Elemente von Nietzsches Denken in Kafkas literarischem Werk


Facharbeit (Schule), 2008

20 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis: Elemente von Nietzsches Denken in Kafkas literarischem Werk an Hand zweier Beispiele

1. Einleitung

2. Charakteristika des Denkens
2.1 Nietzsche
2.2 Kafka
2.3 Vergleichende Darstellung der Charakteristika und Hypothesen zur Ursache der Ähnlichkeiten

3. Nietzsches Erkenntniskritik

4. Die Parabeln und das Paradox bei Kafka

5. Der Jäger Gracchus
5.1 Inhaltsangabe
5.2 Die Wahrheit bei Gracchus

6. Wahrheit im Vergleich

7. Die Bäume
7.1 Die Erzählung
7.2 Wahrheit der Bäume und Schlusswort

Literaturverzeichnis:

1.Einleitung

Kafka und Nietzsche. Der Dichter und der Philosoph. Das Denken und Werk dieser beiden Geistesgrößen bildet den Gegenstand meiner Arbeit. Ich will Elemente von Nietzsches Philosophie in Kafkas literarischem Werk auffinden. Auffinden, ich sage es bewusst, in Abgrenzung zu einem Herausstellen. Es ist mir nicht daran gelegen, aufzuzeigen wo Kafka Nietzsches Gedanken Eins zu Eins verarbeitet hat. Dafür sind die Gedanken eines Menschen ein zu komplexer Vorgang, geprägt von unzähligen Einflüssen, um allein am literarischem Werk, zumal nach so langer Zeit und bei einem Dichter wie Kafka, dessen Werk in sich verschlossen und schwer zu entschlüsseln ist, einzelne Einflüsse zurückverfolgen zu können. Das Dichten ist, bei aller Tiefe, nur eine oberflächliche Manifestation des Denkens. Kafka zu unterstellen, er habe Nietzsches Gedanken verdichtet, ist zudem eine Abwertung der Einzigartigkeit von Kafkas Schaffen. Kafka hat Nietzsche gelesen, dieser hat „ einen gewissen Anteil an Kafkas intellektueller Erziehung“[1], wird gar als „geistiger Vorfahr Kafkas“[2] bezeichnet. Nietzsche hatte also mit Sicherheit einen großen Anteil an der Entwicklung Kafkas, die Möglichkeit, dass seine Gedanken sich in Kafkas Werk wiederfinden ist daher wahrscheinlich. Mir ist jedoch nicht daran gelegen, Kafkas Werk wie ein Chirurg unters Messer zu legen und jenen Gedanken explizit Nietzsche, jenen Kafka zuzuordnen. Vielmehr will ich einen tief gehenden Vergleich anstellen, wobei es mehr als wahrscheinlich ist, dass jene Parallelen mehr als nur Zufallsprodukte sind, was der geistige Einfluss Nietzsches unterstreicht. Ich nenne diese Parallelen Elemente von Nietzsches Denken, will diese Elemente aber im Werk stehen lassen und nicht davon abtrennen und dann Nietzsche zuordnen. Eine hohe Wahrscheinlichkeit reicht nicht, so will ich mich auf einen Vergleich mit der Möglichkeit eines Ursprungs in Nietzsches Denken beschränken. Damit der Vergleich deutlicher wird, werde ich mich auf einen philosophischen Bereich Nietzsches beziehen und zwei Werke Kafkas als vergleichendes Beispiel gegenüberstellen. Ich werde die Erkenntnistheorie Nietzsches mit der Erzählung „Der Jäger Gracchus“ vergleichen, stelle ihr dann als Verstärkung „Die Bäume“ nach. Als Vorbereitung stelle ich zunächst grundlegende Charakteristika im Denken beider Schriftsteller dar, arbeite kurz allgemeine Ähnlichkeiten heraus und gebe Hypothesen zur Ursache dieser.

2. Charakteristika des Denkens

2.1 Nietzsche

Friedrich Nietzsche(1844-1900). Einer der bekanntesten Philosophen der Neuzeit. Kaum ein Anderer wagte es, das „Ungeheure“[3] derart weit zu denken wie er. Er dachte kühn, reflektierte sich selbst grenzenlos kritisch, ohne Rücksicht auf Schmerz und Leid, das ihm diese Eigendurchleuchtung bereiten könnte. Dabei gerieten seine sich selbst mehrenden Gedanken durch ihre Vielfalt immer wieder mit sich selbst in Widerspruch, er warf um, was er zuvor erkannt zu haben meinte. Und doch war er paradoxerweise häufig fest von der Gültigkeit seiner Vorstellungen überzeugt, sah sich als einen Propheten neuer Ideen, war zeitweise vom Größenwahn ergriffen. In diesem Widerspruch wird der Konflikt Nietzsches deutlich, der sein Leben lang mal zu Tage trat, mal nur im Hintergrund vorlag, ihn aber ständig begleitete. Es ist dies der „ Grenzverkehr[..] zwischen Physik und Metaphysik“[4]. Auf der einen Seite will er die Welt physiologisch entzaubern, auf der anderen Seite verleiht er diesen nüchternen Erkenntnissen neuen „ metaphysischen Zauber“[5]. Er will die Dinge so begreifen wie sie sind, gleich wie „abscheulich und häßlich“[6] diese Wahrheit auch wäre, anderseits sagt er auch: „…Mit Illusionen, Einseitigkeiten, Leidenschaften muss geheizt werden….“[7] Dieser Streit zwischen nüchtern realistischer Weltsicht (oder Nihilismus) auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Beimessen einer lebensbejahenden Kraft in eben dieser Erkenntnis, eine Verzauberung und Nutzbarmachung seiner Erkenntnisse zu Gunsten des Lebens, bleiben Nietzsches zentrales Thema,„…Sein Versuch und seine Versuchung.“[8] Eine Vereinigung dieser Auffassungen bot sich Nietzsche auf sprachlicher Ebene durch das Mittel der Dichtung. So gibt es wohl kaum einen Philosophen, der seine Ideen und Erkenntnisse derart ausgeprägt in Form von Dichtung verschlüsselte. Diese Art des Schreibens, statt eines Systems die aphoristische Kurzform, statt sprachlich-analytischer Nüchternheit ein pathetisch-lyrischer Stil, statt einer endgültigen Festlegung eine ständig im Wandel begriffene Philosophie, erschwert das Herausarbeiten seiner Ideen, verleiht ihm aber jene charakteristische Besonderheit und eine ungeahnte Tiefe. Nietzsches Denken bezeichnet den großen Bruch mit der klassisch-abendländischen Philosophie hin zum post-modernen Denken- so lehnt er die Möglichkeit einer absoluten Erkenntnis ab, kritisiert die traditionellen Moralvorstellungen, bricht mit Sprache als gesicherte Basis der Kommunikation, betont neben dem Verstand das „…Dunkel-Triebhafte[…]…“[9] als Gestalter der Welt. Nietzsche war ein radikaler Kritiker und Neuerer, dessen Denken über ihn selbst hinaus ragte.

2.2 Kafka

Franz Kafka(1883-1924). Einer der einflussreichsten Schriftsteller der Neuzeit. „…Sein Werk (gilt als) das verschlossenste unseres Zeitalters, birgt […] die undurchdringlichsten Geheimnisse, die jemals in eine Dichtung versenkt wurden.“[10]. Er gilt als der Dichter der Angst, der Dichter, der das Epochengefühl der Verlorenheit des Einzelnen am reinsten ausdrückte. Durch seine Werke zieht sich eine Absurdität, die ängstigt und zugleich lachen macht, das Groteske, das Kafka erreicht, indem er sich eine Welt mit eigenen Gesetzen schafft, die als Zerrbild unserer Wirklichkeit erscheint, ist Satire und tödlicher Ernst zugleich. Eines haben alle Werke gemein: Die Protagonisten erwachen oder wenden sich gegen die „…begrenzte[…] Ordnung…“[11], dieser Versuch führt zur vollkommenen Desorientierung, die Ordnung wendet sich gegen den Erkennenden. Diese Protagonisten sind passiv, eine höhere Macht ist der eigentliche Handlungsträger, sie nur Spielfiguren. Das Tragische ist, dass sie sich ihrer eigenen Tragik oft bewusst sind, und dennoch verzweifelt weiter kämpfen. Sie „kämpfen […] auf der Grenze zwischen Leben und Tod, Diesseits und Jenseits….“[12] Kafka skizziert die Individualisierung als Auflösung jeder Ordnung, verbindet es mit einer Kritik an der Unterwerfung des verlorenen Subjekts unter eine automatisierte Maschinenwelt, und führt hin auf eine radikale Kritik am Erkennen und an der Sprache. Er arbeitete hierbei mit einer nüchternen Sprache, die eben durch jene Nüchternheit so messerscharf schneidet und dem Absurden damit den Anschein einer Wirklichkeit gibt, die es nicht hat. Gerade durch das Verschließen gegen ein allgemeines Verständnis bekommen seine Werke aber jene unvergleichliche Schönheit, weil sie eben unverkennbar eine tiefere Wahrheit in sich bergen. Fern aller Wertung: Kafka einer der einflussreichsten Schriftsteller der Neuzeit.

2.3 Vergleichende Darstellung der Charakteristika und Hypothesen zur Ursache der Ähnlichkeiten

Kafka und Nietzsche. Trotz großer sprachlicher Differenzen zeigen sich bei näherem Hinsehen auffällige Parallelen, vor allem hinsichtlich der radikalen Erkenntnis-und Sprachkritik, so wie der Enthüllung der „…verborgene[n] Inhumanität aller gelebten relativen Werte“[13], also einer Relativierung der bis dahin für absolut gehaltenen Moral. Wie kommen diese Parallelen zustande? Hierzu bieten sich mir vier Hypothesen an: Zum einen sicher durch den Anteil Nietzsches an Kafkas intellektueller Erziehung (s.oben). Zum andern aber auch durch ähnliche psycho-soziale Faktoren. So litten beide unter ihrer Unfähigkeit zu sozialen Kontakten, suchten aber zugleich den Zustand der „…Einsamkeit, Isolierung, Verzweiflung…“[14]. Dieser Zustand war für Kafka„ …die Bedingung der Möglichkeit dafür gewesen, daß [er][…] kompromißlos den Gedankenkreis seiner Zeit durchbrach, zur Gestaltung, eines universellen, wahren Allgemeinen…“[15], Nietzsche sah sich zeitweise „…genötight [..], auf ein Paar Jahre von der Welt förmlich zu verschwinden- um alle [seine] Vergangenheit und menschliche[n] Beziehungen, und Gegenwart, Freunde, Verwandte, Alles, Alles [sich] aus dem Sinn zu schlagen“[16], auch bei ihm ist Einsamkeit Zwang und Lust zugleich. Die dritte Hypothese ist, dass die Ähnlichkeit sich aus der geschichtlichen Lage, sowie gleichen geistesgeschichtlichen Strömungen ergibt, denen beide ausgesetzt waren. Zum einen die fortschreitende Industrialisierung und Urbanisierung, zum anderen wissenschaftliche Neuerungen wie der Darwinismus, die alte Vorstellungen demontierten und das bisherige Weltmodell in Frage stellten. So wird Kafka als „…extremer Darwinist…“[17] bezeichnet, der unter „dem Einfluss des naturwissenschaftlichen Weltbildes[…] stand.“[18]. Ebenso Nietzsche, der sich „trotz aller Kritik an Darwin…“ der davon ausgehenden „ …gewaltigen Suggestion dieses Denkens nicht entziehen“[19] kann. Die letzte Hypothese ist, dass Ähnlichkeiten auch Zufall sein könnten, da einmal Gedachtes immer wieder gedacht werden kann. Wahrscheinlich aber sind es alle vier Faktoren, die hier zusammen spielen.

[...]


[1] Heller, Erich: Franz Kafka, 1976, 3. Auflage, Berlin, S.96

[2] Heller, Erich: Franz Kafka, 1976, 3. Auflage, Berlin, S.96

[3] Safranski, Rüdiger: Nietzsche –Biographie seines Denkens, München -Wien 2000 1.Auflage, S.14

[4] ebenda, S.14

[5] Ebenda, S.14

[6] „zit. nach:“ Ebenda S.35

[7] „zit. nach: Ebenda S.203

[8] Ebenda, S.14

[9] Bergmann, Rainer u.a.: Zugänge zur Philosophie, Berlin 1995, 1.Auflage S.116

[10] Emrich, Wilhelm: Frankfurt am Main 1970, 6. Auflage S.13

[11] Ebenda, S.17

[12] Ebenda, S.20

[13] Emrich, Wilhelm: Frankfurt am Main 1970, 6. Auflage, S.30

[14] Ebenda, S.22

[15] Ebenda, S.22

[16] Safranski, Rüdiger: Nietzsche –Biographie seines Denkens, München -Wien 2000 , 1.Auflage, S.375

[17] Emrich, Wilhelm: Frankfurt am Main 1970, 6. Auflage, S.31

[18] Ebenda, S.31

[19] Safranski, Rüdiger: Nietzsche –Biographie seines Denkens, München -Wien 2000, 1.Auflage, S.268

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Elemente von Nietzsches Denken in Kafkas literarischem Werk
Note
1.0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V230598
ISBN (eBook)
9783656464167
ISBN (Buch)
9783656466383
Dateigröße
604 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
elemente, nietzsches, denken, kafkas, werk
Arbeit zitieren
Thimo Buchmüller (Autor:in), 2008, Elemente von Nietzsches Denken in Kafkas literarischem Werk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230598

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