Fallanalyse zu Unterrichtsstörungen und Lehrer-Schüler-Beziehungen

Die Unscheinbarkeit der pädagogischen Kunst


Hausarbeit, 2013

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Falldarstellung

3. Fallanalyse

4. Zusammenfassung der Fallanalyse

5. Einordnung in theoretische Bezüge

6. Reflexion der Fallanalyse in der Lehrerausbildung und dem Beruf des Lehrers

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung ist im Kontext des Seminars „Unterrichtsstörungen und Lehrer-Schüler-Beziehungen – Analysen und Reflexionen zum pädagogischen Arbeitsbündnis“ entstanden, welches im Wintersemester 2012/2013 unter der Leitung von Prof. Dr. Kramer und Janina Fetzer an der Universität Kassel angeboten und durchgeführt wurde. Es handelt sich um eine ausführliche Interpretation einer Fallanalyse, welche aus dem Online-Fallarchiv der Universität Kassel ausgewählt wurde.

Der vorliegende, ausgearbeitete „Fall“ mit dem Titel „Die Unscheinbarkeit der pädagogischen Kunst“ wurde von Andreas Wernet (2002) verfasst und im „Journal für LehrerInnenbildung“ unter der Überschrift „Die Kunst des Deutens und das Deuten der Kunst: Einige Bemerkungen zur Methode der Objektiven Hermeneutik als Methode der Lehrerbildung“ veröffentlicht.

Inhaltlich wird eine Diskussion zwischen einem Lehrer und einem Schüler aufgezeigt. Der Schüler hat seine Hausaufgaben nicht erledigt und verhält sich untypisch, da er sich für dieses Fehlverhalten gegenüber dem Lehrer nicht entschuldigt, sondern darauf beharrt, dass die Hausaufgaben nicht in seinem Interesse liegen, da sie „wirklichkeitsfern“ seien. Wernet (2000) sieht in der Bearbeitung von Fallanalysen innerhalb der Lehrerausbildung „die Möglichkeit, spezifische Dimensionen und Probleme des Schulunterrichts zu thematisieren“ (vgl. Wernet, 2000, S. 292). Zusätzlich will er professionelle, pädagogische Lösungsstrategien präsentieren, die dazu beitragen sollen, dass prekäre Situationen im Schulalltag gut gemeistert werden können (Wernet, 2000, S. 293).

In dieser Arbeit wird sich an der objektiv-hermeneutischen Methode der Fallanalyse orientiert. Dafür wird der Fall in Sequenzen eingeteilt, die Schritt für Schritt interpretiert werden.

Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Nach einer kurzen Einleitung in Kapitel 1, folgt in Kapitel 2 die Vorstellung des zu analysierenden Falles. In Kapitel 3 wird diese Unterrichtssequenz, gegliedert in sieben Abschnitte, interpretiert und als Fallanalyse vorgestellt. Dieser Teil der Arbeit stellt den Hauptteil der vorliegenden Ausarbeitung dar. Kapitel 4 fasst die Ergebnisse aus Kapitel 3 zusammen und vereint sie in der „Zusammenfassung der Fallanalyse“. In Kapitel 5 wird die angefertigte Fallanalyse in theoretische Bezüge eingebettet. Kapitel 6 ist eine abschließende Reflexion angedacht, in der die erhaltenden theoretischen Ergebnisse in Bezug zum Lehrerberuf gesetzt werden, sowie die Bedeutung einer Fallanalyse in der Lehrerausbildung und der damit verbundenen späteren Ausübung des Lehrerberufs erläutert werden sollen. Kapitel 7 stellt das Literaturverzeichnis dar.

2. Falldarstellung

In diesem Kapitel soll der zu analysierende Fall, „Die Unscheinbarkeit der pädagogischen Kunst“ von Andreas Wernet (2002) vorgestellt werden. Es handelt sich, wie bereits erläutert, um ein Schüler-Lehrer-Gespräch, wie es sich im Schulalltag täglich zutragen kann. In einer 12. Klasse fordert der Lehrer den Schüler auf:

„1/L: Lies bitte Deine Hausaufgaben vor.

1/S: Ich habe sie nicht gemacht.
2/L: Darf ich fragen, warum nicht?
2/S: Ich sehe nicht ein, wozu ich Dinge tun soll, die absolut wirklichkeitsfern sind und
sowieso nie wieder gebraucht werden.
3/L: Dies ist keine Entschuldigung für die Nichterledigung der Hausaufgaben. Ich er-warte, sie in der nächsten Stunde zu sehen.
3/S: Aber ich kann mit dem Zeugs in meinem Leben nie wieder was anfangen.
4/L: Merkst du nicht, dass diese Thematik nicht in den Unterricht passt? Wenn Du möchtest, können wir uns gerne nach der Stunde darüber unterhalten. Die Hausaufgaben holst Du bitte nach.“ (Wernet 2002, S.60ff)

3. Fallanalyse

1/L: Lies bitte deine Hausaufgaben vor.

Der Lehrer fordert den Schüler zunächst freundlich mit dem Wort „bitte“ dazu auf, seine Hausaufgaben vorzustellen. Durch diese relativ freundliche Ausdrucksweise wird der Aufforderungscharakter, der hinter dieser Aussage steht, ein wenig herunter gestellt, sodass die Forderung des Lehrers eher als „nett gemeinte Aufforderung“ im Raum steht. Diese Form der Interaktion birgt unserer Meinung nach Risiken. Die Formulierung des Lehrers stellt gleichzeitig eine Aufforderung und eine Bitte dar. Festzuhalten ist, dass hier eine typische Situation im Schulalltag dargestellt wird. Annähernd täglich fordern Lehrer ihre Schüler auf die Hausaufgaben vorzustellen. Damit ist eine gewisse Erwartungshaltung des Lehrers verknüpft. Er setzt voraus, dass alle Schüler ihre Hausaufgaben erledigt haben. Da der Lehrer - in dem hier vorliegenden Beispiel - sein Anliegen, die Hausaufgaben vorgelesen zu bekommen, nicht als Frage formuliert, besteht für den angesprochenen Schüler prinzipiell keine Wahlmöglichkeit. Er muss die Hausaufgaben vorstellen, ob er will oder nicht. Im Rahmen der Hausaufgabenpräsentation haben die Schüler nur selten eine Wahl. Bei der Hausaufgabe handelt es sich um eine Pflicht, welche der Schüler zu erledigen und dabei nicht in Frage zu stellen habe. Hausaufgaben ergänzen die Unterrichtsarbeit durch Verarbeitung und Vertiefung von Einsichten, sowie durch die Anwendung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Sie können auch zur Vorbereitung neuer Unterrichtsstoffe dienen, sofern die altersmäßigen Voraussetzungen und Befähigungen der Schülerinnen und Schüler dies zulassen. Hausaufgaben sind in den Unterricht mit einzubeziehen und regelmäßig zu überprüfen (vgl. www.kultusministerium.hessen.de). Dies muss bei der Interaktionsinterpretation berücksichtigt werden. Wie bereits angesprochen wäre es auch denkbar, dass der Lehrer sein Anliegen als Frage formuliert. Da der Schüler aber unter einer „Erfüllungs-Pflicht“ steht, ist auch die in dieser Interaktion gewählte Form mit Aufforderungscharakter durchaus vertretbar. Um den Befehlscharakter zu verstärken, wäre es denkbar, die „Bitte“ auszuklammern („Lese deine Hausaufgaben vor“).

Warum kontrolliert der Lehrer die Hausaufgaben?

- Er könnte die Hausaufgabenkontrolle als inhaltlichen Einstieg oder generellen Unterrichtseinstieg nutzen.
- Es könnte sich um ein „Ritual“ im Unterricht des Lehrers handeln, die Hausaufgaben zu kontrollieren. Dies könnte er beispielsweise immer zu Stundenbeginn machen.
- Der Lehrer will seine Schüler kontrollieren.
- Der Lehrer will seine Machtposition und Autorität stärken oder unter Beweis stellen.

Anscheinend handelt es sich hier um eine reine Reproduktion des Geschriebenen. Dies lässt die Formulierung „Lies...vor“ vermuten. Dabei sollen eigene Gedanken zunächst zurückgehalten werden.

Mögliche und denkbare Reaktionen des Schülers:

- Wiederstand gegen das Geforderte:

1. In Form von Schweigen
2. Zugeben, dass die Hausaufgabe nicht erledigt wurde
3. Irgendeine andere Äußerung, die darauf schließen lässt, dass der Schüler die Hausaufgaben nicht gewissenhaft erledigen konnte.

- Vorstellen der Hausaufgabe

1/S: Ich habe sie nicht gemacht.

Der Schüler hat seine Hausaufgaben nicht angefertigt und teilt dieses Versäumnis seinem Lehrer mit dem Satz „Ich habe sie nicht gemacht“ mit. Diese Aussage ist vorerst als relativ neutral zu beurteilen, da der Schüler keine Entschuldigung oder Erklärung dafür aufbringt, seine Hausaufgaben erledigt zu haben. Trotzdem widersetzt sich der Schüler der Aufforderung des Lehrers, seine Hausaufgaben vorzustellen. Dieses Widersetzen könnte der Lehrer als Reiz oder Herausforderung ansehen – schlimmstenfalls als Provokation. Daher sollte im Anschluss an diese Überlegung, darüber nachgedacht werden, warum der Schüler seine Hausaufgaben nicht gemacht hat:

- Der Schüler war mit der Hausaufgabe überfordert.
- Der Schüler ist generell unterfordert – sieht es daher beispielsweise nicht ein die Hausaufgaben zu erledigen.
- Der Schüler hat vergessen, dass Hausaufgaben zu erledigen waren.
- Die Schüler hatte keine Lust oder keine Zeit für die Hausaufgaben.

Auf Grund der vielfältig denkbaren Ereignisse, die dazu geführt haben könnten, dass der Schüler seine Hausaufgaben nicht angefertigt hat, wäre es wohl die sinnvollste Reaktion des Lehrers, herausbekommen zu wollen, warum der Schüler diese nicht erledigt hat. Wüsste der Lehrer den Grund, könnte er anhand seines Wissens das weitere Vorgehen rechtfertigen. Der Lehrer könnte allerdings auch anders reagieren: Er ignoriert den Schüler oder fragt einen anderen Schüler nach den Hausaufgaben. Dies bringt, unserer Meinung nach, allerdings Risiken mit sich. Der Schüler könnte diese Reaktion als „Freifahrtsschein“ verstehen, seine Hausaufgaben gar nicht mehr zu erledigen, da anscheinend keine Sanktionen auf ihn zukommen. Dies kann nicht im Sinne des Lehrers sein und würde neues Konfliktpotential zwischen Lehrer und Schüler wecken. Daher sollte der Lehrer anders reagieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Fallanalyse zu Unterrichtsstörungen und Lehrer-Schüler-Beziehungen
Untertitel
Die Unscheinbarkeit der pädagogischen Kunst
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
19
Katalognummer
V230590
ISBN (eBook)
9783656460060
ISBN (Buch)
9783656460152
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fallanalyse, Lehrer-Schüler-Beziehungen, Unterrichtstörung
Arbeit zitieren
Jan Brüggemann (Autor:in), 2013, Fallanalyse zu Unterrichtsstörungen und Lehrer-Schüler-Beziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230590

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