Die Dependenztheorie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Einleitung

Die Ausprägungen der Erklärungsansätze für die Unterentwicklung der dritten Welt sind mannigfach und ich nahezu allen Färbungen vorhanden. Das breite Spektrum verlangt deshalb Überkategorien, um die einzelnen sogenannten Entwicklungstheorien einzuordnen. Unter diesem Überbegriff unterteilt die Wissenschaft wiederum in Theorien, die die Ursache in exogenen Faktoren und in Theorien, die die Ursache in endogenen Faktoren vermutet. Zu den endogenen Theorien gehören beispielsweise die Modernisierungstheorien, die davon ausgehen, dass die Entwicklungsländer aus kulturellen, sozialen oder organisatorischen Gründen mehr Zeit zur Entwicklung zu Industrienationen benötigen als andere Länder. Die Ursachen für die Rückständigkeit sind also endogen. Modernisiert man allerdings einzelne Bereich wie das Rechtssystem,

das politische System oder das Bildungssystem, werden die Entwicklungsländer den gleichen Weg zur Industrienation machen, wie die aktuellen Länder der ersten Welt.[1]

Dem gegenüber stehen die exogenen Entwicklungstheorien. Das meist verbreitete Beispiel ist hier die Imperialismustheorie. Sie besagt, dass die monopolistische Konzentration der weltweiten Vermögenswerte auf wenige Industrienationen nur auf Kosten der Ausbeutung der Entwicklungsländer möglich ist und die Unterentwicklung somit eine logische Folge der Ausbeutung ist.[2] Somit sind hier also exogene Faktoren für die Unterentwicklung verantwortlich. Die Imperialismustheorie wird im Rahmen der Untersuchung der Neoimperialismustheorie in dieser Arbeit noch näher betrachtet werden. Die Dependenztheorie mit ihren verschiedenen Ausprägungen ist zu den exogenen Theorien zu zählen.

Die folgende Arbeit wird sich näher mit der Dependenztheorie beschäftigen. Zunächst wird untersucht, aus welchen verschiedenen Strömungen die Dependenztheorie entstanden ist. Hier wird nach den Untersuchungen von Reinhard Stockmann und Ulrich Menzel verfahren. Anschließend wird die Dependenztheorie selbst vorgestellt. Abschließend werden die Anwendbarkeit der Dependenztheorie untersucht und somit die generelle Eignung für die Erklärung der Unterentwicklung überprüft.

2. Die Genese der Dependenztheorie

Die verschiedenen Ausprägungen der Dependenztheorie lassen sich trotz ihrer vorhandenen Unterschiede nach Datta auf folgende vier Kernpunkte zusammenfassen:

1. „Ohne die Berücksichtigung der externen Faktoren ist die Unterentwicklung nicht erklärbar. Die Sozialstrukturen der unterentwickelten Länder sind wesentlich geprägt durch die Dominanz ausländischer Hegemonialmächte, so daß endogene Faktoren mit exogenen in einem unauflöslichen Erklärungszusammenhang stehen.
2. Unterentwicklung ist kein der Entwicklung zeitlich vorausgehendes Stadium, sondern beide sind historisch gleichzeitige, funktional aufeinander bezogene Seiten desselben Prozesses der Entwicklung des kapitalistischen Weltsystems.
3. Unterentwicklung ist zwar extern begründet, ihre Auswirkungen sind aber interner Art.
4. Eine Überwindung der Unterentwicklung setzt also voraus, daß die verursachende externe Beherrschung aufgehoben wird.“[3]

Weiter führt Datta aus, dass die entscheidende Neuerung, die mit der Dependenztheorie aufgebracht wurde, der Wechsel der Perspektive ist. So rücken nun im Gegensatz zu beispielsweise der Imperialismustheorie die Auswirkungen der Unterentwicklung in den abhängigen Staaten in den Vordergrund. In Bezug auf Pflug stellt Datta fest, dass nunmehr die Sozialstrukturen der unterentwickelten Länder Südamerikas, „die in der

traditionellen Imperialismustheorie stets vernachlässigt wurden, […] nun im Mittelpunkt der Untersuchung“[4] stehen.

Doch müssen zum Verständnis der Dependenztheorien zunächst die einzelnen Denkansätze untersucht werden, aus denen die Dependenztheorien entstanden, beziehungsweise durch die die Vertreter eben jener beeinflusst wurden.

2.1. Singer/Prebisch These:

Grundliegend für alle Ausprägungen der Dependeztheorie ist die nach ihren Begründern Ràul Prebisch und Hans W. Singer benannten Singer/Prebisch These. Die zu Grunde liegende Fragestellung der These ist, ob Entwicklungsländer durch die Eingliederung in das weltweite Wirtschaftssystem profitieren würden, wie Vertreter der neoklassischen Theorie postulierten.[5]

Um diese Frage zu untersuchen, zogen Singer und Prebisch die Entwicklung der sogenannten Terms of Trade (kurz: ToT) zwischen Entwicklungs- und Industrieländern heran. Terms of Trade bezeichnen vereinfacht das Verhältnis der Preise von Export- und Importwaren eines Landes. In der folgenden Abbildung werden die Terms of Trade und deren Verschlechterung anhand der Beispielländer Schweiz und Tansania dargestellt[6].

Abbildung 17:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Singer und Prebisch handelt es sich nicht um die zufälligen Entwicklungen der Handelsbeziehungen zwischen den hier aufgeführten Ländern Schweiz und Tansania, sondern um einen systembedingten Prozess.[8]

In den von Singer und Prebisch herangezogenen Untersuchungszeiträumen von 1876- 1961 und 1957-1982 stellten sie eine Verschlechterung der Terms of Trade für die untersuchten Entwicklungsländer fest. Somit widerlegten sie nach ihrer These nicht nur die Neoklassiker, sondern stellten fest, dass genau das Gegenteil, nämlich ein Wohlfahrtsverlust die Folge der Einbeziehung der Entwicklungsländer sei.

Verantwortlich hierfür sind die Bedingungen vor Ort. Während beispielsweise in den Industrienationen starke Gewerkschaften vorhanden sind und das Potential an Arbeitern begrenzt ist, ist in Entwicklungsländern genau das Gegenteil der Fall. Dies bedeutet, dass sinkenden Produktionskosten in Industrienationen statt zu Preisreduzierungen zu Lohnerhöhungen führen und der positive Effekt für die Entwicklungsländer ausbleibt. Umgekehrt können die Kosten für die Gewinnung von Rohstoffen in den Entwicklungsländern aufgrund des Arbeiterüberschusses gering gehalten werden. Ein weiterer Faktor ist die Einkommenselastizität. Singer und Prebisch begründen dies damit, dass bei steigendem Einkommen der Bedarf nach Fertigwaren aus

Industrienationen steigt, der Bedarf an Rohstoffen bleibt jedoch gleich.[9]

Hinzu kommt, dass rohstoffexportierende Länder meist nur über eine beschränkte Spannweite der vorhandenen Rohstoffe verfügen und somit auf deren Export beschränkt sind. Dies hat zur Folge, dass der Preisdruck steigt und führt somit teilweise zur Überproduktion der vorhandenen Rohstoffe. Somit üben Rohstoffexporteure

untereinander Preisdruck aufeinander aus, was die Entwicklung der Unterentwicklung noch verstärkt.[10] Die Singer/Prebisch These ist jedoch bei weitem nicht unumstritten. Zum einen bleiben Faktoren wie die Qualitätssteigerung der Industriegüter, die bei Rohstoffen nicht oder nur in geringem Maße stattfinden kann, außen vor.

[...]


[1] Menzel, Ulrich: Entwicklungstheorie - Geschichte und Hauptkontroversen, Braunschwaig 2010, S. 82- 105.

[2] Grimm, Klaus: Theorien der Unterentwicklung und Entwicklungsstrategien – Eine Einführung, Opladen 1979, S. 128 ff. .

[3] Datta, Asit: Ursachen der Unterentwicklung – Erklärungsmodelle und Entwicklungspläne, München 1982, S. 27 f. .

[4] Datta, Asit: Ursachen der Unterentwicklung, S. 27.

[5] Stockmann, R./Menzel, U.: Entwicklungspolitik, Theorien – Probleme – Strategien, München 2010, S. 97 f. .

[6] Hein, Wolfgang: Unterentwicklung – Krise der Peripherie –Phänomene – Theorien – Strategien, Opladen 1998, S.163 f. .

[7] Strahm, Rudolf: Überentwicklung – Unterentwicklung, Ein Werkbuch mit Schaubildern und Kommentaren über die wirtschaftlichen Mechanismen der Armut , Offenbach 1978, S. 46.

[8] Hein, Wolfgang: Unterentwicklung – Krise der Peripherie –Phänomene – Theorien – Strategien, Opladen 1998, S.164.

[9] Stockmann, R./Menzel, U.: Entwicklungspolitik, Theorien – Probleme – Strategien, München 2010, S. 97 f. .

[10] Hein, Wolfgang: Unterentwicklung – Krise der Peripherie –Phänomene – Theorien – Strategien, Opladen 1998, S.164 f. .

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Dependenztheorie
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V230747
ISBN (eBook)
9783656460565
ISBN (Buch)
9783656461135
Dateigröße
704 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dependenztheorie
Arbeit zitieren
Stefan Schmidt (Autor:in), 2012, Die Dependenztheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230747

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