Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort Fehler! Textmarke nicht definiert
2 Informelles Lernen, Non-Formales Lernen und Formales Lernen – eine Begriffsbestimmung
3 Informelles Lernen und Kompetenzerwerb im Sportverein
3.1 Kompetenzerwerb Jugendlicher durch Engagement im Sportverein
3.2 Handlungssituationen des Kompetenzerwerbs im Sportverein
4 Informelles Lernen in der Schule
4.1 Möglichkeiten der Anbindung informeller Lernprozesse aus dem Sportverein in den Schulalltag
4.2 Möglichkeiten der Nutzung informell im Sportverein erworbener Kompetenzen in der Schule
4.3 Möglichkeiten der Übertragbarkeit informeller Lernprozesse in den Unterricht
5 Fazit
5.1.1 Hypothesenbildung
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einführung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema des informellen Lernens. Informelles Lernen ist in Deutschland seid einigen Jahren in der Diskussion und die Determinanten für diese Art des Lernens sind noch lange nicht geklärt, die Chancen, die dieses Lernen bietet noch lange nicht ausgeschöpft. Während in anderen Ländern informelle Bildungsprozesse schon viel länger eine stärkere Aufmerksamkeit erhalten, ist Deutschland in dieser Hinsicht noch weit zurück. Dies konstatiert auch das Bildungsministerium, wenn es 2005 im zwölften Kinder- und Jugendbericht schreibt:
Seit einigen Jahren steigt allerdings die Aufmerksamkeit für informelle Bildungsprozesse. Einen Ausgangspunkt haben dabei in der internationalen Debatte die Diskussionen um ‚life-long-learning‘, das lebenslange Lernen, gespielt ... In diesem Zusammenhang bildet das ‚informal learning‘, das ‚informelle Lernen‘, einen Schlüsselbegriff mit Blick auf die Möglichkeiten und die Fähigkeiten, auf andere Art und Weise als in formalisierten Kontexten, als in schulischen oder beruflichen Ausbildungen zu lernen, also nebenher, in Eigenregie, in offenen Situationen. Anders als in Deutschland wird dem informellen Lernen in vielen anderen Ländern seit längerem ein weitaus höherer Stellenwert beigemessen.
(BMFSFJ, 2005, S. 127)
In Deutschland ist das informelle Lernen insbesondere im Kontext der betrieblichen Ausbildung und der Berufsschule untersucht worden. Allerdings bieten sich auch im Bereich von Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien Möglichkeiten informelle Bildungsprozesse zu nutzen und zu unterstützen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Ganztag bieten sich neue Chancen junge Menschen in ihren Interessenschwerpunkten zu fördern und so freiwillige Lernarrangements in der Schule zu schaffen.
In dieser Arbeit soll zunächst der Begriff des informellen Lernens geklärt werden. Dazu ist es notwendig, das informelle Lernen von non-formalem bzw. formellem Lernen abzugrenzen. Im Anschluss wird auf informelles Lernen und Kompetenzerwerb im Sportverein eingegangen. Der Sportverein bietet jungen Menschen die Möglichkeit sich aktiv in die Gestaltung der Sportaktivität mit einzubringen und dort in vielfältiger Weise Erfahrungen zu sammeln und Kompetenzen zu erwerben. Hier wird insbesondere auf Untersuchungen von Nils Neuber von der Universität Münster zum Kompetenzerwerb im Sportverein eingegangen sowie auf weitere Untersuchungen, welche an der Universität Paderborn gemacht wurden zum Thema der Gruppenhelferausbildung von Jugendlichen.
Im darauf folgenden vierten Kapitel wird der Focus auf die Schule gelenkt. Hier wird untersucht, inwieweit Prozesse des informellen und non-formalen Lernens, welche im Sportverein stattfinden, auf die Schule übertragbar bzw. inwieweit im Sportverein erworbene Kompetenzen in der Schule nutzbar sind. Dabei wird zwischen dem Unterricht und außerunterrichtlichem Schulalltag unterschieden, da sich hier unterschiedliche Lernkontexte darstellen.
Zuletzt wird ein kritisches Fazit gezogen, inwieweit informelles Lernen in der Schule möglich ist und wo die Grenzen dieser Form des Lernens in der Schule liegen.
2 Begriffsbestimmungen: Formales Lernen, non-formales Lernen und informelles Lernen
Bevor in dieser Arbeit von verschiedenen Spielformen des Lernens gesprochen wird, soll an dieser Stelle kurz geklärt werden, was unter Lernen in dieser Arbeit überhaupt verstanden wird. Im Anschluss daran werden die Begrifflichkeiten des formalen, non-formalen und informellen Lernens geklärt und voneinander abgegrenzt.
2.1 Lernen
Siebert beschreibt im Wörterbuch Erwachsenenbildung Lernen als „eine dauerhafte Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrungen“ (Siebert, 2010, S. 191). In einer neueren und erweiterten Betrachtungsweise ist Lernen „als Erweiterung des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung von Lebenssituationen“ (ibid) zu verstehen. Auch im Didaktischen Wörterbuch aus dem Jahr 2001 wird Lernen in ähnlicher Form definiert: „Lernen bewirkt eine relativ dauerhafte Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrung. Der Begriff des Verhaltens ist hierbei im weitersten Sinne zu verstehen, so dass auch äußerlich nicht erkennbare Verhaltenswiesen (z. B. Denkprozesse) sowie Verhaltensmöglichkeiten (latentes Lernen) mit eingeschlossen sind“ (Didaktisches Wörterbuch, 2001, S. 223). Dabei gibt es zwei spezifische Merkmale des Lernens, welche immer gegeben sein müssen: Lernen ist zum einen erfahrungsbedingt und zum anderen verhaltensändernd (vgl. ibid).
Interessant ist, dass Lernen klassischer Weise direkt mit dem schulischen Kontexten in Verbindung gebracht wird. Allerdings wird bereits aus den oben zitierten Definitionen klar, dass sich Lernen nicht nur auf die Schule bezieht, denn es geht um eine Erweiterung von Wissen, welche in der heutigen Gesellschaft auch nach der Schule immer noch notwendig ist. Dabei ist das ‚ nach der Schule’ sowohl derartig zu deuten, dass sich Lernen auch Abschluss der Schule im Berufsalltag ereignet. Darüber hinaus lernen aber auch Schülerinnen und Schülern[1] tagtäglich in ihrer Lebenswelt nach Schulschluss weiter, auch wenn sie dies nicht bewusst tun. Denn auch in ihrer Freizeit machen junge Menschen Erfahrungen, welche Verhaltensänderungen nach sich ziehen.
2.2 Formales Lernen
Laut Lexikon der Pädagogik bezeichnet formales oder formelles Lernen „Formen des institutionellen Lehrens und L[ernen]s …, die sich an expliziten Planungs-, Gestaltungs- und Bewertungsprinzipien orientieren und zu einer Zertifizierung (Zeugnis) führen“ (Lexikon der Pädagogik, 2007, S. 253). Severing ergänzt im Wörterbuch Erwachsenenbildung, dass „das organisierte bzw. formale Lernen … auf die Vermittlung festgelegter Lerninhalte und Lernziele gerichtet“ (Severing, 2010, S. 149) ist.
Der klassische Kontext formalen Lernens sind somit die Schule und alle weiteren staatlichen Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel Universitäten oder Fachhochschulen. Dieser Beschreibung folgt auch das Bildungsministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wenn es im zwölften Kinder- und Jugendbericht schreibt:
„Als formale Bildungsorte gelten insbesondere jene Institutionen, die nicht nur ein dezidiertes Ziel der Bildung ihrer Nutzerinnen und Nutzer verfolgen, sich also ausdrücklich mit Bildungsfragen beschäftigen, sondern die Bildungsprozesse zugleich auch nach definierten Regeln und rechtlichen Vorgaben strukturieren. Dies drückt sich in mehr oder weniger ausgeprägten Formen der Vorstrukturierung, der gezielten Vorbereitung der beabsichtigten Bildungsprozesse, der Überprüfung des Verlaufs und des Erfolgs sowie unter Umständen – wie im Fall von Schule und Hochschule – auch in der anschließenden Zertifizierung und Sanktionierung der erreichten bzw. nicht erreichten Bildungserfolge aus.
(BMFSFJ, 2005, S. 128)
Kurz und prägnant fasst Overwien zusammen: „Eine im deutschsprachigen Bereich inzwischen weit verbreitete Definition kommt aus der Erwachsenenbildung. Formales Lernen ist danach institutionell geprägtes, planmäßig strukturiertes Lernen mit anerkannten Zertifikaten“ (Overwien, 2009, S. 26; Overwien, 2010, S. 41).
2.3 Non-Formales Lernen
Zwischen formalem und informellem Lernen gibt es eine weitere Spielart, welche zwar nicht ganz frei, aber dennoch auch nicht so streng reglementiert ist, wie das formelle Lernen: das non-formale Lernen. Allerdings gibt es bei diesem Begriff erhebliche Differenzen, was non-formales Lernen beinhaltet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2001 einen Bericht über informelles Lernen heraus gebracht. Zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten wurde 2001 gesagt, dass „‘Non-formal learning‘… die Sammelbezeichnung für alle Formen des Lernens, die in der gesamten Umwelt außerhalb des formalisierten Bildungswesens stattfinden“ (bmbf, 2001, S. 18) ist. Das schließt nicht nur Lernen in Kontexten mit ein, welche zwar organisiert sind aber nicht mit einem Zertifikat enden, wie zum Beispiel den Musik- oder Sportverein oder die freiwillige Feuerwehr, sondern auch alle Lernprozesse in der Familie oder in der Peer-Group.
Inzwischen wird in der Regel zwischen den genannten Bereichen noch einmal unterschieden. So präzisiert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Abgrenzung der einzelnen Begriffe in folgender Weise: „Im Unterschied zu formellen und informellen Bildungsprozessen zielt die bereits implizit verwendete Unterscheidung von formalen und non-formalen Bildungssettings auf den Grad der Formalisierung der geplanten Bildungsarrangements“ (BMFSFJ, 2005, S. 128). Dies bedeutet, dass in non-formalen Bildungsarrangements die Curricula deutlich weicher sind. Das Ende eines Lernprozesses wird nicht zwingend mit einem Zertifikat bescheinigt. Dennoch ist non-formales Lernen ein Lernen in einem geleiteten Zusammenhang. Es gibt also immer jemanden der den Lernprozess ‚von außen’ steuert. Der Lernende kann sich entscheiden, ob er an diesem Lernprozess teilhaben möchte oder nicht. Zu verorten ist das „nicht-formales Lernen oder nonformales Lernen in Kursen etc.“ (Overwien, 2009, S. 26; Overwien, 2010, S. 41). Es hat seinen Platz zwischen formalen und informellen Lernprozessen, findet außerhalb von Schule und Hochschule statt aber immer noch in geleiteten Lehr-Lern-Arrangements.
2.4 Informelles Lernen
Informelles Lernen ist ein schwer zu greifender Begriff. So wurde er in den USA bereits in den 1920er Jahren diskutiert. Erneut in den Focus der Diskussion kam der Begriff in den USA in der Erwachsenen- und Berufsbildung in den 1950er Jahren. Erst in den 1990er Jahren trat der Begriff des informellen Lernens auch in Deutschland verstärkt auf.
Lange Zeit blieb der Begriff des informellen Lernens diffus und ist es auch teilweise heute noch, da er zeitweise anderen Lernformen einfach geleichgesetzt wurde. „Die Begriffe informelles Lernen und informelle Bildung werden vielfach aber noch unscharf verwendet. Problem verschärfend kommt bezogen auf Definitionen hinzu, dass der Begriff des informellen Lernens synonym zu selbstgesteuertem Lernen, nichtorganisisertem Lernen, selbständigen Lernen, natürlichem Lernen, impliziten Lernen etc. verwendet wird“ (Overwien, 2007, S. 39).
Nach Overwien findet „informelles Lernen … ungeregelt im Lebenszusammenhang statt“ (Overwien, 2009, S. 26; Overwien, 2010, S. 41). Das Lexikon der Pädagogik formuliert für informelles Lernen: „Lernprozesse …, die nicht in organisierte Zusammenhänge eingebunden sind und primär auf alltäglicher Erfahrung in Familie, Beruf und Freizeit beruhen. … Vielfach findet i[nformelles] L[ernen] ohne Absicht und bewusste (willentliche) Kontrolle statt (beiläufiges Lernen)“ (Lexikon der Pädagogik, 2007, S. 337). Severing formuliert im Wörterbuch Erwachsenenbildung, dass informelles Lernen „jede mit dem Streben nach Erkenntnissen, Wissen oder Fähigkeiten verbundene Aktivität außerhalb der Lehrangebote von Einrichtungen [ist], die Bildungsmaßnahmen, Lehrgänge oder Workshops organisieren. … Informelles Lernen gilt heute nicht als zweitrangige Form des Lernens, sondern als ebenso wichtig und notwendig wie die formale Bildung“ (Severing, 2010, S. 148 f.). Im weiteren Verlauf geht er darüber hinaus auf die große Offenheit des informellen Lernens ein: I[nformelles] L[ernen] zeichnet sich … durch seine Offenheit aus. Es wird in der Regel ohne pädagogische Vorstrukturierung gelernt“ (ibid, S. 149).
[...]
[1] Im Folgenden wird ausschließlich die männliche Form aufgrund der besseren Lesbarkeit verwendet. Dies schließt jedoch beide Geschlechter mit ein.