Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Hintikka über den Status von Intuitionen in der Philosophie
2 Intuitionen: Eine kurze Einführung in die Problematik
2.1 VerschiedeneAuffassungenvonlntuitionen
2.2 Intuitionen in der Praxis
2.3 Skeptizismus
3 HintikkaüberdenStatusvonlntuitioneninderPhilosophie
3.1 ÜberdenfalschenUmgangmitlntuitionen
3.2 Intuitionen sind nicht (immer) unbewusst!
3.3 Über den richtigen Umgang mit Intuitionen
3.4 Anwendungsbereiche
4 Hintikkas Ansatz als Kompromiss
4.1 Folgen
4.2 Eine Verwissenschaftlichung der Philosophie als Kompromisslösung?
5 Zusammenfassung und Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Hintikka über den Status von Intuitionen in der Philosophie
Intuitionen sind ein Phänomen, das zweifellos jeder schon einmal erfahren hat und welches sich dabei in ganz alltäglichen Situationen nicht selten bewähren konnte. So sind sie auch tief in der Philosophiegeschichte verankert: Bereits für Aristoteles war das Denken an etwas das authentische Realisieren seiner Form in der eigenen Seele, anhand dessen man durch rein intuitive Erkenntnis alles über diese Form zu erfahren in der Lage war (vgl. Hintikka, 1999, S. 130). Auch Descartes spricht Intuitionen in seinen Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft eine immense Bedeutung zu:
Unter Intuition verstehe ich [...] ein so müheloses und deutlich bestimmtes Begreifen des reinen und aufmerksamen Geistes, daß über das, was wir erkennen, gar kein Zweifel zurückbleibt, oder, was dasselbe ist: eines reinen und aufmerksamen Geistes unbezweifelba- res Begreifen, welches allein dem Lichte der Vernunft entspringt, und das [...] zuverlässiger ist als selbst die Deduktion [...] (Descartes, 1972, S. 10)
Allerdings begegnet die heutige Philosophie Intuitionen nicht mehr mit einer solchen Euphorie: Skeptiker beziehen eine intuitionsfeindliche Position und hegen starke Zweifel an ihrer Verlässlichkeit hinsichtlich einer philosophischen Beweisführung. Auch die experimentelle Philosophie zeigt, wie stark Intuitionen zu ein und demselben Sachverhalt variieren können (vgl. Knobe, 2007). Dem gegenüber stehen überzeugte Befürworter, die intuitiver Erkenntnis nach wie vor eine beweiskräftige Rolle zuschreiben.
In der Debatte um den Status von Intuitionen in der Philosophie scheint der finnische Philosoph Jaakko Hintikka eine Kompromisslösung anzubieten: Seiner Ansicht nach sind Intuitionen durchaus dazu in der Lage, als Beweise zu fungieren, doch müssen sie zunächst einmal kritisch analysiert und in miteinander in Beziehung gesetzt werden. Außerdem schränkt Hintikka ihren Wirkungsbereich stark ein: Während man mit Hilfe von Intuitionen viel über Dinge wie die eigenen Konzepte herausfinden kann, haben sie bei Auseinandersetzungen mit empirischen Fragestellungen nichts verloren.
In dieser schriftlichen Hausarbeit soll Hintikkas Ansatz als eine mögliche Kompromisslösung der aktuellen Debatte um den Status von Intuitionen diskutiert werden. Dabei gilt es auch, mögliche Folgen für die Philosophie an sich zu berücksichtigen. Zu Beginn soll aber erst einmal eine allgemeine Einführung im die Problematik mit Intuitionen als philosophische Beweismittel gegeben werden.
2 Intuitionen: Eine kurze Einführung in die Problematik
Das Metzler Lexikon Philosophie definiert den Begriff Intuition als „unmittelbares Erkennen, Erfassen, Schauen der Ganzheit oder des Wesens eines Dinges oder Sachverhaltes." (Prechtl & Burkard, 2008, S. 279). Intuitionen haben eine sehr emotionale Wirkung auf denjenigen, der sie erfährt und gehen mit einer starken Überzeugung bezüglich ihrer Richtigkeit einher. Allerdings zeigt sich im Nachhinein nicht selten, dass diese nicht unbedingt von jedermann geteilt wird. So tun sich berechtigte Zweifel an intuitiver Beweisführung auf, die unter Anderem auch dadurch gestärkt werden, dass intuitive Erkenntnisse unbewusst und in der Regel nicht weiter analysierbar sind: Wie kann etwas, das sich unserem Verständnis derartig entzieht, als Beweismittel betrachtet werden? Wie soll man mit etwas begründen können, das sich selbst nicht begründen lässt?
2.1 VerschiedeneAuffassungen von Intuitionen
Aber der Reihe nach. Intuitionen stellen in der heutigen Philosophie ein umstrittenes Thema dar und so variieren auch die Ansichten darüber, wo sie überhaupt einzuordnen sind. Anhand von Alexander (2012) und Pust (2012) lassen sich zwei Hauptauffassungen herleiten, die zusätzlich in verschiedene Untergruppen untergliedert sind:
Der doxastischen Auffassung nach sind Intuitionen mit Glauben gleichzusetzen, je nach Vertreter auch als Neigung zu glauben. Ganz im Gegensatz zur phänomenologischen Auffassung wird Intuitionen hier keine eigene Gattung zugeschrieben. Bei letzterer wiederrum wird davon ausgegangen, dass Intuitionen besondere phänomenologische Charakteristika besitzen - worin diese bestehen, ist man sich allerdings uneinig. So glauben Vertreter der semantischen Auffassung an einen abstrakten Inhalt, während Vertreter der ätiologischen Auffassung den Unterschied von Intuitionen zu anderen mentalen Zuständen in ihrem Ursprung sehen. Dem gegenüber steht die methodologische Auffassung, der zufolge dieser Unterschied weniger im Ursprung, als vielmehr in derArt und Weise liegt, wie wir mit unseren Intuitionen umgehen.
Zu einem späteren Zeitpunkt soll versucht werden, Hintikka auf Basis der erarbeiteten Erkenntnisse über seinen Standpunkt einer dieser Auffassungen zuzuordnen. Zuvor gilt es aber, noch einige andere Aspekte zu betrachten. So soll der folgende Abschnitt dem Gebrauch von Intuitionen in der philosophischen Praxis gewidmet sein.
2.2 Intuitionen in der Praxis
Bereits in der Einleitung wurde angedeutet, dass Intuitionen tief in der Philosophie verankert sind und dementsprechend ist auch ihr Anwendungsbereich sehr weitreichend. Intuitionen spielen in der Sprachphilosophie, in Diskussionen über die Natur epis- temischer Rechtfertigung, über die Beziehung von freiem Willen und moralischer Verantwortung eine Rolle, doch vor allem aus der Begriffsanalyse sind sie nicht mehr wegzudenken (vgl. Alexander, 2012).
Aber wie genau finden Intuitionen in der Philosophie Verwendung? Ein aktuelles Beispiel sind Gedankenexperimente. Durch das erschaffen imaginärer Szenarien lassen sich hypothetische Situationen darstellen, über welche eine Person ein intuitives Urteil fällt, welches nicht selten als Beweis für oder gegen eine bestimmte Theorie ausgelegt wird. Dabei lassen sich gewisse Erfolge nicht leugnen: So ließ sich durch den Gettier Case, auf welchen im Rahmen dieser Hausarbeit leider nicht genauer eingegangen werden kann, zum Beispiel die als sicher geltende Annahme, dass der Begriff Wissen als gerechtfertigter, wahrer Glaube zu verstehen ist, widerlegen. Gedankenexperimente dienen der Veranschaulichung, doch sind sie nicht der einzige Fall, in dem Intuitionen zum Tragen kommen.
Ein weiteres großes Einsatzgebiet von Intuitionen in der Philosophie ist der Gebrauch als Beweismittel. An dieser Stelle soll (noch) nicht über das Für und Wider dieser Möglichkeit diskutiert werden - Fakt ist, dass sie quer durch die Philosophiegeschichte Verwendung findet. Pust (2012) schreibt: ,,[...] much philosophical inquiry depends in significant ways on intuitions as evidence or reasons."[1] Dabei dient - so Pust weiter - entweder die Tatsache, dass jemand eine bestimmte Intuition hat, oder der Inhalt einer intuitiven Erkenntnis selber als Beweis.
Während die erstere Möglichkeit noch einen plausiblen Grund für die Berufung auf Intuitionen darstellt, gehen bei letzterer die Meinungen stark auseinander. Grund dafür ist in erster Linie, dass ein nicht zu unterschätzender Teil philosophischer Werke einzig und allein durch die subjektiven Intuitionen ihrer Autoren begründet ist. Das stellt in Anbetracht der Tatsache, dass diese teilweise stark umstritten sind, eine breite Angriffsfläche für Skeptiker dar.
[...]
[1] “[...] ein Großteil philosophischer Untersuchung ist in erheblichem Maße abhängig von Intuitionen als Beweismittel oder Gründen.“
- Arbeit zitieren
- Marco Merten (Autor), 2013, Jaakko Hintikka: Über den Status von Intuitionen in der Philosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231284
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