Vom 25.9. – 28.9.2003 fand am IfS in Frankfurt am Main zu Adornos 100. Geburtstags die
II. Internationale Theodor W. Adorno Konferenz statt. Der Umgang mit den Schriften
Adornos hat sich seit seinem Tod 1969 versachlicht. Eine erste fundamentale
Auseinandersetzung mit der Philosophie und Sozialwissenschaft Adornos fand auf der von
v. Friedeburg und Habermas 1983 einberufenen ersten Adornokonferenz statt. Die
Rückführung der Kritischen Theorie in die Schulphilosophie, Habermas sog. “linguistischer
Turn”, war damals schon vollzogen. Auf dieser 2003 stattfindenden Konferenz war
Adornos moralische Autorität nur noch mittelbar zu spüren und die Auseinandersetzung
mit seinem Werk auf eine nüchterne, aber anregende Basis gehoben. Dass Adornos
Philosophie wie Sozialwissenschaft immer noch als Grundlage zu einer kritischen
Reflexion von Gesellschaft dienen kann, wurde in den Beiträgen der
Symposiumsteilnehmer deutlich. Hier habe ich die von mir besuchten Veranstaltungen im
Hörsaal VI u.a. zusammengefasst: So stellt z.B. Habermas die deterministischen
Anmaßungen der Kognitionswissenschaften und ihre Nicht-Integration in
humanwissenschaftliches Gedankengut in den Vordergrund seiner Überlegungen.
Reemtsma zeigt, dass Adornos projektive Liebe zu literarischen Texten nur bestimmte
Tendenzen der Zeit in der Literatur erfasste. Christoph Menke begreift die Adornosche
Tugendlehre als Verantwortungsethik politischen Handelns, das jedoch im präpolitischen
Zustand einer verkehrten Welt verble ibt. Albrecht Wellmer hinterfragt die musikalische
Fortschrittshypothese Adornos genauso wie seine Dichotomisierung von U- und E-Musik.
Gleichzeitig gesteht er aber der Theorie der Kulturindustrie partielle Gültigkeit zu, genauso
wie Sighard Neckel für Adornos kapitalismusbedingte „Selbstbehauptung ohne Selbst“
Belege in der Gegenwart findet, freilich nicht ohne dieser eine „Selbstbehauptung mit
Selbst“ gegenüberzustellen, die den Sozialtypus des „Reflexiven Mitspielers“ auszeichnet.
Die Workshops setzen sich einerseits mit einer Strukturanalyse der „Dialektik der
Aufklärung“, andererseits mit Adornos pädagogischen Vorstellungen auseinander.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vortrage
- Eröffnungsvortrag: Jürgen Habermas: 'Ich selbst bin ja ein Stück Natur' - Adorno über die Naturverflochtenheit der Vernunft. Überlegungen zum Verhältnis von Freiheit und Unverfügbarkeit
- Jan Philipp Reemtsma: Adorno und die Literatur
- "Moral und subjektiver Impuls"
- Robert Pippin
- Christoph Menke
- "Aspekte der Ästhetik"
- Albrecht Wellmer
- Lydia Goehr
- "Mikrosoziologie des Sozialen": Sighard Neckel
- Workshops
- Workshop I: Dialektik der Aufklärung (Gunzelin Schmid Noerr)
- Workshop II: Erziehung zur Mündigkeit (F.-O. Radtke)
- Anmerkungen zum Workshop III: Minima Moralia
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die II. Internationale Theodor W. Adorno Konferenz, die im September 2003 in Frankfurt am Main stattfand, widmete sich zum 100. Geburtstag Adornos dem kritischen Umgang mit seinen Schriften und dem Einfluss seines Denkens auf die Gegenwart. Die Konferenz beleuchtet die Aktualität von Adornos Philosophie und Sozialwissenschaft in Bezug auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen.
- Die Aktualität der Kritik an der instrumentellen Vernunft und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft
- Adornos Verhältnis zu Literatur und Kultur, insbesondere die Rolle der Kulturindustrie
- Die Relevanz von Adornos Moralphilosophie für aktuelle Debatten, z.B. in der Bioethik
- Die Bedeutung von Adornos Schriften für die Pädagogik und die Erziehung zur Mündigkeit
- Die Rezeption Adornos und die Entwicklung der Kritischen Theorie seit seinem Tod
Zusammenfassung der Kapitel
Der Eröffnungsvortrag von Jürgen Habermas analysiert Adornos Moralphilosophie im Kontext der aktuellen Gen-Technik-Debatte. Habermas zeigt, wie Adornos Freiheits- und Determinismusbegriff helfen kann, die Dichotomie zwischen instrumenteller Vernunft und der Perspektive der Betroffenen zu verstehen.
Jan Philipp Reemtsma betrachtet Adornos Rezeption von Literatur und zeigt, dass Adornos literarische Vorlieben von einem engen Rezeptionskanon geprägt waren.
Im Workshop "Dialektik der Aufklärung" analysiert Gunzelin Schmid Noerr die Struktur und die Argumentation der "Dialektik der Aufklärung", während der Workshop "Erziehung zur Mündigkeit" sich mit Adornos pädagogischen Vorstellungen auseinandersetzt.
Schlüsselwörter
Adorno, Kritische Theorie, instrumentelle Vernunft, Gen-Technik-Debatte, Moralphilosophie, Literatur, Kulturindustrie, Erziehung zur Mündigkeit, Dialektik der Aufklärung
- Arbeit zitieren
- Dominik Sommer (Autor:in), 2004, II. Internationale Adorno-Konferenz am Institut für Sozialforschung/ Frankfurt am Main (25.9.-27.9.2003), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23118