„Tüchtigkeit, Sparsamkeit, Diszipliniertheit, Anspruchslosigkeit, aber auch 'echt männliche' Eigenschaften wie Kampfbereitschaft, Tat- und Willenskraft, Stolz und Mut“ zählten zum Tugendkatalog der Ansiedler in deutschen Kolonien. Ferner teilten Landespolizisten und Farmer eine Identität, von der man meinen könnte, sie besäße eine integrierende Funktion: Sie waren weiß und männlich. Den Schutz und die Sicherheit der im Zuge des Krieges gegen die Herero und Nama neu geordneten Eigentumsverhältnisse, die die Farmer zu konkurrenzlosen Herren im Agrarsektor machten, hatte die Landespolizei zu gewährleisten. Ein Fünftel der Polizeistationen befand sich gar auf Farmerland. Dennoch kam es seit Beginn des Wirkens der Landespolizei permanent zu Konflikten zwischen diesen beiden Gruppen.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Konflikte zwischen Farmern und der Landespolizei zu beleuchten und herauszuarbeiten, welche Sphären des kolonialen Alltags belastet worden sind. Welchen Ursprungs waren diese Belastungen, die trotz der konstitutiven Identitäten beider Gruppen zu Zerwürfnissen führten? Welche Vorwürfe wurden seitens der Farmerschaft erhoben, und wie waren diese motiviert? Handelte es sich um ordinäre Reibereien oder waren die Spannungen antagonistisch? Die Untersuchung soll anhand von einigen Quellen aus dem Reichskolonialamt, der Inspektion der Landespolizei, der Deutschen Kolonialgesellschaft und anhand von Pressestimmen aus DSWA erfolgen. Der zu untersuchende Zeitraum erstreckt sich von 1907 bis 1912.
Im ersten Schritt soll knapp auf die Hintergründe zur Situation der Farmer und die Organisation und Aufgaben der Landespolizei eingegangen werden. Im Anschluss daran sollen die Konflikte behandelt werden. Dabei wird die These aufgestellt, dass gerade der Teil der Farmerschaft in Opposition zur Landespolizei stand, den seine „Herrenstellung“ blind für Konzessionen und Konfliktlösungen machte. Als Letztes wird ein Fazit gezogen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Die Organisation und Aufgaben der Landespolizei
2.2 Die Situation der Farmer
2.3 Die Konflikte zwischen Farmern und der Landespolizei
3. Fazit
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1 Quellenverzeichnis
4.1.1 Archivalische Quellen
4.1.2 Gedruckte Quellen
4.2 Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Tüchtigkeit, Sparsamkeit, Diszipliniertheit, Anspruchslosigkeit, aber auch 'echt männliche' Eigenschaften wie Kampfbereitschaft, Tat- und Willenskraft, Stolz und Mut“ zählten zum Tugendkatalog der Ansiedler in deutschen Kolonien.[1] Ferner teilten Landespolizisten und Farmer eine Identität, von der man meinen könnte, sie besäße eine integrierende Funktion: Sie waren weiß und männlich. Den Schutz und die Sicherheit der im Zuge des Krieges gegen die Herero und Nama neu geordneten Eigentumsverhältnisse, die die Farmer zu konkurrenzlosen Herren im Agrarsektor machten, hatte die Landespolizei zu gewährleisten.[2] Ein Fünftel der Polizeistationen befand sich gar auf Farmerland.[3] Dennoch kam es seit Beginn des Wirkens der Landespolizei permanent zu Konflikten zwischen diesen beiden Gruppen.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Konflikte zwischen Farmern und der Landespolizei zu beleuchten und herauszuarbeiten, welche Sphären des kolonialen Alltags belastet worden sind. Welchen Ursprungs waren diese Belastungen, die trotz der konstitutiven Identitäten beider Gruppen zu Zerwürfnissen führten? Welche Vorwürfe wurden seitens der Farmerschaft erhoben, und wie waren diese motiviert? Handelte es sich um ordinäre Reibereien oder waren die Spannungen antagonistisch? Die Untersuchung soll anhand von einigen Quellen aus dem Reichskolonialamt, der Inspektion der Landespolizei, der Deutschen Kolonialgesellschaft und anhand von Pressestimmen aus DSWA erfolgen. Der zu untersuchende Zeitraum erstreckt sich von 1907 bis 1912.[4]
Im ersten Schritt soll knapp auf die Hintergründe zur Situation der Farmer und die Organisation und Aufgaben der Landespolizei eingegangen werden. Im Anschluss daran sollen die Konflikte behandelt werden. Dabei wird die These aufgestellt, dass gerade der Teil der Farmerschaft in Opposition zur Landespolizei stand, den seine „Herrenstellung“ blind für Konzessionen und Konfliktlösungen machte. Als Letztes wird ein Fazit gezogen.
Bedeutend in der Erforschung der Landespolizei ist der ehemalige Wachtmeister Rafalski.[5] Er liefert eine umfangreiche Gesamtdarstellung dieser Behörde. Im Zentrum seines Werks steht die Illustration der landespolizeilichen Organisation und Struktur. Geht es darin um die Bewertung seines ehemaligen Arbeitgebers, so ist der Duktus apologetisch.[6]
Als ein einschlägiger Autor im Bereich Kolonialherrschaft ist Bley zu nennen.[7] Er betont das Bestreben der Ansiedler, die „Herrenstellung“ gegenüber allen sozialen Gruppen einzunehmen und diese zu behaupten. Die Farmer apostrophiert er als „abhängige Herren“, da sie zwar vom kolonialem Raub profitierten, auf der anderen Seite jedoch von einer „machtbewußten Verwaltung“ abhängig waren.[8]
An letzter Stelle sei Zollmann erwähnt, der die Tendenz der Verrechtlichung der Kolonie betont. Dabei gehöre die Nichtbeachtung von Recht – sowohl durch Siedler, wie durch Beamte - zum kolonialen Alltag. Diese seien aus gruppenegoistischen Gründen in Kauf genommen worden.[9]
2. Hauptteil
2.2 Die Organisation und Aufgaben der Landespolizei
Neben den allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsaufgaben waren die Aufgaben der Landespolizei vielfältig verwaltungstechnischer Natur.[10] V.a. aber hatte sie für die Durchführung und Einhaltung der 1907 in Kraft getretenen „Eingeborenenverordnung“[11] Sorge zu tragen. Ihr geographisches Aufgabengebiet erstreckte sich nicht über ganz DSWA, sondern beschränkte sich auf die „Polizeizone“.[12] Das stellte sich als besonders problematisch dar, da die personelle Stärke der Landespolizei nie über 569 Beamte hinausging.[13] Einstellungskriterium für den Polizeidienst war u.a. eine 9jährige Dienstzeit im Militär, de facto wurde aber die Ausnahmeregel einer 6jährigen Dienstzeit angewandt.[14] Die Polizeibeamten waren zwar militärisch organisiert, jedoch waren sie der Zivilverwaltung unterstellt. In weiten Bereichen des beruflichen aber v.a. privaten Lebens waren sie auf sich allein gestellt: „'Hilf dir selbst' war die Parole, die die Verwaltungsbehörde notgedrungen ausgegeben hatte.“[15] Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass Angehörige der lokalen Gruppen ein Drittel der gesamten Belegschaft der Landespolizei ausmachten.[16]
2.1 Die Situation der Farmer
An der durchschnittlich errechneten männlich weißen erwachsenen Bevölkerung von ca. 12.000 Menschen hatten die Farmer einen Anteil von 1.269 Personen.[17] Die meisten von ihnen züchteten Klein- und Großvieh. Zwar erholte sich die Landwirtschaft nach dem Krieg, jedoch verlagerte sich das Interesse seitens des „Mutterlandes“ und des Gouvernements zunehmend auf die Erschließung der Rohstoffvorkommen.[18] Da der größte Teil der Auswanderer nur wenig Kapital aufbringen konnte,[19] bestand für die Farmer die Möglichkeit, mit der Siedlungsgesellschaft einen Darlehensvertrag abzuschließen.[20] Bedenkt man, dass die meisten Ansiedler ihre Existenz in der Heimat aufgegeben hatten, so wird verständlich, dass sie unter besonderem Druck standen, und somit der ausbleibende Erfolg eine ständige, existenzielle Bedrohung darstellte.
[...]
[1] Kundrus, B.: Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien. Köln 2003, S. 59. Es soll betont werden, dass diese Eigenschaften erwartet wurden, nicht dass sie automatisch eingebracht worden sind.
[2] „Die Organe der Landespolizei sind bestimmt zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit. Sie haben darüber zu wachen, daß die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Vorschriften befolgt werden, Personon [sic] und Eigentum gegen strafbare Verletzungen zu schützen und die Eingeborenen zu überwachen.“ R 1001/1914 (Polizeitruppe in Deutsch-Südwestafrika, Bd. 1: April 1894-Nov. 1912), Bl. 122a, Zweck der Landespolizei, §1.
[3] Vgl. Zollmann, J.: Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1984-1915 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 191). Göttingen 2010. S. 299.
[4] Den Hintergrund für diese Eingrenzung bilden einerseits der Beginn der Dienstaufnahme der Landespolizei im Jahre 1907 und andererseits die Schaffung der Instanz des „Eingeborenenkommissars“1912.
[5] Rafalski, H.: Vom Niemandsland zum Ordnungsstaat. Geschichte der ehemaligen Kaiserlichen Landespolizei für Deutsch-Südwestafrika. Berlin 1930.
[6] „Daß sie diese Aufgaben [Ordnung und Sicherheit; B.K.] in vollstem Maße erfüllt hat, ist unbezweifelt, ebenso, daß ihre Verteilung und ihre Dienstausübung sie zu einer Hauptstütze für alle Zweige der Verwaltung machten.“ Ebenda, S. 120.
[7] Bley, H.: Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch-Südwestafrika 1894-1914. Hamburg 1968.
[8] Ebenda, S. 223-239.
[9] Vgl. Zollmann, Kolonialpolizei, S. 23-25; 342.
[10] Rafalski führt beispielhaft Folgende auf: „[D]ie Durchführung gesundheits- und veterinärpolizeilicher Maßnahmen [...], Überwachung bergpolizeilicher Bestimmungen, Verwaltung von Waffen- und Munitionsbeständen für den Handel, metereologische Beobachtungen, Routenaufnahmen, Gefängnis- und Fundkralverwaltung und vielfach auch die Wahrnehmung des Post- und Zolldienstes sowie die des gerichtlichen Zustellungs- und Vollstreckungsdienstes“. Rafalski, Ordnungsstaat, S. 28.
[11] Die Verordnungen zielten darauf, die Angehörigen lokaler Gruppen durch den Eintrag ins „Eingeborenenregister“ zu erfassen, sie mit einer Passmarke zu versehen, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen und das Dienstverhältnis zu überwachen. Sie sollten aber auch einige Rechte der Arbeiter gewährleisten. Vgl. R 1001/2235 (Verwaltungsangelegenheiten der Eingeborenen in Deutsch-Südwestafrika), Bl. 7a-21.
[12] Die „Polizeizone“ umschloss das Gebiet 150 km diesseits und jenseits der Eisenbahnlinien. Sie machte ca. 60% gesamten Kolonialgebiets aus. Vgl. Zollmann, Kolonialpolizei, S. 45f.
[13] „Die volle in den Haushaltsplänen vorgesehene Stärke ist aber niemals erreicht worden.“ Rafalski, Ordnungsstaat, S. 72. Die Auflistung der Planstärke und der tatsächlichen Stärke nach Jahren ist ebenda zu finden.
[14] A.a.O., S. 56.
[15] A.a.O., S. 66. Muschalek weist auf die Unklarheit in der Arbeitsordnung: „[T]he web of orders and decrees within which policemen operated was vague and obscure.“ Muschalek, M.: Honourable Soldier-Bureaucrats: Formation of Violent Identities in the Colonial Police Force of German Southwest-Africa, 1905-1908 (Draft submitted to the Journal of Imperial and Commonwealth History), S. 3.
[16] Vgl. Muschalek, Soldier-Bureaucrats. S. 1f. Schwarze übernahmen die Position eines Polizeidieners oder einer Hilfskraft.
[17] Kaulich, U.: Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884-1914). Eine Gesamtdarstellung. 2. korr. und erg. Aufl. Frankfurt/Main et al. 2003, S. 353f.
[18] Vgl. Bley, Koloniale Herrschaft, S. 234f; Zimmerer, J.: Deutsche Herrschaft über Afrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirklichkeit im kolonialem Namibia (Europa-Übersee, Bd. 10). Hamburg ²2002, S. 110.
[19] Vgl. Kundrus, Moderne Imperialisten, S. 45.
[20] Dieser regelte eine 33jährige Laufzeit und wurde mit 5% verzinst. Die Rückzahlung konnte auf Raten erfolgen. Bei nicht Einhaltung der Vereinbarungen konnte die Heimstätte gepfändet und die Hälfte des Viehs eingezogen werden Vgl. R 8023/602 (Syndikat für südafrikanische Siedlung), Bl. 146, Darlehensvertrag.
- Arbeit zitieren
- Bernd Kühn (Autor:in), 2013, Die Konflikte zwischen Farmern und der Landespolizei in Deutsch-Südwestafrika (1907-12), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230493