"Der demokratische Rechts- und Interventionsstaat der 1970er Jahre zentralisierte und monopolisierte die Bereitstellung öffentlicher Güter in einer nationalen Institution. Seither zerfasern diese Aufgaben entlang von zwei Achsen: Internationalisierung hin zu mehr inter- und supranationalen Institutionen; Privatisierung hin zu mehr gesellschaftlichen Akteuren."1 Mit dieser Kurzbeschreibung umreißt der Sonderforschungsbereich 597 – Staatlichkeit im Wandel - der Universität Bremen seine Ausgangssituation bei der Erforschung des Wandels von Staatlichkeit. Diesem Pfad folgend möchte ich mich in dieser Seminararbeit ebenfalls mit dem Wandel moderner Staatlichkeit befassen.
Meine Gedanken und Ausführungen fokussieren sich jedoch auf die Geschwindigkeitskomponente des Wandels moderner Staatlichkeit im Vergleich zur Entwicklungsgeschwindigkeit der Internetkriminalität.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. modeme Staatlichkeit
3. Wandel moderner Staatlichkeit
4. Internetkriminalität
5. Tempo Internetkriminalität
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1 Einleitung
"Der demokratische Rechts- und Interventionsstaat der 1970er Jahre zentralisierte und monopolisierte die Bereitstellung öffentlicher Güter in einer nationalen Institution. Seither zerfasern diese Aufgaben entlang von zwei Achsen: Internationalisierung hin zu mehr inter- und supranationalen Institutionen; Privatisierung hin zu mehr gesellschaftlichen Akteuren."[1] Mit dieser Kurzbeschreibung umreißt der Sonderforschungsbereich 597 - Staatlichkeit im Wandel - der Universität Bremen seine Ausgangssituation bei der Erforschung des Wandels von Staatlichkeit. Diesem Pfad folgend möchte ich mich in dieser Seminararbeit ebenfalls mit dem Wandel moderner Staatlichkeit befassen. Meine Gedanken und Ausführungen fokussieren sich jedoch auf die Geschwindigkeitskomponente des Wandels moderner Staatlichkeit im Vergleich zur Entwicklungsgeschwindigkeit der Internetkriminalität.
Zunächst soll teilweise anhand des Wandels moderner Staatlichkeit die Grundlage geschaffen werden, um überhaupt eine Aussage über zeitliche Eingrenzung des Wandels treffen zu können und diese Erkenntnisse dann mit den Entwicklungen der Internetkriminalität zu verbinden.
Vorab sei erwähnt, dass diese Seminararbeit keine grundlegend neuen Erkenntnisse für die Politikwissenschaft liefern wird, da "inzwischen weitgehend Konsens darüber besteht, dass sich der moderne Nationalstaat, wie er in Europa seit dem 16. Jahrhundert in mehreren Entwicklungsschritten geschaffen wurde, am Beginn des 21. Jahrhunderts in mitten eines tiefgreifenden Wandels befindet."[2] Dieser Wandel ist unter anderem durch die Arbeiten von Stephan Leibfried und Michael Zürn bzgl. ihrer Effekte auf die verschiedenen Dimensionen moderner Staatlichkeit und einer vermeintlichen Transformation des Staates belegt worden. Dieser kurze historische Exkurs hat den Zweck die Trägheit des Wandels moderner Staatlichkeit aufzuzeigen. Die Ausführungen zu den Entwicklungen der Internetkriminalität und auch die grundsätzliche Unterscheidung der Begriffe Internetkriminalität und Computerkriminalität soll dann die rasante Dynamik dieses Themenfeldes aufzeigen.
2 Moderne Staatlichkeit
"Der Staat reguliert heute den Arbeitsmarkt, steuert die Wirtschaft, bekämpft die Kriminalität und sorgt für Bildung; der Staat steuert den Verkehr, schafft und garantiert den Rahmen für demokratische Prozesse, besitzt eigene Unternehmen (...) schafft eine verlässliche Rechtsordnung, stützt soziale Wohlfahrt, unterhält Rentensysteme und treibt Steuern ein."[3] Eine so vielschichtige und vielge- sichtige Organisation braucht ohne jeden Zweifel eine multidimensionale Definition. Daher wird die moderne Staatlichkeit nach Leibfried/Zürn durch die Gesamtheit von vier sich überlappenden Dimensionen erfasst: "1. Die Ressourcendimension umfasst die Kontrolle der Anwendung von Gewalt und die Verwendung von Finanzmitteln. Sie ist eng mit der Ausbildung des modernen territorialen Staates verknüpft. 2. Die Rechtsdimension schließt Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit und alle anderen Elemente der Herrschaft des Rechts ein. Im deutschsprachigen Raum wird die Rechtsdimension unter dem Begriff des Rechts- und Verfassungsstaates zusammengefasst. 3. Die Legitimitätsdimension oder Akzeptanz politischer Herrschaft. 4. Die Wohlfahrtsdimension, die zum Leitmotiv des Interventionsstaates im 20. Jahrhundert geworden ist."[4] Es handelt sich somit um einen multifunktionalen Staat, der den Territorialstaat, den Rechtsstaat, den demokratischen Staat und den Interventionsstaat miteinander verwebt. Für dieses Gebilde verwenden wir, den Gedanken von Leibfried/Zürn folgend, die Abkürzung DRIS, demokratischer Rechts- und Interventionsstaat. "Der voll ausgebildete DRIS der OECD-Welt gilt, bei Anerkennung gewisser Ausgestaltungsspielräume, vielerorts als vorbildhaft und nachahmenswert. Substanzielle Abweichungen von diesem Modell inje- der der vier Dimensionen des DRIS erscheinen (...) als defizitär oder unter- bzw. fehl entwickelte Staatlichkeit."[5] Wie sich der DRIS im historischen Wandel aufgestellt hat soll im nächsten Kapitel erörtert werden.
3 Wandel moderner Staatlichkeit
Zurückblickend auf das Goldene Zeitalter des DRIS - 1960er Jahre in den meisten OECD Ländern - stellte Rokkan 1975 fest, dass "die vier Dimensionen moderner Staatlichkeit im DRIS institutionell in historisch einmaliger Weise vereinigt waren und die normativen sozialen Güter in bemerkenswert hohem Ausmaß auch als Staatsleistung erbracht wurden."[6] Dieser Befund ist aus heutiger Sicht nicht mehr zeitgemäß. Exogene Faktoren wie beispielsweise die Globalisierung und/oder die Europäisierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft haben den DRIS vor neue Herausforderungen gestellt und zu tiefgreifendem Wandel gezwungen. Dieser Wandel "umfasst eine grundlegende Neudefinition und Neubewertung öffentlicher Aufgaben, sowie der Formen und Instrumente der staatlichen Leistungserbringung. Durch weitreichende Politiken der Privatisierung, Liberalisierung, De-Regulierung und Re-Regulierung öffentlicher Aufgaben hat sich der Umfang des öffentlichen Sektors nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verändert. Dabei handelt es sich aber nicht unbedingt um einen Rückzug des Staates, um eine Entstaatlichung. Vielfach nimmt der Staat seine öffentlichen Aufgaben nun in einer neuen Form, als Regulierungs- oder Gewährleistungsstaat wahr."[7]
Dieser Wandlungsprozess ist aufgrund seiner Komplexität weder einfach noch schnell und zügig zu vollziehen. Und hier soll unser Anknüpfungspunkt sein, der den Übergang zur Dynamik und Schnelligkeit der Entwicklungen im Bereich der Internetkriminalität, bildet.
4 Internetkriminalität
Seit einigen Jahren häufen sich die medialen Meldungen über die Zunahme von Internetkriminalität. Diesen Trend zeigen auch die aktuellen Kriminalstatistiken des Bundesinnenministeriums und der Landesinnenministerien, die subsumiert unter dem Sammelbegriff "Computerkriminalität"[8], die verschiedenen Delikte aufführen. Jedoch ist die Gefahr aus dem Cyberspace durchaus vielschichtiger und komplexer, als es der Begriff oder die Begriffe zunächst vermuten lassen. Aus diesem Grund ist es hilfreich zunächst herauszufiltern was unter den Begriffen Internetkriminalität und Computerkriminalität zu verstehen ist.
Die Polizei Bayern beschreibt Computerkriminalität wie folgt:"Unter Computerkriminalität versteht man im weitesten Sinne die Begehung von Straftaten unter Verwendung der EDV".[9] Diese ziemlich einfache, aber durchaus zutreffende, Definition ermöglicht eine Art der Hierarchie der Begriffe zu entwickeln. Wenn wir nun der Definition der Polizei Bayern folgen können wir hier festhalten, dass die Internetkriminalität eine Teilmenge der Computerkriminalität ist, da es sich beim "Internet um die Gesamtheit aller Netzwerke und Computer handelt, die über das „Internet-Protocol“ (IP) bzw.
[...]
[1] http://www.sfb597.uni-bremen.de/download/de/forschung/Dach_070716_projektkarte.pdf (Stand20.03.2012)
[2] Vgl. Reinhard 1999; Serensen 2004; Grande/Pauly 2005; Leibfried/Zürn 2006
[3] Leibfried/Zürn: Transformation des Staates. Frankfurt am Main: Suhrkamp (2006), S. 20
[4] ebd
[5] Leibfried/Zürn: Transformation des Staates. Frankfurt am Main: Suhrkamp (2006), S. 33f
[6] Leibfried/Zürn: Transformation des Staates. Frankfurt am Main: Suhrkamp (2006), S. 24
[7] Grande, Edgar: Reflexive Modernisierung des Staates. In: DMS - Der moderne Staat - Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management Heft 1/2008, S. 7-28
[8] http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2011/PKS2010.pdf? blob=publicationFile (Stand 20.03.2012)
[9] http://www.polizei.bavern.de/schuetzenvorbeugen/kriminalitaet/computerkriminalitaet/index.html/308 (Stand 20.03.2012)
- Quote paper
- Khashayar Hodaei (Author), 2012, Das Tempo der modernen Staatlichkeit im Wettlauf mit der Internetkriminalität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230029