechten Nachrichten eine Reihe von Wegzeichen sind, klar ausgezeichnet auf ihrer Straßenkarte zur Ewigkeit. Jedes schreckliche Ereignis markiert deutlicher unsere Position auf dem Nachhauseweg.“[27] Und der Seher Daniel berichtet im alten Testament:

„Mein Herr, als ich die Vision sah, wand ich mich in Schmerzen und verlor alle Kraft. […] Da berührte mich die Gestalt, die wie ein Mensch aussah, von neuem, stärkte mich und sagte: Fürchte dich nicht, du (von Gott) geliebter Mann! Friede sei mit dir. Sei stark, und hab Vertrauen!“[28]

Mit ihren bildgewaltigen Untergangszenarien trösten die Apokalypsen. Sie knüpfen an vergangene Kränkungserfahrungen an und befriedigen den Wunsch nach Genugtuung. Zur Endzeitstimmung gesellt sich ein aus festen Werten gespeister Tatendrang, der Zorn auf die Falschheit und Ungerechtigkeit der jetzigen Welt, die scheinbare Sinnlosigkeit der bisherigen Geschichte.

2. Kulturgeschichtliche Entfaltung

2.1 Vom Ursprung

Haben alle Kulturen Apokalypsen hervorgebracht? Das ist nicht der Fall. Der britische Historiker Norman Cohn hat sich in mehreren Publikationen mit der Apokalypse beschäftigt und dabei auch analysiert, welche abweichenden Vorstellungen vom Gang der Menschheitsge-schichte in den alten Religionen des vorderasiatischen Raumes präsent waren. Auch die Sumerer, Mesopotamier und Ägypter hingen Glaubenssystemen an, die zugleich politische Ideologien waren – aber diese waren gekennzeichnet durch die Vorstellung einer ewigen gottgewollten Ordnung. Zwar war diese Ordnung stets von den Mächten des Chaos bedroht, doch die weltlichen Herrscher wurden als Verbündete im Kampf der Götter gegen diese Mächte angesehen.[29] Ihr Kampf war sowohl notwendig als auch ewig und unabschließbar.[30] Die Idee, das Böse könnte eines Tages endgültig besiegt werden und die Zeit einen Fortschritt hin auf ein Endziel vollführen – solche Vorstellungen waren ihnen fremd.[31]

Eine Religion wie die der alten Ägypter übte deshalb einen sehr konservativen Einfluss auf die Gesellschaft aus. Zwar kannte auch sie düstere Prophezeiungen, in denen vorhergesagt wurde, dass eines Tages die Natur und die Gesellschaft aus den Fugen geraten würden. Aber das waren keine Utopien, sondern Horrorszenarien, die mit allen Kräften abgewehrt werden mussten und auf die auch wieder bessere Zeiten folgen würden.[32]

Doch zwischen 1500 und 1200 v. Chr. begann innerhalb eines kleinen Hirtenvolkes auf dem Gebiet des heutigen Iran eine geistesgeschichtliche Entwicklungslinie, die auf das Weltbild der westlichen[33] Zivilisation enormen Einfluss entfalten sollte – bis heute[34]. Norman Cohn:

„Zu einer Zeit, als die vedischen Inder sich die Welt noch als in zeitlosem Gleichgewicht befindlich vorstellten, entstand bei den Iranern eine völlig neue Auffassung der Zeit und der Aussichten für die Menschheit. Der iranische Prophet Zarathustra – bekannt auch unter der späteren griechischen Form seines Namens, Zoroaster – begriff das ganze Sein als die allmähliche Umsetzung eines göttlichen Plans. Er sagte auch die letztliche Erfüllung dieses Plans voraus, eine herrliche Vollendung der Welt, bei der alle Dinge ein für allemal vollkommen werden sollten.“[35]

Doch bevor es dazu kommen könne, so weissagte Zarathustra, würde das Böse das Gute noch einmal mit ganzer Kraft herausfordern. Erst ist einem weltumspannenden Endkampf würde der Schöpfergott Ahura Mazda über den Geist des Bösen, Angra Mainyu, siegen.[36] Damit lieferte Zarathustra nicht nur die Urform des apokalyptischen Dramas, er 'erfand', so Cohn, auch die eine Geschichte[37] , die er 'begrenzte Zeit' nannte (im Gegensatz zur unbegrenzten Zeit der Ewigkeit), und er predigte einen im Prinzip schon monotheistischen[38] Glauben.[39]

Zwar beruht das Wenige, was die Wissenschaft über Zarathustras Leben weiß, auf spärlichen und umstrittenen Quellen, doch Norman Cohn geht davon aus, dass die Lehre des Propheten in einer Zeit entstand, in der sein friedliches Hirtenvolk von marodierenden, technisch überlegenen Kriegerverbänden bedroht war. Mit der gewohnten Ordnung der Dinge hätte es es damals also ohnehin jeden Tag vorbei sein können. Zarathustras Glaubenslehre versprach, dass sich das nach Verwandlung der Welt gründlich ändern würde: Den Gläubigen würde es in einer ewigen Ordnung gut gehen, während die feindlichen Krieger im Feuer verbrennen würden. Somit drückte sich in der zoroastrischen Apokalypse die Aufhebung einer sozialen Spannung aus.[40]

Ähnlich wie später Jesus von Nazareth, fand auch Zarathustra seine ersten Anhänger in den Reihen derer, die von den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen benachteiligt waren. Zarathustra ging davon aus, dass der Mensch als einziger Spross der Schöpfung die freie Wahl hat zwischen dem Guten und dem Bösen. Von Jedem erwartet Gott, dass er nicht bloß zu seinem eigenen Wohl, sondern auch zum Wohle der Welt beiträgt und damit ein Teil des kosmischen Heilsplanes wird. Doch dafür soll der Mensch sich bewusst entscheiden.[41] Weil Ahura Mazda sich dabei nicht um weltliche Sozialrangfolgen schert, wird zur Entscheidung über das ewige Heil der Menschen ein göttliches Gericht notwendig, das die guten Gedanken und Taten gegen das Böse abwägt.[42] Cohn:

„[Zarathustra] scheint allen gepredigt zu haben, die zuhören wollten, Frauen so gut wie Männern, Armen und Unwissenden so gut wie Reichen und Gebildeten, und scheint allen, die seiner Botschaft Glauben schenkten, ein glückseliges ewiges Leben versprochen zu haben. Da ein solches zukünftiges Geschick bis dahin höchstwahrscheinlich Fürsten, Kriegern und Priestern vorbehalten war, werden diese Leute sicherlich über seinen Angriff auf ihr Monopol empört gewesen sein. Neue Feindschaften entstanden: Benachbarte Fürsten griffen zu den Waffen, um den neuen Glauben auszurotten. Aber die Anhänger des Propheten siegten im Kampf, und der Glaube blieb bestehen.“[43]

Weil die Apokalypse die bestehenden Ordnungen verwirft, steht sie in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zur Herrschaft. Die Privilegierten müssen vom Weltende mehr fürchten, und sie haben mehr zu verlieren. Die Randständigen, Erniedrigten und Beleidigten haben sogar etwas zu gewinnen: Befriedigung ihrer Rachewünsche, (Wieder-)erlangung ihrer Ehre.

2.2 Die Entstehung der jüdischen Apokalyptik

Das frühe Judentum hat keine teleologische Geschichtstheologie hervorgebracht, schon gar keine apokalyptische. Die Israeliten des Davidschen Königtums verbanden mit der Zukunft keine utopischen Hoffnungen, noch nicht einmal die Vorstellung substanzieller Verbesserungen. Die prophetischen Bücher, die angeblich aus jener Zeit stammen, haben sich inzwischen meist als rückdatiert erwiesen.[44] Die klassische jüdische Prophetie begann erst, als der politische Niedergang immer offensichtlicher wurde. 722/21 v. Chr. fiel Israel unter dem Angriff der Assyrer, später wurde auch Juda von den Assyrern zerschlagen. Diese Niederlage verlangte nach Trost und Erklärung. Warum hatte der Schutzgott der Juden – Jahwe – sein Volk nicht errettet? Die prophetische Erklärung war die folgende: Was man an Unbill zu ertragen hatte, war die Strafe Jahwes für die Sünden seine Volks, für die Missachtung seiner Gesetze.[45] Doch um zu solcher einer Strafe fähig zu sein, musste Jahwe mächtiger sein als alle anderen Götter. Cohn:

„Jahwe war so ein großer Gott, daß er die Geschicke ganzer Völker lenken konnte – und er benutzte seine Macht, um sein Volk zu züchtigen. […] In anderen altorientalischen Gesellschaften konnten politische Mißgeschicke als Zeichen göttlichen Mißfallens interpretiert werden – aber nicht solche Missgeschicke, wie sie in der Zeit der Assyrerherrschaft über das Volk Israels hereinbrachen. Wenn ein Volk derart vernichtende militärische Niederlagen […] erlebte, wurde der offensichtliche Schluß gezogen: seine Schutzgottheit war deutlich schwächer als die des Eroberers. Und einmal in Verruf geraten, wurde ein Gott oder eine Göttin bald vergessen. Nichts dergleichen geschah mit Jahwe. Im Gegenteil: gerade das Ausmaß der Katastrophen wurden als Beweis sowohl für Jahwes Gerechtigkeit als auch für seine Macht ausgegeben.“[46]

So entstand der jüdische Monotheismus mit seiner Geschichtstheologie. Unter der neuen Sicht wurde das Buch Exodus geschrieben, das den Auszug der Juden aus Ägypten als göttlich gewirktes, historisches und emanzipatorisches Ereignis schildert. Es festigte sich die Vorstellung von jüdischer Geschichte als sinnhaftem und progressivem Vorgang. Doch dann kam es zur Vernichtung Judas durch die Babylonier.[47] Das heilsgeschichtliche Bewusstsein und der universale Anspruch der Jahwe-allein-Bewegung gerieten unter Druck. Cohn:

„Diese äußerste Katastrophe überstieg alles, was die Prophetie in der Vergangenheit hatten erklären und rechtfertigen müssen. Sie wurde als Zusammenbruch der geordneten Welt selbst erlebt. Mit der Zerstörung des Tempels hatte die gottgegebene Ordnung ihren Mittelpunkt verloren“.[48]

Es fiel jetzt zunehmend schwer, jeden neuen Rückschlag allein als Strafe Gottes für sein auserwähltes Volkes zu deuten. Im Buch Daniel beten die drei Juden in Nebukadnezars Feuerofen:

„Du hast uns der Gewalt gesetzloser Feinde und gehässiger Verräter preisgegeben und einem ungerechten König, dem schlimmsten König der ganzen Welt. […] Schande und Schmach kam über deine Diener und Verehrer. Um deines Namens willen verwirf uns nicht für immer […]. […] Ach, Herr, wir sind geringer geworden als alle Völker. In aller Welt sind wir heute wegen unserer Sünden erniedrigt.“[49]

Diese Erniedrigung ist schlimmer noch als alles konkrete Elend, sie ist es, die aufgehoben werden will. Eine neue Prophetengeneration, zu der Echeziel und Deuterojesaja gehörten, begann, ohne dass ihnen die Realität dazu viel Anlass gegeben hätte, von einer neuen, unmittelbar bevorstehenden, herrlichen Ordnung der Dinge zu reden.[50] Einiges spricht dafür, dass sie zoroastrischen Schriften kannten und von ihnen beeinflusst wurden. Der göttliche Zorn würde alsbald vor allem die anderen Völker treffen, alle jene, die sich an Israel vergangen hatten. Endlich würde die Welt so werden, wie Gott sie immer schon gewollt habe. Ein sanfter Übergang sei jedoch nicht möglich, die neue Ordnung könne nicht durch schrittweise Verbesserung der alten erreicht werden. Jahwe würde deshalb erneut in den Lauf der Geschichte eingreifen – diesmal, um sie zu beenden. Jesaja: „Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; man wird nie mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn.“[51] Unter der Fremdherrschaft der Seleukiden, ab ca. 169 v. Chr., wurde schließlich die bedeutendste und vollständigste jüdische Apokalypse von wahrscheinlich mehreren anonymen Autoren verfasst: Das Buch Daniel. Zu dieser Zeit war die jüdische Religion verboten, der Tempel durch den Kult des Zeus entweiht, viele Frauen und Kinder waren in die Sklaverei verschleppt worden.[52] Anstatt Zweifel an Jahwes Güte oder dem Bund mit ihm aufkommen zu lassen, erklärt Daniel das erfahrene Unheil als Teil eines göttlichen Planes in der Geschichte. Dieser Plan, führt nach wie vor zum Heil, vorab jedoch durch ein tiefes Tal einer von Unglauben und religiöser Verfolgung geprägten Endzeit. Die Visionen des Sehers zeigen, wie die irdischen Reiche durch die Macht Gottes zerschlagen werden und das große Chaosungeheuer getötet wird. Danach kommt es zur Auferstehung vieler Toten und zum göttlichen Gericht über die Menschen, dem das Weltreich der Heiligen folgt.[53] Nach dem Buch Daniel entstanden noch eine ganze Reihe weiterer jüdischer Apokalypsen, so zum Beispiel die Kriegsrolle von Qumran, die Abraham-Apokalypse (ca. 100 n. Chr.) und die Baruchapokalypsen (Anfang 2. Jh. n. Chr.).

Der Sinn der jüdischen Apokalypsen war es also gerade nicht, die Verzweiflung des auserwählten Volkes durch düstere Prophezeiungen noch zu erhöhen – vielmehr sollten seine Widerstandskräfte gestärkt werden. Die Frommen und Treuen sollte dazu ermutigt werden, noch ein bisschen länger durchzuhalten. Daniel: „Aber auch manche von den Verständigen kommen zu Fall; so sollen sie geprüft, geläutert und gereinigt werden bis zur Zeit des Endes; denn es dauert noch eine Weile bis zu der bestimmten Zeit.“[54]

Die Leserschaft verlangte es nach Aufhebung der kognitiven Dissonanz, hervorgegangen aus der Spannung zwischen ihren Idealen und der Wirklichkeit. Dieses Verlangen mündete, wie Peter Sloterdijk feststellt, im „Komplex jüdischer Apokalyptik, die vom 2. vorchristlichen Jahrhundert an zu einer Verschärfung des Prophetismus führen sollte. In seiner exzessiven Übersteigerung ging dieser bis zur Forderung nach der Vernichtungsrache Gottes am unheilbar korrupten Weltbestand im ganzen.“[55]

2.3 Die Entstehung der christlichen Apokalyptik

Es spricht einges dafür, dass der historische Jesus selbst ein flammender Apokalyptiker war.[56] In der Tradition Deuterojesajas verkündete er seinen Anhängern das kommende Reich Gottes auf Erden. Dabei bemühte er sich bevorzugt um jene, die in Galiläa wenig zählten und kaum Ehre besaßen: Sträflinge, Bettler, Behinderte, Prostituierte, Kinder. Ihnen versprach er Aufwertung in Gottes Reich: „Viele aber, die jetzt die Ersten sind, werden dann die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein.“[57] Die bisherige Verhinderung des Reiches erklärte er, wie Markus es überliefert, durch eine dualistische Eschatologie, durch den Einfluss des Bösen bzw. Satans.[58] Die Wunder, die Jesus wirkte, waren Nah-Zeichen und zugleich Kampfhandlungen im Vorfeld der kommenden eschatologischen Kriege, in denen das Böse endgültig besiegt werden würde:

„Denn es wird eine große Not kommen wie es noch nie eine gegeben hat, seit die Welt besteht, und wie es auch keine mehr geben wird. […] Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.[…] Amen, ich sage Euch: Diese Generation wird nicht ver-gehen, bis das alles eintrifft.“[59]

Ob Jesus irgendwelche konkreten Umsturzpläne hegte oder den Weltwandel allein Gott überlassen wollte, ist umstritten. Norman Cohn meint, er sei keinesfalls Revolutionär gewesen, auch kein Sozialreformer, sondern geistiger Führer. Doch letztlich kam es aufs Gleiche hinaus, da Jesus sich als Werkzeug innerhalb eines Heilsplans begriff, durch den auch die weltlichen Verhältnisse umgestürzt werden würden. Sicher ist jedenfalls, dass er davon ausging, in Bälde als Gottes Vizeregent in Palästina zu herrschen.[60]

Für die auf die Kreuzigung Jesu folgenden ersten frühchristlichen Generationen wurde die Parusieverzögerung zu einem ernsten theologischen Problem. Die Wiederkehr des Herrn und das Reich Gottes waren vom Messias selbst vorhergesagt worden und doch nicht eingetroffen. Seitdem hatte sich die Welt auch nicht grundlegend zum Besseren gewandelt. Im Gegenteil, mitunter wurden Christen sogar verfolgt.[61] Höhepunkt der klassischen christlichen Apokalyptik, welche auf dieses Problem reagierte, ist die Offenbarung des Johannes. Die Offenbarung ist das letzte Buch der neuen Testamentes und neben den Evangelien wahrscheinlich ihr populärstes und meist zitiertes.[62] Es wendet sich gegen den römischen Kaiserkult und verkündet die baldige Rückkehr Christi und die kommende Herrschaft Gottes.[63] Die Visionen beginnen damit, dass Jesus (das Lamm) mit der Enthüllung und Umsetzung des göttlichen Heilsplanes (das Buch mit den sieben Siegeln) betraut wird.[64] Dann erscheinen die apokalyptischen Reiter und läuten die Zeit der Drangsal ein.[65] Die Menschheit wird von Seuchen, Engeln und Naturkatastrophen dezimiert; viele werden von bösen Herrschern bzw. dem Antichristen, Stellvertreter Satans auf Erden, verführt, und Kampf und Chaos bricht unter den Zivilisationen aus.[66] Dann werden die Schalen des göttlichen Zorns über der Welt ausgegossen, wobei es zur Vernichtung Roms[67], der 'Hure Babylon', kommt.[68] Dämonengeister schwärmen aus, um die Könige der Erde zusammenzuholen und sie an einen Ort zu führen, der Harmagedon heißt. Dort bricht die erste eschatologische Schlacht aus. Ein Stellvertreter Gottes bzw. sein Sohn steigt mit einem Schwert bewaffnet und mit einer himmlischen Armee im Rücken auf die Erde hinab, besiegt den falschen Propheten und seine Anhänger.[69] Satan wird in eine tiefe Schlucht gekettet. Das ermöglicht die Errichtung des tausendjährigen Friedensreiches (Millennium) in welchem Jesus Christus über die Erde herrscht. Doch nach den tausend Jahren überfällt der Teufel die Welt erneut. In der nun folgenden zweiten eschatologischen Schlacht wird Satan endgültig besiegt, brennt für immer in einem Schwefelsee. Es folgt das Endgericht, zu welchem die Toten auferstehen und alle Menschen nach ihren Werken und Taten gerichtet werden.[70] Die Schlusskapitel schildern ein neues Jerusalem, in dem der Tod nicht mehr ist und die erretteten Christen selig leben.

Die Offenbarung wurde um 95 nach Christus, zur Regierungszeit des römischen Kaisers Domitian, von einem Autor verfasst, der sich Johannes[71] nannte. Wahrscheinlich war er ein bedeutender Wanderprophet in der Provinz Asia.[72] Johannes gibt an, auf der Insel Patmos gewesen zu sein, weshalb er auch 'Johannes von Patmos' gennant wird. Seine Apokalypse ist teilweise in Briefform geschrieben, vermutlich war sie aber zur liturgischen Lesung gedacht.[73] Sie richtet sich an die sieben kleinasiatischen christlichen Gemeinden in der Nähe von Ephesus. Lange galt, beeinflusst durch die christliche Geschichtsschreibung, dass Johannes damit auf die Christenverfolgung unter Domitian reagierte und wegen christlicher Predigt nach Patmos verbannt worden war.[74] Neuere Forschungen widersprechen diesem Bild jedoch und stellen die Christen zu jener Zeit als gesellschaftlich gut integriert dar. Das bringt Norman Cohn dazu, Johannes' endzeitliche Visionen allein auf seinen vermeintlich extremistischen und aufrührerischen Charakter zurück zu führen.[75] Andere Wissenschaftler nehmen hingegen an, dass er Zeuge früherer Christenverfolgungen unter Nero gewesen sein könnte.[76] Schließlich bewegt wieder andere die Militanz, mit der Johannes das Bekenntnis zu Christus fordert, dazu, in der Offenbarung einen ersten Höhepunkt des christlichen Antijudaismus zu sehen. Andrew Gow:

„Dabei ist zu zu bedenken, daß die wörtliche und traditionelle Auslegung der relevanten Stellen in der Offenbarung des Johannes die Mehrheit der verbliebenen Juden zu Anhängern des falschen Messias, also des Antichrist, erklärt, und im blutgetränkten Endkampf bei Megiddo ('Armageddon') ermordet werden läßt.“[77]

Viele Passagen der Offenbarung zeigen jedoch Spuren eines judenchristlichen Selbst-verständnisses und die kundige Berufung auf die jüdische Prophetie und Apokalyptik, insbesondere das Buch Daniel.[78] Einleuchtend klingt deshalb Norman Cohns Einschätzung, dass die Offenbarung sich selbst als triumphalen Abschluss und Vollendung der jüdischen Prophetie setzte. Die Wahrheit ist, dass wir über Johannes von Patmos, sein Leben und seine Motive nur wenig wissen. Verbürgt ist lediglich sein tiefes Bekenntnis zu Christus und sein Hass auf das römische Kaisertum.

Neu in seiner Apokalypse ist, im Gegensatz zu den älteren jüdischen Apokalypsen, die starke und eigenständige Präsenz des Bösen sowie die Wiederauferstehung aller Toten und schließlich das Auftreten eines transzendenten Messias, der die Aufgabe des Gerichtes übernimmt. Die Erlösung bezieht sich zudem nicht mehr auf ein umgrenztes Volk, sondern wird als potenziell allen Menschen offenstehend gedacht.[79] Diese Unterschiede führt Cohn, neben den Implikationen, welche sich aus dem Erscheinens des Sohnes Gottes ergaben, auch auf erneute zoroastrische Einflüsse zurück.[80] Der Messias Johannis hätte viel mehr mit dem Gotteskriegern des Weltkampfmythos gemeinsam als mit den messianischen Gestalten des alten Testamentes. Die Religionsforscher Victor und Victoria Trimondi nennen den apokalyptischen Jesus deshalb auch „militanter Messias“[81].

3. Die thymotische Deutung der Apokalypse

Apokalypsen, so möchte ich zuspitzen, sind Schriften des Zorns und der Rache. Eines Zorns, wie wir ihn konzeptuell in der griechischen Antike ausgearbeitet finden und der mit dem Streben nach Gerechtigkeit und Ehre verknüpft ist. Peter Sloterdijk hat diesem Zorn ein eigenes Buch gewidmet: Zorn und Zeit. Er sieht im Zorn eine im Menschen angelegt Primärenergie und den Keim allen Kulturschaffens.[82] Sloterdijk schließt damit an die von dem amerikanischen Politologen Francis Fukuyama in Das Ende der Geschichte begonnene Wiederbelebung eines zentralen Begriffs der Platonischen Psychologie an: des Thymos. Dieses philosophisch-anthropologische Konzept scheint mir geradezu prädestiniert, um die emotionalen und motivationalen Ebenen der Apokalypse zu beschreiben.[83]

3.1 Thymoskonzepte bei Platon, Fukuyama und Sloterdijk

Platon entwickelt den Gedanken der thymotischen Vermögen und Regungen im vierten Buch der Politeia im Zuge der sogenannten Seelenteilung. Demnach besteht die menschliche Seele aus drei Komponenten: Logistikon (Vernunft), Epithymetikon (Begehren, Lust) und eben Thymos.[84] Thymos ist der beherzt-mutige, nach Verteidigung der eigenen Werte und Würde strebende Teil der Seele, der sich, wenn herausgefordert, vor allem in Form zorniger Empörung äußert.[85] Durch seinen Thymos kann der Mensch sogar zornig auf sich selbst werden – sobald er nämlich den eigenen Idealen zuwider handelt. Dieses Faktum führt Platon als Argument für die Trennung von Thymos und Epithymetikon ins Feld: „Diese Erzählung, bemerkte ich, zeigt denn doch, daß der Zorn manchmal mit den Begierden im Kampfe liege, als ein anderes mit einem anderen“[86] (Sokrates). Der Thymos steht deshalb für die Möglichkeit, das kreatürlich-egoistische Triebgeschehen zu überwinden. Er kann so zum Verbündeten der Vernunft werden. Dazu der Philologe Wolfram Brinker: „Den Anteil, den ein Mensch an der Gerechtigkeit und mithin am Guten eigens durch seinen Thymoeides enthält, wird von Sokrates als 'Tapferkeit' (Andreia) bezeichnet, das Thymoeides ist dann ein 'Mitstreiter' des Logistikon für das Gute.“[87] Eine starke thymotische Erregbarkeit ist Voraussetzung sowohl für den Heroen, das stolze Kriegertum als auch für jeden Revolutionär.[88] Sie ist die Grundlage der mutigen Beherztheit, die einen Menschen in die Lage versetzt, das eigene Leben für eine höhere Sache aufs Spiel zu setzen. Aus dem kreatürlichen Kampf ums Überleben, darauf hebt Francis Fukuyama ab, wird so und mit zunehmenden zivilisatorischen Fortschritt der Kampf um Anerkennung: Anerkennung der eigenen Werte, der eigenen Größe, der eigenen Gruppe.[89] Mit Hilfe des Thymoskonzeptes sucht Fukuyama zu zeigen, dass hinter der Entwicklung der menschlichen Gesellschaften mehr steckt als die Entfaltung einer allgemeinen Vernunft im Sinne von Aufklärung und Modernisierung, sondern das Bewusstsein von Werten, die Handlungsorientierung an höheren Zwecken und das Verlangen nach Gerechtigkeit.[90] Bezugnehmend auf die Hegelinterpretation Kojèves sieht er in den Kämpfen um Anerkennung eine Hauptantriebskraft der Geschichte[91] und im Thymos den spezifisch politischen Teil der menschlichen Persönlichkeit.

Es wichtig zu verstehen, das Thymos nicht egozentrisch gedacht ist. Der Thymos ist ein soziales Vermögen.[92] Er ist Sitz des stolzen Gemeinschaftsgeistes, des Mutes, sich für Andere einzusetzen, des Verlangens, ein über die kreatürliche Bedürfnisbefriedigung hinaus sinnvolles Leben innerhalb einer guten Ordnung zu führen.[93]

Nun machte allerdings schon Platon darauf aufmerksam, dass der Thymos nicht automatisch ein Verbündeter der Vernunft sein muss und Gutes wirkt.[94] Der thymotische Zorn kann den Menschen auch zerstörerisch kompromisslos machen oder zu kontraproduktiven Rachefeldzügen verleiten.[95] Der Unterschied zwischen Fukuyama und Sloterdijk besteht hier darin, dass Fukuyama bestrebt ist, die guten Seiten des Thymos zu isolieren und ihnen eine Form zu geben, die – ähnlich wie in Platons ursprünglichem Entwurf in der Politeia – mit einer gerechten politischen Ordnung identifiziert werden kann.[96] Sloterdijk hingegen behält vor allem die destruktiven und schwer kontrollierbare Seiten des thymotischen Zorns im Auge.

Doch selbst Fukuyama räumt ein, dass das Verlangen nach Anerkennung

„ein ausgesprochen paradoxes Phänomen [ist]. Denn Thymos ist nicht nur der psychologische Ort des Gerechtigkeitssinnes und der Selbstlosigkeit, sondern auch eine Form menschlicher Eigensucht. Das thymotische Selbst fordert Anerkennung für seine eigene Wertschätzung der Dinge, ob sie seine eigene Person oder andere Menschen betrifft. […] Es gibt keine Garantie dafür, daß das Gerechtigkeits- empfinden des thymotischen Selbstes mit dem anderer Individuen übereinstimmt.“[97]

Zudem neigt der thymotische Zorn zu extremen Positionen:

„Geld kann man teilen, über Würde hingegen gibt es keinen Kompromiß. Entweder der andere anerkennt meine Würde oder die Würde dessen, was mir heilig ist, oder er tut es nicht. Nur 'Thymos', das 'Gefühl', das nach Gerechtigkeit strebt, kann echten Fanatismus, Obsession und Haß hervorbringen.“[98]

Ausbleibende Anerkennung durch relevante Andere erregt Zorn. Das sich daraus ableitende Handeln strebt danach, die Anerkennung zu erzwingen.[99] Zorn, könnte man also sagen, ist die akut unbefriedigte Form des Thymos, während Stolz und Ehrgefühl befriedigte Zustände sind.

3.2 Thymos, Kultur und Politik

Sloterdijk benennt die thymotische Erregbarkeit als das zentrale Charakteristikum des antiken Helden, der damit auf den Urgrund menschlicher Kultur verweist. Die ersten heroischen Impulse im Menschen entspringen seinem Zorn über das Ausgeliefertsein an die Natur. Durch mythisches Denken vermag er zwar, die ihn umgebenden Gewalten sinnhaft zu deuten, doch seine magisch-mimetischen Beeinflussungsversuche verbleiben im Modus von Demut, Sinnstiftung und Einpassung.[100] Sie machen die Schutzlosigkeit erträglicher, aber sie beheben sie nicht. Erst sein Zorn bringt den Menschen dazu, sich den Naturkräften entgegenzustemmen, ihre Macht durch eigene Erfindungen zu brechen, sich mit den Göttern zu verbinden und schließlich prometheisch nach eigener Schöpfung zu streben.[101]

Doch das usprüngliche Ausgeliefertsein kann auf gesellschaftlicher Ebene zurückkehren, die Zivilisation kann dem Menschen zur zweiten Natur werden.[102] Ungerechtigkeit und Ungleichheit erzeugen neuen Zorn – diesmal bei den Benachteiligten. Für jedes Gemeinwesen stellt sich deshalb die Frage, wie es mit dem erregten Thymos seiner Mitglieder umgeht: Soll ihr Zorn befriedigt, unterdrückt oder eingehegt werden? Fukuyama ist der Meinung, dass einzig die Staatsform der Demokratie Lösungsansätze für diese Frage bereithält, und eben damit wähnt er die politische Kultur am Ende der Geschichte. Sloterdijk weist zunächst hin, dass – unabhängig von der Staatsform – einzelne Akteure ihren Zorn delegieren können. Sie können darauf verzichten, ihre Anerkennung selbst zu erzwingen und das Unrecht aus der Welt zu schaffen, sondern sich stattdessen mit einem thymotischen Agenten identifizieren, den sie unterstützen und dessen Planungen und Befehlen sie sich gegebenenfalls unterwerfen. Solche Agenten tauft Sloterdijk als Einzelpersonen 'Zornunternehmer' und als Organisationen 'Zornbanken'.[103] Beispiele dafür seien revolutionäre Führerpersönlichen, politische Parteien oder in vormodernen Zeiten die christlichen Kirchen. Zornagenten, so Sloterdijks Vorstellung, sammeln den Zorn ihrer Einleger und betreiben damit eine thymotische Ökonomie, das heißt, sie investieren und vermehren das thymotische Kapital und setzen es strategisch ein. Das ändert etwas in der Art, wie der Thymos gesellschaftlich zur Wirkung kommt. Mit dem Beginn der repräsentativen Politik endet das Zeitalter der Helden. Denn nur über den individuellen Racheaufschub und den Verzicht auf Heroismus zu Gunsten politischer Großprojekte lässt sich 'Geschichte' machen.

3.3 Apokalypse als thymotische Gattung

„Dann hörte ich, wie eine laute Stimme aus dem Tempel den sieben Engeln zurief: Geht und gießt die sieben Schalen mit dem Zorn Gottes über die Erde!“[104]

3.3.1 Der göttliche Zorn

In den klassischen Apokalypse ging es nicht um die Wiederherstellung der göttlichen Macht auf Erden – denn wie könnte der Allmächtige diese je eingebüßt haben? Es ging auch nicht wirklich um die Vernichtung Satans – denn sollte dieser Gott je ebenbürtig gewesen sein, wäre das ein Widerspruch zum Monotheismus. Aber worum ging es dann? Die Lösung des Rätsels scheint mir darin zu liegen, dass der Gott der Apokalypse mit dem Menschen ein Wesen nach seinem Bilde geschaffen hatte, ein Wesen von dem er wollte, das es selbst erkennen und entscheiden konnte. Er hatte keine Schöpfung gewollt, in der alles perfekt lief, nur weil er so geplant hatte. Erst Zarathustras Ahura Mazda und dann auch Jahwe wollten, dass die Menschen sich aus freien Stücken für das Gute entscheiden. Es ist eine der verborgensten Wahrheiten der Apokalypse, dass Adam und Evas Griff nach der verbotenen Frucht mit insgeheimer Billigung ihres Schöpfers erfolgte.[105] Vielleicht nicht zufällig war die theologische Abkehr vom Endzeitglauben vergesellschaftet mit der Entstehung der Erbsündenlehre. Denn eigentlich war die Trennung der Menschen von ihrem Schöpfer gar keine Sünde oder doch eine notwendige Sünde. Erst durch die Frucht vom Baum der Erkenntnis hatten Adam und Eva die Fähigkeit erworben, gut und böse zu unterscheiden. Erst jetzt konnten sie ihren Herrn aus freien Stücke lieben und achten.

Doch ach – das taten sie viel zu selten. Stattdessen lebten ihre Kinder in Sünde und Hybris.

Für die Apokalyptiker gab es nicht viel zu deuten: das Experiment scheiterte. Ihre Visionen beschrieben die auf diese Einsicht folgende Rache Gottes an seiner eigenen Schöpfung.

Gott will also Genugtuung als Thymotiker: Es geht ihm nicht um eine ihm faktisch immer gegebene Macht, sondern um die Anerkennung seiner Größe, welche er durch das apokalyptische Finale erzwingt.[106] [107]

Die Autoren der klassischen Apokalypsen sahen die Möglichkeiten einer Anerkennung ihrer selbst und dessen was ihnen heilig war, verloren und verschlossen.[108] Verzeihen fällt dem leichter, der sich der prinzipiellen Legitimität seiner Rachewünsche sicher sein kann und darin anerkannt wird. Bleibt die Welt taub und blind für das Übel, dass ihm angetan wurde und werden die Zornspannungen chronisch, so Sloterdijk, sind Hass und Ressentiments die Folge. Die Apokalypse verfolgt hier einen thymostherapeutischen Ansatz: Sie löst das Ressentiment auf, holt die Kränkungen ins Bewusstsein und überführt selbstzerstörerische Hassgefühle in eine befreiende Rachephantasie.

Um die gefährdete Selbstachtung zu stabilisieren, soll Gott denen, welchen es an Glauben und Demut mangelt, ihre falsche Ehre nehmen:„Die Menschen, die in stolzer Höhe dahinschreiten, kann er erniedrigen.“[109] All jene werden dann gerächt, die in Gottes Namen sterben und leiden mussten:

„Und als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten. Sie riefen mit lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftger, Gericht zu halten und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen?“[110]

Das Motiv der Gerechtigkeit ist für die Apokalypse zentral. So beginnen die griechischen Zusätze des Daniel-Buches mit der Geschichte, wie Daniel die Steinigung einer vermeintlichen Ehebrecherin verhindert, indem er die Richter der Falschaussage und des unehrenhaften Vorlebens überführt: „Ungerechte Urteile hast du gefällt, Schuldlose verurteilt, aber Schuldige freigesprochen [...].“[111] Gerechtigkeit bedeutet für dem Apokalyptiker aber auch, das das kommende göttliche Reich nicht allen Menschen offen stehen wird. Daneben wird es einen Ort geben, an dem für alle anderen die ewige Strafe wartet. Im Zoroastrismus ist dies das Reich Angra Mainyus, wo die Verdammten gemartert und mit widerlichen Speisen gefüttert werden.[112] Sloterdijk: „Unter dem Einfluß dieser Idee wird der Begriff Ewigkeit mit dem Bild einer finalen Straf- und Folteranstalt assoziiert, die sich auf ein umfassendes göttliches Unrechtsgedächtnis und eine entsprechende Rachekompetenz stützt.“[113]

Matthäus lässt Jesus die Vorgänge am Tage des Gerichts folgendermaßen beschreiben:

„Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. […] Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist. […] Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.“[114]

Die Apokalypse bedeutet deshalb nicht nur die Heraufkunft des Himmels auf Erden, sie ist auch der ideengeschichtliche Geburtsort der Hölle, wie sie in die Eschatologie des Christentums einging.

3.3.2 Thymos und Naherwartung

Entscheidend für den Charakter der Apokalypse als radikal thymotisch ist, dass die Abrechnung in Kürze erwartet wird. Wird das jüngste Gericht hingegen auf unbestimmte Zeit verschoben, entfaltet die Delegation der Rache an Gott ihr befriedendes Element. Was die apokalyptischen Prophezeiungen so faszinierend, so tröstend, vitalisierend, doch auch beunruhigend macht, ist die Naherwartung.[115] Deshalb führt apokalyptischer Glaube normalerweise nicht zur Weltflucht. „Im Gegenteil: Angesichts des bevorstehenden Jüngsten Gerichts ist jeder Christ aufgerufen zu verstärkter Verantwortung für sein eigenes Heil und eben auch für die Welt.“[116] (Anja Moritz)

So entschieden ist ihre thymotische Ausrichtung, dass Apokalypsen in vielen Punkten eine offene Feindschaft gegenüber den beiden anderen Teilen der Platonischen Persönlichkeit eigen ist. Apokalpytiker setzen Visionen und den puren zornigen Antrieb gegen das vernünftige Denken. Und was zählen die epithymetischen Triebe der Sexualität und des Selbsterhalts, was zählen Genuss und Besitzstreben in einer Welt, deren Stunde geschlagen hat? So schreibt Paulus:

„Denn ich sage euch, Brüder: die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“[117]

Und bei Tertullian: „Darum ist es das beste für den Menschen, kein Weib zu berühren, und darum ist die Heiligkeit der Jungfrau die vorzüglichste […].“[118] Denn um den Fortbestand der Menschheit musste er sich nicht mehr sorgen: „Wir sind es, auf deren Lebenszeit das Ende der Zeiten trifft. Wir sind von Gott vor Erschaffung der Welt für das Ende der Zeiten bestimmt.“[119]

3.3.3 Gewinn des Schreibers

Klaus Vondung sieht in der Apokalypse ein Verfahren von der Verzweiflung über gesellschaftliche Zustände und die Vergeblichkeit der menschlichen Existenz zur Sinngebung zu schreiten.[120] Endzeitliche Offenbarungen seien Reaktionen auf einen Zustand „existentieller Sinnleere und Orientierungslosigkeit“[121]. Sie deuteten die Welt in einer Weise, die beunruhigenden Erfahrungen ihre Bedrohlichkeit nehme und Komplexität durch eine Art von Verschwörungstheorie reduziere.[122]

Damit liegt Vondung sicherlich nicht falsch. Doch indem er Orientierung und Sinngebung zur der zentralen Funktion der Apokalypse erhebt, entgleitet ihm die Gewichtung. Denn der Apokalyptiker gibt sich nicht mit der Konstruktion eines Sinns zufrieden, genauso wenig, wie er sich durch jenseitige Paradiesvorstellungen beruhigen ließe. Er will seine Vorstellung von einem richtigen und gerechten Leben real Geltung verschafft wissen und zwar auf Erden und zwar bald. Und er will Genugtuung für das erlittene Unrecht. Durch sein umfassendes Wissen über den Weltlauf erhebt sich der Apokalyptiker nicht nur über die Masse der Unwissenden, sondern über die Welt überhaupt. Diese Erhebung strahlt auf seine Anhänger ab. Dadurch, dass sie gemeinsam zu zornigen Medien der Verkündigung und Zerstörung auserkoren wurden, haben sie bereits eine Schlüsselstellung im göttlichen Plan inne; ihr eigenes Wirken ist zugleich das direkte Eingreifen Gottes. Deshalb jubelte bei Zarathustras Geburt die gute Schöpfung, während die Dämonen versuchten, das Kind zu ermorden.[123] Während Vondung es so darstellt, als sei die (Selbst-)vergöttlichung des Apokalyptikers ein abgeleiteter Vorgang, eine Versuchung, etwas was den Autoren 'unterläuft', sollte genau hier ein zentraler Sinn des apokalyptischen Schreibens gesucht werden: in der mystischen Verbindung und Identifikation mit Gott und seinem Zorn.[124]

4. Die Weiterentwicklungen der Apokalyptik

4.1 Das christliche Abrücken von der Apokalypse

Als der Zoroastrismus im iranischen Raum zur vorherrschenden Glaubensrichtung geworden war, der Weltuntergang nach dem Tode des Propheten aber ausblieb, verlängerten die Gelehrten die Wartefrist um um volle 2000 Jahre. Das war selbst für den auf nachhaltige Machtsicherung bedachten Königshof ein akzeptabler Zeitrahmen. Der Aufschub im Falle des Christentums wiederholte sich auf analoge Weise. Mit dem Aufstieg zur römischen Staatsreligion und der Institutionalisierung der Kirche begann die theologische Distanzierung von der subversiven, auf jeden Fall antiimperialistischen Apokalyptik. Augustinus (354 – 430) gab die Naherwartung des Endes in seinem De Civitate Dei auf und erklärte die Selbstoffenbarung Gottes in der Vergangenheit zum Angelpunkt christlichen Glaubens.[125] Auch er dachte das göttliche Reich im Gegensatz zum irdischen Reich, doch manifestierte sich ersteres für ihn schrittweise und dialektisch in Form der gläubigen Christenheit. Die auf ihn folgenden Theologen des Mittelalters verwandten die apokalyptischen Motive weiter, doch erfuhr das einst aufrührerische Bilderensemble dabei eine spektakuläre Umnutzung zum Zwecke sozialer Einpassung. Hölle, Antichrist und Weltgericht wurden zu Sinnbildern und paränetischen[126] Instanzen im Dienste der Einheit und Einhaltung von göttlichen und weltlichen Gesetzen. Längst hatte man die Kritik der Gegenwart von jedem apokalyptischen Fatalismus befreit. Warum sollte man eine Zeit rundheraus ablehnen, in der die Kirche an Macht gewann und sich die Schaar der Gläubigen weltweit mehrte?[127] Die einst verfolgte Jesussekte war nun selbst 'Establishment' und kehrte mit dem Kaisertum zur Tradition affirmativer Herrschaftsreligionen mit konservativem Geschichtsbild zurück. Zudem verfolgten die kirchlichen Führer und Organisationen selbst realpolitische Ziele, konnten ihre Anhänger thymotisch mobilisieren und Einfluss auf weltliche Würdenträger nehmen. So gebührte erst der sich von der Apokalyptik abwendenden christlichen Großkirche die Ehre, die erste, wie Sloterdijk es ausdrückt, 'internationale Weltbank des Zorns' zu werden.

Doch der damit verbundene Aufschub der Gerechtigkeitsforderungen hatte seinen Preis:

„Er bestand in der Generalisierung eines latenten Ressentiments, das den aufgehobenen Rachewunsch selbst und sein Gegenstück, die Verdammnisangst, ins Herzstück des Glaubens, die Lehre von den letzen Dingen, projizierte. Auf diese Weise wurde die Bestrafung der Übermütigen in alle Ewigkeit zur Bedingung für das zweideutige Arrangement der Menschen guten Willens mit den schlimmen Verhältnissen.“[128]

[...]


[1] Vgl. John Gray: Politik der Apokalypse. Wie Religion die Welt in die Krise stürzt. Stuttgart 2009, S. 9f.

[2] Vgl. Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder: „Einleitung.“ in: Ders. (Hg.): Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen. S. V-XIII. Berlin 2008, S. V.

[3] Kein identifizierbarer Autor, als Kollektiv unter dem Pseudonym Unsichtbares Komitee veröffentlicht.

[4] Zusammen mit der Schöpfung des Wortes 'Apokalypse' als literarischem Gattungsbegriff erfolgte auch die Sammlung und Neuübersetzung zahlreicher Apokalypsen und eine Welle künstlerischer Bearbeitungen, vor allem innerhalb der deutschen Romantik und des Expressionismus.

[5] Alfons Deissler/Anton Vogtle/Johannes M. Nützel (Hg.): Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung. Mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel. 3. Auflage der Sonderausgabe der 11. Auflage. Freiburg bei Breisgau 2000, S. 1782.

[6] Offb. 21.1-4.

[7] Klaus Vondung: Die Apokalypse in Deutschland. Originalausgabe, München 1988, S. 76.

[8] Siehe Vondung 1988, S. 47, 91ff; vgl. Volker Leppin: „'...mit dem künfftigen Jüngsten Tag und Gericht vom sünden schlaff auffgeweckt'. Lutherische Apokalyptik zwischen Identitätsvergewisserung und Sozialdisziplinierung (1548 – 1618).“ In: Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder (Hg.): Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen. S. 339-349, Berlin 2008, S. 339, 348f; vgl. Gray 2009, S. 16f.

[9] Peter Sloterdijk: Zorn und Zeit. Frankfurt am Main 2006, S. 147.

[10] s. Vondung 1988, S.: 178ff; vgl. Norman Cohn: Das Ringen um das tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus im Mittelalter und sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen. München 1961, S. 70.

[11] Siehe Vondung 1988, S. 201ff.

[12] Vgl. Offb. 6.12-13.

[13] Allein der Einfachheit halber spreche ich in Bezug auf die Apokalypse von 'Text' und 'Autor'.

[14] Vgl. Vondung 1988, S. 81.

[15] Klaus Koenen: „Eschatologie“, Artikel in: Das wissenschaftliche Bibelportal der deutschen Bibelgesellschaft. [online], Erscheinung 2010, abrufbar im Internet, abgerufen am 03.06.2011. Stuttgart, Stand 2011

[16] Beispielsweise gehörte die Drei-Stände-Lehre als gottgewollte Sozialordnung zur Eschatologie Luthers.

[17] Vgl. Jaques Derrida: „Von einem neuerdings erhobenen apokalyptischen Ton in der Philosophie“ in: Ders.: Apokalypse, Wien 2000 (französische Erstausgabe 1983).

[18] Vgl. Vondung 1988, S. 30.

[19] Z.B. gehören manch aktuelle Warnungen vor der drohenden Kilmakatastrophe, etwa in Filmen wie The Day after Tomorrow (2004), in diese Kategorie.

[20] Obwohl diese auch beliebte Kampfplätze von Kulturkritik im allgemeinen sind.

[21] Vgl. etwa Dan. 5.23-25.

[22] 1 Petri 4.7.

[23] 2 Petri 2.10a.

[24] Gerhard Henschel: Menetekel. 3000 Jahre Untergang des Abendlandes. Frankfurt am Main 2010, S. 74.

[25] Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass es unter den praktizierenden apokalyptischen Sekten in dieser Hinsicht auch Ausnahmen gab: Die böhmische Adamiten, die im 15. Jahrhundert einem militanten Endzeitglauben anhingen, praktizierten kollektive Formen von Sexualität, die allerdings autoritär reglementiert waren. Sie wollten damit die irrigen Einflüsse der menschlichen Zivilisation zurückzudrängen, herrschenden Gesetzen zuwiderhandeln und in einen paradiesischen Zustand der Unschuld zurückkehren. Und auch der Anführer der Münsteraner Wiedertäufer, der Apokalyptiker Jan von Leiden, führte, allerdings gegen Widerstände im eigenen Lager, die Vielehe ein.

[26] Das gilt schon für die apokalyptische Vision des persischen Predigers Zarathustra, s. Cohn 1997, S. 157.

[27] David Wilkerson, zit. nach Meinrad Scherer-Emunds: Die letzte Schlacht um Gottes Reich. Politische Heilsstrategien amerikanischer Fundamentalisten. Münster 1989, S. 79.

[28] Dan. 10.16, 18-19.

[29] Siehe Cohn 1997, S. 9, 15f, 38, 73, 77.

[30] Vgl. Cohn 1997, S. 15f und Jan Assmann: Steinzeit und Sternzeit. München 2011, S. 181.

[31] Siehe Vondung 1988, S. 94.

[32] Siehe Cohn: 39, vgl. Assmann 2011, S. 229f.

[33] Viele Autoren, welche über Apokalypsen publiziert haben, betrachten sie als ein spezifisch 'westliches' Phänomen: z.B. Stephan Popov [s. Stephan Popov: Am Ende aller Illusionen. Der europäische Kulturpessimismus. Köln 1982, S. 478] oder auch John Gray [s. Gray 2009, S. 116]. So unklar und problematisch, der Begriff 'westlich' auch sein mag, habe ich ihn hier in Ermangelung eines besseren und im Anschluss an die zitierten Autoren ebenfalls verwendet. Ob diese Zuordnung stimmt, vermag ich selbst nicht zu beurteilen, dass wäre eine weitere Untersuchung wert. Alle von mir zitierten Autoren beziehen sich allerdings in ihren Überlegungen auf die von der griechischen Antike, den abrahamtischen Religionen und der europäischen Aufklärung wesentlich beeinflussten Kulturräume und kulturgeschichtlichen Entwicklungslinien.

[34] Siehe Cohn 1997, S. 127f.

[35] A.a.O., S. 124.

[36] Siehe a.a.O., S. 133.

[37] Allerdings sieht Jan Assmann Hinweise auf Vorstellungen von einer absoluten Begrenzung der Zeit auch bei den alten Ägyptern, wenn auch nicht in chiliastischer Form. Vgl. Assmann 2011, S. 33ff.

[38] Womit hier nicht gemeint ist, vor Zarathustra hätte es niemals Monoetheismus gegeben. Den Glauben an den einen Gott gab es in anderen Weltregionen schon wesentlich früher. Seine Ursprung ist nicht abschließend geklärt. Vgl. etwa Assmann 2011, S. 179.

[39] Siehe Cohn 1997, S. 130ff.

[40] Siehe Cohn 1997, S. 181.

[41] Siehe a.a.O., S. 140f.

[42] Siehe a.a.O., S. 152.

[43] A.a.O., S. 126; vgl. a.a.O., S. 153.

[44] Siehe Cohn 1997, S. 215.

[45] Siehe a.a.O., S. 218. 223.

[46] A.a.O., S. 218f.

[47] Allerdings ist das historisch nicht vollständig belegt.

[48] Cohn 1997, S. 225.

[49] Dan. 3.32-34, 37.

[50] Siehe Cohn 1997, S. 226.

[51] Jes. 65,17f.

[52] Siehe Frank Ueberschaer: „Antiochos IV. Epiphanes“ [online], Artikel in: Das wissenschaftliche Bibelportal der deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart 2010, abgerufen am 17.08.2011; Siehe Cohn 1997, S. 254.

[53] Vgl. Cohn 1997, S. 264.

[54] Dan. 11.35.

[55] Sloterdijk 2006, S. 128f.

[56] Vgl. Gray 2009, S. 14.

[57] Mark. 10.31.

[58] Siehe Cohn 1997, S. 296.

[59] Mat. 24.21,29-30, 32-34.

[60] Vgl. Cohn 1997, S. 308.

[61] Vgl. Vondung 1988, S. 447ff.

[62] Vgl. Cohn 1997, S. 321.

[63] Über die Auslegung der in rätselhaften Bilder beschriebenen Vorgänge besteht weder bekennend-theologisch noch religionswissenschaftlich Einigkeit. Jeder Versuch der Zusammenfassung bezieht notwendigerweise einen exegetischen Standpunkt. Ich versuche mich hier in einer kurzen Wiedergabe, die sich an gängigen Interpretationen orientiert.

[64] Siehe Offb. 5.

[65] Siehe Offb. 6.

[66] Siehe z.B. Offb. 9., 13.11.

[67] Siehe Marius Reiser: „Die Katastrophentheorie der Apokalypse des Johannes.“ [online] Vortragsmanuskript aus der Reihe: Interdisziplinäre Ringvorlesung zum Themenschwerpunkt 'Endzeit und Zeitende' an der Universität Mainz, Vortrag vom 14.11. 2005, abrufbar im Internet, abgerufen am 13.07.2011. Mainz, Stand 2011, S. 6.

[68] Siehe Offb. 16 und 17.

[69] Siehe Offb. 19.11f.

[70] Siehe Offb. 20.

[71] Die neuere Forschung ist sich einig, dass es sich dabei nicht um den Apostel Johannes handelte. Siehe z.B. Deissler/ Vögtle/Nützel 2000, S. 1782.

[72] Siehe Cohn 1997, S. 321f.

[73] A.a.O., S. 323, 232.

[74] Vgl. Reiser 2005/2011, S. 3 sowie Deissler, Vögtle, Nützel 2000, S. 1782.

[75] Siehe Cohn 1997, S. 326f.

[76] Vgl. Victor Trimondi/Victoria Trimondi: Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse. München 2006, S. 16.

[77] Andrew Gow: „Wie übergeht oder ignoriert man eschatologisches Gedankengut? Und warum? Und wenn man es einmal übergangen oder verkannt hat, was wären dann konkret die Folgen?“ In: Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder (Hg.): Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen. Berlin 2008, S. 2-12. S. 2.

[78] Vgl. Reiser 2005/2011, S. 4.

[79] Vgl. Gray 2009, S. 17f.

[80] Siehe Cohn 1997, S. 33f, 336-341.

[81] Trimondi/Trimondi 2006, S. 12.

[82] Siehe Sloterdijk 2006, S. 9f.

[83] Auch unabhängig von dessen Wahrheit im Sinne eine korrekten und vollständigen Beschreibung der menschlichen Strebungen.

[84] Vgl. Brinker 2008, S. 67, 98; vgl. Platon: Politeia [online], Buch IV, in: Rudolf Haller (Verantwortlicher): Platon. Die Werke. Nach der Übersetzung von Siegmund Teuffel. Keine Ortsangabe, Stand 2011[html-Dokument ohne Seitenzahlen]

[85] A.a.O., S. 107.

[86] Platon: Politeia [online], Buch IV. Keine Ortsangabe, Stand 2011.

[87] Brinker 2008, S. 110.

[88] Vgl.Brinker 2008, S. 269.

[89] Vgl. Fukuyama 1992, S. 252.

[90] Vgl. a.a.O., S. 233; s. Brinker 2008, S. 101f.

[91] Siehe Fukuyama 1992, S. 204, 275.

[92] Siehe a.a.O, S. 316f.

[93] Vgl. a.a.O., S. 227.

[94] Vgl. Brinker 2008, S. 104.

[95] Vgl. a.a.O., S. 105f.

[96] Siehe Fukuyama 1992, S. 239, 247, 254.

[97] Fukuyama 1992, S. 242 [Hervorhebung im Original kursiv].

[98] A.a.O., S. 295.

[99] Siehe Sloterdijk 2006, S. 43.

[100] Vgl. auch Horkheimer/Adorno 1943/2001, S. 19ff.

[101] Vgl. Sloterdijk 2006, S. 12f.

[102] Vgl. auch Horkheimer/Adorno 1943/2001, S. 32f.

[103] Sloterdijks Übertragung der ökonomischen Terminologie auf die Thymotik ist natürlich angereifbar und sollte in Anführungsstrichen gelesen werden. Es handelt sich dabei weniger um eine geschlossene Theorie, als um eine philosophische Hilfskonstruktion. Das beginnt schon damit, dass der 'Zornunternehmer' so genau nie wissen kann, wie hoch seine angesammelten 'Vermögen' tatsächlich sind. Andererseits haben heute längst auch die Geldvermögen der kapitalistischen Finanzindustrie mehr oder minder fiktionalen Charakter agenommen. Man kann Sloterdijks Terminologie meiner Ansicht nach durchaus eine Beschreibung psychopolitischer Aktionen zutrauen, bei denen sich die Teilnehmer zumindest so verhalten, als sei ihr eingesetztes Kapital eine reale Größe.

[104] Offb. 16.1.

[105] Vgl. Sigrid Brandt: Religiöses Handeln in moderner Welt. Talcott Persons' Religionssoziologie im Rahmen seiner allgemeinen Handlungs- und Systemtheorie. Frankfurt am Main 1993, S. 257.

[106] Vgl. Reiser 2005/2011, S.9.

[107] Diese Auslegung der Apokalypse führt natürlich in spezifische theologische Paradoxien. Dass Gott selber Anerkennung braucht, macht ihn unfrei und damit womöglich letztlich unrespektabel. Ist das Unbehagen am Grunde aller Apokalypse womöglich auch ein Misstrauensantrag gegen jenen einen Gott, zu dem es 'keine Alternative' gibt?

[108] Vgl. Sloterdijk 2006, S. 126f.

[109] Dan. 4.34.

[110] Offb. 6.9.

[111] Dan. 13.53.

[112] Siehe Cohn 1997, S. 154.

[113] Sloterdijk 2006, S. 112.

[114] Mat. 25.34,41,46.

[115] Vgl. Vondung 1988, S. 183.

[116] Anja Moritz: „Endzeit als casus confessionis.“ In: Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder (Hg.): Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen, S. 351-362. Berlin 2008, S. 362.

[117] 1. Kor. 7.29-31.

[118] Tertullian 1912: „Über den weiblichen Putz“ [online] in: P rivate und katechetische Schriften. 1. Buch, 9. Kap. [online] Aus dem Lateinischen übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner. Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Bd 7. München 1912. Und online in: Gregor Emmenegger (Verantwortlicher): Bibliothek der Kirchenväter. Eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung. Fribourg, Stand September 2011, S.340.

[119] Tertullian 1912 [online], 2. Buch, 9. Kap. Fribourg, Stand September 2011, S. 197.

[120] Siehe Vondung 1988, S. 108f.

[121] A.a.O.. S. 218.

[122] A.a.O., S. 111.

[123] Siehe Cohn 1997, S. 159.

[124] Vgl. Vondung 1988, S. 129.

[125] Siehe Joachim Valentin: „Endkampf – Hölle – Paradies. Die Wirkungsgeschichte der Apokalyptik in den

monotheistischen Religionen.“ In: Andreas R. Batlog (Hg.): Stimmen der Zeit 2005/12, S. 843-856, S. 850; vgl. auch Vondung 1988, S. 116.

[126] Paränese meint umfassende und allgemeine Mahnung zu Guten Taten innerhalb der christlichen Predigt. Auch

Warnung vor den Konsequenzen schlechter Taten.

[127] Vgl. Valentin 2005, S. 850.

[128] Sloterdijk 2006, S. 49.

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Das apokalyptische Denken und seine Bedeutung für die Gegenwart
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Kulturwissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
128
Katalognummer
V229964
ISBN (eBook)
9783656470403
ISBN (Buch)
9783656470489
Dateigröße
1409 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Apokalypse, Thymos, Revolution, Zorn, Religion
Arbeit zitieren
Simon Brückner (Autor:in), 2012, Das apokalyptische Denken und seine Bedeutung für die Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229964

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