Strategien der Selbstdarstellung von Politikern


Seminararbeit, 1998

55 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Selbstdarstellung
1.1 Theoretische Einordnung und Begriffsklärung
1.2 Politik - eine One-man-show?

2 Motive der Selbstdarstellung
2.1 Publikumorientierte Motivation
2.2 Individuumorientierte Motivation
2.3 Publikumserwartungen in der Politik
2.3.1 Der machiavellistische Politiker
2.3.2 Der authentische Politiker
2.3.3 Der Politiker als Superman
2.4 Erwartungen der SeminarteilnehmerInnen an einen Politiker

3 Selbstdarstellungsverhalten
3.1 Klassifikationen des Selbstdarstellungsverhaltens
3.2 Offensive, defensive und assertive Selbstdarstellungsformen
3.3 Offensive Selbstdarstellung
3.4 Defensive Selbstdarstellung
3.4.1 Leugnen
3.4.2 Umdeuten: ‚Es war nicht so, sondern anders!‘
3.4.3 Urheberschaft bestreiten: ‚Ich hab‘s nicht getan!‘
3.4.4 Rechtfertigen: ‚Es war notwendig!‘
3.4.5 Kontrollfähigkeit bestreiten: ‚Ich kann nichts dafür! Ich wollte das nicht!‘
3.4.6 Etikettierung verhindern: ‚Das tue ich sonst nicht!‘
3.4.7 Um Verzeihung bitten: ‚Es tut mir leid!‘
3.5 Assertive Selbstdarstellung
3.5.1 Ingratiation: ‚Ich mache mich beliebt‘
3.5.2 Self-promotion: ‚Ich stelle mich als kompetent dar‘
3.5.3 Exemplification: ‚Ich stelle mich als Vorbild dar‘
3.5.4 Intimidation: ‚Ich schüchtere andere ein‘
3.5.5 Supplication: ‚Ich stelle mich als hilfsbedürftig dar‘
3.5.6 Charakteristische Kombinationen von Sequenzen von Strategien

4 Selbstdarstellung im Spannungsfeld zwischen glaubwürdigen und vorteilhaften Eindrücken
4.1 Erwünschte Selbstdarstellung
4.2 Vermittlung von glaubwürdigen und vorteilhaften Eindrücken
4.3 Integrationsmodell von Laux & Schütz (1996)

5 Diskussion: Die Welt als große Bühne
5.1 Alles nur Theater? - Das Darstellungsspiel von Politikern
5.2 Was bleibt den Wählerinnen? - Ein Trainingsprogramm
5.3 Was ich will, das kann ich? - Motive, Formen und Kompetenzen der Selbstdarstellung
5.4 Man ist, wofür man gilt? - Persönlichkeit und Selbstdarstellung
5.5 Einmal defensiv, immer defensiv? - Die Frage nach der Selbstdarstellungstendenz
5.6 Mann und Frau im ganz alltäglichen Laienspiel
5.7 Gute Strategie - schlechte Strategie? - Bewertung der Selbstdarstellungsformen

6 Schluß: Man kann sich nicht nicht darstellen!

7 Anhang: ‚Leibchen für Lauftreff‘ - ein Blick auf den Wahlkampf der Grünen

Literaturverzeichnis

Abbildungsnachweis

Was jemand ist, was er sein möchte, als was er von anderen Menschen gesehen und beurteilt werden möch­te, kurz: wie sich ein Mensch anderen gegenüber darstellt, das läßt sich auf vielerlei Art und Weise ausdrücken. So findet man im mensch­lichen Alltag eine Fülle von Aus­drucksweisen, in denen diese Tendenz zur Selbst­darstellung entweder besonders deutlich ausgeprägt ist oder die von vornherein und erklärtermaßen auch der Selbst­präsentation der Person, die sie hervor­bringt, dienen. Werke aller Art, seien es handwerkliche Produkte, Autobiographien, Tagebücher, Theatervorstellungen, Performance oder Selbstportraits, wie das chris­tusähnliche Selbstbildnis von Dürer in Abbildung 2, sind solche gewissermaßen ‚geronnenen verfestigten Äußerungen mensch­licher Selbstdarstellung‘.

‚Selbstdarstellung‘ ist nach Mummendey (1995) immer ‚Darstellung des Individuums gegenüber einem wie auch immer gearteten Publikum‘. Egal, ob in der Kunst oder im Handwerk, im Beruf oder im Alltag - man stellt sich seiner sozialen Umwelt dar. Es kann sich hierbei eher um einen Interaktionspartner handeln oder man wendet sich ganz allgemein an die breite Öffentlichkeit, wie es im politischen Bereich vornehmlich praktiziert wird. Die Darstellung des Selbst spielt demnach in fast jeder sozialen Situation eine Rolle und so kann praktisch jedes mensch­liche Verhalten immer auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstdarstellung aufgefaßt und interpretiert werden. Die Beschreibung und Klassifikation dieser mannigfaltigen Arten menschlicher Äußerungen ist natürlich auch für die Wissenschaft von besonderem Interesse und war bisher Anlaß für eine Vielzahl von Publikationen zum Thema.

Es ist schwierig, die Komplexität menschlicher Selbstdarstellung zu beschreiben und in Worte zu fassen. Diese Arbeit möchte trotzdem den Versuch wagen, den Selbstdarstellungsprozeß als alltägliche Leistung, v.a. im politischen Bereich, in ihren Grundzügen zu umreißen. Im ersten Teil sollen die wichtigsten Begriffsklärungen vorgenommen sowie motivationale Aspekte im Kon­strukt der Selbstdarstellung näher differenziert werden. Der Schwer­punkt der Arbeit befaßt sich mit den Techniken der Selbstdarstellung - hier soll ein differenziertes Bild verschiedener Darstellungsformen in ihren Grundzügen entwickelt werden.

1 Selbstdarstellung

1.1 Theoretische Einordnung und Begriffsklärung

Mummendey (1995) ordnet die Psychologie des Selbstdarstellungsverhaltens mit einer zwar schlichten, doch plausiblen Begründung der Kategorie der Selbstkonzeptforschung zu: ‚Für den unbefangenen Betrachter wird sich die Frage nach der menschlichen Selbstpräsentation schlicht und einfach so stellen: Was wird präsentiert?, und die Antwort wird lauten: das Selbst‘. Um die vieldiskutierte Frage nach dem Inhalt der Selbstdarstellung noch etwas präziser zu beantworten, soll an dieser Stelle der Begriff des Selbstkonzeptes weiterhin umschrieben werden als ‚mentale Repräsentation der eigenen Person‘ (Laux & Schütz 1996), d.h. ein Selbstkonzept umschreibt die Gesamtheit der Einstellungen zur eigenen Person, das, was eine Person zu sein glaubt. In enger Verbindung mit dem Selbstkonzept stehen die Selbstbilder, die einem Individuum von der eigenen Persönlichkeit mental vor Augen stehen. Prinzipiell lassen sich zwei Arten von Selbstbildern unterscheiden: faktische und potentielle. Als faktische oder reale Selbstbilder werden solche beschrieben, die ‚Merkmale aufweisen, die sich Personen aufgrund von Erfahrungen zuschreiben‘ (Laux und Renner 1994). Von diesen ‚Kondensaten bisheriger Erlebnisse‘ (Laux & Schütz 1996) lassen sich die potentiellen Selbstbilder abgrenzen. Diese Kategorie umfaßt sowohl Selbtbilder, die wir anstreben (beispielsweise sympathisch, kompetent) als auch potentielle Selbstbilder, die mit Ängsten verbunden sind (beispielsweise unsympathisch, inkompetent). Die vornehmlich privaten Selbstbilder einer Person - also sowohl faktische als auch potentielle - werden erst durch den Prozeß der Selbstdarstellung einem Publikum gegenüber veröffentlicht. Sie stellen als eine Art Außenbilder das Image bzw. den Eindruck dar, den eine Person in der Öffentlichkeit ver­mittelt. Ausgehend von diesen Begriffsklärungen umfaßt Selbst­darstellung - in Abgrenzung zum eher negativ besetzten Terminus in der Alltagssprache - inhaltlich nach Laux & Renner (1994) alle Formen der Ein­druckslenkung, vom Ausdruck ‚wahrer‘ innerer Eigenschaften und Befindlichkeiten bis hin zu Täuschungen und Verstellungen‘.

Das Verhältnis von Individuum und Öffentlichkeit wird präzise durch den Soziologen Erving Goffman (vgl. Mummendey 1995) beschrieben. Ihm zufolge agieren Personen im alltäglichen Leben ähnlich wie Schauspieler auf einer Thea­terbühne. Seine Analysen von Face-to-face-Interaktionen resultieren darin, dass Akteure im Rahmen sozialer Interaktionsprozesse grundsätzlich darum bemüht sind, gegenüber einem jeweils spezifischen Publikum einen möglichst günstigen Eindruck zu erwecken oder zu bewahren. Insbesondere geht es ihnen darum, so Goffman, sich gegenüber anderen als zuverlässige, glaubwürdige, kompetente und loyale Interaktionspartner darzustellen. Auch wenn hierbei aus den vielen Einzelbildern eine Palette von möglichst günstigen Selbstbildern zur Präsentation ausgewählt wird, bewegt sich der Akteur nach Laux & Schütz (1996) zweifelsohne noch im authentischen Bereich. Diese Sichtweise wird eben­falls von Jones & Pittman (1982) prägnant mit folgendem Worten zum Ausdruck gebracht: ‚He will put his best foot forward, but it is nevertheless his foot‘ (Jones & Pittman 1982). Werden gleichzeitig möglicherweise bestehende negative Eindrücke geschickt zurückgedrängt, befindet sich der Selbstdarsteller bereits mitten in einem spannenden Schaustück, dem ‚Selbstdarstellungsspiel‘.

Beim Vorgang der Selbstdarstellung kann eine Person aus dem gesamten Reservoire seiner Selbstbilder schöpfen, wobei der Spielraum, der sich ihm bei diesem Vorgang anbietet, individuell sicherlich unterschiedlich groß ist und sich ganz unterschiedliche Möglichkeiten anbieten: von der Auswahl einzelner individueller Selbstbilder bis hin zu regelrechten ‚Bildkompositionen‘. Selbstbilder können im Darstellungsprozeß wiederum in vielfältiger Weise in Verhalten und Auftreten umgesetzt werden.

1.2 Politik - eine One-man-show?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

‚Politik ist Bühnenwirkung... Die Größe Bismarks ... wird mit dem Maß der theatralischen Handlung, des Effekts, der Auftritte und Abgänge gemessen‘

(Karl Kraus, zitiert nach Schütz 1992)

Politik als große Bühne? Politische Vertreter als Laienspieler? Das Parlament als Theaterkulisse? Parlamentarische Arbeit als Inszenierung von Dreh­büchern? Politische Berater als Regisseure?

Diese skizzierte Einschätzung des politischen Geschehens würde sicherlich vielen Anstrengungen und Bemühungen von Politikern unter­schiedlicher Couleur zum Wohle des Volkes großes Unrecht tun. Dennoch: Wenn auch das politische Geschehen nicht nur als ‚Bühnenwirkung‘ bezeichnet werden soll, so weist doch gerade zu Wahlkampfzeiten die ‚Rangelei‘ um die beste Selbstdarstellung eines Spitzenkandidaten unübersehbare Gemeinsamkeiten mit ‚öffentlichem Theater‘ auf und drängt eine Auseinandersetzung mit inhaltlichen Aspekten einer Partei weit in den Hintergrund: ‚Als Peter Seifert, Oberbürgermeister in Chemnitz, 1994 in den Wahlkampf zog, vergaß er auf seinem Wahlplakat das SPD-Logo. Die Parteizugehörigkeit war ihm nicht wichtig‘ (Spiegel, 21. 1998). Werden Politiker einer Partei - und nicht ihr politisches Programm - zum ausschlaggebenden Inhalt der Wahlkampagne, so kann Nixons Einschätzung als direkte Weiterführung dieses Gedankengangs gesehen werden: ‚Die Öffentlichkeit kauft Namen und Gesichter und keine Parteiprogramme und ein Kandidat für ein öffentliches Amt muß auf die fast gleiche Weise in den Handel gebracht werden wie irgend ein anderes Produkt‘ (zitiert nach Schütz 1992). Der Darstellung dieses Produktes ‚Mensch‘ kommt gerade im Medienzeitalter eine immer größere Bedeutung zu, bieten diese medialen Inszenierungsmöglichkeiten des Wahlkampfes doch besonders große Chancen der Eindruckssteuerung beim Publikum in sich. Im politischen Alltag hat Selbstdarstellung vor allem bei zwei Gelegenheiten hohe Konjunktur: im Wahlkampf, den wir im Moment in der Bundesrepublik mit verfolgen können und im Falle politischer Skandale, wie sie beispielsweise in der Rechtfertigung der Atomtransporte in der Öffentlichkeit aktuell diskutiert werden.

So bietet gerade die Politik mit ihrem breitgefächerten Persönlichkeitenpool bezüglich der öffentlichen Selbstdarstellung ein besonders interessantes Forschungsfeld. Zum einen können unterschiedliche theoretische Konstruktionen anhand von Beispielen aus dem politischen Bereich klar und in aller Vielfalt herauskristallisiert und analysiert werden. Zum weiteren hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Bereich unter dem Blickwinkel der Selbstdarstellung sicherlich den Vorzug, interessierten Wählerinnen und PolitikerInnen den Prozeß der Selbstdarstellung in seinen schillernden Facetten bewusst werden zu lassen, was einen anderen Umgang mit den inszenierten Werbeauftritten unserer Politiker zur Folge haben könnte.

2 Motive der Selbstdarstellung

Jeder Selbstdarstellung liegt eine mehr oder weniger bewußte Motivation zugrunde, die das jeweilige Verhalten mitbeeinflußt und mit steuert. Diese zugrundeliegenden Motive umfassen ein breites Spektrum und können beispielsweise dem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, nach Macht oder Kontrolle entspringen. Von den unterschiedlichen Klassifikationen, die zu den Motiven der Selbstdarstellung bisher entworfen wurden, soll hier eine Differenzierung von Laux & Weber (1993) näher vorgestellt werden: diese schlagen eine Abgrenzung der individuumzentrierten von eher publikumzentrierten Motiven der Selbstdarstellung vor (Tabelle 1).

2.1 Publikumorientierte Motivation

Publikumzentriert heißt, dass sich ein Akteur so darstellt, dass das Publikum ihn in einer bestimmten Art und Weise wahrnimmt. Als klassischer Bereich der Selbstdarstellung, der sich motivational am Publikum und seinen Erwartungen ausrichtet, kann die Politik genannt werden. Das grundlegende Motiv der Selbstpräsentation ist dort publikumorientiert, d.h. das Bedürfnis, dem Publikum zu gefallen, steht im Mittelpunkt. Es geht hierbei in einem latenten Wahlkampf primär um das Ziel, sich den Bürgern als der ‚gewünschte‘ Kandidat zu präsentieren, um letztendlich auch die Wählerstimmen zu ‚ergattern‘. Notwendig für den Erfolg ist vor allem, dass das Publikum den politischen Vertreter als selbstkongruent und glaubwürdig wahrnimmt. In den Hintergrund rückt hierbei, ob dieser Eindruck tatsächlich der privaten Realität des Politikers nahekommt. Die Klassifikation in individuum- und publikumzentrierte Motive ist ein theoretisches Konstrukt und kann in dieser Begrenztheit der Praxis sicherlich nicht voll gerecht werden. So werden sich Politiker in ihrer Lebensführung natürlich nicht nur ständig am Publikum ausrichten. Sie werden sich sicher auch mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, eine gewisse Übereinstimmung zwischen privaten und öffentlichen Selbstbildern herzustellen. Engholm (ARD 1992, nach Laux & Schütz 1996) bringt dieses Dilemma zum Ausdruck, wenn er von der Schwierigkeit spricht, ‚in einem Geschäft, das so überwiegend öffentlich beguckt wird wie das meine ... diese Identität sowohl in der Öffentlichkeit wie in der Privatheit zu wahren und nicht zwei unterschiedliche Identitäten zu haben, nicht einmal der Richtige sein und einmal der Verstellte, der Gemachte‘. Im alltäglichen politischen Handeln kombinieren sich so eher publikumzentrierte Motive mit einer Motivgruppe, die im folgenden näher erläutert wird: den individuumorientierten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Motive der Selbstdarstellung (nach Laux & Schütz 1996)

2.2 Individuumorientierte Motivation

Laux & Schütz (1996) beschreiben individuumorientierte Motive als ‚interne Zustände, die das Individuum durch seine Selbstdarstellung einem Publikum gegenüber anstrebt‘ und sich dabei ‚am Maßstab seiner realen Selbstbilder‘ orien­tiert. Der Akteur möchte sich demnach so darstellen, wie er sich selbst sieht und orientiert sich eher an der Meßlatte seiner eigenen Selbstbilder, weniger an den Erwartungen eines Publikums. Diese Kategorie der individuumzentrierten Motive kann nach Laux & Schütz (1996) nochmals unterschieden werden: zum einen in das Grundbedürfnis der Selbstkongruenz und zum anderen in das der Selbstidealisierung (Tabelle 1). Die Tendenz, ‚sich so zu verhalten, wie man sich sieht‘ (=Selbstkongruenz) wird in der humanistischen Psychologie seit langem als Merkmal für psychische Gesundheit angesehen. In dem Versuch, ein möglichst kongruentes Bild zwischen dem Selbst und dem Verhalten herzustellen, kann auch der Furcht begegnet werden, propagierte Selbstbilder nicht realisieren zu können. Für den ‚Darsteller, der dazu neigt, sich seinen faktischen Selbstbildern entsprechend zu verhalten, ergeben sich solche Schwierigkeiten nicht‘ (Laux & Schütz 1996). Selbstkongruente Selbstdarstellung in der Politik müssen als solche auch entsprechend präsentiert werden, wenn sie wirksame Eindrücke bei der Bevölkerung hervorrufen sollen. So genügt es im Politikgeschäft oft nicht, einfach nur ‚echt‘ zu sein. ‚Auch das Echte bedarf theatralischer Hilfen‘ (Müller-Freienfels 1927, nach Laux & Schütz 1996) - unter diesem Motto wurden die letzten dramatischen Tage von Kanzler Schmidt sowie dessen letzte große Kanzlerrede vorbereitet. Klaus Bölling berichtet in seinem Buch ‚Die letzten 30 Tage des Kanzlers Helmut Schmidt‘ (1982, nach Laux & Schütz 1996) im Tagebuchstil die akribische Inszenierung von ‚echten‘ Gefühlen. Ein Ausschnitt: ‚ Wir streichen alle auch nur von ferne nach Polemik riechenden Sätze. Hier darf nichts trickreich, nichts taktisch wirken, schon gar nicht gekränkt. Die Rede muß in schmuckloser Sprache die tiefe menschliche Enttäuschung des Kanzlers über die Treulosigkeit von Genscher ausdrücken‘.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kommt in der aktuellen Selbst­darstellung von Personen eher ein Bild zum Ausdruck, das sie gerne sein möch­ten, sprechen Laux & Schütz (199­6) vom grundlegenden Motiv der Selbstidealisierung (Abbildung 4). Das Ideal­selbst fungiert in diesem Falle als eine Art Skript für das Selbstdarstellungsverhalten. Menschen mit dieser Verhaltenstendenz orientieren sich in ihrer Selbstdarstellung an potentiellen bzw. idealen Selbstbildern (vgl. Laux & Renner 1994). ‚Sie versuchen, ideale Selbstbilder darzustellen und vermeiden es, gefürchtete Selbst­bilder zum Aus­druck zu bringen‘ (Laux & Renner 1994). Hierzu ein Beispiel aus dem Tier­reich, wie diese Orientierung am idealen Selbst - in diesem Falle der attraktive Adler - aussehen kann (Abbildung 5). Bau­meister (1982, nach Laux & Schütz 1996) spricht im gleichen Zu­sammenhang von einem Motiv der Selbst­konstruktion und meint das Bemühen des ‚Handelnden, das Publikum zu über­zeugen, dass er dem eigenen Idealbild entspricht‘. Erzielt werden kann hierbei möglicherweise ein selbstwerterhöhender Effekt. Im Zentrum dieses Motivs steht so nicht das reale Selbst­bild, sondern vielmehr das Idealbild des Handelnden, das zum Bewertungskriterium für den Erfolg der Selbstdarstellung erhoben wird - möglicherweise nach dem bekannten Motto: Wenn andere an mich glauben, fällt es mir auch leichter, an mich zu glauben. Als ein extremes Beispiel der durchaus gelungenen Selbstidealisierung, die in diesem Fall mit eklatanten Selbst- und Fremd­täuschungen verbunden war, kann der Schrift­steller Karl May angeführt werden (Abbildung 6). Ohne ihm bewußte Täuschungsmanöver zurechnen zu wollen, war Karl May doch eine Person, die sich in ihrer Selbstdarstellung weitgehend durch potentielle Bilder bestimmen ließ, hierbei jedoch stets vorgab, dass es sich um faktische Selbst­bilder handele (vgl. Laux & Renner 1994). Im alltäglichen Leben sind solche perfekten Selbstinszenierungen wahr­scheinlich eher selten zu beobachten. Es geht demgegenüber eher um die Realisierung von Selbstbildern, die sich zum einen am Ideal-Selbst orientieren und gleich­zeitig auch glaubhaft bleiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch bei publikumszentrierten Motiven kann zwischen der Darstellung eines realen Selbstbildes und eines Idealbildes unterschieden werden. Entweder man stellt sich dem Publikum so dar, dass es das Realbild der Person wahrnimmt, oder man präsentiert dem Publikum ein Ideal­bild von sich. Dem ameri­kanischen Selbstdarstellungsforscher J. Baumeister (1982, nach Laux & Schütz 1996) zufolge ‚be­müht sich der Han­delnde, das Publikum zu überzeugen, dass er dem eigenen Idealbild ent­spricht‘ - Baumeister spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Selbstkonstruktion in Form einer Annäherung an ein Idealselbst. Die Orientierung an einem Idealbild kann im günstigen Fall zu einer Kompetenzerhöhung der Persönlichkeit führen, wenn die am potentiellen Bild orientierte Darstellung im Rahmen des Möglichen bleibt und ein Wechsel von Anreizen und Selbst­bestätigung auch tatsächlich stattfindet. Geht eine idealbildorientierte Persönlichkeit auf Dauer über dieses Maß hinaus, kann diese Motivation zu einer neurotischen Form der Selbstdarstellung führen. Horney (1991) spricht dann von einem Neurotiker mit dem Interesse, sich selbst davon zu überzeugen, ‚dass er tatsächlich der allen überlegene Geist und das auserlesene Menschenwesen ist und dass sogar seine Fehler großartig sind‘. Das eben angesprochene Spannungsfeld, das sich zwischen der Darstellung des Realbildes und des Idealbildes ergibt, wird in den weiteren Ausführungen noch Thema sein. Ist das Bemühen der Eindruckssteuerung auf ein Publikum ausgerichtet, kommt natürlich den Erwartungen der Interaktionspartner eine besondere Bedeutung zu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3 Publikumserwartungen in der Politik

Selbstdarstellung kann nach Laux & Schütz (1996) als das Bemühen verstanden werden, den ‚Eindruck zu steuern, den wir auf andere Personen ausüben‘. Auf diese Art und Weise haben wir die Möglichkeit, Einfluß darauf zu nehmen, ‚wie andere uns wahrnehmen, welche Eindrücke sie gewinnen und als Folge davon, wie sie uns behandeln‘ (Laux & Schütz 1996). Im politischen Bereich geht es v.a. darum, dem Publikum glaubhafte und vorteilhafte Bilder der eigenen Persönlichkeit nahe zu bringen. Als wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Selbst­darstellung von Politikern kann die Ausrichtung des zu vermittelnden Bildes auf die Erwartungen der Öffentlichkeit genannt werden. Laux & Schütz (1996) beschreiben drei grundlegende Publikumserwartungen, die von der Bevölkerung an die Volksvertreter herangetragen werden: der machiavellistische Politiker, der authentische Politiker und der Politiker als Superman.

2.3.1 Der machiavellistische Politiker

‚Denn die Menschen sind so einfältig, und so gewöhnt, den herrschenden Verhältnissen nachzugeben, dass der welcher betrügen will, immer Leute findet, welche sich betrügen lassen‘ (Niccolo Machiavelli 1513, nach Schütz 1992).

Ganz nach den Vorstellungen von Niccolo Machiavelli (1469-1527) bietet die heutige Medienlandschaft für die Inszenierung des Scheins eine geradezu ideale Projektionsfläche: ‚Als unwichtig gilt, wie eine prominente Person ist, zentral dagegen, wie sie zu sein scheint‘ (Laux & Schütz 1996). Als Schlüsselfigur und Befürworter dieser ‚Manipulationsthese‘ in der Politik gehört Machiavelli zu den umstrittensten Figuren seiner Zeit. In seinen systematischen Analysen von Macht und Herrschaft kommt er zu der Kernaussage seiner Forschungsarbeit. Überzeugt, dass (v.a. politisches) Handeln von unterschiedlichen (v.a. religiösen) Motiven geleitet wird, arbeitet er in seinem Hauptwerk ‚Il Principe‘ (1513) Strategien zu einem ‚erfolgreichen politischen Handeln ohne Berücksichtigung moralischer Prinzipien‘ (Luckmann 1992) heraus. Täuschung in dem Sinne, dass Politiker von sich ein positives Scheinbild zeichnen, wurde von Machiavelli als legitimes und notwendiges Mittel politischer Führung postuliert, wenn auch bei diesem Manöver auf der ‚Volksvertretungsbühne‘ nie das Wohl des Gemeinwesens außer Acht gelassen werden dürfe. Machiavelli plädiert dem entsprechend dafür, dass ein ‚Fürst ... daher sein Versprechen nie halten (kann und darf), wenn es ihm schädlich ist oder die Umstände, unter denen er es gegeben hat, sich geändert haben ... nur muß man es gleich dem Fuchse verstehen, seine Rolle durch geschickte Wendungen meisterhaft zu verstecken‘ (Machiavelli, nach Laux & Schütz 1996). Große Teile der Bevölkerung, so konnten empirische Untersuchungen belegen (vgl. Schütz 1992), stehen Politikern prinzipiell sehr mißtrauisch und vorsichtig gegenüber, sehen in ihm machiavellistische Tendenzen. Diese Tatsache war auch das Fazit der Shell-Jugendstudie von 1992, bei welcher ‚82% der Bundesbürger im Alter zwischen 13 und 29 Jahren der Feststellung zu(stimmte), dass die Bevölkerung von den Politikern betrogen werde‘. Diese negative Erwartungshaltung produziert das Bild vom korrupten Politiker, der die Eindruckslenkung durch geschicktes Ränkespiel steuert, hier­bei täuscht und manipuliert - das gängige Stereotyp vom ‚Politiker als listigen Fuchs‘. Dieses Bild wird sicherlich im Medienalltag von verschiedenen Politikern so gezeichnet und kann möglicherweise mitverantwortlich sein für die immer mehr um sich greifende Politikverdrossenheit der wählenden Bevölkerung. Im Gegensatz hierzu steht eine Bürgererwartung, die an einer möglichst hohen Authentizität des Politikers interessiert ist.

2.3.2 Der authentische Politiker

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Mit der Aussage ‚Ich bin, wie ich bin‘ kommt Ger­hard Schröder - zumindest in verbaler Hinsicht - dem entgegen, was Laux & Schütz (1996) mit dem authentischen Politiker umschreiben. Sie führen hier­bei mehrere Werbespezialisten (u.a. Segula, Mitterands Wahlberater 1981) an, die die Überzeugung vertreten, dass es kaum möglich sei, die Wäh­lerinnen hinters Licht zu führen. Aus­gehend von einer eher reflektierten und kritischen Wählerschaft sehen sie nicht in Täu­schungsmanövern, sondern v.a. in der Darstellung der authentischen Persönlichkeit eines Politikers, das Mittel zum Wahlerfolg - mit folgender Begründung: ‚Wir können nur präsentieren. Wir können dabei helfen, das Positive zu akzentuieren und den Kandidaten von seiner besten Seite zu zeigen. Wir können keine Kunstfigur schaffen und einen Dummkopf als klug, einen Wendehals als gradlinig, einen Mitläufer als Führungspersönlichkeit oder einen Schurken als Wohltäter darstellen‘ (Papert 1971, nach Laux & Schütz 1996). Inwieweit Werbestrategen nicht doch zu manchen Persönlichkeitsveränderungen für Werbezwecke bereit und fähig sind bzw. ob diese Forderung nach Echtheit von Werbemanagern nicht selbst wiederum der positiven Selbstdarstellung ihres eigenen Standes dienen, soll an dieser Stelle offen bleiben.

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Neben Vertretern der Werbebranche wird die Forderung nach mehr Authentizität in der Politik auch von anderen Berufsgruppen gefordert. So postulieren beispielsweise gesprächspsychotherapeutische Richtungen (Rogers 1982, Tausch & Tausch 1990, nach Laux & Schütz 1996) die These, dass die Beziehung zwi­schen Bevölkerung und Volksvertretern durch Offenheit und Echtheit geprägt sein sollte. Tausch & Tausch gehen davon aus, dass Bürger ‚Politikern, die ihre Person nicht verbergen, eher vertrauen‘ und meinen weiterhin: ‚Politiker, die freier von Fassaden werden, brauchen nicht über andere zu reden, sie zu bewerten, zu beschimpfen, abzulehnen, sondern sie sagen und diskutieren das, was sie fühlen, was sie wünschen, was sie tun möchten‘. Ein hoch gestecktes Ziel für den politischen Bereich. Hier findet ein Transfer des klassischen Therapeuten-Klient-Verhältnisses in einen völlig anderen Lebensbereich statt. Gewiß lassen bisweilen inner- und außerparteiliche Kommunikationsstrukturen von Politikern sehr zu wünschen übrig. Strittig ist trotz­dem die Frage, ob die von Tausch & Tausch (1983, nach Laux & Schütz 1996) angeklagte Fassadenhaftigkeit in der Politik durch einen Wechsel zu mehr ‚Selbstöff­nung‘ und authentischem Verhalten tatsächlich in ihrer letzten Konsequenz wün­schenswert wäre oder ob es hier nicht vielmehr um eine fragwürdige Ausweitung des therapeutischen Settings geht - ganz nach dem Motto: Therapie wird zum Alltag und Alltag wird zur Therapie. Diese Meinung vertritt auch Günter Zurhorst (‚Wie echt können wir leben?‘ ,1983, nach Laux & Schütz 1996) in seiner Kritik an der ge­prächspsychotherapeutischen Position: ‚Klingt es nicht reichlich naiv und weltfremd, wenn ... Echt­heit .. als neue Allerweltsformel zur Lösung jedes möglichen mensch­lichen Kon­fliktes‘ erkoren wird?

Unter dem Titel ‚Herzblut nach Regieanweisung‘ (Laux & Schütz 1996) diskutiert Laux einen Aspekt der exzessiven Selbstdarstellung in der Politik, der mit dieser Forderung nach Echtheit im politischen Ge­schäft eng verbunden scheint. ‚Inszenierte Gefühle‘, d.h. besonders ‚echt wirkende Emotionsdarstellungen können die Grund­lage für eine äußerst durch­triebene Form der Wähler­manipulation lie­fern‘. Aufgrund der geforderten Emotionalisierung und Selbst­öffnung in der Politik (Stich­wort ‚Betroffenheits­kult‘, Abbildung 8) könn­ten Volks­vertreter regelrecht zu Emotions­arbeitern mutieren. Das eröffnet Politikern gleich­zeitig ein breites Feld von Miß­brauchsmöglichkeiten - be­schert ihnen jedoch auch gleich­zeitig das Gegenstück: ‚die Basis zur Ausbildung einer Vielzahl psychosomatischer Symptome‘ (Laux & Schütz 1996).

Noch einen Schritt weiter in dieser Richtung geht der amerikanische Soziologe Richard Sen­net (1983, nach Laux & Schütz 1996), wenn er von der ‚Tyrannei der Intimität‘ spricht, welche er für den Verfall des öffentlichen Lebens verantwortlich macht. Zivilisiertheit sei dagegen ein ‚Verhalten, das die Menschen voreinander schüt­ze und es ihnen zugleich ermögliche, an der Gesellschaft anderer Gefallen zu finden‘. Insgesamt resü­miert Sennett: ‚Eine Maske zu tragen gehört zum Wesen von Zivilisiert­heit‘. Kritik und Gegenkritik an der Forderung nach authentischen Politikern kann sicherlich zu einer sinnvollen Auseinandersetzung mit dem Selbstdarstellungsverhalten der Politiker führen und möglicherweise eine neue Grenzlinie zwischen ‚öffentli­chem Rollenspiel und intimer Authentizität‘ (Laux & Schütz 1996) gestatten.

2.3.3 Der Politiker als Superman

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein weiterer Teil des Publi­kums erhofft sich im Politiker ein Vorbild für moralisches Handeln, einen Übermen­schen oder Superman. Demzufolge werden von Bürgerseite aus idea­lisierende Erwartungen an den Inhaber eines politischen Man­dats herangetragen, welchen dieser real kaum entspre­chen kann. Bilder vom gütigen Vater oder dem Ariel-Mann mit der blütenreinen Weste können diesen Typus vom ‚erträumten Über­vater‘ charakterisieren. Unterstrichen werden kann diese Bürgererwartung bildlich noch­mals durch mehrere Karikaturen, welche bekannte politische Vertreter wie Helmut Kohl als Superman (Ab­bildung 9) sowie Renate Schmitt, Rita Süßmuth und Heide Simonis als Superfrauen (Abbildung 10) dar­stellen. Die glei­che Intention liegt der dritten Abbildung zugrunde, die den Politiker Eng­holm als ‚Heili­gen‘ in Ikonenform präsentiert (Abbildung 11).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit diesen unrealistisch hohen Erwartungen sind die Kandidaten in der Regel überfordert, was ein ehrliches Umgehen der Politiker mit ihren Schwä­chen sehr erschwert. Jegliches Eingestehen von Fehlern oder Abrücken von der moralischen Projek­tionsfläche kann zu einem Verlust auf der Beliebt­heitsskala in der Bevölkerung führen. Die Frage, ob diese Furcht vor Stimm­verlust letztendlich tat­sächlich begründet ist, haben US-Demoskopen (Der Spie­gel, 46, 1992, nach Laux & Schütz 1996) näher erkundet. Folgende Grafik zeigt den Zusammenhang auf, der zwi­schen verschiedenen moralisch positiv bzw. negativ besetzten Verhaltensweisen und dem daraus entstehenden möglichen Stimmenverlust füh­ren könn­te.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man die Rangfolge der bewerteten Verhaltensweisen, ist der große Unterschied im Stimmenverlust zwischen Homosexualität mit 54% und Alkoholismus mit 6% auffällig. Dazwischen liegen andere Verhaltensweisen, wie z.B. Ehe­bruch (33 %) und der Schwangerschaftsabbruch der Gattin (11%). Aus diesen Zahlen läßt sich schlies­sen, dass möglicherweise als Bewertungskriterium für die Wahl eines Politikers nicht die tatsächliche berufliche Kom­petenz aus­schlaggebend ist, die bei einem Sucht­kranken si­cherlich in Frage gestellt werden kann. Es scheint so eher das kon­forme Verhalten im sexuellen Bereich eines Politikers zu sein, das ein Teil der Bevölkerung hoch hono­riert. Als Fazit der Studie gilt die Er­kenntnis, dass sich die Mehr­heit der Wahlbe­rechtigten - immerhin 52% - eine ‚supermoralische Leitfigur wünscht, aufrecht wie ein Sonn­tagsschullehrer‘. Verfolgt man das bundes- und kommunalpolitische Ge­schehen in der Bundesrepublik, so scheint es naheliegend, diese Ergebnisse zum amerika­nischen Wählerverhalten prinzipiell auch auf deutsche Verhältnisse zu über­tragen. Daniel J. Boorstin (1967, nach Laux & Schütz 1996) spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem regelrechten ‚Bedürfnis der Wählerinnen, durch schöne Illusionen getäuscht zu werden‘. Mit diesem Aspekt wird eine weitere kritische Komponente von Publikumserwartungen ‚ins Spiel‘ ge­bracht, die die Frage zur Diskussion stellt: Will die breite Bevölkerung von Saubermännern ge­täuscht werden oder sind an diesem Dilemma eher die manipulierenden Werbemanager schuld?

Wahr­scheinlich kann bei dieser ‚Inflation der Un­wahrheiten‘ (Laux & Schütz 1996) von einem wechselseitigen Inter­aktionsprozeß ausgegangen werden, bei welchem Wunsch­vorstellungen des Publikums auf der einen Seite und Erfüllungszwang der Politiker auf der anderen Seite zwei wichtige Kom­ponenten darstellen. Hierzu ab­schließend ein Ratschlag von Machiavelli an politische Herrscher:

‚Es ist also nicht nötig, dass ein Fürst alle die Tugenden ... wirklich besitze, sondern es ist schon hinlänglich, wenn er sie nur zu besitzen scheint. Ja ich getraue mir zu behaupten, dass es sogar gefährlich für ihn sein würde, wenn er sie wirk­lich alle besäße und immer ausübte, da es ihm im Gegenteil nützlich ist, wenn er sie nur zu besitzen scheint. Ein Fürst muß gnädig, rechtschaffen, herablassend, aufrichtig und gottesfürchtig scheinen und es sein, und gleichwohl so ganz Herr über sich sein, dass er im Falle der Not gerade das Gegenteil von dem allen tun kann.. Es muß sich daher ein Fürst angewöhnen, sich nie anders zu äußern als auf eine, jenen fünf Tugenden entsprechende Wei­se, so dass jeder, der ihn sieht, sich überzeugt halte, er sei die Güte, die Redlichkeit, die Treue, die Höflichkeit und Frömmigkeit selbst, .. Jeder sieht, was der Fürst scheint, aber fast niemand weiß, was er in Wirklichkeit ist‘ (Niccolo Machiavelli 1513, nach Laux & Schütz 1992).

[...]

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Details

Titel
Strategien der Selbstdarstellung von Politikern
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Theatralität und Persönlichkeit
Note
sehr gut
Autor
Jahr
1998
Seiten
55
Katalognummer
V230701
ISBN (eBook)
9783656470380
ISBN (Buch)
9783656470779
Dateigröße
1647 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Selbstdarstellung, Publikumserwartungen in der Politik, Politiker, Selbstdarstellung von Politikern, Selbstdarstellungsverhalten
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Ulrike Roppelt (Autor:in), 1998, Strategien der Selbstdarstellung von Politikern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230701

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Titel: Strategien der Selbstdarstellung von Politikern



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